A Dancer's Kiss (Broken Artists, Band 2) - Rebekka Weiler - E-Book
SONDERANGEBOT

A Dancer's Kiss (Broken Artists, Band 2) E-Book

Rebekka  Weiler

0,0
11,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

In seiner Nähe will sie tanzen. Vor zwei Monaten hatte Mats einen One-Night-Stand, der ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Er glaubt, Nele nie wiederzusehen, doch dann meldet sie sich aus dem Nichts. Etwas scheint sie zu belasten und so schlägt er ihr spontan einen Trip in das Ferienhaus seiner Eltern auf einer Schäreninsel vor. Dort entdeckt Nele gemeinsam mit Mats Stück für Stück ihre Liebe fürs Tanzen wieder – und schnell schlagen ihre Herzen im selben Rhythmus. Bis Nele von ihrer Vergangenheit eingeholt wird, die sich auf eine Art und Weise mit ihrer Gegenwart vermischt, mit der sie niemals gerechnet hätte … Opposites attract trifft auf Whodid this to you: Die künstlerische New-Adult-Reihe im atemraubenden Schweden von Rebekka Weiler geht weiter und begeistert mit einfühlsamer Romantik. Gekonnt verbindet die Dein SPIEGEL-Bestsellerautorin Tanz und Musik mit jeder Menge Leichtigkeit, Tiefgang und Leidenschaft.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 563

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr auf der letzten Seite eine Inhaltswarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für die gesamte Geschichte!

Wir wünschen euch das bestmögliche Leseerlebnis.

Eure Rebekka und das Loewe Intense-Team

Für alle Frauen.Ganz besonders für diejenigen, denen Ähnliches wie Nele passiert ist.Ich sehe euch.

INHALT

Playlist

Prolog – Neles Version

Prolog – Mats’ Version

Acht Wochen später

1Mats»Hilf mir!« Yva …

2MatsLinus ist pünktlicher …

3Mats»D-d-d-a-a-s habt ihr …

4NeleUnruhig starre ich …

5NeleKurz vor Mitternacht …

6MatsSie kommt. Als …

7MatsKurz bevor wir …

8NeleMats spricht nicht …

9NeleMeine Nacht ist …

10Nele»Wir sammeln Beeren?!« …

11MatsSie ist schon …

12MatsDie Tage mit …

13MatsAls wir die …

14NeleIch kann nicht …

15NeleAm nächsten Morgen …

16MatsMein Kopf ist …

17NeleIch sehe Mats …

18NeleWir üben tagelang …

19NeleAls ich die …

20MatsUnschlüssig blicke ich …

21Mats»Ernsthaft?« Nele grinst …

22MatsWie an jedem …

23NeleIch spüre seinen …

24NeleDer Regen wird …

25MatsWir verbringen die …

26Mats»Larsson & Partner …

27MatsSie sind nicht …

28NeleOhne Mats aufzuwachen …

29MatsEs regnet, als …

30Nele»Ich kann nicht …

31NeleDas Haus von …

32Mats»Hej, Mann.« …

33NeleDie erste Sekunde …

Danksagung

Nachwort

Inhaltswarnung

Playlist

The Beginning – Snow Patrol

The One You Call – Picture This

Close To You – Gracie Abrams

I Hate It Here – Taylor Swift

Who I Am – Shawn Mendes

All – Snow Patrol

Lion’s Den – Picture This

Normal Thing – Gracie Abrams

Hold Me In The Fire – Snow Patrol

It’s Okay (Not To Be Okay) – Only The Poets

Natural Disaster – Picture This

That’s So True – Gracie Abrams

I Just Don’t Think I’ll Make It Over You – Moncrieff

The Fire – Vincent Lima

Let It Happen – Gracie Abrams

Don’t You – Taylor Swift (Taylor’s Version)

I Told You Things – Gracie Abrams

I Can Do It With A Broken Heart – Taylor Swift

Risk – Gracie Abrams

Looking At You (Piano Version) – Only The Poets

The Older You Get – Daniel Seavey

Clean – Taylor Swift (Taylor’s Version)

The Only Thing Left – Vincent Lima

Cool – Gracie Abrams

Shallow (Piano Version) – Tomiano

How It Ends – Moncrieff

PrologNeles Version

Mut.

Das einzelne kleine Wort auf meinem Perlenarmband scheint mich regelrecht anzuschreien. Sei mutig, Nella. Trau dich. Es ist wichtig.

Natürlich brüllt es nicht wirklich, aber es ist eine gute Erinnerung daran, warum ich hier bin, in diesem dunklen Club mit der stickigen Luft und den tanzenden Menschen. Normalerweise sind Orte wie das Norrsken nichts für mich. Aber seit zwei Jahren ist nichts mehr normal, und wenn ich nicht endlich etwas dagegen unternehme, wird es das auch nie wieder sein.

Ich bin zum Glück nicht allein hier. Elisa war mehr als erfreut, von meiner Idee zu erfahren, und hat darauf bestanden, mich zu begleiten.

Du musst echt mehr unter Leute. Das Norrsken ist perfekt dafür, glaub mir.

