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Die Gedichtausgabe zum bundesweiten Abiturthema Deutsch 2027–2029 Um 1800: eine Zeit des Aufbruchs und der Krise, des Fortschrittsoptimismus und der Verunsicherung – und eine Zeit der Lyrik. Wie in kaum einer anderen Epoche entstanden in der Klassik und Romantik Gedichte, die bis heute Maßstab und Vorbild sind. Der Band ist nach Kapiteln geordnet, die das Spektrum der Themen dieser Zeit widerspiegeln: Anverwandelter Mythos, Selbstbefragung und Selbstbestimmung, Dämon Liebe, Nacht und Traum, Volksliedton.
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Seitenzahl: 93
Veröffentlichungsjahr: 2025
Reclam
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RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 962403
2025 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2025
RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN978-3-15-962403-7
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014635-4
reclam.de | [email protected]
50 Gedichte um 1800
I »Auf klassischem Boden«
Das Göttliche [1.]
Meeresstille [2.]
Glückliche Fahrt [3.]
Erste Elegie [4.]
Fünfte Elegie [5.]
Die Götter Griechenlandes [6.]
Nänie [7.]
FRIEDRICH HÖLDERLIN
Hyperions Schicksalslied [9.]
Der Neckar [10.]
II »Nur Einen Sommer«
Zueignung [11.]
Sehnsucht [12.]
Die Eichbäume [13.]
An die Parzen [14.]
Hälfte des Lebens [15.]
III »Mein armer Kopf / ist mir verrückt«
JOHANN WOLFGANG GOETHE
LUDWIG TIECK
Der Spinnerin Nachtlied [18.]
Spinnerlied [19.]
Das zerbrochene Ringlein [20.]
Die Müllerin [21.]
Hochrot [22.]
IV »In Liebeskampf? In Todeskampf gesunken?«
JOHANN WOLFGANG GOETHE
Auf dem Rhein [24.]
Seelied [25.]
Überall Liebe [26.]
Über eine Skizze [27.] Verzweiflung an der Liebe in der Liebe
Waldgespräch [29.]
HEINRICH HEINE
V »Als flöge sie nach Haus«
Der Wanderer [31.]
Hymnen an die Nacht 1 [32.]
Hymnen an die Nacht 2 [33.]
Die Nacht (Brot und Wein) [34.] An Heinze
JOSEPH VON EICHENDORFF
Mondnacht [36.]
VI »Lass rauschen Lieb, lass rauschen«
Abendlied [37.]
Müllers Abschied [38.]
Lass rauschen Lieb, lass rauschen [39.]
Das bucklige Männlein [40.]
Ammen-Uhr [41.]
VII »Lass mich hinaus!«
Mädchenklage [42.]
Mädchenklage und Mädchentrost [43.]
Er ist’s [44.]
JOSEPH VON EICHENDORFF
Die zwei Gesellen [46.]
Sehnsucht [47.]
Gute Nacht! [48.]
Der Lindenbaum [49.]
HEINRICH HEINE
Anhang
Zu dieser Ausgabe
Anmerkungen
1. JOHANN WOLFGANG GOETHE: Das Göttliche (1783)
2. JOHANN WOLFGANG GOETHE: Meeresstille (1795)
3. JOHANN WOLFGANG GOETHE: Glückliche Fahrt (1795)
4. JOHANN WOLFGANG GOETHE: Erste Elegie (1788/90)
5. JOHANN WOLFGANG GOETHE: Fünfte Elegie (1788/90)
6. FRIEDRICH SCHILLER: Die Götter Griechenlandes (1788)
7. FRIEDRICH SCHILLER: Nänie (1799)
8. FRIEDRICH HÖLDERLIN: Da ich ein Knabe war (1798/1800)
9. FRIEDRICH HÖLDERLIN: Hyperions Schicksalslied (1799)
10. FRIEDRICH HÖLDERLIN: Der Neckar (1800)
11. JOHANN WOLFGANG GOETHE: Zueignung (1797)
12. FRIEDRICH SCHILLER: Sehnsucht (1802)
13. FRIEDRICH HÖLDERLIN: Die Eichbäume (1796)
14. FRIEDRICH HÖLDERLIN: An die Parzen (1798)
15. FRIEDRICH HÖLDERLIN: Hälfte des Lebens (1803/04)
16. JOHANN WOLFGANG GOETHE: Meine Ruh ist hin (1772/74)
17. LUDWIG TIECK: Das Rädchen (1797)
18. CLEMENS BRENTANO: Der Spinnerin Nachtlied (1802)
19. ACHIM VON ARNIM / CLEMENS BRENTANO: Spinnerlied (1808)
20. JOSEPH VON EICHENDORFF: Das zerbrochene Ringlein (1808 bzw. 1809/10)
21. ADELBERT VON CHAMISSO: Die Müllerin (1822)
22. KAROLINE VON GÜNDERRODE: Hochrot (1804)
23. JOHANN WOLFGANG GOETHE: Es war ein König in Thule (1774)
24. CLEMENS BRENTANO: Auf dem Rhein (1800)
25. BETTINE VON ARNIM: Seelied (1808)
26. KAROLINE VON GÜNDERRODE: Überall Liebe (1805)
27. CLEMENS BRENTANO: Über eine Skizze (vor 1802)
28. CLEMENS BRENTANO: Zu Bacharach am Rhein (1800)
29. JOSEPH VON EICHENDORFF: Waldgespräch (1811/12)
