4 Tolle Heimatromane Juni 2023 - Anna Martach - E-Book

4 Tolle Heimatromane Juni 2023 E-Book

Anna Martach

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Romane: Anna Martach: Liebeslist und fesche Madln Anna Martach: Heimat, ich gehör zu dir Anna Martach: Obwohl er liebte, ging er fort Anna Martach: Bauplan für die Liebe Als ihre Mutter stirbt, ist Katja Schachinger allein und völlig mittellos. Zwar gibt es noch den Vater und ihren Bruder Franzi, die nach der Scheidung der Eltern in Österreich auf dem Hof zurückblieben, doch zu ihnen hatte es seit vielen Jahren keinen Kontakt gegeben und sie hatten auch nicht auf Katjas Brief zum Tod der Mutter geantwortet. Kein Wunder, dass sich das einsame Mädchen in Gerhard, den Neffen ihres Chefs, verliebt. Zutiefst verletzt verlässt Katja jedoch Hals über Kopf die Stadt, nachdem sie erfährt, dass Gerhard verlobt sein soll. Da erhält sie endlich eine Nachricht ihres Vaters, dass sie auf dem Schachinger-Hof willkommen ist – doch das Glück ist nicht von Dauer ...

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Seitenzahl: 414

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Anna Martach

4 Tolle Heimatromane Juni 2023

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Inhaltsverzeichnis

4 Tolle Heimatromane Juni 2023

Copyright

Liebeslist und fesche Madln

Heimat, ich gehör’ zu dir

Obwohl er liebte, ging er fort

Bauplan für die Liebe

4 Tolle Heimatromane Juni 2023

Anna Martach

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Anna Martach: Liebeslist und fesche Madln

Anna Martach: Heimat, ich gehör zu dir

Anna Martach: Obwohl er liebte, ging er fort

Anna Martach: Bauplan für die Liebe

Als ihre Mutter stirbt, ist Katja Schachinger allein und völlig mittellos. Zwar gibt es noch den Vater und ihren Bruder Franzi, die nach der Scheidung der Eltern in Österreich auf dem Hof zurückblieben, doch zu ihnen hatte es seit vielen Jahren keinen Kontakt gegeben und sie hatten auch nicht auf Katjas Brief zum Tod der Mutter geantwortet. Kein Wunder, dass sich das einsame Mädchen in Gerhard, den Neffen ihres Chefs, verliebt. Zutiefst verletzt verlässt Katja jedoch Hals über Kopf die Stadt, nachdem sie erfährt, dass Gerhard verlobt sein soll. Da erhält sie endlich eine Nachricht ihres Vaters, dass sie auf dem Schachinger-Hof willkommen ist – doch das Glück ist nicht von Dauer ...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A. PANADERO

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Alles rund um Belletristik!

Liebeslist und fesche Madln

von Anna Martach

Der Umfang dieses Buchs entspricht 94 Taschenbuchseiten.

Andreas Kröger fährt im Auftrag seines Vaters in den kleinen idyllischen Ort, in dem der Onkel von Andreas lebt, um für ihn ein schön gelegenes Grundstück zu finden. Als er vor dem Wirtshaus »Zum Ochsen« mit dem Landrover anhält und sein Butler Jonathan Crouch aussteigt, sorgt das für Aufsehen. Besonders der Butler sorgt mit seiner Aussprache und seinem steifen Auftreten für Gesprächsstoff.

Als Andreas das erste Mal die Tochter des Wirtes sieht, ist es bereits um ihn geschehen. Doch die Korrektheit des Butlers verärgert ihn, weil dieser ihn nicht mit Leni allein ausgehen lassen will. Da muss eine List her ...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

»Herr Jessas, das gibt’s doch net«, ächzte sie.

Aus dem Landrover war ein Mann gestiegen, der wie ein waschechter englischer Butler aussah. Er bewegte sich in seinem korrekten schwarzen Anzug mit gestreifter Weste gemessenen Schrittes auf den Rolls Royce zu, öffnete den hinteren Wagenschlag und verbeugte sich leicht. Ein recht ansehnlicher junger Mann stieg aus, gab dem Chauffeur am Steuer einen Wink, und der Wagen setzte sich wieder in Bewegung. Der Bursch kam auf die Tür zu, der Butler zwei Schritte dahinter.

Dem Wirt des Gasthauses »Zum Ochsen« fiel vor Erstaunen der Unterkiefer herunter. Was da vor seinem hübschen Haus hielt, konnte doch nicht wahr sein. So etwas sah man sonst nur im Fernseher. Er zwinkerte mit den Augen und schaute noch einmal hin. Wirklich, da stand ein Rolls Royce, und gleich hinterdrein kam ein toller Landrover. Aus diesem stieg ein Mann aus, dessen Erscheinung den Wirt veranlasste, sich heftig in den Arm zu kneifen, um zu spüren, ob er nicht doch träumte.

»Autsch!«, rief er aus, und das hörte seine Frau in der Küche.

»Hast gerufen, Alfons?«, fragte sie und kam in die Gaststube. Dann merkte sie, dass ihr Ehemann fassungslos aus dem Fenster starrte, und schaute ebenfalls hin.

»Lieber Himmel, was ist denn das für einer?«, fragte die Wirtin. Doch ihre verständliche Neugier sollte sogleich gestillt werden. Die beiden Fremden kamen auf den Gasthof zu, und der Bursch trat ein, während der Butler die Tür aufhielt.

»Grüß Gott«, sagte der Bursch und lächelte. Er trug eine recht verwaschene Jeans und einen Pulli, der zwei Nummern zu groß war.

»Grüß ... grüß Gott«, stammelte der Wirt. »Was darf's denn sein?«

»Haben S’ vielleicht noch zwei Zimmer frei? Für ein bis zwei Wochen, denk’ ich.«

Der Wirt wischte sich seine Hände an der vorgebundenen Schürze ab, was von dem Butler mit einem missbilligenden Blick quittiert wurde, und holte das Gästebuch unter dem Tresen hervor.

»Es ist noch Vorsaison, Sie können zwei Zimmer bekommen. Darf ich um Ihre Namen bitten?«, fragte er neugierig.

Wieder umspielte ein amüsiertes Lächeln die Lippen des Burschen.

»Mein Name ist Andreas Kröger. Ich bin der Neffe von Ferdinand Kröger hier aus dem Ort. Und das hier«, er deutete auf seinen bisher schweigsamen Butler, »das ist Jonathan Crouch, mein Butler.«

»Wie schreibt man das?«, fragte der Wirt verdutzt. Kröger buchstabierte, und dann setzte er sich an seinen Tisch.

»Ich werd’ meine Verwandten später aufsuchen. Kann ich hier zu Mittag essen?«

Der Wirt bejahte und wollte schon eilfertig die Speisekarten holen.

»Verzeihung, Herr Wirt. Ich nehm’ doch an, dass Sie sich zuerst um das Gepäck des jungen Herrn kümmern wollen«, erklang plötzlich die ruhige Stimme des Butlers. »Wenn Sie gestatten, werde ich der Küchenmamsell die Bestellung angeben. Mein Herr wünscht ein komplettes Menü zu speisen.«

Der Wirt klappte den Mund auf und schnappte nach Luft.

Andreas lächelte.

»Jonathan, halten Sie ein! Das Gepäck hat Zeit bis später. Erst einmal hab’ ich Hunger. Ich bin sicher, das Essen wird großartig sein, auch wenn Sie es net beaufsichtigen. Kommen Sie her und setzten Sie sich!«

Der Butler zögerte einen Moment, leistete dann jedoch der Aufforderung seines Herrn Folge. Steif und hochaufgerichtet saß er auf dem Stuhl, während der Wirt in der Küche verschwand. Mit seiner Schürze tupfte er sich das gerötete Gesicht ab.

»Frau, weißt, wer das ist?«

»Nein, sag schon!«

»Das ist der Neffe vom Kröger-Ferdl, der Sohn seines Bruders.«

»Ach, der mit der Stofffirma. Ja, der soll einen Haufen Geld gemacht haben. Und dann hat er so eine Großkopferte aus der Stadt geheiratet. Du lieber Himmel, die wollen doch net etwa alle herkommen?«

»Weiß ich net, aber jetzt spute dich und mach dem Burschen ein gutes Essen! Und diesem Ladestock von Butler auch.«

Die Ankunft dieser seltsamen Besucher sprach sich natürlich schnell herum. Noch während Andreas und sein dienstbarer Geist eine ausgezeichnete Kalbshaxe verzehrten, stand die Huber-Anni, die gelegentlich in der Küche aushalf, bei der Wirtin und ließ sich die Neuigkeiten berichten. Mit großen Augen hörte sie zu, verabschiedete sich hastig, und es dauerte nicht lange, bis die Einzelheiten im Ort bekannt waren. Die einzigen, die von alldem nichts erfuhren, waren ausgerechnet die Mitglieder der Familie Kröger. Sie waren völlig ahnungslos, als Jonathan Crouch zwei Stunden später die Klingel betätigte.

