4 Schnecken und eine Nudel - Benjamin Webster - E-Book

4 Schnecken und eine Nudel E-Book

Benjamin Webster

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Beschreibung

Zweiter Teil der etwas anderen Familiengeschichte. Auch dieses Mal geht es wieder hoch her. Die fünf Geschwister haben wieder zueinander gefunden. Dank zweier Erfindungen, geht es den Bergmanns finanziell wieder gut, die Gewinne sprudeln nur so. Das weckt bei manchem Begehrlichkeiten. Hochtzeit, Verlobung und andere Herzensangelegenheiten stehen an. Viele Überraschungen warten auf die fünf Geschwister und das nicht nur positiv.

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Seitenzahl: 974

Veröffentlichungsjahr: 2016

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4 Schnecken und eine Nudel – Nicht mit uns.

2. Teil der etwas anderen Familiengeschichte

Vorwort

Etwas mehr als ein Jahr ist nun vergangen, als die Eltern der fünf Geschwister Bergmann, durch einen tragischen Autounfall verstorben sind. Plötzlich standen sie nicht nur ohne Eltern, sondern auch ohne Geld da. Dank des Vermögens von Thomas Bergmann, konnte das Familienerbe vor der privaten Insolvenz gerettet werden. Auch die Bergmann Werke, die Sicherheitstechnik herstellt und vertreibt, war davon betroffen. Die vier Mädchen Franziska, Cornelia, Charlotte und Julia mussten damals ihren hohen Lebensstandard, auf ein Minimum reduzieren. Es gab viele Reibereien, aber Thomas ließ sich nicht davon beirren und stellte drei der vier Mädchen vor die Wahl, entweder arbeiten oder sie fliegen aus der Bergmann Villa. Nur Julia hatte einen Job als angehende Ärztin. Inzwischen sind die Wogen wieder geglättet und Dank einer neuen Erfindung, geht es den Bergmanns wieder gut. Alle haben auf die eine oder andere Weise ihren Weg gefunden. Julia schreibt ihre Doktorarbeit. Charly ist bei der Stadt Potsdam angestellt und betreibt eine Suppenküche. Nele hat ihr BWL Studium aufgenommen und Franzi macht eine Lehre als Buchhalterin in den Bergmann Werken. So weit ist alles gut, wenn da nicht die Finanzwelt wäre. Sie wissen, dass die Erfindung des Bergmann-Schlosses eine Gelddruckmaschine ist. So versuchen Finanzhaie, Heuschrecken und finstere Gesellen an das Patent zu gelangen. Mit allen Mitteln versuchen sie, sich die Bergmann Werke einzuverleiben. Doch Thomas widersteht allen Versuchungen und geht unbeirrt seinen Weg weiter. Intrigen, Liebe und Politik geben auch jetzt wieder den Takt des Lebens an. Viel zu lachen haben die fünf dieses Mal nicht. Sie begreifen bald, dass man einen Keil in die Familie treiben will und deshalb rücken sie noch näher zusammen. Unterstützt werden die fünf auch von ihren Freunden, die immer bereit sind zu helfen. Auch dieses Mal gibt es wieder Probleme, die gelöst werden müssen. Zum Beispiel kommt unverhofft ein Pflegekind in die Familie. Es ist die 15 jährige Laura, Tochter eines Freundes von Thomas. Dieser hat ein Unfall nur knapp überlebt und muss für lange Zeit im Krankenhaus und in der Reha bleiben. Wer pubertierende Kinder in diesem Alter hat, kann schon ahnen, was auf die Bergmanns zukommt. Charlotte bekommt es auch wieder mit der Männerwelt zu tun. Wer sie kennt, weiß aber, dass sie sich nicht einschüchtern lässt. Nele ist unterdessen der großen Liebe auf der Spur. Sie hat eine „süße Maus“ umgarnt und hofft auf das große Liebesglück. Franzi hingegen will jemandem helfen, der eigentlich gar keine Hilfe will. Julia ist immer noch mit Jo zusammen. Privat läuft alles rund, aber im Beruf ziehen dunkle Wolken auf. Hat die angehende Ärztin einen Patienten falsch behandelt? Thomas und Klara sind beruflich und privat sehr eng miteinander verbunden. Ob das wohl gut geht? Ich wünsche ihnen, wie immer, gute Unterhaltung. Ihr Autor Benjamin Webster.