Ihre Worte sind mir immer noch im Ohr. Und ehrlich gesagt habe ich bis zur letzten Sekunde daran gezweifelt, dass ich es durchziehen werde. Aber nachdem wir einen Freitagabend gefunden haben, an dem wir beide freihaben, bin ich zumindest schon einmal bis in den Club gekommen. Und das sogar in einem Kleid, das ich mir ohne ihren Zuspruch niemals selbst ausgesucht hätte. Seit ich das Balletttanzen an den Nagel gehängt habe, trage ich überhaupt keine Kleider mehr. Mit der heutigen Ausnahme. Der schwarze Stoff schmiegt sich weich an meinen Körper, wie Wellen eines dunklen, tosenden Meeres. Obwohl es ziemlich bequem ist, ist es deutlich kürzer als alles, was ich in den letzten Monaten getragen habe. Es reicht mir knapp bis zur Mitte meiner Oberschenkel und ich weiß, dass ich heute Abend definitiv keine Sekunde sitzen werde. Es ist ein Stehkleid, das laut Elisa wie für mich gemacht ist.

»Du siehst großartig aus.« Sie strahlt mich an und langsam ist ihrem Blick deutlich anzumerken, dass das nicht ihr erstes Getränk ist. Inzwischen hält sie einen Cocktail in einer undefinierbaren Farbe in den Händen und muss beinahe schreien, damit ich sie verstehen kann. Der Bass wummert laut durch den gesamten Club. Die Musik ist nicht mein Geschmack, aber heute Abend spielt das keine Rolle. Heute Abend bin ich hier, weil ich eine Mission habe. Und je schneller ich sie erfülle, desto eher kann ich wieder verschwinden.

Und das im besten Fall nicht allein.

Leider habe ich noch niemanden entdeckt, den ich ansprechen will. An den meisten Männern hier drin stört mich etwas. Manche sind zu groß, andere zu dunkelhaarig, wieder andere haben die Art von Bart, die eher einem ungepflegten Gesichtsgarten gleicht. Und die zwei, die optisch sympathisch genug auf mich gewirkt haben, sind mit ihren Freundinnen da.

Am liebsten würde ich wie Elisa trinken. Würde so für den fehlenden Mut sorgen. Aber ich werde nicht unverantwortlich sein und meine Sinne benebeln. Für das, was ich vorhabe, brauche ich einen klaren Kopf. Und den behalte ich nur, wenn ich auf Alkohol verzichte. Also nippe ich brav an meinem Wasser und versuche, nicht darüber nachzudenken, wie klug oder unklug mein Plan ist. Wenn ich erst einmal in dieses Loch falle, komme ich nicht mehr heraus oder mache direkt einen Rückzieher. Ganz besonders heute Abend werde ich das nicht riskieren.

Zum Glück greift Elisa in diesem Augenblick nach meiner Hand und zieht mich weiter auf die Tanzfläche. Während sie herumwirbelt, bewege ich mich weniger, als ich es in einem anderen Outfit tun würde. Aber das ist okay. Für mein Vorhaben ist es wichtiger, ein sexy Kleid zu tragen, als ausgelassen tanzen zu können.

Elisa ist ein Phänomen für mich. Immer gut gelaunt, für jede noch so wilde Schandtat zu haben. Mit ihr könnte man Pferde stehlen, vorausgesetzt, es gäbe welche in Stockholms Zentrum, die nicht im Besitz der königlichen Familie sind. Sie ist die Art von Mensch, die nachts um drei plötzlich vor deiner Haustür steht, weil sie einen Ausflug machen will. Die mit dir durch den Regen tanzt und bei Sonne mit selbst gemachtem Eis oder Kuchen vorbeikommt. Und die ständig schwarzfährt, weil sie die hohen Nahverkehrspreise nicht einsieht. Sie hat nur das Glück, bisher nicht erwischt worden zu sein.

»Was ist mit ihm?« Fragend wirbelt Elisa herum und beugt sich so dicht zu mir, dass sie in mein Ohr sprechen kann.

»Wer?« Ich folge mit dem Blick ihrem Fingerzeig. Der Kerl, den sie meint, scheint Anfang bis Mitte zwanzig zu sein. Hellbraune Haare, dunkle Augen, schwarze Jeans und ein graues T-Shirt. Er bewegt sich auf eine Art im Takt der Musik, die verdammt sexy ist. Oder es liegt daran, dass er ziemlich trainiert ist. Der Stoff seines Shirts spannt über den Oberarmen, sein Bauch ist flach und an seinem Handgelenk trägt er ein schwarzes Armband. Alles an ihm ist dunkel und gleichzeitig auf faszinierende Art und Weise einladend. Ich verstehe, warum Elisa ihn mir vorgeschlagen hat. Der Kerl ist umwerfend. Und damit leider keine Option.

»Nein.« Ich schüttle den Kopf.

»Warum nicht?« Sie sieht mich fassungslos an. »Er ist der heißeste Mann im ganzen Club!«

»Eben.«

»Hä?« Sie runzelt die Stirn. »Wenn du mir zustimmst, verstehe ich nicht, wie du ihn ablehnen kannst.«

»Er ist zu schön.« Ich seufze leise. Eigentlich ist es völlig egal, wie er aussieht. Für die einmalige Sache, die ich plane, spielt sein Aussehen keine Rolle. Aber es kostet mich schon genug Überwindung, jemanden anzusprechen, der nur halb so gut aussieht wie er. Bei ihm könnte ich nicht ansatzweise genug Mut aufbringen.