Ferdinand Kröger, der gerade von der Arbeit als Forstbeamter heimgekommen war, öffnete die Tür und sah sich unversehens einem hochgewachsenen Fremden gegenüber. Der lüftete seinen Hut und grüßte.

»Habe ich die Ehre mit Herrn Ferdinand Kröger?«

Kröger schaute ihn von oben bis unten an, registrierte mit Erstaunen den schwarzen Anzug, die blitzblank geputzten schwarzen Schuhe, und zu seiner größten Verwunderung auch noch einen schwarzen Regenschirm, den der Fremde sich über den Arm gehängt hatte.

»Kann schon sein«, gab der Kröger-Ferdinand zögernd zurück. Offensichtlich wusste er mit dieser Gestalt nichts anzufangen. »Aber kaufen tu ich nix. Wenn Sie mir also was andrehen wollen, sind Sie hier an der verkehrten Adresse.«

»Es liegt nicht in meiner Absicht, Ihnen etwas andrehen zu wollen. Gestatten Sie, dass ich Ihnen meinen Herrn vorstelle? Es handelt sich dabei um den Sohn Ihres verehrten Herrn Bruders.«

»Hä?«, machte Kröger verdutzt. »Mein Bruder? Wo denn?«

»Ich bitte um Verzeihung, Ihr Neffe Andreas ist der Besucher.«

»Na und, wo ist er?« Kröger fühlte sich inzwischen auf den Arm genommen. Das alles war doch ganz gewiss nur ein Scherz - und dieser seltsame Heilige hier an der Tür war die vollkommene Witzfigur.

»Darf ich bitten, mir einige Schritte zu folgen?«, fragte Crouch würdevoll.

Widerwillig, aber doch neugierig, folgte Kröger dem Butler, der zu einem geparkten Wagen ging und die Tür öffnete. Ein junger Bursch sprang lachend heraus und lief auf Kröger zu.

»Onkel Ferdinand, grüß Gott!«, rief er völlig unbefangen.

Kröger war erschüttert. »Das bist ja wirklich du, Buberl. Komm rein! Ja, da freu’ ich mich aber sehr. Sind deine Eltern auch da?«

Andreas ließ sich herzlich in den Arm nehmen und wurde ins Haus geführt. Lautlos wie ein Schatten folgt ihnen der Butler, und Kröger fühlte sich irgendwie unbehaglich in dessen Gegenwart.

»Was ist denn mit dem da?«, fragte er seinen Neffen.

»Das ist Jonathan.«

Kröger riss die Augen auf. »Wie heißt der? Dschonessen? Und was willst mit dem?«

Andreas lachte lauthals los. »Du wirst es net glauben, aber er ist mein Butler.«

»Bist noch gescheit? Was soll der hier? Kannst dich net allein anziehen, oder so etwas?«

Der Bursch seufzte. »Eine Marotte meiner Mutter. Ich find’s ja daheim recht angenehm, er kümmert sich auch vorbildlich um den Haushalt und das Personal. Aber jetzt hat Mama darauf bestanden, dass er mich begleitet. Sie hat wahrscheinlich Angst, dass ich mich verlaufe oder auf ein paar hübsche blaue Augen hereinfall’.«

Kröger lachte dröhnend, schlug seinem Neffen auf die Schulter und ignorierte den verweisenden Blick des Butlers.

An der Haustür kam ihnen Frau Kröger entgegen. Befremdet schaute sie auf die Prozession, die sich näherte. Dann erkannte sie Andreas, und ein Strahlen ging über ihr Gesicht, als sie ihn ebenso herzlich begrüßte wie kurz zuvor ihr Mann.

Dann aber fragte sie: »Und wen bringst da noch mit?«

Bevor Andreas antworten konnte, knurrte ihr Ferdinand: »Das ist sein Kindermädchen. Die Gertrud hat Angst, er könnt’ sich hier verlaufen.«

»So ein Schmarrn. Aber jetzt sind Sie schon mal da, dann kommen Sie auch mit rein! Wo so viele satt werden, soll’s auch noch für einen mehr reichen.«

Im Hause begrüßten dann die drei Kinder der Familie Kröger den unverhofften Besuch. Zwei Buben und ein Madl, die noch in die Schule gingen, gaben Andreas artig die Hand und betrachteten den Butler mit unverhohlener Neugier.

Beim Abendessen wurde eifrig erzählt, Familiengeschichten ausgetauscht und viel gelacht. Crouch lehnte es zuerst ab, mit am Tisch zu essen, doch da Frau Kröger energisch erklärte, sie würde auf keinen Fall für einen allein in der Küche decken, musste er doch nachgeben und sich mit an den Familientisch setzen. Über den Gesprächen ging die Zeit wie im Fluge, und die Uhr hatte schon lange Mitternacht geschlagen, als Andreas und Crouch ins Gasthaus zurückkehrten, um dort zu übernachten.

2

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Crouch in das Zimmer seines Herrn trat und ihn behutsam weckte. Er hatte auf dem Tisch des Zimmers bereits warmes Wasser und das Rasierzeug aufgebaut und nahm gekonnt wie ein Kammerdiener seinem jungen Herrn den Bart ab. Zum Frühstück gingen sie hinunter in die Gaststube. Andreas sah frisch aus und freute sich auf ein herzhaftes Essen. Sein Butler wollte in die Küche gehen und sich um die Zubereitung kümmern, doch der Bursch hielt ihn zurück.

»Jonathan, Sie müssen sich das abgewöhnen. Ich lass’ mich hier gern von anderen bedienen und auch überraschen. Stellen Sie sich doch mal vor, Sie hätten ein paar Tage Urlaub! Entspannen Sie sich und ... Donnerwetter!«, entfuhr es dem Burschen mitten im Satz. Ein junges Madl kam mit einem Tablett auf die beiden zu, und sie war es, die ihm den bewundernden Ausruf entlockt hatte.

Sie hatte eine hübsche, schlanke Figur, die durch ein entzückendes Dirndl noch hervorgehoben wurde, schimmerndes, kastanienbraunes Haar lag zu Schnecken geflochten eng am Kopf, und leuchtend braune Augen in einem herzigen Gesicht strahlten ihm entgegen.

»Grüß Gott, Herr Kröger. Haben S’ gut geschlafen?« Sie stellte das Tablett auf dem Tisch ab und stellte Semmeln, Wurst, Butter Marmelade auf.

»Kaffee kommt sofort. Oder mögen Sie lieber Tee oder Kakao?«, fragte sie mit einem freundlichen Blick auf die beiden Herren.

Andreas starrte sie immer noch an wie eine Wundergestalt aus einer anderen Welt. Crouch räusperte sich diskret, und der Bursch schrak aus seiner Versunkenheit auf.

»Nein, nein, danke. Kaffee ist schon recht.«

Das Madl drehte sich um und verschwand in der Küche.

»Jonathan, haben Sie das gesehen?«, fragte Andreas entgeistert.

»Wenn Sie auf die junge Dame anspielen, sie ist außergewöhnlich hübsch.«

»So kann man’s auch ausdrücken«, lachte der Bursch. »Die ist einfach sauber.«

Kurz darauf kam das Madl mit einer großen Kaffeekanne zurück und schenkte von dem aromatischen Getränk ein.

»Haben Sie noch einen Wunsch?«, fragte sie dann.

»Ja. Haben Sie heut’ Abend schon was vor?«, erkundigte sich Andreas, der den Blick einfach nicht von ihr abwenden konnte.

Sie lachte glockenhell auf. »Tut mir leid, mein Vater hat da sehr bestimmte Ansichten. Und eine davon ist, dass ich niemals mit Gästen ausgehen darf.«

»Wie schade«, erwiderte der Bursch ehrlich enttäuscht. »Vielleicht kann ich ihn mal von einer Ausnahme überzeugen. Aber Ihren Namen, den sagen Sie mir doch, oder?«

Sie lachte ihn an. »Ich bin die Leni. Eigentlich Magdalena, aber das ist mir zu lang.«

»Ich bin der Andreas.«

»Ich weiß, Herr Kröger. Entschuldigen Sie, aber die anderen Gäste warten.«

Das war nun wirklich übertrieben, denn es saßen nur noch zwei Gäste in der Stube, und die hatten ihr Essen bereits bekommen. Doch Leni wollte gern aus der Nähe dieses unverschämt gut aussehenden Burschen fort. Er beunruhigte sie, und sie wollte auf keinen Fall zulassen, dass sie sich in ihn verliebte. Dieser Andreas gehörte gewiss zu der Sorte, der die Madln als Spielzeug ansah.