www.benjamin-webster.de                           Germany 2016

Kapitel 1 – Familienzuwachs

Thomas Bergmann stand am Fenster der Bergmann Villa. Die Bäume auf seinem weitläufigen Grundstück hatten bereits alle Blätter verloren. Der Gärtner Hans mühte sich das Laub vom Boden zu entfernen und es in einen fahrbaren Container zu schaufeln. Alles wirkte so trist und kalt. Kein Wunder, war es doch schon Ende November und die ersten Vorboten des nahenden Winters, zeigten sich schon. Nachts gab es bereits Frost und wenn es dann regnete oder Nebel aufzog, wurde alles mit einer Schicht Raureif überzogen. Vor über einem Jahr stand er schon einmal hier an diesem Fenster. Nur überlegte er damals, wie es mit dem Betrieb und der Bergmann Villa weitergehen sollte. Heute hingegen, gab es zumindest keine finanziellen Probleme mehr. Dank seiner Erfindung des Bergmann-Schlosses, wurde er innerhalb kürzester Zeit sehr reich. Eigentlich ist das ein Grund um sich zu freuen. Doch Thomas wollte sein Reichtum nicht auf irgendeinem Konto horten, sondern machte sich Gedanken darüber, wie er dieses Geld sinnvoll anlegen könnte. Er hatte einige Ideen, die aber allesamt sehr kostspielig waren. Mitten in seinen Überlegungen läutete das Telefon. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Auf der anderen Seite der Leitung war der Chef der Friedhofsverwaltung, Herr Mangold. Er fragte: „Haben sie inzwischen eine Entscheidung getroffen, wie sie das Grab ihrer Eltern gestalten möchten?“ Mangold hatte vor einigen Tagen schon einmal angerufen und ihn gebeten, er solle sich das Grab seiner Eltern einmal ansehen, weil sich die darauf befindliche Erde gesenkt hatte. Der Grund dafür war, weil die Särge darunter eingebrochen waren. Thomas: „Ich habe mit der Steinmetzfirma gesprochen und bereits eine Grabplatte in Auftrag gegeben. Nur bis die fertig ist, dauert es noch ein paar Tage. Sie können ja in der Zwischenzeit die fehlende Erde auffüllen und diese verdichten. Den Rest macht dann der Steinmetz.“ Mangold: „Geht in Ordnung, Herr Bergmann. Dann fangen wir am Montag damit an das Grab zu rekultivieren und füllen die Erde wieder auf. Ab Mittwoch kann dann die Platte gesetzt werden. Bis Ende der Woche sende ich ihnen dann die Rechnung zu. Einen schönen Tag wünsche ich ihnen noch, Herr Bergmann.“ Thomas legte auf und sagte leise vor sich hin: „Typisch Beamter. Noch nichts getan, aber schon die Rechnung stellen. Hier kann man nicht einmal kostenlos sterben.“ Eine Stimme aus dem Hintergrund ergänzte daraufhin laut: „Umsonst ist der Tod, der kostet nur das Leben.“ Es war sein Kumpel und enger Mitarbeiter, Jo Heinze. Thomas drehte sich um und meinte lakonisch: „Wie Recht du hast. Und was ist nach dem Tod? Hast du schon einmal darüber nachgedacht?“ Jo setzte sich vor das offene Kaminfeuer und zündete sich eine Zigarette an. Nach reiflicher Überlegung, meinte er: „Was wird da sein? Nichts wird da sein. Oder glaubst du, wenn du den Löffel abgibst, kommt ein Engel und holt dich ab?“ Thomas setzte sich zu ihm und stellte zwei Gläser und eine Flasche Single Malt Whiskey auf den kleinen Tisch vor dem Kamin. Er schenkte beide Gläser ein und antwortete: „Und was ist mit dem ewigen Leben, wie es die Bibel sagt? Die meint ja, dass der Körper hier bleibt und die Seele in den Himmel zu Gott aufsteigt.“ Jo: „Ich weiß was die Bibel schreibt, kann aber leider nichts damit anfangen. Wie muss ich mir dass ewige Leben vorstellen? Ich sitze dann für immer auf einer Wolke und muss Hosianna singen, wie es der „Münchner im Himmel“ beschreibt? Und was ist, wenn ich dem da oben nicht gut genug bin, wie sieht dann die Hölle aus?“ Thomas nahm sein Glas, prostete ihm zu und trank einen Schluck. Dann antwortete er: „Keine Ahnung mein Lieber, aber wenn es dort so guten Single Malt gibt, wäre das schon ein kleiner Schritt für paradiesische Zustände.“ Jo: „Ein Paradies sieht für mich aber anders aus.“ Thomas: „Und wie müsste es, deiner Meinung nach aussehen?“ Jo wollte gerade anfangen aufzuzählen, wie er sich das Paradies vorstellte, da kam seine Freundin Julia dazu. Sie sagte spitz: „Das würde mich jetzt auch interessieren. Sag aber ja nichts falsches, mein Schatz.“ Jo musste schnell umdisponieren. Hatte er doch gerade noch Männerfantasien vom Paradies aufzählen wollen, so erklärte er nur kurz: „Da oben wirst du den ganzen Tag arbeiten müssen und das für ewig. Man kann doch nicht bis in alle Ewigkeit nichts tun. Da wird man doch bekloppt.“ Julia: „Du meinst also, wenn man in den Himmel kommt, gibt es keine Freude mehr? Kein Schnaps, keinen Sex und keine anderen Freuden die man sich auf Erden gegönnt hat?“ Jo wusste genau, wenn er jetzt etwas falsches sagen würde, hätte er mächtig Ärger an der Backe. Jo: „So in der Richtung etwa. Denn Sex, Schnaps und andere Vergnügungen sind doch nichts anderes als des Teufels Erfindungen, um uns in Versuchung zu bringen.“ Julia: „Dann bin ich also ein Teufel in deinen Augen?“ Jo: „Wieso dass denn?“ Julia setzte sich auf seinen Schoß und nahm das Glas vom Tisch und nippte genüsslich daran. Dann führte sie es an seine Lippen und meinte verführerisch: „Trink mein Liebster und genieße das göttliche Getränk.“ Jo trank und Julia drückte dabei ihren Busen an ihn und sprach weiter: „Und wenn du fertig bist, zeige ich dir wie Gott mich geschaffen hat.“ Jo schluckte und sagte ganz spontan: „Hinweg von mir, du teuflisches Weib.“ Thomas konnte nicht anders und fing laut an zu lachen. Julia: „So stellst du dir den Himmel vor, wie alle anderen Männer auch. Lauter nackte und immer willige Frauen sind den ganzen Tag um euch und bedienen und verwöhnen euch.“ Jo: „Das wäre ja die Hölle. Ein Himmel für mich gibt es nur mit dir zusammen. Ohne dich da oben, würde ich eingehen, ich brauche dich doch.“ Julia stand wieder auf und setzte sich neben ihn. Thomas: „Egal wie es da oben aussieht, wir werden es irgendwann erfahren, oder auch nicht. Genießen wir es, solange wir es noch können. Prost.“ Jo fragte Julia: „Und wie stellst du dir den Himmel vor, mein Engel?“ Julia: „Du weißt, dass ich Ärztin bin. Und wir Ärzte sind nicht besonders Gottesfürchtig. Wir sehen jeden Tag, wie Menschen sterben und glaube mir, mein Schatz, bisher habe ich noch nie gesehen, wie jemand in den Himmel aufgestiegen ist. Auch ein Engel ist mir noch nie begegnet. Genauso wenig wie Luzifer oder der Sensemann. Wenn du stirbst, ist das Leben zu Ende und dann geht alles organische seinen irdischen Weg und zerfällt. Asche zu Asche, Staub zu Staub.“ Thomas: „Ja, Jo, so ist sie nun einmal, meine Lieblingsschwester. Ein Atheist, durch und durch.“ Jo: „Aber für mich ist sie ein Engel.“ Das ging runter wie Öl und Julia warf ihm einen besonders lieben Blick zu und hauchte übertrieben: „Oh, Danke mein Geliebter.