»Komm mir jetzt bloß nicht damit, dass du Komplexe neben ihm kriegst.« Energisch piekt Elisa mir mit einem Finger in die Schulter. »Du bist selbst viel zu schön.«

»Danke?« Keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. Ich war noch nie gut darin, Komplimente anzunehmen. Weil es sie in meiner Kindheit und Jugend nie gab. Alles war immer nur verbesserungswürdig. Oder maximal passabel.

»Jetzt geh rüber und sprich ihn an, bevor es eine andere tut.« Sie will mich in seine Richtung drängen, aber ich halte dagegen.

»Elisa …« Bedächtig schüttle ich ein weiteres Mal den Kopf. Das ist wirklich definitiv absolut keine gute Idee. Nicht er.

»Nein!« Sie sieht mich so eindringlich an, dass ich fast Angst vor ihr bekommen könnte, würde ich sie nicht so gut kennen. Elisa ist zwar manchmal etwas verrückt, aber sie ist auch der harmloseste Mensch der Welt. Zumindest, wenn sie nicht anfängt, von der neusten True-Crime-Serie zu erzählen, die sie gerade schaut. »Ehrlich, Nella. Es ist so verflucht mutig, was du vorhast. Also tu dir bitte selbst den Gefallen und lass dich nicht von irgendwelchen abstrusen Gedanken einschüchtern. Es ist zwar nur Sex.« Sie malt Anführungszeichen in die Luft. »Aber es ist dein erster Sex seit über zwei Jahren. Du hast es verdient, dass du den mit einem Kerl hast, der nicht nur ganz passabel aussieht. Sondern mit einem, der dich wirklich umhaut.«

»Das ist ganz schön oberflächlich«, protestiere ich halbherzig.

»Na und?« Sie zuckt mit den Schultern. »Jeder, der behauptet, Aussehen spiele keine Rolle, lügt. Ja, Charakter und Sympathie und die inneren Werte sind auf lange Sicht wichtiger. Aber die sind nun einmal nicht das Erste, was du von einem Menschen siehst. Tut mir leid, ich kann nichts dafür, dass es so ist.« Sie hebt ihre Hände, was gar nicht so einfach ist, weil sie in der einen immer noch ihren sonderbaren Cocktail hält. »Außerdem geht es gerade nicht darum, ob ich oberflächlich bin oder nicht.« Ihren Worten folgt ein vielsagender Blick. »Sondern darum, was du verdient hast. Und das ist nur das Beste. Also bitte, tu dir selbst den Gefallen und sprich ihn an.«

»Aber was, wenn er … doof ist?«

»Dann bedankst du dich für das Gespräch und wir suchen einen neuen Kandidaten. Der Abend ist jung.« Damit schiebt sie mich energisch auf ihn zu.

Ich mache automatisch ein paar Schritte, ehe ich stehen bleibe. Keine drei Meter von mir entfernt tanzt er und ist umgeben von einigen Frauen und ein paar Kerlen, die alle so aussehen, als hätten sie die Zeit ihres Lebens. Als fühlten sie die Musik in jeder Faser ihres Körpers, als feierten sie jeden einzelnen Augenblick.

Normalerweise würde ich jemanden wie ihn niemals ansprechen. Er ist beschäftigt, zu attraktiv und ich bin grundsätzlich ein viel zu großer Feigling dafür. Ich habe noch nie einen Mann aktiv angesprochen. Das haben immer entweder meine Freundinnen für mich übernommen oder die Kerle kamen auf mich zu.

Aber heute ist alles anders.

Zwei Jahre. Auf den Tag genau.

Es wird Zeit, diese viel zu lange Zeitspanne zu beenden. Egal, wie viel Mut es mich kostet. Denn das ist es, was ich heute sein muss. Mutig, weil ich fest davon überzeugt bin, nur mit neuen Erfahrungen die alten Erinnerungen überschreiben zu können.

Ich straffe meine Schultern und bereue es kurz, mir kein alkoholisches Getränk erlaubt zu haben, auch wenn ich weiß, dass es besser so ist. Klarer Kopf, Nella! Dann drücke ich Elisa meine leere Wasserflasche in die Hand und steuere schnurstracks auf ihn zu.

Er sieht mich nicht kommen, steht mit dem Rücken zu mir. Gott, ich habe keinen Plan, was ich tun soll, wenn ich bei ihm bin. Ich kann mich schlecht vor ihn hinstellen und sagen: Hey, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber würdest du mit mir schlafen? Falls du keine Lust hast, ist das auch okay, dann suche ich jemand anderen. No worries.

Mit einem Mal bin ich mir mit aller Deutlichkeit bewusst, wie bescheuert das hier ist. Ich kann nicht ernsthaft vor einem wildfremden Mann stehen und ihn fragen, ob er mit mir ins Bett geht.

Warum nicht?

Obwohl Elisa ein ganzes Stück weg ist, habe ich sofort ihre Stimme im Kopf. Wir haben genau diese Unterhaltung nämlich schon einmal geführt, nachdem ich ihr zum ersten Mal von meinem Plan erzählt und dann doch Skrupel bekommen habe. Meine Antwort hat sie nicht gelten lassen, weil ein One-Night-Stand ihrer Meinung nach genau so funktioniert: Man geht in einen Club oder eine Bar, reißt einen Kerl auf und verschwindet dann mit ihm. Wahlweise nach Hause, auf die Toilette oder man geht mit zu ihm und hat unverbindlichen und im besten Fall auch guten Sex. Ende der Geschichte. Sie hat dabei nur übersehen, dass ich absolut keinen Schimmer von One-Night-Stands habe. Ich hatte noch nie einen. Und wenn ich hier weiterhin wie ein scheues Reh herumstehe, werde ich auch nie einen haben.