Er sprach mit gutem Appetit dem herzhaften Frühstück zu, und auch sein Butler fand nichts daran auszusetzen.

Anschließend machte Andreas sich daran, den Bürgermeister aufzusuchen. Er wollte im Auftrag seiner Eltern einen hübschen Platz finden, um ein Haus zu bauen.

Der Bürgermeister war selbstverständlich über seinen Gast im Bilde, doch dessen Wunsch erstaunte ihn.

»Wissen S‘ Herr Gruninger, mein Vater möcht’ gern in seinen Heimatort zurückkehren. Zumindest für einige Zeit im Jahr will er wieder hier wohnen. Und da hat er mich vorausgeschickt, um schon mal einige Angebote einzuholen. Haben S’ denn noch irgendwo einen hübschen Bauplatz? Wenn möglich mit Waldblick oder so.«

»Es ehrt das ganze Dorf, wenn Ihr Herr Vater hier wohnen will«, erklärte der Bürgermeister, der breit und behäbig auf seinem Stuhl saß und die Hände vor den ansehnlichen Bauch gefaltet hatte.

»Wissen S’, Herr Kröger, wir sind ja nun keine aufstrebende Gemeinde, die viel Bauland anzubieten hat. Gerade weil wir in der Saison viel Fremdenverkehr haben, wollen wir den Ort net durch umfangreiche Bauarbeiten verschandeln. Es ist schon fast zu viel, dass eine neue Straße oben am Hang gebaut wird. Aber das ist eh Landesangelegenheit, und der Wunsch Ihres Herrn Vaters ist mir selbstverständlich Befehl. Tja, da wollen wir doch mal schauen, wo noch ein Plätzchen wär. Wie groß sollt denn das Grundstück sein?«

Andreas lächelte. Der Bürgermeister versuchte, einen guten Preis herauszuholen, und er selbst hatte nichts dagegen. Am Geld sollte es nicht liegen.

Wenige Minuten später beugten sich die beiden über die Flurkarte, der Bürgermeister zeigte und Andreas überlegte. Schließlich fanden sich doch einige Grundstücke, die in Frage kamen.

»Ich würd’ das Land gern besichtigen«, erklärte der Bursch.

»Das können S’ natürlich. Ich nehm’ an, dass Ihr Vater die endgültige Entscheidung trifft. Geben Sie mir dann Bescheid.«

»Gern«, nickte Andreas und verabschiedete sich vom Bürgermeister in herzlichem Einvernehmen.

Zum Mittagessen war der Bursch wieder im »Ochsen«, und Leni bediente ihn. Andreas verwickelte sie in ein Gespräch, und es entzückte ihn, wie natürlich und frisch das Madl war. In Gedanken zog er Vergleiche mit den Madln aus der Stadt, mit denen er sonst ab und zu ausging, und diese schnitten dabei alles andere als gut ab. Immer mehr festigte sich in ihm die Überzeugung, dass er hier sein großes Glück finden konnte. Wenn Leni nur nicht so abweisend gewesen wäre. Aber vielleicht ließ sich ja doch etwas machen!

»Sagen Sie, Leni, kennen Sie sich hier gut aus?«, fragte er irgendwann unschuldig.

»Aber natürlich.«

»Wissen Sie, ich bin nämlich auf der Suche nach einem Grundstück, und der Bürgermeister hat mir einige vorgeschlagen. Aber allein find’ ich den Weg garantiert net. Können S’ mir net helfen, indem Sie mich begleiten und mir alles zeigen?«, fragte er.

Das Madl überlegte einen Moment und sagte dann: »Da müsst’ ich meinen Vater fragen, ob er einverstanden ist. Das wär’ ja dann keine Verabredung, ich wär’ ja nur Fremdenführer.«

»Und zwar ein ganz entzückender«, bestätigte Andreas lächelnd.

»Na gut, ich werd’ ihn fragen.« Leni verschwand wieder und kam wenige Minuten später freudestrahlend zurück. »Der Vater hat nix dagegen. Wann wollen S’ denn los?«

»Gleich nach dem Essen, wenn S’ nix dagegen haben.«

»Gut. Ich zieh mich dann um.« Der weite Rock des Dirndls schwang um ihre schönen gebräunten Beine, als sie die Treppe zum ersten Stock hinauflief.

3

Zu dritt war es ein wenig eng im Landrover. Crouch hatte darauf bestanden, seinen jungen Herrn zu begleiten, und alle Einwände mit der Begründung abgewiesen, dass vier Augen mehr sehen als zwei.

So quetschte er sich neben Leni in steifer, kerzengerader Haltung, hielt den Regenschirm fest, den er auch auf diesem kurzen Ausflug nicht hatte daheim lassen wollen.

Leni betrachtete den Butler noch immer mit gemischten Gefühlen. Insgeheim freute sie sich, dass sie bei Andreas war, doch die Anwesenheit Jonathans störte sie erheblich. Trotzdem blieb sie freundlich und wies dem Burschen den Weg.

Hinter einem kleinen Hügel tat sich ein herrlicher Ausblick auf. Ein Wäldchen in Hufeisenform umschloss halbkreisförmig ein Wiesenstück. Ganz in der Nähe gluckerte ein kleiner Bach, Vögel sangen in den Zweigen, und plötzlich hoppelte ein Hase über die Wiese. Das Tier hielt einen Augenblick inne, als betrachte es misstrauisch die Störenfriede, und verschwand dann im Wald zwischen den Bäumen.

»Phantastisch!,« rief Andreas aus. »Das ist genau das, was ich gesucht hab’. Da müssen wir gar net mehr weiterfahren.«

Sie stiegen aus dem Wagen. Crouch holte ein Bandmaß aus einer Tasche und begann auf der Wiese etwas auszumessen. Andreas kümmerte sich nicht weiter um ihn. Er nahm Leni bei der Hand und schritt mit ihr auf den Wald zu. Die Sonne besaß schon viel Kraft, und so ließ sich der Bursch im Schatten nieder und zog das Madl neben sich.

»Es ist einfach schön hier. Hier wird das neue Haus gebaut werden! Ich stell’s mir schon vor. Sagen Sie, Leni, wie kommt’s, dass Sie hier im Ort leben? Hätten Sie Lust, auch einmal eine Weile in die Stadt zu ziehen?«

»Nein, hab ich net. Ich fühl’ mich hier sehr wohl. In der Stadt ist’s mir zu laut und zu hektisch, und die Burschen, die sind mir dort zu unverschämt«, gestand sie errötend.

»Haben Sie etwa schlechte Erfahrungen gemacht?«, erkundigte sich der Bursch verwundert.

»Ein bissel. Und da gibt’s noch was, was mir net gefällt. Dort sieht man die Berge net, und man muss immer erst weit fahren, bis man ein Stückerl Natur erreicht hat. Nein, ich bin glücklich hier.«

Sie lehnte sich leicht zurück und schaute verträumt in den Himmel. Andreas betrachtete das schöne Madl liebevoll und mit glänzenden Augen. Er hatte unwiderruflich sein Herz an sie verloren.

»Leni, könnten Sie sich net doch entschließen, mit mir auszugehen? Ich versprech’ Ihnen auch, mich ganz artig zu benehmen«, versicherte er eifrig.

Leni lachte hell auf. »Das hört sich ja wirklich gut an. Also, einverstanden, ich werd’ drüber nachdenken.«

In diesem Moment kam der Butler heran. Er baute sich vor ihnen auf und begann mit leidenschaftsloser Stimme zu berichten: »Die Maße des Grundstücks entsprechen voll und ganz den Erfordernissen, die Ihr Herr Vater voraussetzt. Ich würde vorschlagen, dass Sie eine Option auf das Land erwerben und den endgültigen Vertragsabschluss nach einem Gespräch mit Ihrem Herrn Vater tätigen.«

Leni verbiss sich ein Kichern bei dieser gestelzten Ausdrucksweise. Andreas starrte Jonathan wegen der Störung ein wenig unwillig an.

»Ist schon gut, Jonathan. Ich weiß, was ich zu tun hab’«, gab er unwirsch zurück.