“ Thomas schüttelte nur mit dem Kopf und sagte: „Gütiger Himmel, muss Liebe schön sein. Wenn ich störe, sagt es nur.“ Nun kam auch Klara Schönfeld, Thomas Freundin dazu. Sie fragte neugierig: „Bei was störst du?“ Thomas: „Beim Leibesgeflüster der beiden.“ Julia: „Ich habe die beiden Herren gerade beim plaudern gestört. Ihr Thema war, das Paradies. Als ich dazu kam, wollte Jo gerade erklären, wie er sich das Paradies vorstellt.“ Klara: „Das kann ich dir genau sagen, wie es sich alle Männer vorstellen.“ Thomas: „Und, wie stellen wir uns das vor?“ Klara: „Mit nackten, willigen Frauen, die euch den ganzen Tag bedienen. Ihr Männer seid doch, was eure Fantasie betrifft alle gleich. Nur Sex und Arbeit im Kopf.“ Thomas: „Aber es soll Frauen geben, die denken scheinbar das Gleiche, oder wie kannst du mir sonst erklären, dass so viele Paare Kinder bekommen?“ Klara: „Das machen wir Frauen nur, damit die Menschheit nicht ausstirbt. Wir haben nun einmal ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl.“ Alle fingen nun an zu lachen. Julia: „Lass den Männern ihre Fantasien. Solange sie nur davon träumen, geht das in Ordnung.“ Jo: „Wie großmütig ihr Frauen doch seit. Was würden wir tun ohne euch?“ Julia sah ihn an und antwortete verschmitzt: „Euch jeden Tag am Ding herumspielen, bis ihr einen Tennisarm habt.“ Klara und Julia lachten, nur die beiden Männer nicht. Thomas meinte nur: „Ab morgen gibt es nur noch geschnittene Würstchen und keine Möhren und Gurken mehr.“ Nun lachten nur die beiden Männer, die Frauen hielten sich merklich zurück. Das Telefon klingelte und beendete so, die schon peinliche Konversation. Es war Maria, die Haushälterin und gute Seele des Hauses Bergmann. Maria: „Mein Wagen hat den Geist aufgegeben und ich kann Karl nicht erreichen. Kann mich jemand am Supermarkt abschleppen?“ Thomas: „Ich schicke dir Franz vorbei, der ist nämlich noch hier. Er kommt gleich.“ Thomas ging in sein Arbeitszimmer und fragte Franz, ob er bitte Maria am Supermarkt abholen könnte. Dieser ließ alles stehen und liegen und machte sich gleich auf den Weg zu ihr. Dr. Franz Konrad war ein sehr guter Freund der Familie und gleichzeitig juristischer Berater der Bergmann Werke. Franz, Jo Heinze, Dirk Ommer und Thomas bildeten gemeinsam die Geschäftsleitung, der Bergmann Werke. Dazu kamen noch Kevin Gassner, der Marketing Chef und Carsten Braun, der Leiter des Werkes in Schanghai. Sie alle bilden das Gehirn und die Seele der Firma Bergmann. Alle Entscheidungen trafen sie gemeinsam und jeder hatte sein Aufgabenbereich, für den er alleine verantwortlich war. Thomas ging in den blauen Salon zurück und setzte sich wieder auf seinen Sessel. Kaum das er saß, kam auch Charly und Nele dazu. Sie kamen aus der Stadt vom Einkaufsbummel zurück. Es fehlten eigentlich nur noch Kathi und Franzi, dann wäre die Familie vollständig. Der damalige Hausgast Kathi Haberer, war inzwischen in Julias alte Wohnung gezogen. Kathi arbeitet auch im Werk und ist die Leiterin vom Schreibpool, den vorher Thomas Freundin Klara innehatte. Klara hingegen wurde Assistentin der Geschäftsleitung. Und wieder läutete das Telefon. Dieses Mal stand Jo auf und hob ab. Es war Carsten Braun aus Schanghai, er wollte mit Thomas via Internet sprechen. Thomas und Jo begaben sich ins Arbeitszimmer und starteten gleich die Videokonferenz. Braun kam gleich zur Sache: „Hallo Chef. Wir haben hier ein großes Problem. Wir fahren jetzt schon seit drei Monaten Doppelschichten, aber immer noch ist die Nachfrage größer, als die Produktion. Es gibt eigentlich nur drei Möglichkeiten. Erstens, wir erweitern die Produktionshalle durch einen Anbau. Zweitens, wir stellen auf drei Schichten um, oder drittens wir vergeben hier in China, Lizenzen für das Bergmann-Schloss.“ Thomas: „Ist es wirklich so schlimm?“ Braun: „Ich würde nicht anrufen, wäre es nicht so drastisch. Ich bekomme täglich mehr Aufträge herein, als wir hier bewältigen können. Tendenz ist steigend. Was wollen sie tun? Sie müssen das entscheiden.“ Thomas sah Jo an und fragte ihn: „Wie lange halten das die Roboter durch, wenn wir auf 24 Stunden Betrieb umstellen?“ Jo grübelte einen Moment und erklärte: „Ist doch ganz einfach. Die Hälfte der Roboter ist fast neu, die dürften noch gut zwei Jahre aushalten. Der Rest könnte, wenn sie regelmäßig gewartet werden, noch einige Monate laufen. Ich schlage deshalb bei den alten Modellen, eine vorübergehende Verlängerung der Schichten auf 12 Stunden vor. Die Neuen können auf 24 Stunden umgestellt werden.“ Thomas: „Finden sie dafür auch genügend Mitarbeiter?“ Braun: „Das ist das kleinste Problem. Wir brauchen aber auch mehr Rohlinge von den Zulieferfirmen. Bringen sie mir mehr Rohlinge und um den Rest kümmere ich mich. Ich will aber noch nebenbei erwähnen, dass wir dann auch höhere Abschläge an Strom und Gas, sowie mehr Lohngelder bezahlen müssen. Entsprechend hoch sollten auch ihre Zahlungsanweisungen sein.“ Thomas: „Mailen sie mir doch ihre Berechnungen und die Buchhaltung erledigt das dann. Machen sie eine Auflistung der Mehrkosten und schicken sie die mir mit dem nächsten Monatsbericht dazu.“ Sie verabschiedeten sich und wünschten ihm noch ein schönes Wochenende. Thomas sah auf die Uhr. Es war soeben 18:00 Uhr geworden. Ab jetzt war er für niemanden mehr aus der Firma zu sprechen. Es war Wochenende. Er hatte Klara versprochen, Freitag von 18:00 Uhr bis Montag 8:00 Uhr nur noch Privatmann zu sein. Keine Telefonate, keine Mails und keine Besuche im Büro. Auch das Arbeitszimmer war Tabu. Nur für den äußersten Notfall, hatten der Wachdienst und die beiden Hausmeister, Jürgen Wuttke und Xaver Unruh die Privatnummer von ihm. Am Anfang hatte Thomas jedes Wochenende durchgearbeitet. Doch seit zwei Monaten trat Thomas wieder kürzer, schließlich gibt es neben der Arbeit auch ein Privatleben, auch Freizeit genannt. Jo resümierte: „Auf Dauer müssen wir etwas tun.“ Thomas: „Wir müssen expandieren, das ist mir schon klar. Aber wo fangen wir an? Hier in Potsdam haben wir erst ein zweites Werk eröffnet, in Schanghai ist der Platz begrenzt. Dort können wir höchstens noch zwei- bis dreihundert m² anbauen, dann ist Schicht im Schacht. Die Gesamtfläche im Hauptwerk haben wir auch ausgereizt, da geht auch nichts mehr. Im Werk II in Potsdam, läuft die Produktion auch schon auf Hochtouren. Dort können wir notfalls auf zwei Schichten umstellen. Also, was schlägst du vor?“ Jo überlegte und antwortete: „Wien fehlt uns. Zumindest für die Produktion unserer Platinen. Vielleicht sollten wir für den osteuropäischen Markt, wieder nach Österreich gehen. Aber das ist nur so eine Überlegung. Und da ist ja noch der Markt in Übersee. Von Potsdam aus, haben wir zu lange Produktionswege. Wenn wir näher an einem Überseehafen wären, würden wir viel Geld sparen, dass wir wieder woanders einsetzen könnten.