Ich öffne im selben Moment meinen Mund, um ihn anzusprechen, als er sich zu mir umdreht, mich angrinst und »Hej« sagt. Meine eigene Begrüßung kommt mir kaum über die Lippen. Seine Stimme ist samtig und so tief, dass meine Knie kurz weich werden. Ich spüre dieses eine Wort in meinem ganzen Körper. Was absolut nicht sein kann, weil es nur drei läppische Buchstaben sind. Aber der Fakt, dass er mit mir spricht und ich nun keine Chance mehr habe, unerkannt zu flüchten, löst Purzelbaum schlagende Ameisen in meinem Bauch aus.

»Willst du tanzen?« Er hält mir seine Hand entgegen und ich kann nicht fassen, dass es so einfach ist. Ich muss nichts sagen, er macht es mir unendlich leicht.

Ich nicke, hebe meine Hand und lege meine Finger vorsichtig auf seine. Im nächsten Moment wirbelt er mich zu dem Remix-Beat von Shut Up And Dance über die Tanzfläche. Das Lied ist ewig alt, aber seit einigen Wochen erlebt es eine Art zweiten Frühling.

Ich habe keine Ahnung, wie er heißt, wie alt er ist oder wo er wohnt. Ich weiß nichts über den Mann vor mir. Aber genau das ist gut so. Ich kann nur durchziehen, was ich vorhabe, wenn ich ihn nicht kenne und ihm danach nie wieder begegnen muss.

Ein paar Minuten tanzen wir, Shut Up And Dance kriegt einen fließenden Übergang zu Freak. Sein Blick weicht keine Sekunde von mir, ist eindringlich, aber nicht so, dass ich mich unwohl fühlen würde. Ich scheine ihn ebenso zu faszinieren wie er mich. Mir ist nicht ganz klar, was er in mir sieht, denn im Gegensatz zu Elisas Aussage bin ich definitiv nicht zu schön. Doch er hat offensichtlich Spaß. Immer wieder hält er mir seine Hand hin. Ich ergreife sie nur zögerlich, doch schließlich lasse ich mich von ihm im Kreis drehen, wiege mich im Takt der Musik und spiele mit dem Rhythmus des Songs. Denn das ist etwas, womit ich mich auskenne. Seit über sechzehn Jahren tanze ich, habe als Vierjährige angefangen. Ich weiß, wie ich mich bewegen und wie ich mich kleiden muss, damit es gut aussieht. Und ich spüre, dass ich mich auch heute auf dieses Können verlassen kann. Sein Blick klebt auf mir, er mag, was er sieht.

Gut so.

Das sollte ich denken. Nur das. Es ist das, was ich will. Aber gleichzeitig ist mein Magen verkrampft, die Anspannung sitzt mir in den Schultern, in meinem Kopf rasen die Gedanken. Weil ich nur noch das Ziel dieses Abends sehe.

Nach ein paar Liedern wechselt der DJ auf etwas Ruhigeres. Und das nehme ich zum Anlass, ihn zu fragen, ob wir an die Bar gehen, um etwas zu trinken. Eng umschlungen mit einem Fremden zu tanzen, kommt nicht infrage. Selbst wenn ich plane, später mit ihm im Bett zu landen.

»Klar.« Er nickt und greift wie selbstverständlich nach meiner Hand. Überall, wo seine Finger mich berühren, kribbelt meine Haut und ich presse fest die Zähne aufeinander.

Das ist normal, Nella! Ich versuche, mich selbst zu beruhigen und den Drang, ihm meine Hand zu entziehen, zu unterdrücken. Ihr geht nur zur Bar. Kein Grund, nervös zu sein. Du kannst ihm deine Finger jederzeit entwenden.

Dort angekommen fällt mir erneut auf, wie groß er ist. Er überragt einige der wartenden Menschen und schafft es, innerhalb weniger Sekunden einen Barkeeper zu uns zu winken. Er bestellt eine Cola für sich, bevor er sich fragend zu mir umdreht. »Was möchtest du?«

»Auch eine Cola bitte.« Ich will mein Portemonnaie aus meiner kleinen Umhängetasche nehmen, aber er hält mich sofort auf.

»Ich mach das.«

»Sicher?«, hake ich nach und lasse die Tasche wieder sinken. »Du musst nicht.« Immerhin bin ich diejenige, die mehr oder weniger ihn angesprochen hat. Und das nicht mit der Intention, dass er mir mein nächstes Getränk bezahlt. Dass Männer Frauen immer einladen müssen, ist eine völlig veraltete Denkweise.

»Absolut«, entgegnet er und lächelt auf eine Art und Weise, die mich sofort wieder Purzelbäume schlagende Ameisen spüren lässt.

»Warum nimmst du kein Bier oder so?«, frage ich, während wir warten. Wir sind in einem Club, es ist Freitagabend. Die meisten Menschen hier trinken.

»Ich hab da eine Regel.« Er grinst und lehnt sich gegen die Theke in seinem Rücken.