30. HEINRICH HEINE: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten (1823/24)
31. FRIEDRICH SCHLEGEL: Der Wanderer (1800/01)
32. NOVALIS: Hymnen an die Nacht 1 (1800)
33. NOVALIS: Hymnen an die Nacht 2 (1800)
34. FRIEDRICH HÖLDERLIN: Die Nacht (Brot und Wein) (1800/01)
35. JOSEPH VON EICHENDORFF: Hörst du nicht die Bäume rauschen (1834)
36. JOSEPH VON EICHENDORFF: Mondnacht (1835)
37. MATTHIAS CLAUDIUS: Abendlied (1779)
38. ACHIM VON ARNIM / CLEMENS BRENTANO: Müllers Abschied (1805)
39. ACHIM VON ARNIM / CLEMENS BRENTANO: Lass rauschen Lieb, lass rauschen (1808)
40. ACHIM VON ARNIM / CLEMENS BRENTANO: Das bucklige Männlein (1808)
41. ACHIM VON ARNIM / CLEMENS BRENTANO: Ammen-Uhr (1808)
42. MAGDALENA PHILIPPINE ENGELHARD: Mädchenklage (1782)
43. JUSTINE KRUFFT: Mädchenklage und Mädchentrost (1806)
44. EDUARD MÖRIKE: Er ist’s (1829)
45. JOSEPH VON EICHENDORFF: Laue Luft kommt blau geflossen (1810)
46. JOSEPH VON EICHENDORFF: Die zwei Gesellen (1817)
47. JOSEPH VON EICHENDORFF: Sehnsucht (vor 1834)
48. WILHELM MÜLLER: Gute Nacht! (1821/22)
49. WILHELM MÜLLER: Der Lindenbaum (1821/22)
50. HEINRICH HEINE: Sie saßen und tranken am Teetisch (1821/22)
Nachwort
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
Anverwandelter Mythos
JOHANN WOLFGANG GOETHE
Edel sei der Mensch,
Hülfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,5
Die wir kennen.
Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnden!
Sein Beispiel lehr uns10
Jene glauben.
Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Bös’ und Gute,15
Und dem Verbrecher
Glänzen wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.
[12]Wind und Ströme,
Donner und Hagel20
Rauschen ihren Weg,
Und ergreifen,
Vorüber eilend,
Einen um den andern.
Auch so das Glück25
Tappt unter die Menge,
Fasst bald des Knaben
Lockige Unschuld,
Bald auch den kahlen
Schuldigen Scheitel.30
Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesetzen,
Müssen wir alle
Unseres Daseins
Kreise vollenden.35
Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
Wählet und richtet;
Er kann dem Augenblick40
Dauer verleihen.
[13]Er allein darf
Dem Guten lohnen,
Den Bösen strafen;
Heilen und retten45
Alles Irrende, Schweifende
Nützlich verbinden.
Und wir verehren
Die Unsterblichen,
Als wären sie Menschen,50
Täten im Großen,
Was der Beste im Kleinen
Tut oder möchte.
Der edle Mensch
Sei hülfreich und gut!55
Unermüdet schaff er
Das Nützliche, Rechte,
Sei uns ein Vorbild
Jener geahndeten Wesen!
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite,5
Todes-Stille fürchterlich.
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.
Die Nebel zerreißen,
Auf einmal wird’s helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,5
Es rührt sich der Schiffer,
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne,
Schon seh ich das Land.10
Saget Steine mir an, o! sprecht, ihr hohen Paläste.
Straßen redet ein Wort! Genius regst du dich nicht?
Ja es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern
Ewige Roma, nur mir schweiget noch alles so still.
O! wer flüstert mir zu, an welchem Fenster erblick ich5
Einst das holde Geschöpf, das mich versengt und erquickt?
Ahnd ich die Wege noch nicht, durch die ich immer und immer,
Zu ihr und von ihr zu gehn, opfre die köstliche Zeit.
Noch betracht ich Paläst und Kirchen, Ruinen und Säulen,
Wie ein bedächtiger Mann sich auf der Reise beträgt.10
Doch bald ist es vorbei, dann wird ein einziger Tempel,
Amors Tempel nur sein, der den Geweihten empfängt.
Eine Welt zwar bist du, o Rom, doch ohne die Liebe
Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch nicht Rom.
Froh empfind ich mich nun auf klassischem Boden begeistert,
Lauter und reizender spricht Vorwelt und Mitwelt zu mir.
Ich befolge den Rat, durchblättre die Werke der Alten
Mit geschäftiger Hand täglich mit neuem Genuss.