“ Thomas: „Aber Wien ist zu weit von Potsdam weg, da entstehen auch wieder Kosten.“ Jo: „Ich meinte ja nicht Wien, wir könnten ja auch Salzburg ins Auge fassen. Das liegt näher an Potsdam und ist ja auch Österreich.“ Thomas: „Wäre eine Überlegung wert. Und wo könnten wir uns noch niederlassen?“ Jo: „Hamburg. Dort sind sie für jeden Arbeitsplatz dankbar und sie haben einen großen Überseehafen.“ Klara kam nun ins Büro und zeigte mit dem Finger auf die Uhr. Thomas verstand sofort was sie meinte und sagte zu Jo: „Wie war das vorhin mit dem Paradies?“ Klara: „Egal welche Fantasien ihr hattet, aber euer Paradies ist im Augenblick hier. Also, macht langsam Feierabend. Maria und Franz sind auch schon zurück. Sie hat gesagt, in zwanzig Minuten ist das Essen fertig, also beeilt euch bitte.“ Die beiden redeten noch eine Weile und setzten sich dann wieder in den blauen Salon. Die ganze Familie hatte sich rund um den Kamin gesetzt. Charly und Franzi führten ihre neuen Kleidungsstücke vor und nannten auch die Firmen, wo sie es gekauft hatten. Die Modenshow ging solange, bis jedes der Geschwister mindestens einmal ein Teil angezogen hatte. Jo und Thomas widmeten sich derweil dem geistigen, sprich dem Single Malt. Jo flüsterte leise zu Tommi: „Warum machen die Frauen immer so ein Brimborium wegen den Klamotten? Wenn ich mir ein Hemd oder eine Hose kaufe, dann probiere ich das Teil an und wenn es passt, kauf ich es. Es ist doch nur etwas zum anziehen, damit man entweder nicht nackt herumläuft, oder nicht friert. Mehr nicht.“ Thomas: „Das machen die Mädels doch nur für uns Männer. Die wollen doch nur für uns hübsch aussehen. Wenn es keine Männer gäbe, dann würden sie alle in schwarzen oder weißen Klamotten herumlaufen.“ Jo: „Mir ist doch egal was eine Frau an hat. Hauptsache ist doch, sie hat etwas im Kopf. Was nützt es, wenn sie aussieht wie Miss Universum und hat einen IQ einer Banane.“ Thomas musste so laut lachen, dass er das Interesse von Charly weckte. Sie fragte: „Was gibt es denn zu lachen, Bruderherz? Findest du unsere Klamotten so lächerlich, oder sehen wir darin nur lächerlich aus?“ Thomas wollte gerade antworten, da kam Gott sei Dank Maria herein und rief ganz laut: „Das Essen ist fertig. Wenn ich die Herrschaften also bitten dürfte?“ Wie man unschwer erkennen kann, sind die Bergmanns eine ganz normale Familie. Sie lieben und streiten sich, wie jede andere Familie auch. Es gibt aber auch Umstände, die eine Familie aus dem Gleichgewicht bringen kann. Alles begann am Samstagmorgen. Gegen 9:00 Uhr klingelte das Telefon der Bergmanns. Maria nahm ab und ein freundlicher Herr wollte Thomas sprechen. Der saß gerade mit Klara beim Frühstück, als Maria ihm den Hörer übergab. Thomas: „Bergmann.“ Anrufer: „Na, du Zahlenwunder gibt es dich noch? Nun rate einmal wer dran ist?“ Thomas wusste sofort wer am anderen Ende der Leitung war und antwortete: „Das gibt es doch nicht. Dr. Leonhard Lellinger höchstpersönlich. Wie lange haben wir nicht miteinander gesprochen? Drei oder gar vier Jahre? Wie geht es dir, was machst du so?“ Lellinger: „Mir geht es gut. Aber bevor du weiter fragst, ich bin morgen in Berlin. Können wir uns treffen?“ Thomas: „Klar können wir uns treffen. Wann und wo?“ Lellinger: „Das kann ich dir noch nicht genau sagen. Ich fliege morgen mit einen befreundeten Geschäftsmann in seinem Privatjet mit. Ich kann dir noch nicht sagen, wann ich in Berlin ankomme. Aber ich rufe dich an, wenn ich gelandet bin. Du wohnst bestimmt noch in diesem alten Kasten in Potsdam?“ Thomas: „Mach dich ruhig lustig über meine Villa. Du wärst ja froh du dürftest einmal in meinem Kohlekeller übernachten, damit du etwas zum angeben hast. Ich hoffe, du bleibst länger?“ Lellinger: „Ich habe am Montag noch ein abschließendes Gespräch mit dem Dekan der Universität. Ich fange nämlich ab 1.Dezember als Dozent dort an. Muss nur noch das mit der Wohnung regeln. Ich erkläre dir alles morgen.“ Thomas: „OK. Das heißt, du ziehst mit der ganzen Familie hierher?“ Lellinger: „So ist es, mein Bester. Aber ich muss jetzt aufhören, sonst verpasse ich meinen Zug noch. Also bis morgen. Ich freu mich.“ Thomas: „Bis morgen. Ich freu mich auch. Übrigens wohnt Jo auch hier, das wird lustig. Tschüss.“ Klara verfolgte das Gespräch und fragte: „Ein Freund von dir und Jo?“ Thomas: „Zuerst war es unser Dozent in Frankfurt und später wurden wir richtig gute Freunde. Leo hat uns die Betriebswirtschaftslehre näher gebracht. Es waren richtig gute Jahre. Ich möchte sie nicht missen.“ Klara: „Hat er Familie?“ Thomas: „Ja, er ist verheiratet und hat eine Tochter, die Laura. Sie dürfte inzwischen so um die 14- oder 15 Jahre alt sein. Seine Frau Viktoria hat als Lehrerin in einer Sonderschule für Behinderte gearbeitet. Sie ist auch ganz nett.“ Und Thomas erzählte Klara, wie sie sich kennengelernt hatten und wie sie Freunde wurden. Auch dass sie gemeinsam im Urlaub waren, berichtete er ihr. Als Jo zum Frühstück kam, erzählte er ihm gleich vom Telefonat mit Lelle. Lelle war der Spitzname von Lellinger. Klara fragte: „Und warum habt ihr euch so lange nicht mehr gesehen?“ Jo: „Er hat ein besseres Angebot von der Universität aus München bekommen. Dort wurde er sogar verbeamtet und ihm war Sicherheit schon immer wichtig. Er hat viele Angebote aus der freien Wirtschaft gehabt, aber alle ausgeschlagen. Das meiste was wir gelernt haben, hat er uns beigebracht. Er ist einer der Besten auf seinem Gebiet. Wie er weg ging, haben viele schon Thomas als seinen Nachfolger gehandelt, aber dein Freund hat es vorgezogen Investment Banker zu werden.“ Thomas: „Komm lass das jetzt, dass ist Schnee von gestern. Es gut so wie es ist, ich bereue nichts.“ Klara: „Davon hast du mir ja gar nichts erzählt.“ Thomas: „Da gibt es auch nicht viel zu erzählen. Ich hatte meinen Master und habe mich dann für den Job in der Wirtschaft entschieden. Wenn ich den Job auf der Uni angenommen hätte, hätte ich mit höchster Wahrscheinlichkeit nie die Liebe meines Lebens kennengelernt und das allein bestärkt mich, dass ich alles richtig gemacht habe.“ Jo: „Ja, ja, wo die Liebe hinfällt, da wächst kein Kraut mehr.“ Klara: „Du musst es ja wissen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du Julia den Hof gemacht hast. Wie ein verliebter Gockel bist du herum stolziert. Julia hinten, Julia vorne.“ Jo: „Ist ja schon gut. Ich habe doch nur Spaß gemacht. Thomas hat Recht, es gut so wie es ist. Ohne ihn hätte ich Julia auch nicht kennengelernt. Wann kommt Lelle morgen?“ Thomas: „Er ruft kurz vor der Landung an. Er fliegt mit einem Geschäftsmann im Privatjet mit. Er konnte noch nicht sagen wann er landet.