»Ach ja?«

»Zwei Bier, dann etwas ohne Alkohol. Damit ersparst du dir den Kater am nächsten Tag.«

Als wir unsere Getränke in der Hand halten, stoßen wir an und trinken einen Schluck. Die kühle Cola tut gut, nur nimmt sie mir meine Nervosität nicht. Ich hasse es, dass ich keinen Schimmer habe, wie so etwas funktioniert. Wie lange muss man sich unterhalten, bevor man den Vorschlag nach unverbindlichem Sex machen kann? Sollte ich ihn davor küssen? Muss ich ihn vorwarnen, dass die Sache für ihn eventuell eine Enttäuschung werden könnte?

»Du grübelst.« Seine Samtstimme reißt mich aus meinen Gedanken. »Worüber?« Sein Blick ist so intensiv, dass eine Gänsehaut auf meinem Hals entsteht. Er scheint ehrlich interessiert an der Antwort zu sein.

»Nichts, es ist alles gut.« Ich versuche zu lächeln, obwohl meine Worte gelogen sind. Es wäre mir lieber, wenn ich heute nicht tun müsste, was mir vorschwebt. Weil das bedeuten würde, dass nie passiert wäre, was nun einmal vorgefallen ist. Also ziehe ich das durch. Ich will den Kreis durchbrechen. Weil ich mutig bin. Mit zwei Fingern streiche ich über das kleine Wort an meinem Armband.

»Lass uns tanzen.« Ich will nach seiner Hand greifen und mit ihm zurück in die Mitte des Clubs laufen. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie Elisa mit zwei Frauen spricht, die wir flüchtig aus der Bar with a view kennen, wo wir arbeiten.

Ich komme keine zwei Schritte weit. Er hält zwar meine Hand, aber er bewegt sich nicht. Die Augenbrauen hebend drehe ich mich zu ihm um.

»Oder wir bleiben hier und unterhalten uns erst mal«, schlägt er vor.

»Dafür ist es etwas laut hier drin, findest du nicht?«

»Wir können gern in den Hinterhof rausgehen.«

»So fangen Horrorfilme an.« Und viel zu viele der True-Crime-Podcasts, die Elisa ständig hört.

Mein trockener Kommentar lässt ihn laut lachen. »Nicht im Norrsken, glaub mir. Dort draußen ist der Raucherbereich. Es ist zu allen Seiten abgesperrt und damit so sicher, wie ein Club im Herzens Stockholms nur sein kann.«

»Rauchst du?«

»Nein.« Er schüttelt den Kopf. »Aber es ist leiser dort.«

»Okay.« Ich nicke. »Warte eben, ich geb nur schnell meiner Freundin Bescheid.« Das habe ich auf die harte Tour gelernt. Nicht, dass ich dem Mann mir gegenüber misstraue. Ich würde nicht planen, am Ende des Abends mit ihm zu schlafen, wenn dem so wäre. Aber sicher ist sicher. Zu viele meiner Freundinnen und Kommilitoninnen haben in den vergangenen Jahren schlechte Erfahrungen gemacht.

»Kein Problem.« Er nippt an seiner Cola und lehnt sich mit dem Rücken an die Theke. »Lass dir Zeit, ich bewege mich nicht von der Stelle.«

Kurz blicke ich ihm mitten ins Gesicht. Auf seiner Haut tanzen die Lichter der Discokugeln. Nichts an ihm wirkt bedrohlich oder einschüchternd. Ganz im Gegenteil. Nur habe ich auch das auf die harte Tour gelernt: Freundlich auszusehen und ein warmes Lächeln auf den Lippen zu tragen, bedeutet gar nichts. Die Handlungen eines Menschen sind das, worauf es ankommt. Auch hinter einer schönen Fassade kann ein Monster wohnen. Vielleicht sogar ganz besonders dort.

»Wie heißt du eigentlich?«, frage ich ihn und bleibe noch einmal stehen.

»Mats«, antwortet er. Sein Blick ruht nach wie vor auf meinem Gesicht. »Und du?«

»Nell… Nele.« An diesem Abend bin ich nicht Nella. Nicht in diesem Moment, der hoffentlich ein Neuanfang ist. Heute bin ich nicht das Mädchen mit dem Ballast. Heute bin ich einfach nur Nele, die mit einem gut aussehenden Kerl flirtet und keine Angst hat.

»Freut mich, dich kennenzulernen, Nele.« Er hält mir grinsend seine Hand entgegen. Und ich kann nicht anders, als ebenfalls zu grinsen und sie nach einem kurzen Zögern zu ergreifen. Dann schütteln wir sie übertrieben kräftig.

»Bis gleich, Mats«, sage ich, lasse ihn wieder los und setze mich in Bewegung.

»Bis gleich, Nele«, höre ich ihn noch erwidern.

Dann bin ich bei Elisa. »Ich geh mit Mats hinten raus, damit wir uns unterhalten können.«

»Unterhalten.« Sie sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Dein Ernst? Das ist nicht der Plan.« Skeptisch mustert sie mich.

»Ich will dennoch wissen, wer der Kerl ist, mit dem ich heute eventuell noch ins Bett gehe.«

»Die inneren Werte, I see.« Sie schlürft an ihrem Cocktail und nickt. »Gib mir Bescheid, bevor ihr verschwindet, okay? Die Adresse vom Hotel hab ich ja.«

»Mach ich.« Ich drücke kurz ihren Arm. »Danke. Und jetzt gehe ich raus mit ihm und unterhalte mich. Ich nehme ihn nur mit, wenn ich ein gutes Gefühl habe. Eine einzige red flag und …« Ich zucke mit den Schultern. »Dann geht die Suche eben von vorn los.«

»Okay.« Elisa sieht kurz in die Richtung, in der er auf mich wartet. Er lehnt, wie versprochen, immer noch an der Theke. Dann wendet sie sich wieder mir zu. »Viel Spaß.« Sie grinst so breit, wie nur angetrunkene Menschen es können.