»Dürfte ich dann empfehlen, ins Hotel zurückzukehren, den Besitzer des Grundstücks aufzusuchen und Ihren Herrn Vater zu informieren?«

»Nein, jetzt net«, knurrte der Bursch abweisend. »Ich möcht’ gern noch ein bissel hierblieben. Du kannst ja schon voraus spazieren, wenn du magst.«

Doch Jonathan gab noch nicht auf. »Darf ich mir die Bemerkung erlauben, dass die junge Dame ins Hotel zurückkehren sollte, um unnötiges Gerede im Dorf zu vermeiden.«

Leni funkelte ihn ärgerlich an. »Das können S’ ruhig mir überlassen, ob ich heimfahr’ oder noch bleib’. Und über das Gerede brauchen S’ sich gar keine Sorgen zu machen. Damit muss ich schließlich selbst leben und net Sie.«

Crouch ließ sich von diesem Ausbruch nicht beeindrucken. Auffordernd schaute er Andreas an.

Dieser überlegte kurz. »Wissen S’ was? Sie nehmen jetzt den Wagen und fahren zurück ins Dorf. Und in ein oder zwei Stunden kommen wir nach. Ist ja eh’ net weit«, schlug er vor.

Der Butler ließ sich keine Regung anmerken, er zog nur leicht eine Augenbraue in die Höhe.

»Darf ich zu bedenken geben, dass der Vater der jungen Dame Fragen stellen wird?«, beharrte er.

»Ihnen wird schon etwas einfallen. Und jetzt gehen S’ schon«, forderte Rüdiger den Butler auf, der einsah, dass hier nichts mehr zu machen war. Mit eisiger Höflichkeit lüftete Crouch noch einmal seinen Hut und ging dann auf den Wagen zu. Seine Haltung drückte dabei sehr deutlich sein Unbehagen über den Befehl seines Herrn aus.

»Nein, ganz und gar net. Solang Sie anständig bleiben«, fügte sie dann lächelnd hinzu.

4

Der nächste Tag brachte strahlenden Sonnenschein. Andreas war früh aufgestanden. Jetzt saß er mit Jonathan beim Frühstück und ließ sich von Leni Kaffee nachschenken, sehr zum Missfallen seines Butlers. Der fühlte sich hier fast überflüssig, denn seine Dienste wurden immer wieder abgelehnt.

Andreas hatte noch am Tag zuvor mit dem Besitzer des Grundstücks verhandelt und einen Vorvertrag abgeschlossen. Wenn sein Vater auch einverstanden war, mehr aber noch seine Mutter, würde das herrliche Stück Land bald seiner Familie gehören, und der Bau konnte begonnen werden.

»Leni, mögen S’ mir heut noch ein wenig mehr von der Gegend zeigen?«, fragte der Bursch in diesem Moment und übersah den verweisenden Bück des Butlers.

»Gern. Ich kann mich allerdings erst früh am Nachmittag hier freimachen. Passt es Ihnen?«

Er strahlte und nickte ihr begeistert zu, als ein Einwand des Butlers seine Hochstimmung augenblicklich zunichte machte.

»Ich möchte darauf hinweisen, dass Ihre Verwandten mit Recht von Ihnen erwarten, dass Sie sich gelegentlich dort aufhalten. Das verlangen auch die Regeln der Höflichkeit«, erklärte dieser mahnend.

»Ach, nun hören S’ schon auf. Ich will denen doch nicht dauernd auf die Nerven fallen. Und ich hab’ Urlaub und kann machen, was ich will. Ich möcht’ halt gern mit der Leni spazieren gehen.«

»Ganz wie Sie wünschen. Bevorzugen Sie eine bestimmte Route?«

»Nein, ich lass mich überraschen. Sie wollen doch net etwa mit?« ,fragte Rüdiger entgeistert.

»Das entspricht genau meiner Pflichtauffassung und dem Versprechen, das Ihre Frau Mutter mir abnahm.«

»O nein, bleiben S’ bloß woanders! Gehen S’ auch spazieren oder tun S’ sonst was, aber lassen S’ mich allein.«

Unbeeindruckt trank Crouch seine Tasse leer. Er widersprach nicht, denn das hätte seine Erziehung und Ausbildung nicht erlaubt. Außerdem wusste er schon, wie er seinen Auftrag ausführen würde.

Das Essen im »Ochsen« war hervorragend. Die Wirtin kochte schmackhaft, so dass auch verwöhnte Gaumen auf ihre Kosten kamen. Nicht einmal Crouch hatte etwas dagegen einzuwenden. Andreas legte plötzlich mitten während des Essens sein Besteck nieder.

»Mir fällt gerade ein, ich muss meine Brieftasche in meinem Zimmer liegengelassen haben. Würden Sie mir die gleich holen, wenn Sie gegessen haben?«

»Selbstverständlich.«

Andreas grinste in sich hinein. Seine Brieftasche trug er wohlverwahrt in seiner Hosentasche. Er wollte nur seinen übereifrigen Butler davon abhalten, sich an seine Fersen zu heften. Mit Leni hatte er schon heimlich gesprochen. Sie würden gleich zusammen verschwinden, wenn Crouch im ersten Stock nach der vergessenen Brieftasche suchte.

Der Butler beendete seine Mahlzeit, erhob sich und schritt würdevoll die Treppe hinauf. Andreas sprang auf, Leni griff nach ihrer Jacke, und die beiden liefen hinaus.

Übermütig lachend wie Kinder rannten sie eine Strecke weit, fassten sich dann an den Händen und schritten flott aus. Leni schlug einen Weg ein, der sie bergauf in Richtung der Almen führte. Tiefe Rillen im Boden, Steine und herausragende Wurzeln erschwerten dem Burschen das Laufen. Er war glatte, gerade Strecken gewohnt, und so wurde ihm bald die Luft knapp. Leni, die das bemerkte, lächelte leicht und schlug eine Rast vor, um ihn nicht zu beschämen. Dankbar ließ Andreas sich auf einen Stein sinken. Er rang nach Luft, doch er freute sich, endlich mit dem Madl allein zu sein.

»Wo führen S’ mich eigentlich hin?«, wollte er wissen, als er wieder normal atmen konnte.

»Hoch auf die Grandler Alm. Von da aus haben S’ einen Ausblick über das ganze Tal. Ich zeig’ Ihnen dann, wo S’ im Winter Ski fahren können. Von der Alm aus führt eine Piste geradewegs hinab insTal.«

»Fahren S’ auch Ski?«, fragte er.

»Ja, freilich. Das tut fast ein jeder hier. Kommen S’, gehn wir weiter!«, forderte sie ihn auf.

Der Bursch erhob sich, nahm sie wieder bei der Hand, und sie wanderten weiter den Berg hinauf. Bald danach war die Almhütte zu sehen. Andreas hielt Leni plötzlich fest und deutete auf einen hohen Pfeiler, der mitten in der Landschaft stand.

»Sagen S’ nur, es gibt auch eine Seilbahn hier herauf! Da hätt’ ich mir das Kraxeln doch sparen können!«

»Sie sind ein Faulpelz. Außerdem ist die Bahn jetzt im Sommer net in Betrieb, das nützt Ihnen also gar nix. Und jetzt sind wir ja auch gleich da. Schaun S’ nur, die herrliche Aussicht.«

Wirklich erstreckte sich weit unter ihnen malerisch das Tal. Weiße und rote Farbtupfer zeigten an, wo die Häuser standen, Felder und Wiesen wechselten einander ab, Straßen schlängelten sich zwischen ihnen hindurch. Weit entfernt, klein wie Ameisen, bewegten sich einige dunkle Pünktchen hin und her.

»Was ist denn das da?«, fragte Andreas. »Diese kleinen Dinger da? Sie sehen aus wie Maschinen oder so etwas!«

»Ach, das meinen Sie. Da wird eine neue Straße direkt am Hang gebaut und die Bagger, die graben eine Trasse in den Hügel hinein. Neulich haben’s sogar sprengen müssen. Im ganzen Dorf hat’s gerumst«, erzählte sie lachend. Andreas stimmte mit ein, und dann wandten sie sich um und gingen in die Almhütte hinein, um eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Es gab nicht nur Milch, sondern auch Bier und eine Brotzeit, die sich Andreas - ausnahmsweise einmal ohne den gestrengen Blick seines Butlers - gut schmecken ließ.

Plötzlich fuhr ein Ruck durchs Haus, ein Motorengeräusch erklang, und der Almwirt schaute erstaunt auf.

»Das ist die Seilbahn! Aber wir haben doch für heut gar keine Probe angesetzt! Warum macht denn der Loisl die Bahn an?«

Wenige Minuten später wurde das Rätsel gelöst. Eine Gondel kam oben an, und derWirt, Leni und Andreas, die neugierig vor die Hütte getreten waren, wurden von der Ankunft eines neuen Gastes überrascht. Korrekt wie immer, mit Hut und Regenschirm bewaffnet, stieg Crouch aus der Gondel. Andreas raufte sich die Haare, Leni zog eine Flunsch, und der Almwirt schaute entgeistert auf die schwarzgekleidete Gestalt.