“ Nach dem Frühstück waren Klara und Thomas einen Augenblick alleine in der Küche. Klara stand auf und setzte sich auf den Schoß von Thomas und sagte: „Danke, für das wunderschöne Kompliment, dass ich die Liebe deines Lebens bin. Es ist wohl dass schönste Kompliment, was eine Frau von ihrem Freund oder Partner bekommen kann. Mir geht es aber genauso wie dir. Du bist für mich die große Liebe, nach dir wird es nie wieder eine andere geben. Es ist schön das es dich gibt.“ Thomas konnte nichts mehr erwidern, weil ihre Lippen schon seine berührten und ein langer und inniger Kuss folgte. Und wie es so ist, wenn zwei sich sehr nahe sind, kommt meist ein dritter hinzu und klopft Sprüche. Es war Franzi die herein kam und ganz trocken meinte: „Verschluckt euch nicht. Vor dem Zäpfchen halt machen, Zahnspangen und Brücken nicht lutschen.“ Klara: „Da spricht der Neid der Besitzlosen.“ Franzi: „Nein, ich gönne euch doch euer Glück. Aber ein bisschen neidisch darf man doch noch sein, oder nicht?“ Beide standen nun auf und Thomas gab Franzi einen Schmatz auf die Wange und sagte: „Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt, Lieblingsschwester.“ Franzi: „Einen Teil davon würde mir schon genügen, denn andere möchten ja auch noch ein wenig Glück haben.“ Tommi und Klara mussten noch in Klaras Wohnung fahren, um so nach und nach ihre Wohnung aufzulösen. Thomas hatte sie schon vor Monaten gebeten, doch für ganz in die Bergmann Villa zu ziehen. Klara wollte aber noch etwas warten. Damit sie sah, dass er es ernst meinte, bot er Klara sogar einen Mietvertrag an, so dass sie bei einem eventuellen scheitern ihrer Beziehung, nicht ohne ein Dach über dem Kopf da stand. Er wollte noch schnell nach oben gehen um ihre Jacken zu holen, da kamen Nele und Charly in die Küche. Charly fragte Nele: „Nun sag schon, mach es nicht so spannend.“ Klara und Franzi wurden hellhörig und schauten Nele interessiert an. Thomas hatte unterdessen die Küche schon verlassen, da kam Jo dazu. Schlagartig wurde es ruhig in der Küche. Jo merkte das sofort, sah die Frauen an und fragte: „Habe ich eine ansteckende Krankheit, oder das falsche Hemd an? Warum starrt ihr mich so an?“ Charly: „Du störst.“ Jo: „Ich will mir doch nur etwas zu trinken holen, oder muss ich das in Zukunft schriftlich beantragen? Und warum störe ich, wenn man bescheiden fragen darf?“ Charly: „Wir wollen uns unterhalten, aber ohne Männer.“ Jo: „Entschuldigung, dass ich geboren bin, aber hellsehen kann ich noch nicht. Und über was wollen die Damen des Hauses sich austauschen, wenn man weiter fragen darf?“ Nele antwortete genervt:  „Frauensachen, nichts für Männerohren. Alles intim.“ Jo hatte sich inzwischen Mineralwasser aus dem Kühlschrank genommen und holte ein Glas aus dem Küchenschrank. Dann meinte er: „So, so, Frauensachen. Und was muss ich mir darunter vorstellen?“ Franzi: „Jo, du nervst. Setz dich einfach in den blauen Salon und rauche eine Zigarette.“ Jo wollte noch etwas sagen, da kam Thomas zurück. Der sah gleich das etwas nicht stimmte und fragte: „Was ist los?“ Jo: „Frauengeschichten, du nervst.“ Charly: „Können wir Mädels nicht einmal uns in aller Ruhe und alleine über intime Dinge unterhalten, die nichts für Männerohren sind?“ Thomas sah Jo an und forderte ihn auf: „Komm, wir ziehen uns in den blauen Salon zurück. Wenn die Damen dann fertig sind, können sie uns ja Bescheid geben.“ Er zog Jo am Ärmel seines Hemdes und beide verließen die Küche. Jo schüttelte nur mit dem Kopf und sagte: „Weiber, kennst du eine, kennst du alle. Das geht jetzt bestimmt eine Stunde bis die Quasseltanten fertig sind. Wie heißt es doch, ein Mann ein Wort, eine Frau ein ganzes Wörterbuch.“ Thomas: „Dann haben wir genügend Zeit, um uns darüber zu unterhalten, wie wir die fehlende Kapazitäten in den Griff bekommen.“ Die beiden machten abwechselnd Vorschläge, um das Problem zu lösen. Viele Möglichkeiten wurden angesprochen und wieder verworfen. Was Thomas aber auf keinen Fall wollte, war noch mehr Lizenzen zu vergeben. Sein Hauptargument war: „Warum soll ich anderen Firmen meine Gewinne einstreichen lassen? Die machen auf meine Kosten horrende Gewinne und wenn sie genug verdient haben, dann umgehen sie mein Patent in irgendeiner Weise und produzieren hinter meinem Rücken das Bergmann – Schloss, auf eigene Rechnung. Wir haben ja gesehen, wie sie das in Schanghai gemacht haben.“ Jo gab ihm da Recht und meinte: „Dann bleibt dir nichts anderes übrig, als noch eine, wenn nicht sogar zwei weitere Produktionsstraßen zu bauen. Ich weiß, dass kostet im ersten Augenblick viel Geld, aber spätestens in einem halben Jahr nach Produktionsbeginn, hast du die Investitionen wieder drin.“ Sie diskutierten noch eine Weile, bis Jo sagte: „Komm lass uns schauen was die Mädels machen. Irgendwann müssen die doch fertig sein mit ihren Frauengeschichten. Würde ja gerne Mäuschen sein und wissen was die da quatschen.“ Thomas: „Da gibt es nur ein paar Dinge über die sie sich unterhalten. Männer, Schuhe, Klamotten, Liebeskummer und Diäten, mehr fällt mir im Moment auch nicht ein. Aber fragen wir sie doch. Die hatten jetzt über eine Stunde Zeit gehabt, beenden wir doch das Plauderstündchen.“ Als sie in die Küche kamen, saßen die Frauen der Bergmann Villa am großen Tisch. Jede hatte eine Tasse Kaffee vor sich. Manche ein Glas Sekt oder ein Likörchen. Die Mädels der Bergmanns, Jule, Nele, Charly und Franzi, sowie Maria die Haushälterin, Klara und Kathi. Bei sieben Frauen, stehen zwei Männer auf verlorenem Posten. Die beiden versuchten erst gar nicht etwas über ihr Gespräch in Erfahrung zu bringen. Sie setzten sich einfach unaufgefordert dazu und tranken einen Kaffee mit. Jo und Thomas mussten sich viele Sprüche anhören, die sich gegen das männliche Geschlecht richteten. Und die meisten davon, wie sollte es auch anders sein, wurden über das männliche Genital gemacht. Penis Witze über deren Länge, Umfang und Größe,  Penis Geschichten wie aus 12 Zentimeter plötzlich 25 Zentimeter werden, keine Zote wurde ausgelassen, um Männer der Lächerlichkeit preiszugeben. Thomas und Jo machten gute Miene zum bösen Spiel. Aber das Blatt wendete sich erst, als Hans Wiener der Gärtner, Franz Konrad und Karl Hansen der Chauffeur noch dazu kamen. Jetzt bekamen die Herren der Schöpfung Oberwasser, weil auch die Witze gegen das weibliche Geschlecht härter und deftiger wurden. Da gab es dann auch bildliche Vergleiche über die Beschaffenheit der einzelnen Teile, des weiblichen Geschlechtsapparates. Das tat aber der ausgelassenen Stimmung keinen Abbruch. Ein Witz jagte den anderen und nun war es egal, wer über wen und dessen Teil herzog, Hauptsache es war lustig. Ich will hier nicht ins Detail gehen, schließlich ist das kein Witz Buch, sondern ein seriöser Roman. Nach zwei Stunden besannen sich die einzelnen Mitglieder des Hauses Bergmann, was sie noch am heutigen Tag machen wollten. Nach und nach löste sich die Gesellschaft auf und jeder ging dem nach, was er noch erledigen musste.