»Danke. Und du meldest dich, falls du merkst, dass du doch zu viel getrunken hast, ja? Du hast immer Vorrang.«

»Das ist so süß von dir.« Meine beste Freundin seufzt leise und dreht sich zu den Mädels um, mit denen sie gerade noch gesprochen hat. »Ist sie nicht niedlich?«, fragt sie in die Runde, aber die beiden scheinen uns nicht zugehört zu haben. Sie sehen Elisa verständnislos an. »Wie auch immer …« Sie widmet mir erneut ihre Aufmerksamkeit. »Lass ihn nicht länger warten.« Verschwörerisch beugt sie sich zu mir. »Er hat dich übrigens keine Sekunde aus den Augen gelassen, seit du rübergekommen bist. Ich glaube, das wird guuuuut.« Sie trällert die Worte schon fast und zwinkert mir zu.

Ich verdrehe die Augen, ehe ich grinse und ihrer Aufforderung nachkomme. Er scheint sich tatsächlich keinen Millimeter bewegt zu haben. Als ich wieder bei ihm bin, stößt er sich von der Theke ab.

»Alles gut?«, fragt er.

»Ja.« Ich nicke und er vollführt eine ausladende Handbewegung.

»Prima. Dann lass uns rausgehen.« Wie vorhin greift er nach meiner Hand. Wir müssen an den Toiletten vorbei und erreichen dann eine mit unzähligen Aufklebern bestückte Tür, die eigentlich als Notausgang gedacht war. Zumindest verrät das das nur noch halb leuchtende Schild über der Tür. Er drückt sie auf und sofort kommt mir ein Schwall kalter Luft entgegen.

Obwohl es Ende Mai ist und die Tage wundervoll warm sind, wurde es in den vergangenen Nächten ziemlich frisch. Augenblicklich bereue ich es, nur dieses Kleid mit den dünnen Trägern anzuhaben. Andererseits … Wenn Mats sich nicht doch noch als Arschloch entpuppt, dauert das hier draußen hoffentlich nicht allzu lange. Sollte die Chemie stimmen, werde ich ihm vorschlagen zu gehen. Ich war noch nie so direkt, aber ich kann nicht darauf warten, dass er mich fragt. Das, was ich vorhabe, muss ich heute durchziehen, sonst werde ich immer irgendwelche Ausreden finden, es nicht zu tun. Und dann habe ich dieses Problem noch in zwanzig Jahren. Was absolut keine Option ist.

»Du grübelst schon wieder.«

Mats’ Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Ich hebe den Kopf und sehe unmittelbar in sein fragendes Gesicht. Für einen kurzen Moment erlaube ich es mir, seine Züge zu studieren. Die kantigen Wangen, den hellen, wachen Blick, das fragende Lächeln auf seinen Lippen. Er ist wirklich attraktiv. Und ich glaube ihm, dass er ernsthaft daran interessiert ist, was in meinem Kopf vor sich geht. Ich weiß nur nicht, ob ich es ihm zeigen will. Es ist kein schöner Ort mehr.

»Ich habe nur überlegt, was ich dich fragen könnte. Ich bin kein Fan von Small Talk«, entgegne ich und setze mich neben ihn auf die kleine Steinmauer. Außer uns sind nur noch fünf andere Menschen hier draußen. Eine Gruppe, die raucht und sich lautstark lachend unterhält.

»Ist das überhaupt irgendjemand?« Er streckt die Beine aus und überkreuzt sie vor sich. »Lass uns den Part einfach überspringen.«

»Ernsthaft? Du bist bereit, dich direkt meinem … Big Talk zu stellen?«

»Big Talk mag ich.« Er lacht leise und rückt ein wenig seitlich, sodass er mich besser ansehen kann. »Und ja, bin ich. Ich habe nichts dagegen, wenn wir diese Quatschfragen, was wir studieren oder wo wir jobben, auslassen.«

»Gut.« Ich mag es, das auszusparen, auch wenn ich grundsätzlich kein Problem damit hätte, ihm zu erzählen, dass ich Sportwissenschaften studiere und abends in einer Bar kellnere. Nur verrät diese Art von Fragen zu wenig darüber, was für ein Mensch man ist. Und darum geht es hier. Ich will ihn kennenlernen.

»Darf ich mit Big Talk anfangen?« Er grinst erneut so ansteckend, dass ich nicht anders kann, als es zu erwidern.

»Leg los«, sage ich.

»Was ist dein liebstes Hobby?«

»Das ist Small Talk!«

»Nein, ist es nicht, glaub mir. Hobbys verraten einem wahnsinnig viel, wenn man genau hinhört. Man muss nur zwischen den Zeilen lesen. Also. Was ist dein liebstes Hobby?«

Ich muss keine Sekunde überlegen. Weil es nur eine Antwort darauf gibt. Es war schon immer dieselbe und das wird sie auch in Zukunft sein.