»Was ist denn das für einer?«, ächzte er verwundert.

Andreas fasste sich als erster. »Das ist mein Butler«, stellte er Jonathan vor.

Mit offenem Mund starrte der Wirt Crouch an. Der Butler räusperte sich.

»Ich hoffe, Sie leiden nicht an einer Krankheit, die im Volksmund allgemein Maulsperre genannt wird. Darf ich Sie nun bitten, mir ein Glas Milch dort an den Tisch zu bringen, an dem auch Herr Kröger Platz genommen hat.«

Der Wirt klappte den Mund wieder zu und verschwand kopfschüttelnd in der Hütte. Andreas baute sich vor Crouch auf.

»Was fällt Ihnen denn ein, mir zu folgen? Wie haben Sie’s fertiggebracht, die Bahn anwerfen zu lassen? Die ist doch im Sommer außer Betrieb.«

»Ich bitte um Verzeihung, doch Sie baten mich, Ihre Brieftasche zu suchen. Leider konnte ich sie in Ihrem Zimmer nicht entdecken. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich die Brieftasche wieder angefunden hat. Falls das jedoch nicht der Fall sein sollte, wäre ich selbstverständlich bereit, noch einmal genaust alles zu durchsuchen. Sollte sich die Mappe jedoch auch dann noch nicht wiederfinden, sollten Sie überlegen, eventuell eine Vermisstenanzeige aufzugeben.«

»Und um mir das zu sagen, lassen Sie die Seilbahn in Betrieb setzen und kommen mir hinter her? Wer hat Ihnen überhaupt gesagt, wo ich bin?«, fauchte Andreas. Er war ziemlich aufgebracht.

»Einige der Bewohner haben Sie gesehen, wie Sie mit Fräulein Magdalena den Weg zur Alm einschlugen. Habe ich etwa nicht in Ihrem Sinn gehandelt?«, fragte Crouch völlig verwundert.

Der Bursch seufzte verzweifelt auf. Insgeheim nahm er sich vor, seinen Butler zu fesseln und zu knebeln, wenn er noch einmal mit Leni allein sein wollte ...

Einige Zeit später machten sich die drei dann gemeinsam an den Abstieg. Andreas hatte Jonathan erklärt, dass er seine Brieftasche wiedergefunden habe und weitere Anstrengungen nicht erforderlich seien. Er wollte das Madl wieder an die Hand nehmen, doch sie entzog sie ihm mit einem Seitenblick auf den Butler.

5

Leni war glücklicherweise kein nachtragendes Madl. Als sie Andreas am nächsten Morgen das Frühstück servierte, lachte sie ihn schon wieder an.

»Weißt«, sagte sie verschmitzt, »dein guter Geist fordert uns regelrecht heraus. Wir müssen uns was einfallen lassen, um ihn ein bissel loszuwerden, ohne dass er gleich ein Möglichkeit findet, uns wieder nachzuschleichen. Und gestern, das war doch eigentlich mehr zum Lachen, findest net?«

Crouch war noch nicht heruntergekommen, und so konnten die beiden ungestört miteinander reden. Sie hatten sich noch oben in der Hütte das Du angeboten, und jetzt kamen sie sich vor wie zwei Verschwörer, als sie lachend und kichernd die Köpfe zusammensteckten.

Der Wirt sah das Ganze mit weniger Freude. Er liebte seine Tochter und hatte Angst, dass sie enttäuscht werden könnte. Von diesen Stadtleuten hatte man schließlich schon mehr als genug gehört, und dass ein Madl sitzengelassen wurde, war schon oft vorgekommen. Doch Leni hatte andererseits so wenig Ablenkung, dass er ihr auch ein bissel Spaß gönnen wollte. So warf er also ab und an einen prüfenden Blick zu den beiden hinüber, schwieg aber.

Leni hatte Andreas flüsternd eine Idee mitgeteilt und richtete sich jetzt aus ihrer leicht vorgebeugten Stellung auf. In diesem Moment kam Crouch dazu.

»Ich wünsche einen guten Morgen«, sagte er streng, und das Madl lächelte freundlich.

»Guten Morgen. Haben S’ gut geschlafen? Ich werd’ Ihnen Frühstück holen. Haben S’ da besondere Wünsche?«

Crouch warf einen missbilligenden Blick auf das Gedeck seines Herrn, eine Kanne Kaffee und ein belegtes Brötchen. Andreas grinste.

»Ich hab’ halt keinen Hunger, Jonathan. Aber lassen S’ sich dadurch net abhalten.«

»Ich wünsche ein Vier-Minuten-Ei, zwei frische Brötchen, Butter und zwei nicht zu große, magere Scheiben gekochten Schinken. Wie Kaffee perfekt aufgebrüht wird, dürfte Ihnen bekannt sein, setze ich voraus.«

Leni unterdrückte ein Kichern. »War Ihnen unser Kaffee bisher net gut genug?«, fragte sie ernsthaft.

»Ich denke, man könnte ihn als recht gut bezeichnen. Ich wollte nur noch einmal darauf hinweisen, damit sich keine Nachlässigkeiten einschleichen.«

»Jetzt langt’s aber«, mischte sich Andreas ein. »Wenn S’ an allem was auszusetzen haben, dann fahren S’ heim und kochen S’ sich Ihren Kaffee selbst.« Er schämte sich für den arroganten Ton, den Jonathan anschlug.

»Das würde den Anweisungen Ihrer verehrten Eltern widersprechen«, begann Crouch, doch er verstummte jäh,. als er Andreas’ finstere Miene sah.

»Nein, nein, ist schon richtig«, sagte Leni. »Der Gast ist König, und wir bemühen uns, seine Wünsche zu erfüllen. Frühstück kommt gleich.«

Mit natürlichen, anmutigen Bewegungen verschwand sie in der Küche und erzählte ihrer Mutter von diesem Gespräch, wobei sie sich vor Lachen bog.

»Na, der soll meinen Kaffee kennenlernen«, schäumte die Wirtin. »Den wird er nie wieder vergessen.«

Sie begann, mit Kaffeemehl, Wasser und einer kleinen Kanne zu hantieren, und stellte dann ein Gedeck zusammen. Dann band sie die Schürze ab und trug das Tablett selbst hinaus, stellte alles auf den Tisch und stand dann wartend neben Crouch. Dieser probierte den Kaffee, verzog das Gesicht und schaute die Wirtin anklagend an.

»Dieses Getränk ist kein Kaffee. Darf ich um einen neuen bitten?«, fragte er würdevoll.

»Den hab’ ich grad frisch aufgebrüht, extra für Sie, weil er Ihnen sonst womöglich net gut genug gewesen wär. Und jetzt werden S’ das auch trinken«, erklärte sie bestimmt. Leni stand hinter der Küchentür und musste krampfhaft ein Kichern unterdrücken.

Crouch richtete sich womöglich noch gerader auf. Seine ganze Haltung drückte Abwehr aus, seine Miene wirkte eisig. Andreas saß bequem auf seinem Stuhl und hörte dem Disput mit Vergnügen zu.

»Ich wünsche, den Wirt zu sprechen«, verlangte Crouch jetzt.

»Glauben S’ vielleicht, mein Mann erzählt Ihnen was anderes?«, fauchte die Wirtin den Butler an, der jetzt leicht irritiert wirkte.

»Dann darf ich davon ausgehen, dass Sie die Wirtin sind?«

»Ja, was denken S’ denn sonst?«

»Dann richte ich meine Reklamation gleich an die richtige Stelle. Ich wünsche einen frisch aufgebrühten Kaffee, der eine normale Trinkstärke hat, dessen Temperatur nicht unter achtzig Grad Celsius liegt und dessen Bohnen mit keinem anderen Material vermischt sind. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt.«

»Hu«, machte die Wirtin. »Können S’ das auch in deutsch sagen?«

»Gehn S’, seien S’ so nett, und bringen S’ einen ganz normalen Kaffee«, bat Andreas statt dessen.

»Ach so. Einen ganz normalen Kaffee, wie alle anderen auch, hab’ ich das recht verstanden?«, tat die Wirtin tief erstaunt.

»Ich bitte darum«, sagte Crouch ruhig, aber sichtlich nur mühsam beherrscht.

»Ja, warum haben S’ denn das net gleich gesagt? Sie sollten sich vielleicht ein bissel klarer ausdrücken. Man versteht ja nix, wenn S’ so geschraubt daherreden.«

Mit einem feinen Lächeln räumte sie das Geschirr ab, eilte in die Küche und kam mit einem neuen Gedeck zurück. Sie goss eine Tasse Kaffee ein, und sogleich breitete sich der aromatische Duft in der Gaststube aus. Crouch nahm mit Behagen einen Schluck davon.