In Klaras Wohnung angekommen, zerlegte Thomas als erstes den Kleiderschrank. Sie hatte ihn zuvor ausgeräumt und ihre Wäsche in Kartons verpackt. Klara fragte dann plötzlich: „Willst du gar nicht wissen, über was wir gesprochen haben?“ Thomas: „Eigentlich nicht. Aber wenn du es mir unbedingt erzählen möchtest, nur zu, ich höre.“ Klara: „Nun mach bitte nicht so gleichgültig, ich weiß genau, dass es dich brennend interessiert.“ Thomas: „Mich interessiert im Augenblick etwas ganz anderes.“ Klara: „Und was ist das?“ Thomas: „Warum sich Lelle noch nicht gemeldet hat. So kenne ich ihn gar nicht.“ Klara: „Vielleicht ist ihm etwas dazwischen gekommen, oder er kommt erst am Abend nach Berlin. Hast du denn keine Handynummer von ihm?“ Thomas schüttelte mit dem Kopf und antwortete: „Nein, seine neue Nummer habe ich nicht. Er hat mich ja vom Bahnhof, von einer Telefonzelle aus angerufen. Na ja, er wird sich bestimmt noch melden. Aber was wolltest du mir gerade erzählen?“ Klara: „Also doch neugierig?“ Thomas setzte sich auf das Bett und zündete sich und Klara eine Zigarette an. Dann meinte er: „Nun erzähl schon und spanne mich nicht auf die Folter.“ Klara: „Du darfst es aber niemand weitersagen, was ich dir jetzt im Vertrauen erzähle. Schwöre es.“ Thomas nickte und hob symbolisch drei Finger. Dann fing Klara an: „Also, es geht um Nele. Nach dem Fiasko mit ihrer Ex Freundin Karin Münster und dem Schwangerschaftsabbruch, hatte sie die Nase von einer Beziehung voll. Sie fing an zu studieren und als sie zum ersten Mal in den Hörsaal kam, stand da plötzlich diese Dozentin vorne, stellte sich vor und Nele war wie vom Blitz getroffen. Sie war für diese „süße Maus“ sofort Feuer und Flamme. Nele wusste aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob sie hetero oder lesbisch ist. Einige Tage später hat sie sie dann abends in einem Café gesehen und ist dann ganz spontan hineingegangen und hat sich zu ihr an den Tisch gesetzt. Im Laufe der Unterhaltung hat sie dann festgestellt, dass sie auch lesbisch ist. Ja und so nahm die ganze Sache ihren Lauf. Inzwischen sind die beiden ein heimliches Paar. Es muss ja nicht jeder wissen, dass sie lesbisch sind, du weißt ja, wie sich sonst die Kommilitonen das Maul zerreißen, ganz zu schweigen vom Lehrkörper.“ Thomas: „Sie an, meine kleine Schwester hat wieder ein Häschen gefunden. Und hat sie auch gesagt, wie das weitergehen soll? Schließlich ist die Maus ihre Dozentin. Da könnten leicht Gerüchte aufkommen, dass sie von ihr protegiert wird.“ Klara: „Deshalb hat Nele auch den Dozenten gewechselt. Sie will auf keinen Fall, dass ihre Maus, Schwierigkeiten bekommt. Silke Schwörer heißt sie, ist 32 Jahre alt und wohnt in Spandau.“ Thomas: „Hoffentlich hat sie dieses Mal mehr Glück, wie beim letzten Mal. Ich wünsche es ihr.“ Klara: „Ich bin gespannt, wer von den Bergmann Frauen als erstes unter der Haube ist.“ Thomas: „Das kann ich dir auch nicht sagen, aber wer zuletzt einen Mann bekommt, dass weiß ich jetzt schon. Es wird wahrscheinlich Charly sein. Die vergisst vor lauter Arbeit und Emanzipation das Heiraten. Aber im Endeffekt ist es egal, ob man verheiratet ist oder nicht, die Hauptsache ist doch wohl, dass man glücklich ist, alles andere ist Nebensache. So, und nun lass uns weitermachen, sonst sind wir noch um 22:00 Uhr hier.“ Eine Stunde später hatten sie alle Klamotten in die dafür gerichteten Kartons verstaut. Thomas baute derweil das Bett und den Küchenschrank ab. Er stapelte alles fein säuberlich an eine Wand, damit er beim Wiederaufbau alle Teile zusammen hatte. Den Rest würde sowieso eine Umzugsfirma machen. Gegen 19:00 Uhr hatten sie die Kartons im Wagen verstaut und sie machten sich auf dem Heimweg. In der Villa angekommen, packten sie erst einmal die Kartons in den Flur, weil Klara nur das Wichtigste mit nach oben nehmen wollte. Die Sommerklamotten, würde sie ja im Augenblick nicht anziehen können, weil es dafür schon zu kalt war. Thomas ging in die Küche um sich die Hände zu waschen. Maria stand gerade am Kühlschrank und räumte etwas ein, als sie zu ihm sagte: „Schrecklich was da auf dem Schönefelder Flugplatz geschehen ist. Ein Einziger hat den Absturz überlebt, alle anderen sind Tod.“ Thomas wusste nichts von dem, was Maria erzählte und fragte nach: „Um was geht es denn, Maria? Wer oder was ist abgestürzt?“ Maria: „Na, heute Nachmittag ist ein Flugzeug auf Schönefeld abgestürzt. Die ganze Zeit bringen sie es schon in den Nachrichten. Wenn du dich beeilst, kannst du es noch in den 20:00 Uhr Nachrichten im Fernsehen anschauen.“ Thomas: „Wir haben doch alles abgebaut und verstaut, da konnten wir keine Nachrichten hören oder ansehen. Ich gehe in den blauen Salon und mache den Fernseher an. Wissen sie schon woher das Flugzeug kam?“ Maria: „Ich glaube, die kam aus Mailand. Oder wollte sie nach Mailand? Ach, ich habe da nicht richtig aufgepasst.“ Thomas: „Das werden wir gleich wissen.“ Maria fragte ihn zwar noch, ob er und Klara gleich etwas essen wollten, aber dass hörte er bereits nicht mehr. Er schaltete den Fernseher ein und gerade fingen die Nachrichten an. Der Sprecher sagte als erstes: „Tragischer Unfall auf dem Schönefelder Flugplatz. Heute Mittag um 13:00 Uhr landete ein Lear Jet aus Mailand. Als er auf der Landepiste mit dem Bugrad aufsetzte, brach dieses ab und die Maschine schleuderte quer über die Landebahn. Da der Jet noch über 400 Kilometer schnell war, überschlug er sich mehrfach und zerbrach in mehrere Teile. Die Maschine fing sofort Feuer und brannte, trotz sofortigem Einsatz der Flughafen Feuerwehr, vollkommen aus. An Bord des Jets befanden sich insgesamt 5 Personen. Nur ein Passagier überlebte mit schwersten Verletzungen. Der Mann wird zur Zeit in der Berliner Charité ärztlich versorgt.“ Und dabei zeigte der Sender Aufnahmen des brennenden Flugzeug Wracks. Es war kein schöner Anblick, zumal sich noch vier Passagiere im inneren der Maschine befanden. Der einzige Überlebende, wurde nach Angaben der Polizei, während des Unfalls, mitsamt seinem Sitz aus dem Flugzeug geschleudert. Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass er den Absturz überlebt hatte. Maria hatte ihre Hände vor ihr Gesicht gehoben und meinte nur: „Schrecklich, ganz schrecklich. Ich sage ja immer, wenn Gott gewollt hätte dass der Mensch fliegen kann, hätte er uns Flügel gegeben.“ Klara stand auch schon da und sah Thomas erschrocken an. Sie sagte leise zu ihm: „Woher kam die Maschine?“ Thomas: „Nicht aus München, sondern aus Mailand, Gott sei Dank.“ Maria fragte jetzt noch einmal: „Wollt ihr jetzt noch etwas essen, oder später? Es gibt heute Schweizer Wurstsalat mit Käse. Denn wenn ihr mich nicht mehr braucht, gehe ich jetzt ins Bootshaus.“ Thomas: „Geh nur Maria, wir richten unser essen selbst. Wir wünschen dir eine angenehme Nachtruhe.“ Maria: „Das wünsche ich euch auch, Gute Nacht.“ Klara und Thomas setzten sich in die Küche und richteten sich ihr Abendbrot. Wie es schien, waren sie die Einzigen die jetzt in der Villa waren, der Rest war ausgeflogen. Gegen 21:30 Uhr begaben sie sich auch nach oben auf ihre beiden Zimmer. Ein Zimmer hatten sie zu einem kleinen Wohnzimmer hergerichtet und das andere war ihr Schlafzimmer. So brauchten sie nicht unbedingt im Salon oder blauen Salon zu sitzen. Hier hatten sie auch einen Fernseher und einen kleinen Kühlschrank, indem sie immer gekühlte Getränke hatten. Nach dem duschen sanken beide müde ins Bett und schliefen auch gleich ein. Sie hatten eine anstrengende Woche hinter sich.