»Tanzen«, sage ich. »Ich tanze unheimlich gern.«

»Da drin?« Mats deutet hinter sich. »In Clubs? Oder richtig Standardtanz?«

»Weder noch.« Ich schüttle den Kopf und reibe mir über die Unterarme. »Ich mache Ausdruckstanz.«

»Siehst du.« Er grinst und dreht sich mir noch ein Stück zu. »Es hat wieder funktioniert. So schnell sind wir mittendrin. Das klingt total spannend, erzähl mir mehr. Wozu tanzt du? Machst du das in einer Gruppe? Wie kommst du auf die Schritte?« Er feuert so viele Fragen auf mich ab, dass ich ihm insgeheim zustimmen muss. Small Talk ist das wirklich nicht. Er wirkt so dermaßen interessiert an meinem Hobby, dass ich überhaupt nicht merke, wie die Zeit vergeht. Ich erzähle ihm, dass ich allein tanze. Dass es nur ein paar Sekunden eines Liedes braucht und ich sofort Bilder in meinem Kopf habe, wie ich mich dazu bewegen möchte. Gute Songs erzählen Geschichten. Und gute Tänze tun das auch.

Mats stellt weitere Nachfragen, bittet mich irgendwann sogar, ihm eine kurze Sequenz zu zeigen. Ich habe keine Ahnung, was an ihm es ist, aber er bringt mich dazu, hier, in diesem Hinterhof, in diesem dämmrigen Schummerlicht zum dumpfen Bass der Musik aus dem Gebäude tatsächlich ein paar Schritte zu tanzen. Und dabei lässt er mich keinen Moment aus den Augen. Er beobachtet genau, und obwohl ich es überhaupt nicht mehr gewöhnt bin, dass mir beim Tanzen zugesehen wird, fühlt es sich nicht unangenehm an. Es macht mir vielmehr Spaß, ihm diese kleine Performance zu geben. Weil es sich hier draußen seltsam sicher anfühlt. Und weil inzwischen nur noch er hier ist.

»Okay, der Move war cool. Den musst du mir unbedingt beibringen.« Er springt von der Mauer und stellt sich neben mich. »So?«, fragt er und macht mit dem rechten Fuß einen Schritt nach vorn, dann wieder zurück.

»Fast.« Ich mache es ihm noch einmal vor, stelle erst den rechten Fuß nach vorn, ziehe den linken nach, ehe ich wieder in unsere Ausgangsposition springe. Er imitiert mich, aber weil er deutlich langsamer ist als ich, wirkt es schwerfällig. Und damit nicht sonderlich sexy. Ich lache laut auf, schlage mir die Hand vor den Mund, weil ich ihn wirklich nicht auslachen will, aber ich kann nicht aufhören. Aus unserer improvisierten Tanzstunde wird ein Lachanfall, den ich nicht unterbinden kann. Mats lacht mit, ehe er plötzlich nach meinen Händen greift und mich an sich zieht. Sofort erstirbt das Lachen in meinem Mund, ich erstarre, mein Herzschlag beginnt zu rasen. Sein Blick ist fest auf mich gerichtet, ich sehe ihm genau in die Augen. Der Schalk darin ist verschwunden und etwas anderem gewichen. Etwas, das ich nicht deuten kann. Aber es ist auch etwas, das nicht bedrohlich zu sein scheint und meinen ersten Impuls, mich sofort von ihm loszumachen, abschwächt.

Alles ist gut.

Ich sage es mir immer wieder. Alles ist gut, sein Griff ist nicht schmerzhaft.

Alles ist gut.

Mein Herz pocht immer noch heftig, aber ich spüre, wie es ruhiger wird. Langsamer. Das hier ist keine Gefahr. Mats hält mich so leicht, dass ich mich problemlos lösen könnte, wenn ich es wollte. Aber ich tue es nicht, weil Sex mit ihm nur funktionieren wird, wenn ich seine Berührungen zulassen kann.

»Soll ich dir etwas zeigen, das ich garantiert nicht vermassle?«

Ich kann nur nicken.

»Darf ich?«, fragt er leise.

Nachdem er meine Zustimmung hat, legt er mir eine Hand auf den unteren Rücken. Ich kann nicht verhindern, dass meine Haut sofort kribbelt. Mit der anderen hält er meine Finger umschlossen. Langsam macht er ein paar Schritte, intuitiv erkenne ich, dass es der Standardtanz ist, den so ziemlich jeder Mensch beherrscht, der einmal eine Tanzschule von innen gesehen hat. Wie von selbst trete ich nach hinten, wenn er nach vorn kommt, habe die Schrittabfolge des Walzers seit meinem Tanzkurs in der neunten Klasse im Blut. Ich weiß, was als Nächstes folgt, doch dann ändert Mats die Bewegung. Anstatt den nächsten normalen Schritt zu machen, beugt er sich mir entgegen und gibt mir zu verstehen, mich nach hinten zu lehnen. Ich weiß nicht, wieso ich es tue, aber in diesem Moment vertraue ich ihm. Ich sinke in seine Hände, überzeugt davon, dass er mich nicht loslassen wird.