In einem unbeobachteten Moment fragte Andreas Leni, was ihre Mutter seinem Butler denn da vorgesetzt habe. Das Madl gluckste vor Vergnügen.

»Malzkaffee«, kicherte sie. Andreas stand einen Augenblick lang wie erstarrt, dann brach er in schallendes Gelächter aus.

6

Andreas saß bei seinen Verwandten wie auf glühenden Kohlen. Er hatte sich mit Leni verabredet und sann nun darauf, möglichst rasch seinen Schatten loszuwerden. Unauffällig, aber aufmerksam wie immer, saß Crouch in einem Stuhl, mischte sich nicht in die Unterhaltung, schien sogar abwesend zu sein, doch sobald Andreas nur einen Versuch machte, die Gastgeber um etwas zu bitten, sprang der Butler auf und besorgte das Gewünschte.

Der Bursch wünschte sich nichts sehnlicher als einen Blitzschlag, der ihn schnellstens von Jonathan befreien würde. Doch die Wahrscheinlichkeit dafür war sehr gering, denn strahlender Sonnenschein leuchtete durch die Fenster herein.

Andreas wehrte die liebevolle Einladung zu Kaffee und Kuchen ab und brach auf. Im Gasthof ging er auf sein Zimmer und rief kurz darauf nach Crouch. Er beschäftigte den Butler mit kleineren Aufträgen, die im Grunde keinen anderen Sinn hatten, als dessen Wachsamkeit einzuschläfern. Schließlich verließ er sein Zimmer ganz normal, als wollte er das Bad aufsuchen, das sich gleich nebenan, aber auf dem Flur befand.

Crouch vermerkte es zwar, schöpfte jedoch keinen Verdacht. Unendlich leise steckte der Bursch von außen den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn möglichst lautlos um. Mit einem befriedigten Grinsen lief er die Treppe hinunter, riss die Küchentür auf, hinter der Leni wartete, und zog das Madl an der Hand mit sich fort.

»Hast’s geschafft?«, fragte Leni strahlend. Er nickte und hielt triumphierend den Schlüssel hoch. Gemeinsam liefen die beiden jungen Menschen hinaus, froh darüber, mit sich allein zu sein.

Crouch hatte mittlerweile bemerkt, dass sein junger Herr ihn schnöde eingesperrt hatte. Zunächst rüttelte er an der Klinke und rief laut nach Andreas. Doch als sich nichts tat, wurde ihm klar, dass hier kein Versehen vorlag, sondern dass er gezielt eingesperrt worden war. Ein wenig irritiert setzte er sich auf einen Stuhl und überlegte, was er jetzt tun konnte, doch dann ließ ihn sein Verantwortungsbewusstsein nicht länger ruhen.

Was konnte dem jungen Herrn nicht alles zustoßen, wenn er, Crouch, nicht da war? Und wer würde dafür sorgen, dass alle Wünsche des Burschen erfüllt wurden? Nein, ein Butler muss in jeder Lebenslage zuerst an seinen Herrn denken, auch wenn dieser es ablehnte, sich umsorgen zu lassen. Außerdem hatte Jonathan Andreas’ Mutter versprochen, auf ihren »Buben« aufzupassen.

Prüfend betrachtete er das Schloss in der Tür. Es war ausgesprochen massiv, und er sah keinen Weg, eventuell mit einem Werkzeug das Schloss zu öffnen. Blieb also nur noch das Fenster. Er öffnete die beiden Flügel und schaute ein wenig kritisch an der Wand hinunter. Zu seiner großen Freude war die ganze Wand mit Kletterrosen bewachsen, die an einem stabilen Spalier in die Höhe rankten. Kurz überprüfte er den korrekten Sitz seines Anzuges, dann warf er noch einen kurzen Blick nach unten und begann, aus dem Fenster zu steigen.

Seine Füße hakten sich in das Spalier, während er versuchte, den Dornen der Rosen auszuweichen und sich mit den Händen an die Sprossen zu klammem. So legte er ein beträchtliches Stück auf dem Weg nach unten zurück, voll konzentriert, um nicht danebenzugreifen. Plötzlich aber zuckte er erschrocken.

»Ja, zum Teufel, was macht denn der da?«, rief eine erboste Stimme von unten. »Schaun S’ bloß, dass S’ da herunter kommen. Ihnen werd’ ich helfen, am helllichten Tag einbrechen wollen. Und dann noch beim Wirt. Sind S’ denn von allen guten Geistern verlassen?«

Da stand ein alter Bauer, eine Mistgabel geschultert, und beschimpfte den armen Crouch, der doch gar nichts weiter im Sinn hatte, als seinen Herrn zu schützen.

»Ich bitte um Verzeihung, wenn es so scheint, als würde ich etwas Verbotenes tun«, begann Crouch zu erklären. »Doch mein einziges Bestreben liegt darin, das Zimmer meines Herrn zu verlassen, der mich irrtümlich eingeschlossen hat. Ich bin sicher, dieses Missverständnis lässt sich mit wenigen Worten aufklären.«

»Hä? Was reden S’ da so geschert? Ich hol’ jetzt den Alfons, dann werden S’ schon sehen, was S’ davon haben.« Der Mann schritt zügig auf den Eingang zu, wurde jedoch noch einmal aufgehalten.

»Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie über diese Angelegenheit Stillschweigen bewahren könnten. Es ist mir außerordentlich peinlich, in dieser unangenehmen Situation, die eindeutig zu meinen Ungunsten spricht, von Ihnen entdeckt zu werden. Wenn ich Sie also bitten dürfte ...«

»Bitten können S’ da eine Menge. Aber verstehen tu’ ich S’ net. Also hol’ ich jetzt den Wirt.«

Hilflos musste Crouch abwarten, bis wirklich gleich darauf der Wirt vor dem Haus erschien. Mit großer Verwunderung betrachtete er den in den Rosen hängenden Butler.

»Meinen S’ net auch, dass dieser Weg ein bissel umständlich ist?«, fragte er dann mit unverhohlener Schadenfreude. Er ahnte, warum Andreas die Tür oben verschlossen hatte, und amüsierte sich königlich dabei, diesen eingebildeten Kerl einmal ein wenig aufziehen zu können.

»Ich musste leider einen Notausgang suchen«, erklärte Crouch mit dem letzten Rest seiner Würde.

»Dann kommen S’ mal da herunter«, forderte der Wirt.

»Sag einmal, ist dieser Lackl da wirklich Gast bei dir?«, fragte der Bauer, der noch immer mit seiner Mistgabel über der Schulter dastand.

»Ja doch. Frag mich bloß net, warum. Ich werd’ froh sein, wenn er abreist«, murmelte der Wirt.

In diesem Augenblick stürzte Crouch die letzten Meter unglücklich ab. Kopf und Hände verfingen sich in den Ranken der Rosen, die Dornen schrammten durch sein Gesicht und über seine ungeschützten Handgelenke und rissen Schrammen in die Haut, die gleich darauf heftig zu bluten begannen.

»Hirnrissiger Depp, hirnrissiger«, sagte der Bauer und ging davon.

Crouch aber rappelte sich auf und setzte eine undurchdringliche Miene auf. Der Wirt, der erwartet hatte, dass jetzt ein Donnerwetter von Flüchen folgen würde, starrte ihn eine Weile an. Dann schüttelte er den Kopf über so viel unnütze Selbstbeherrschung und befreite den Mann von den letzten Ranken. In der Gaststube wurden dann die blutenden Kratzer verarztet. Es waren keine schlimmen Wunden, doch die Schrammen würden für einige Tage gut zu sehen sein und schmerzhaft waren sie auch.

Später kamen Andreas und Leni heim. Crouch saß sehr steif und sehr würdevoll auf einem Stuhl und schaute seinem Herrn missbilligend entgegen. Andreas starrte ihn fassungslos an.

»Mein Gott, Jonathan, wie schauen S’ denn aus? Sind S’ unter die Räuber gefallen?«

»Ich bitte um Entschuldigung für mein nicht korrektes Aussehen. Mir ist leider nicht aufgefallen, dass Sie versehentlich die Tür abschlossen, und ich war gezwungen, den Weg aus dem Fenster über die Hauswand zu nehmen. Dabei ist mir dann ein kleines Missgeschick passiert.«

»Ach, das tut mir aber leid«, erklärte der Bursch, der trotz seiner ehrlichen Betroffenheit über Jonathans Anblick lachen musste.

»Da muss ich doch ganz in Gedanken abgeschlossen haben. Das ist natürlich meine Schuld. Ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung. Es soll net wieder vorkommen.«

Leni, die von diesen Versehen natürlich wusste, weil sie es selbst vorgeschlagen hatte, musste sich abwenden, um nicht durch ein verräterisches Lachen alles zu verderben. Andreas und Jonathan sollten zumindest den Anschein wahren können, auch wenn beide wussten, dass es anders war.