Am Sonntagmorgen um sieben Uhr, war die Welt noch in Ordnung. Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Es war eines von drei schnurlosen Telefone, die an einer Basisstation angeschlossen waren. Noch im Halbschlaf nahm Thomas das Gespräch an und meldete sich mit Bergmann. Eine Frauenstimme fragte: „Ist dort der Anschluss von Thomas Bergmann?“ Thomas: „Ja, höchstpersönlich. Wer stört um diese Uhrzeit?“ Die Frau: „Hier spricht Frau Dr. Laubinger, Oberärztin der Charité Berlin.“ Thomas wurde stutzig und war auf einen Schlag hellwach. Thomas: „Was ist los, Frau Doktor? Ist etwas mit meinen Schwestern?“ Dr. Laubinger: „Nein, so viel ich weiß nicht. Aber kennen sie einen Herrn Dr. Leonhard Lellinger?“ Thomas ahnte schon was sie gleich sagen würde, schoss ihm doch der Flugzeugabsturz durch den Kopf. Er antwortete: „Ja, das ist ein sehr guter Freund von mir. Was ist mit ihm?“ Thomas traute sich nicht das Wort Flugzeugabsturz in den Mund zu nehmen, weil die Angst zu groß war, seine Vermutung könnte stimmen. Die Ärztin hingegen nannte den Sachverhalt schonungslos beim Namen: „Ihr Freund saß in der Maschine, die gestern am Berliner Flugplatz Schönefeld verunglückt ist. Er hat als Einziger das Unglück, wenn auch schwer verletzt überlebt. Herr Lellinger hat mich gebeten sie anzurufen, weil sie momentan der Einzige sind, der ihm helfen kann. Wenn sie gleich vorbeikommen, könnten wir die Details besprechen.“ Sie nannte ihm noch das Stockwerk und die Zimmernummer, auf der Herr Lellinger untergebracht war. Klara war durch das erregte Telefonat wach geworden und fragte: „Ist es doch dein Freund, der in Schönefeld verunglückt ist?“ Thomas nickte und meinte: „Mein schlimmster Verdacht hat sich gerade bestätigt. Ich ziehe mich nur rasch um und fahre dann in die Charité.“ Klara: „Ich fahre, du bist zu aufgewühlt, nicht dass du unterwegs auch noch einen Unfall baust.“ Gesagt, getan. Nach zehn Minuten hatten sie eine Katzenwäsche, mit fliegenden Zahnbürsten hinter sich gebracht und waren unterwegs ins Krankenhaus. Die Charité genießt zwar einen ausgezeichneten Ruf, aber bei Thomas weckt sie immer Angst und Verzweiflung. Schon einmal bekam er von dort einen Anruf, deren Botschaft so ähnlich lautete wie gerade eben. Nur handelte es sich damals um seinen Vater, der dort im sterben lag. Aber damals brauchte er länger zur Charité, weil er aus Frankfurt anreisen musste. Klara lenkte den Wagen in die Tiefgarage und parkte ihn gerade da, wo ein Platz frei war. Beide fuhren ins erste Obergeschoss zur Intensivstation der Notaufnahme. Thomas hielt die erstbeste Schwester an und fragte sich zu Frau Dr. Laubinger durch. Er klopfte an die Tür ihres Büros und stellte sich vor: „Ich heiße Thomas Bergmann und suche Frau Dr. Laubinger.“ Die Frau im Büro stand auf streckte ihm und Klara die Hand entgegen und antwortete: „Angenehm, Laubinger. Ich habe sie kontaktiert, weil Herr Lellinger mich darum gebeten hat. Er hat mich von meiner Schweigepflicht ihnen gegenüber entbunden und mich gebeten, ihnen Auskunft über seinen Gesundheitszustand zu geben. Im Augenblick ist Herr Lellinger wieder ansprechbar, nachdem er heute Nacht zeitweise im Koma lag. Kommen sie bitte mit, ich bringe sie zu ihm. Es sieht nicht gut aus, hätte er keine so gute Gesamtkonstitution, wäre er mit Sicherheit schon verstorben. Wenn er es überlebt, hat er einen langen und schweren Weg vor sich. Besprechen sie mit ihm nur das Wichtigste, er muss nämlich gleich zur OP.“ Thomas und Klara hörten ihr aufmerksam zu. Vor dem Zimmer der Intensivstation mussten beide grüne Kittel und einen Mundschutz anziehen, bevor sie zu Lellinger durften. Leonhard Lellinger sah schrecklich aus. Er lag da wie ein Boxer, der 30 Runden lang regelrecht verprügelt wurde. Das Gesicht war geschwollen, und auf dem Kopf trug er einen Verband. Beide Hände waren bandagiert, genauso wie die Beine. Thomas war richtig erschrocken als er ihn sah. Er sprach ihn an: „Hallo Leo, schön das wir uns wieder einmal sehen. Was machst du denn für Sachen? Kann man dich nicht einmal alleine fliegen lassen?“ Leo: „Mach dich ruhig lustig über mich. Ich bekomme sowieso nur die Hälfte mit, weil ich bis obenhin mit Schmerzmitteln vollgepumpt bin. Die Ärztin hat gemeint, es sieht nicht gut aus. Wenn ich die OP überlebe, habe ich Chancen noch einmal davon zu kommen. Es ist sowieso ein Wunder, dass ich den Absturz überlebt habe. Wen hast du denn da mitgebracht?“ Dabei schaute er Klara an und die sagte: „Ich bin die Freundin von Thomas, Klara Schönfeld.“ Hand geben war nicht möglich, so nickte sie ihm einfach zu. Leo: „Hast du endlich eine Frau gefunden, die deine Zahlenspielereien gut findet? Hast ja schon immer einen guten Geschmack gehabt. Aber kommen wir nun zum Wesentlichen. Danke erst einmal, dass du gekommen bist. Du bist der Einzige, der mir helfen kann. Ich habe eine große Bitte an dich, nimm Laura in deine Obhut, bis ich wieder fit bin.“ Thomas: „Ich verstehe nicht ganz, warum soll ich mich um Laura kümmern? Was ist mit Viktoria, kann sie nicht auf Laura aufpassen?“ Leo: „Viktoria ist vor zwei Jahren, bei einem Badeunfall ums Leben gekommen.“ Thomas war schon wieder geschockt. Er sah ihn an und sagte: „Das tut mir Leid, ich hatte ja keine Ahnung. Und wie stellst du dir das vor?“ Leo: „In München kann sie nicht bleiben. Ich habe den Job hier angenommen und alle Brücken in München abgebrochen. Meine Wohnung gekündigt und Laura von der Schule abgemeldet. Sie geht ab dem ersten hier auf das Einstein Gymnasium. Sie weiß noch nichts von meinem Unfall, weil sie z. Zt. in Südfrankreich auf Klassenfahrt ist. Sie kommt erst heute Abend wieder zurück. Meine Nachbarin, Frau Bischler weiß Bescheid und hat alles schon vorbereitet. Ihre Nummer habe ich dir aufgeschrieben. Laura wird morgen früh mit der Bahn hier in Berlin ankommen. Ich dachte, du hast doch so einen riesen Kasten, da wird doch ein Zimmer für Laura frei sein.“ Thomas: „Natürlich kann sie bei uns wohnen. Aber da sind noch viele Dinge zu regeln. Was mache ich, wenn eine Entscheidung ansteht und du nicht in der Lage bist das zu regeln? Kann ja sein, dass du im Koma liegst, oder sonst was.“ Leo: „Dafür habe ich gesorgt. Du bekommst von mir eine Generalvollmacht, dass du so lange meine Belange vertrittst, bis ich wieder auf dem Posten bin. Du kannst alle schulischen Entscheidungen treffen, die du für richtig hältst. Du kennst Laura und ihr habt euch immer gut verstanden. Außerdem bekommst du eine Kontovollmacht und eine Patientenverfügung. Du siehst, es ist alles geregelt. Die nette Ärztin hat mir vorhin dabei geholfen und alles aufgeschrieben. Zwei Kollegen haben das bezeugt, so dass alles seine Richtigkeit hat. Nimm bitte noch mein Handy, da sind alle Adressen und Nummern drin, die du eventuell brauchst.“ Die Tür ging auf und Frau Dr. Laubinger, sagte streng: „Tut mir leid, aber wir müssen nun in den OP. Ich denke, sie haben bestimmt alles geregelt. Ich gebe ihnen nachher die Vollmachten, die Herr Lellinger mir heute Nacht diktiert hat.“ Leo: „Machst du es?“ Thomas: „Habe ich eine andere Wahl?“ Leo: „Wohl kaum. Aber ich werde mich dafür revanchieren, versprochen.“ Zwei Schwestern kamen herein und klemmten ihn von Maschinen ab und schoben ihn aus dem Zimmer. Beim verlassen des Zimmers, sagte Leo noch: „Danke, mein Freund. Keine Angst, wir sehen uns wieder, so oder so.“ Frau Dr. Laubinger forderte die beiden auf, mit in ihr Büro zu kommen. Dort überreichte sie Thomas mehrere Schreiben, die alle von drei Ärzten als Zeugen unterzeichnet waren. Thomas: „Was fehlt ihm denn eigentlich? Ich meine, sind seine Verletzungen sehr schlimm?“ Und Frau Dr. Laubinger meinte: „Ich bin schneller fertig, wenn ich ihnen die Knochen aufzähle, die nicht gebrochen sind. Er hat beide Arme, Hände und Hüften mehrfach gebrochen. Auch beide Beine, je Ober- und Unterschenkel. Mehrere Rippenfrakturen und innere Verletzungen. Drei Wirbel an der Lendenwirbelsäule sind auch gebrochen. Wenn er heute die OP überlebt, könnte er es schaffen. Aber bis zu seiner Genesung wird es ein langer und schwerer Weg sein.“ Thomas wollte so lange warten bis die OP beendet war, aber Frau Dr. Laubinger riet ihm davon ab, weil sie mindestens acht bis zehn Stunden dauern und er dann in ein künstliches Koma versetzt werden würde. Danach entschuldigte sie sich, weil sie zur OP musste. Klara sah, wie fassungslos Thomas war. Sie streichelte ihm über seine Haare und sprach dabei: „Tut mir leid, dass dein Freund so schwer verletzt ist. Es ist gut, dass du ihm in dieser schweren Zeit hilfst. Und wenn du Laura so gut kennst, wird sie auch mit der Situation klarkommen. Ich werde dich unterstützen so gut es geht.“ Thomas nahm sie in den Arm, drückte sie und bedankte sich bei ihr. Sie verließen die Charité wieder und fuhren zurück in die Villa. Als sie in die Küche kamen, fragte Maria: „Ist etwas passiert? Ihr habt heute so schnell das Haus verlassen, dass man meinte, ihr seit auf der Flucht.“ Klara erzählte allen, was sie gerade im Krankenhaus erfahren hatten. Dann fragte Thomas: „Hat jemand ein Problem damit, dass wir Laura solange aufnehmen?“ Keiner hatte einen Einwand. Alle waren der gleichen Meinung, dass man in einem solchen Fall selbstverständlich helfen musste. Dann rief Thomas die Nachbarin von Leo in München an und erkundigte sich, wann Laura am nächsten Tag in Berlin ankommen würde. Sie nannte ihm die Uhrzeit und auf welchem Gleis der ICE einfuhr. Er bat sie auch noch um ihre Kontonummer, weil er ihr umgehend ihre Auslagen überweisen wollte. Zuerst zierte sie sich, gab aber Thomas dann doch ihre Daten. Als er mit dem Telefonat fertig war, sagte er: „Also Laura kommt morgen früh um 10:43 Uhr auf Gleis 3 an. Sie hat Laura zwei Koffer zusammengestellt, was ihr wohl für die nächsten zwei- bis drei Wochen reichen dürfte. Der Rest würde ja von der Spedition gebracht werden. Nur eine Adresse bräuchte sie noch.“ Dann fragte er Franz: „Haben wir noch Platz im Schuppen, um die Sachen da unterzustellen?“ Franz: „Nachdem Kathi alles mitgenommen hat, als sie auszog, ist wieder reichlich Platz. Soviel wird es ja nicht sein. Nur wenn noch viele Möbel aus Klaras Wohnung dazukommen, wird es knapp mit dem Platz. Aber ich denke, wenn wir alles geschickt stapeln, reicht es.“ Maria: „Und wo bringen wir die Kleine unter? Oben bei den Mädels ist noch das Zimmer von Kathi frei. Soll ich das gleich herrichten?“ Thomas: „Wenn meine Schwestern nichts dagegen haben, soll es mir Recht sein.“ Den vier Schwestern war es egal, ob das Zimmer leer stand oder Laura einzog. Sie gingen gleich nach oben um Maria zu helfen. Jo fragte Thomas, als sie alleine waren: „Laura hat auch ihr Päckchen zu tragen. Zuerst starb ihre Mutter und nun der Unfall. Erinnert mich irgendwie an euch. Vor einem Jahr habt ihr eure Eltern verloren. Ich war noch nie in einer solchen Situation.“ Thomas: „Im Laufe der Zeit lässt der Schmerz nach. Aber eine Lücke wird immer da sein, egal wie man sich verstanden hat. Das ist nun einmal der Lauf der Zeit. Hoffentlich schafft es Leo, schon alleine wegen Laura.“ Am Montagmorgen fuhren Karl, Klara und Thomas zum Berliner Hauptbahnhof. Kurz vor der Einfahrt des ICEs standen sie auf Gleis 3. Am morgen hatte Thomas noch einmal in der Charité angerufen und sich nach Leos Befinden erkundigt. Die Schwester sagte ihm, dass es ihm den Umständen entsprechend ginge und er eine relativ ruhige Nacht hatte. Er würde aber weiter in einem künstlichen Koma gehalten, weil die Schmerzen die er sonst hätte, den Körper nur unnötig belasten würden. Ein Standartsatz aller Ärzte, die einen Patienten in einem künstlichen Tiefschlaf versetzten. Thomas war heilfroh, dass Leo die OP überlebt hatte. Der Zug fuhr ein und Thomas entdeckte Laura, trotz der vielen Menschen die ein- oder ausstiegen. Laura rannte auf Thomas zu und umarmte ihn weinend und fragte gleich: „Wie geht es meinem Vater?“