Aber die Nächte hindurch hält Amor mich anders beschäftigt,5
Werd ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt vergnügt.
Und belehr ich mich nicht? wenn ich des lieblichen Busens
Formen spähe, die Hand leite die Hüften hinab.
Dann versteh ich erst recht den Marmor, ich denk und vergleiche,
Sehe mit fühlendem Aug, fühle mit sehender Hand.10
Raubt die Liebste denn gleich mir einige Stunden des Tages;
Gibt sie Stunden der Nacht mir zur Entschädigung hin.
Wird doch nicht immer geküsst, es wird vernünftig gesprochen,
Überfällt sie der Schlaf, lieg ich und denke mir viel.
Oftmals hab ich auch schon in ihren Armen gedichtet15
Und des Hexameters Maß, leise, mit fingernder Hand,
Ihr auf den Rücken gezählt, sie atmet in lieblichem Schlummer
Und es durchglühet ihr Hauch mir bis ins tiefste die Brust.
Amor schüret indes die Lampe und denket der Zeiten,
Da er den nämlichen Dienst seinen Triumvirn getan.20
[17]FRIEDRICH SCHILLER
Da ihr noch die schöne Welt regieret,
An der Freude leichtem Gängelband
Selige Geschlechter noch geführet,
Schöne Wesen aus dem Fabelland!
Ach, da euer Wonnedienst noch glänzte,5
Wie ganz anders, anders war es da!
Da man deine Tempel noch bekränzte,
Venus Amathusia!
Da der Dichtung zauberische Hülle
Sich noch lieblich um die Wahrheit wand –10
Durch die Schöpfung floss da Lebensfülle,
Und was nie empfinden wird, empfand.
An der Liebe Busen sie zu drücken,
Gab man höhern Adel der Natur,
Alles wies den eingeweihten Blicken15
Alles eines Gottes Spur.
Wo jetzt nur, wie unsre Weisen sagen,
Seelenlos ein Feuerball sich dreht,
Lenkte damals seinen goldnen Wagen
Helios in stiller Majestät.20
Diese Höhen füllten Oreaden,
Eine Dryas lebt’ in jenem Baum,
Aus den Urnen lieblicher Najaden
Sprang der Ströme Silberschaum.
[18]Jener Lorbeer wand sich einst um Hilfe,25
Tantals Tochter schweigt in diesem Stein,
Syrinx Klage tönt’ aus jenem Schilfe,
Philomelas Schmerz aus diesem Hain.
Jener Bach empfing DemetersZähre,
Die sie um Persephonen geweint,30
Und von diesem Hügel rief Cythere
Ach umsonst! dem schönen Freund.
Zu Deukalions Geschlechte stiegen
Damals noch die Himmlischen herab,
Pyrrhas schöne Töchter zu besiegen35
Nahm der Läto Sohn den Hirtenstab.
Zwischen Menschen, Göttern und Heroen
Knüpfte Amor einen schönen Bund,
Sterbliche mit Göttern und Heroen
Huldigten in Amathunt.40
Finstrer Ernst und trauriges Entsagen
War aus eurem heitern Dienst verbannt,
Glücklich sollten alle Herzen schlagen,
Denn euch war der Glückliche verwandt.
Damals war nichts heilig als das Schöne,45
Keiner Freude schämte sich der Gott,
Wo die keusch errötende Kamöne,
Wo die Grazie gebot.
Eure Tempel lachten gleich Palästen,
Euch verherrlichte das Heldenspiel50
An des Isthmus kronenreichen Festen,
Und die Wagen donnerten zum Ziel.
[19]Schön geschlungne seelenvolle Tänze
Kreisten um den prangenden Altar,
Eure Schläfe schmückten Siegeskränze,55
Kronen euer duftend Haar.
Das Evoe muntrer Thyrsusschwinger
Und der Panther prächtiges Gespann
Meldeten den großen Freudebringer,
Faun und Satyr taumeln ihm voran,60
Um ihn springen rasende Mänaden,
Ihre Tänze loben seinen Wein,
Und des Wirtes braune Wangen laden
Lustig zu dem Becher ein.
Damals trat kein grässliches Gerippe65
Vor das Bett des Sterbenden. Ein Kuss
Nahm das letzte Leben von der Lippe,
Seine Fackel senkt’ ein Genius.
Selbst des Orkus strenge Richterwaage
Hielt der Enkel einer Sterblichen,70
Und des Thrakers seelenvolle Klage
Rührte die Erinnyen.
Seine Freuden traf der frohe Schatten
In Elysiens Hainen wieder an,
Treue Liebe fand den treuen Gatten75
Und der Wagenlenker seine Bahn,
Linus’ Spiel tönt die gewohnten Lieder,
In Alkestens Arme sinkt Admet,
Seinen Freund erkennt Orestes wieder,
Seine Pfeile Philoktet.80
[20]Höh’re Preise stärkten da den Ringer
Auf der Tugend arbeitvoller Bahn,
Großer Taten herrliche Vollbringer