Der Bursch tat nun wirklich besorgt.

»Kommen S’ jetzt am besten hinauf in Ihr Zimmer. Sie müssen sich schonen. Das war doch gewiss eine sehr gefährliche Angelegenheit, und Sie müssen sehr erschöpft sein. Pflegen S' sich sorgfältig. Ich lass Ihnen das Abendessen hochkommen.«

Würdevoll lehnte Crouch ab. »Mein Platz ist an Ihrer Seite. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn wir diese unglückselige Angelegenheit vergessen könnten. Bitte echauffieren Sie sich nicht unnötig.«

7

Ferdinand Kröger gab eine Feier zum Geburtstag seiner Frau. Ursprünglich hatte er vorgehabt, die Freundinnen seiner Frau zu bitten, das Fest auszurichten, doch dann verfiel er auf eine viel bessere Idee. Er bat seinen Neffen Andreas, ihm für diesen Tag den Butler auszuleihen.

Andreas stimmte zu, unter der Voraussetzung, dass auch Crouch damit einverstanden war.

Der Butler war erstaunt über dieses Ansinnen, fühlte sich jedoch herausgefordert. Die Huber-Anni und die Lindner-Christiane würden in der Küche die Vorbereitungen übernehmen, und er würde mit gestrengen Blicken alles überwachen.

»Meine Damen«, begrüßte er die beiden Frauen, »ich möchte Sie bitten, sich genau an meine Anweisungen zu halten. Wir werden eine zwar kleine, doch erlesene Feier vorbereiten. Ich erwarte die exakte Befolgung meiner Anordnungen, nur dann kann ich das Gelingen garantieren. Ich denke doch, dass dieses auch in Ihrem Interesse liegt.«

Die Anni lachte glucksend. »Wir haben das schon öfter gemacht, die Salate vorbereiten und so was. Glauben S’ vielleicht, wir wären ganz dämlich?«

»So etwas würde ich nicht im Traum denken«, erklärte Crouch indigniert. »Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass sich meine erprobten Arbeitsmethoden eventuell von den Ihren unterscheiden könnten.«

Christiane Lindner hatte noch gar nichts gesagt. Fasziniert hing ihr Blick an den Lippen des Mannes. Sie starrte ihn wie ein Wundertier an und rührte sich auch nicht, als er sie aufforderte, mit der Arbeit zu beginnen. Anni stupste sie an.

»Bist gar so erschüttert?«, fragte sie teilnahmsvoll.

»Ein toller Mann«, flüsterte Christiane.

Anni war verschreckt. Christiane war allgemein dafür bekannt, dass sie ein sehr loses Mundwerk hatte und nicht einmal zwei Minuten still sein konnte. Jetzt aber sagte sie gar nix mehr, starrte nur immer wieder auf Crouch und himmelte ihn regelrecht an.

»Ach, du lieber Himmel«, seufzte Anni. »Glaubst vielleicht, der macht sich was aus dir? Dafür ist der viel zu kalt. Der kann doch gar keine Frau als Frau sehen.«

»Das werd’ ich schon feststellen«, bestimmte Christiane. Sie war Ende zwanzig, noch unverheiratet und ein recht hübscher Anblick. Braunes gelocktes Haar fiel ihr bis auf die Schultern, auf der kecken Nase saß eine etwas unvorteilhafte Brille, doch ihre leuchtend blauen Augen machten diesen Mangel wieder wett. Beim Lachen erschienen in ihren Wangen kleine Grübchen, und sie lachte gern und viel.

Die junge Frau hatte sich auf den ersten Blick in Crouch verliebt. So einen hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. Er beeindruckte sie durch seine Ruhe, Würde und sein Können.

Die beiden Frauen arbeiteten flink und zuverlässig, und Crouch war erstaunt über die Geschicklichkeit, mit der sie seine Anweisungen befolgten. Raffinierte Salate entstanden, fachmännisch abgeschmeckt und hübsch dekoriert von dem allgegenwärtigen Butler.

Christiane nahm jede Gelegenheit wahr, mit ihm zu sprechen, ließ sich genauestens über jeden Handgriff aufklären, und ihre Blicke hingen weiterhin wie gebannt an seinen Lippen. Anni machte sich darüber lustig, vor allem, da der lebhafte Redefluss abrupt unterbrochen wurde, sobald Crouch auch nur in der Nähe auftauchte.

Natürlich fiel das nach einiger Zeit auch dem Butler auf, doch er machte sich darüber keine Gedanken. Für ihn war sie nur eine Hilfskraft, die mit bemerkenswertem Geschick seine Anordnungen befolgte.

8

Die Feier selbst wurde dann zu einer wirklich gelungenen Überraschung. Martha Kröger, die während der Vorbereitungen in die Kreisstadt zum Einkaufen geschickt worden war, kehrte heim und fand ein völlig verändertes Haus vor. Die gemütliche Sitzecke im Wohnzimmer war an die Wände geräumt worden, man hatte kleine Tischchen ausgeliehen, auf denen kalte Platten und Salate aufgebaut worden waren. Tabletts mit Sekt, Wein und Säften wurden herumgereicht, und die ganze Nachbarschaft war versammelt.

Alle begrüßten Martha und beglückwünschten sie. Verwirrt, aber hocherfreut, stand sie inmitten des Trubels, und als dann auch noch Crouch auftauchte und eine riesige Torte auf einem fahrbaren Tisch vor sich herschob, sank sie ermattet in den nächsten Sessel.

»Kinder, was habt’s ihr da nur gemacht?«, fragte sie schließlich.

»Gnädige Frau, anlässlich Ihres Geburtstages haben wir auf Anregung Ihres Gatten eine kleine Feier vorbereitet. Ich hoffe, es ist Ihnen recht so.«

Jonathan war der vollendete Butler, der sich auch durch die offensichtliche Verwirrung der Hauptperson nicht aus dem Konzept bringen ließ.

Dann endlich aber fasste sich Martha Kröger, bedankte sich herzlich bei allen und ließ sich verwöhnen. Irgendwann packte sie auch all die Geschenke aus, die die Nachbarn und Freunde mitgebracht hatten, es gab großes Hallo und viel Gelächter. In all dem Durcheinander fiel es gar nicht auf, dass eine Frau stets in der Nähe Crouchs zu finden war und sich an diesem Tag ausgesprochen ruhig verhielt. Christiane Lindner hatte sich offensichtlich verliebt, doch außer der Huber-Anni bemerkte das niemand ...

»Ja, und stellen S’ sich vor, da hat doch wahrhaftig dieser Hammerl, dieser gescherte, gesagt, er könne nix anfangen mit einer Frau, die den ganzen Tag nur redet. Als ob ich den ganzen Tag nur reden tat«, erklärte Christina Lindner im Brustton der Empörung, während sie eifrig darum bemüht war, dem armen Jonathan Crouch jeden Handgriff abzunehmen.

Dieser war dabei, für seinen jungen Herrn und die Familie Kröger eine Kaffeetafel aufzubauen, da Andreas seine Verwandten ins Gasthaus eingeladen hatte. Und Crouch ließ es sich natürlich nicht nehmen, die Vorbereitungen eigenhändig zu übernehmen. So begann er, einen großen Ecktisch, der sonst als Stammtisch diente, einzudecken. Das Backen hatte die Wirtin übernommen, alles andere wollte der Butler selbst erledigen.

Doch kaum hatte er begonnen, war zu seiner Verwunderung die Lindner-Christiane im »Ochsen« aufgetaucht. Unaufgefordert nahm sie ohne viel Federlesens dem Butler das Heft aus der Hand und erstickte jeden Widerspruch im Keim, indem sie ihm aus ihrem Leben erzählte.

Nach mehr als einer Stunde war er genauestens darüber informiert, dass sie bereits zweimal verlobt gewesen war und dass diese Verlobungen allein an der Ungeduld und Widerspenstigkeit der betreffenden Herren gescheitert waren. Aufmerksam und umsichtig nahm sie Crouch jedes Mal die Arbeit aus der Hand, sobald er ein Teil anfasste, und bei alldem stand ihr Mundwerk nicht eine Sekunde still. Dabei wurde die Geduld des Butlers auf eine harte Probe gestellt. Er wollte und konnte nicht unhöflich sein, doch anscheinend ging es in diesem Fall nicht anders.

»Wenn ich mir erlauben darf zu bemerken ...«, begann Crouch, wurde aber gleich wieder unterbrochen.

»Hab’ ich was vergessen? Stimmt hier auf dem Tisch was net?«, fragte Christiane verwirrt und blickte suchend herum.