Zur gleichen Zeit, waren die Mitarbeiter der Potsdamer Suppenküche gerade dabei, die letzten Gemüseteile zu schnippeln. Hoher Besuch hatte sich angekündigt. Es war Max Klammer, der Justiziar der Stadt Potsdam. Er war derjenige, der vor zwei Jahren das Programm für straffällige jugendliche Straftäter ins Leben rief. Dabei mussten Jugendliche, anstelle hoher Geld- oder Haftstrafen, Sozialstunden ableisten. Der Erfolg dieses Programmes sprach für sich. Über die Hälfte der jungen Menschen, die eine solche Maßnahme besuchen mussten, wurden nicht mehr straffällig. Eine win-win- Situation für die Stadt Potsdam und den Jugendlichen. Die Stadt sparte Geld, weil sie nichts bezahlen musste und die Jugendlichen konnten endlich einmal zeigen, dass sie durchaus auch Verantwortung übernehmen konnten. Klammer kam pünktlich um 11:00 Uhr in die Suppenküche. Charly Bergmann leitete diese Küche seit etwas mehr als 10 Monaten und hatte alles fest im Griff. Sie wusste nicht warum Klammer heute in die Küche kam. Meist war es so, wenn er sich kurzfristig anmeldete und vorbei kam, wollte er etwas von ihr. Klammer: „Guten Morgen, Frau Bergmann, ich grüße sie.“ Charly war bekannt für ihre unkomplizierte und direkte Art. Sie antwortete: „Guten Morgen, Herr Klammer. Was möchten sie heute von mir? Irgendetwas wollen sie mir doch wieder aufs Auge drücken. Also, was ist es?“ Klammer: „Ich mag ihre direkte Art, ohne Umschweife gleich zur Sache kommen. Aber sie haben ja Recht, ich möchte tatsächlich etwas von ihnen.“ Charly stellte auf einen Tisch zwei Kaffeetassen hin und schenkte ein. Sie setzten sich und Klammer fuhr fort: „Da ja die beiden Klink Geschwister diese Woche ihre letzten Stunden absolvieren, brauchen sie Ersatz für die beiden. Und ich habe zwei Neue für sie gefunden. Eine junge Frau und ein junger Mann. Die junge Frau ist eine alte Bekannte von ihnen, sie hat schon einmal hier bei ihnen ihre Sozialstunden abgeleistet. Können sie sich denken wer sie ist?“ Charly brauchte nicht lange zu überlegen und sagte ganz spontan: „Lana Karpows?“ Klammer nickte. Charly: „Was hat sie dieses Mal angestellt und wieviel Stunden hat sie?“ Klammer: „Sie hat für ihren Freund Geld vom Geldautomaten abgehoben.“ Charly: „Aber das ist doch nicht strafbar.“ Klammer: „Wenn es das eigene Konto ist, nicht. Aber ihr sauberer Freund hatte ihr gefälschte Kreditkarten gegeben und sie hat, wie sie sagt, nichts davon gewusst. Wenn sie dies nur ein- oder zweimal getan hätte, wäre sie freigesprochen worden, aber sie hat insgesamt 15-mal Geld gezogen und jedes Mal den Höchstbetrag von 1000.- €. Richter Grasser hat ihr das nicht abgenommen und ihr sechs Monate zur Bewährung und 250 Sozialstunden aufgebrummt.“ Charly: „Autsch, dass ist ganz schön viel. Wenn sie wieder etwas verbockt, fährt sie unter Garantie ein. Warum kapiert Lana das nicht, das ihr sauberer Freund sie nur ausnützt?“ Klammer: „Ja, Frau Bergmann, das ist das Wunder der Liebe. Manche begreifen es nie und andere noch später.“ Charly: „Und wer ist der junge Mann?“ Klammer: „Das ist Markus Richter, 18 Jahre alt. Ihn hat man insgesamt viermal ohne Führerschein erwischt.“ Charly: „Hat er Unfälle gebaut?“ Klammer: „Nein, sondern man hat ihn in Radarfallen mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt. Und da er in der Kartei war, wusste man jedes Mal, dass er ohne Führerschein gefahren ist. Er hat auch sechs Monate auf Bewährung, sowie 240 Sozialstunden bekommen. Zudem hat er noch eine Führerscheinsperre von zwei Jahren.“ Charly schüttelte mit dem Kopf und konnte es nicht glauben, wie manche Jugendliche mit ihrer Zukunft umgehen. Sie fragte: „Und das ist alles? Sie kommen doch wegen so etwas nicht zu mir. Wo ist der Haken?“ Klammer: „Ja, da gibt es etwas, was ich ihnen sagen sollte. Markus Richter hat so eine Eigenart an sich, die manchen Mitmenschen nicht gefällt.“ Klammer windete sich und kam nicht zu Potte. Charly: „Und was ist das für eine Eigenart? Pinkelt er im sitzen oder häkelt er Topflappen?“ Klammer lachte und sagte: „Nein, er hat nur das Tourette-Syndrom.“ Charly: „Er hat was bitte? Es ist doch nicht ansteckend, oder?“ Klammer: „Natürlich nicht, sonst dürfte er doch gar nicht in einer Suppenküche arbeiten. Tourette-Syndrom ist eine neuropsychiatrische Erkrankung. Der Erkrankte bekommt sogenannte Tics, die er nicht oder ganz schwer steuern kann. Diese Tics können unkontrollierte Zuckungen oder verbale Laute sein. Und bei Markus Richter sind es verbale Laute.“ Charly wusste nun welche Krankheit dieser Junge hatte. Charly: „Und wie muss ich mir das vorstellen? Läuft er schreiend und wild um sich schlagend durch die Suppenküche, so wie ein Zombie? Sagen sie mir bitte, wie das gehen soll?“ Klammer: „Wie ich sehe, haben sie Vorurteile. Sie geben dem Jungen ja nicht einmal eine Chance.“ Charly: „Was erwarten sie denn von mir? Ich habe Publikumsverkehr. Was ist, wenn der Junge einen Anfall bekommt und ausrastet?“ Klammer: „Das geschieht nicht, Frau Bergmann. Seine Tics sind harmlos. Er äußert ab und zu ein paar Worte oder wiederholt, was man ihm gesagt hat, das ist alles.“ Charly: „Keinen starren Blick, mit Blut unterlaufenen Augen oder Speichelfluss beim verteilen des Essens?“ Klammer: „Sie sehen zu viele Horror Filme, Frau Bergmann. Er ist wirklich harmlos. Sie werden ihn mögen, wenn sie sich erst einmal an seine Tics gewöhnt haben.“ Charly: „Gut, probieren wir es. Aber ich habe ein Rückgaberecht. Klappt es nicht, weil es Ärger mit unserer Kundschaft gibt, sorgen sie für Ersatz. Abgemacht?“ Klammer: „Versprochen. Ich wusste doch, dass sie ein großes Herz haben. So, ich muss dann wieder, die Pflicht ruft. Ist es Recht, wenn ich Herrn Richter und Frau Karpows morgen vorbei schicke?“ Charly: „Tun sie das. Ich teile sie dann ab Ende dieser Woche ein. Hoffentlich gibt es keine Schwierigkeiten.“ Klammer: „Es wird schon schiefgehen. Bis dann, Frau Bergmann.“ Max Klammer gab ihr die Hand und verabschiedete sich. Charly ging zurück in die Küche und berichtete ihren beiden Mitarbeitern, was auf sie zukommt. Begeisterung sieht aber anders aus. Der Koch Michael Brenner und die Küchenhilfe Anna Lange waren skeptisch. Sie befürchteten, dass es zu Problemen kommen könnte, wenn Markus Richter die Kundschaft mit seinen Tics anmacht. Und zu Lana hatten sie nur einen Satz parat: Diese blöde Kuh, wann kapiert sie endlich, dass sie dieser Typ nur ausnützt. Charly sagte abschließend: „Beide kommen morgen früh, dann sehen wir weiter. Mit Lana dürfte es keine Schwierigkeiten geben, schließlich war sie schon einmal unser Gast. Alles andere wird sich geben. So, und nun lassen wir die Meute herein, zur Schlacht an der Suppenschüssel.“ Punkt 12:00 Uhr schloss sie die Eingangstür auf und ließ die hungrigen der Stadt herein. Viele kannte sie inzwischen schon mit Namen. Andere blieben anonym. Ihnen war es peinlich in eine Suppenküche gehen zu müssen.