»Nein, das ist es nicht, was ich sagen wollte ...« Es war ihm nicht vergönnt, den Satz zu Ende zu sprechen.

»Ja, da haben S’ ganz recht«, erklärte sie kategorisch. »Es ist sicher net so perfekt, wie S’ das daheim machen können. Aber ich find’s ganz nett. Da haben S’ eine wunderbare Idee gehabt. Herr ... Herr Dschnossen. Also wirklich, dieser Name, den Sie da haben, der ist wahrhaft biblisch, aber auf diese feine englische Art für uns net auszusprechen. Würd’s Sie sehr stören, wenn ich daraus Johann mache?«

Crouch stand da wie vom Donner gerührt.

Andreas, der in diesem Moment die Treppe herunterkam, hatte das eindrucksvolle Erlebnis, seinen nie um Worte verlegenen Butler sprachlos zu sehen.

»Gibt’s was Besonderes?«, erkundigte er sich freundlich.

»Nein«, erklärte Christiane freudestrahlend, ohne einen Grund für ihre Anwesenheit anzugeben. »Ich hab’ grad Ihren Butler umgetauft. Das ist ja einfach gar zu schrecklich, wie der heißt. Ich nenn’ ihn jetzt Johann, und er hat nix dagegen.«

»Ich bitte um Vergebung«, meldete sich jetzt Jonathan zu Wort. »Aber ich wurde von dem Ansinnen dieser Dame leider völlig überrumpelt.«

»Ach Quatsch, was können Sie dagegen haben. Oder ist das gar zu vertraulich, wenn ich Sie Johann nenne?« Erschrocken schaute sie ihn an. Crouch bemerkte zum ersten Mal, dass sie sehr hübsche haselnussbraune Augen hatte, die jetzt trotz ihres Erschreckens vergnügt funkelten. Er beeilte sich, ihr vorsichtig zu widersprechen.

»Selbstverständlich sehe ich es nicht als eine zu große Vertraulichkeit, wenn es für Ihre Aussprache leichter verständlich ist, meinen Namen zu ändern. Ich bitte, in diesem Punkt über mich zu verfü...«

Wieder ließ sie ihn nicht aussprechen.

»Da bin ich aber froh, Herr Johann. Ich dacht’ schon fast, ich hätt’ Sie jetzt beleidigt. Na, dann ist das ja erledigt. Wollen S’ jetzt noch einmal nachschaun, ob alles fertig ist? Sie haben’s ja so schön gedeckt, da könnt’ man glatt neidisch werden. Hab’ ich Ihnen schon von dem Michael erzählt, der aus der Stadt kam und hier mit Hilfe einer Anzeige ein Madl suchte?«

Jonathan straffte sich und setzte zu einem Protest an, und Andreas zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

»Ich werde Ihre sicherlich sehr interessante Erzählung zu einem späteren Zeitpunkt genießen«, erklärte der Butler würdevoll und ließ sich von seinem jungen Herrn beiseite ziehen.

»Du lieber Himmel, was haben S’ sich da denn angelacht?«, wollte Andreas wissen, der sichtlich Mühe hatte, nicht laut loszulachen.

»Verzeihung, diese Dame, die sicherlich äußerst freundlich und zuvorkommend ist, wollte mir unbedingt helfen. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als hätte ich auch nur den Versuch gemacht, sie zu ermutigen. Ich bitte, mir nicht zu unterstellen, dass ich ...«

»Nein, so meinte ich das doch nicht«, unterbrach Andreas seinen Butler begütigend. »Ich finde Fräulein Lindner ausgesprochen liebenswert, wenn auch ein bissel sehr zudringlich. Sind S’ sicher, dass sie mit ihr fertig werden?«

»Selbstverständlich. Die Hilfe dieser Dame war für mich unschätzbar wertvoll. Ich bin mit den Sitten und Gebräuchen der einheimischen Bewohner leider nicht so vertraut, dass ich auf Anhieb alles richtig arrangiert hätte. Ich muss mich daher für die freiwillige Hilfeleistung herzlich bedanken.«

»Laden S’ die Dame doch zum Essen ein«, schlug Andreas schmunzelnd vor.

»Ich bin der Ansicht, dass diese Art von Dankbarkeit falsch aufgefasst werden könnte. Ich möchte die Dame nicht kränken, indem ich sie zurückweise. Eine teure Pralinenschachtel dürfte für diesen Zweck genügen.«

»Jonathan, dieses Fräulein Lindner ist bis über beide Ohren in Sie verliebt. Warum tun Sie ihr net wenigstens den Gefallen, mit ihr essen zu gehen?«

»Das muss ich entschieden zurückweisen. Ich habe nichts getan oder gesagt, was das Fräulein zu einer solchen Ansicht bringen könnte«, wehrte Crouch entschieden ab.

»Ach Gott, wo die Liebe hinfällt, Jonathan. Machen S’ sich nur nix vor. Meinethalben verschließen S’ die Augen weiter, aber eines Tages werden S’ schon merken, was los ist.«

Noch bevor Crouch erneut protestieren konnte, öffnete sich die Küchentür und Leni kam hinzu, in jeder Hand eineTortenplatte mit Köstlichkeiten, die direkt aus dem Backofen kamen. Der Butler kümmerte sich sofort wieder um seine Pflichten und platzierte die Platten geschickt auf dem Tisch.

»Ach, Herr Johann, das ist ein wunderschöner Anblick, wie S’ das alles gemacht haben. Und ich bin ja so glücklich, dass Sie mich haben ein bissel helfen lassen«, redete Christiane gleich wieder munter drauflos.

»Ich bin Ihnen für Ihre außerordentlich wertvolle Hilfe sehr dankbar, gnädiges Fräulein«, sagte Crouch in seiner unnachahmlich vornehmen Art. Und mit diesen Worten hatte er endgültig das Herz der jungen Frau gewonnen ...

9

Leni und Andreas kamen sich immer näher. Jede freie Sekunde nutzten die beiden Liebenden, um sich zärtliche Worte zu sagen und verstohlene Blicke zuzuwerfen. Andreas hatte sein Herz unwiderruflich an das schöne Madl verloren, er sann ständig darauf, wie er seinen Schatten loswerden konnte, um mit ihr allein zu sein. Nicht immer gelang es den beiden. Crouch hatte einen untrüglichen Instinkt, mit dem er seinen jungen Herrn immer wieder aufspürte. Leni war sehr unglücklich über diese »Bespitzelung«, wie sie es nannte.

»Kannst net diesem Spürhund sagen, er soll uns mal ein bissel allein lassen?«, fragte sie traurig.

Andreas seufztet »Das hab' ich schon versucht. Aber weißt, meine Mutter hatte diese verrückte Idee, einen englischen Butler einzustellen, und hat ihm eingeschärft, gut auf mich aufzupassen. Das nimmt er leider wörtlich.«

»Herr Jessas, es muss doch ein Mittel geben, mit dem wir ihn an der Nase herumführen oder ablenken können«, seufzte das Madl.

»Sag einmal, ist dir auch aufgefallen, dass die Lindner ihn anhimmelt? Vielleicht ist da was zu machen. Wenn die ihn aufhält, kann er uns net folgen«, erklärte Andreas hoffnungsvoll.

»Und wie willst das anstellen? Willst ihr etwa sagen, gehn S’ hin und halten S’ ihn fest?«

»Net ganz so wörtlich, aber eine Möglichkeit wär’s allemal.«

»Das ist deppert«, erklärte Leni im Brustton der Überzeugung.

Doch Andreas hatte einen Plan gefasst und nahm sich vor, diesen auch in die Tat umzusetzen.

Eine Möglichkeit dazu bot sich, als Jonathan Christiane in den Gasthof bat, um ihr als Dank für die Hilfe eine riesige Schachtel Pralinen überreichen wollte. Andreas passte sie ab, bevor sie mit dem Butler zusammentraf.

»Fräulein Lindner, auf ein Wort?«, bat er.

»Ja, gern. Ich hoffe, ich halt’ Ihren Butler net von seinen Pflichten ab. Er hat doch gewiss sehr viel zu tun. Wissen S’, er hat mich heut hergebeten, weil er ...«

»Ja, ich weiß«, unterbrach der Bursch den beginnenden Redestrom. »Deswegen wollt’ ich Sie ja auch sprechen. Der Jonathan, der ist ein bissel schüchtern. Nun hab’ ich mir gedacht, weil er Sie doch sehr mag, das aber net zeigen kann, würden Sie vielleicht - ich mein’, Sie könnten ihn doch einmal einladen. Zu sich nach Haus’ oder so. Wissen S’, es fällt ihm manchmal schwer, sich so auszudrücken, dass man ihn richtig versteht.«