Und er tut es nicht. Sein Blick weicht nicht von mir, er hält mich, ein paar donnernde Herzschläge lang sehen wir uns in die Augen. Dann dreht er uns, meine Haare wirbeln um meine Schultern und ich vergesse. Ich vergesse die Kühle der Nacht und mein Vorhaben und die Nervosität in meinem Körper unter dem wolkenlosen Himmel von Stockholm. Wir tanzen hier, in diesem Hinterhof, die Sterne über uns. Der Mond ist ein orangefarbener Lichtfleck, der uns zu beobachten scheint. Für einen Moment fühle ich mich schwerelos. Haltlos. Und erstaunt, dass nicht alles in mir nach Flucht schreit.

In dieser Sekunde zieht Mats mich wieder nach oben. Ich lege den Kopf in den Nacken, bin ihm nun noch näher, blicke in seine braunen Augen, die mich regelrecht gefangen halten. Seine Hände umfassen mich immer noch, auf dem Rücken und meinem Arm. Sie sind so warm, dass ich die Hitze sogar durch den Stoff meines Kleides spüre.

Wir sehen uns eine kleine Ewigkeit an. Und gleichzeitig sind es nur ein paar Sekunden, bis ich mich an das Wort auf meinem Armband erinnere.

Mut.

»Lass uns gehen«, sage ich und bete, dass er nicht ablehnen wird.

Er lässt mich zappeln. Wieder vergehen ein paar Sekunden, in denen er mich einfach nur ansieht. Bis sich ein Lächeln auf seinen Lippen bildet. So sanft, so schön, so zufrieden.

»Zu dir oder zu mir?«

Mats will gerade die Tür des Clubs aufdrücken, damit wir verschwinden können, als er noch einmal stehen bleibt und zurück in Richtung Innenraum des Norrsken blickt. Die lauten Klänge von Survive The Night, unterlegt mit einem kräftigen Bass, dringen bis zu uns.

»Ich liebe diesen Song«, sagt er und grinst mich an.

»Geht mir auch so.« Ich schlüpfe in meine Jacke und blicke direkt in sein überraschtes Gesicht. »Aber ich mag Paper Planes sowieso supergern.«

Er mustert mich, als wäre ich eine Erscheinung. »Du kennst sie?«

Nun bin ich diejenige, die nickt. »Klar. Ich liebe sie. Willst du noch bleiben, bis der Song zu Ende ist?«

»Nein.« Er schüttelt den Kopf und lässt mich an sich vorbei hinaustreten. Augenblicklich wird es leise hinter uns, als die Tür ins Schloss fällt. »Remixe sind nicht mein Ding. Aber ich würde wirklich gern wissen, woher du sie kennst. Ich hab noch nie jemanden getroffen, der mich nicht mit großen Augen angesehen hat, wenn ich sie erwähnt habe.«

»Ehrlich?« Ich deute nach links und wir laufen los. »So unbekannt sind sie doch nicht.«

»Nicht mehr.« Mats schüttelt den Kopf. »Ich hab sie schon gehört, als sie noch Paper-thin Plans hießen.«

»Ernsthaft?« Ich sehe ihn von der Seite an. Er schlendert neben mir her, als hätte er keinerlei Sorgen. Und wer weiß, vielleicht hat er das auch tatsächlich nicht. Vielleicht ist er einer dieser glücklichen Menschen, denen es einfach gut geht im Leben. Immerhin scheint sein Musikgeschmack ausgezeichnet zu sein.

»Ja.« Er lacht leise. »Kennst du die Geschichte, wie es zu dieser Namensänderung kam?«

»Nicht genau.« Ich zucke mit den Schultern und schließe die Knöpfe meiner Jacke. Während es im Hinterhof des Clubs noch ging, ist mir nun kalt. Gott sei Dank ist es nicht weit bis zu unserem Ziel. »Irgendwas war da mit einer Journalistin, oder?«

»Richtig.« Mats bückt sich und schnappt sich im Vorbeigehen einen leeren Eisbecher, der auf der Straße liegt. Ein paar Meter weiter wirft er ihn in einen Mülleimer. »Sie hatten ein Interview und die Dame hat es nicht gebacken gekriegt, sie richtig zu nennen. Aus Paper-thin Plans wurde Paper Plans. Und das wiederum hat sie so seltsam ausgesprochen, dass es wie Paper Planes klang. Das Video ging damals viral und alle haben nur noch von den Paper Planes gesprochen. Erst als Scherz, aber dann … ist der Name irgendwie geblieben.«

»Deshalb die Papierfliegertattoos der Band.«

»Ja.« Er lacht wieder. »Eigentlich echt cool, oder? Sie haben aus einem ursprünglich peinlichen Moment etwas Gutes gemacht. Und außer den OGs weiß heute sowieso niemand mehr, dass sie früher mal anders hießen.«

»Ich bin leider kein OG«, gestehe ich und streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Wann kamst du dazu?«

»Nachdem ich sie auf einem Festival gesehen habe.«

»Wann war das?«

»Gute Frage.« Ich springe vom Bordstein, damit ich mit Mats die Straße überqueren kann. »Im Juni vor …«

»Drei Jahren?«, beendet er meinen Satz und bleibt mitten auf der Straße stehen. »In Kopenhagen?«

»Ja?« Ich halte ebenfalls inne und drehe mich zu ihm um. Da ist ein Funkeln in seinen Augen, das eben noch nicht da war.

»Das Bloomstar Festival?«, hakt er nach.

Ich nicke. »Richtig.«

»Dann waren wir wohl auf demselben Event.« Er setzt sich wieder in Bewegung und kommt grinsend auf mich zu. »Vielleicht habe ich dich sogar gesehen.«

»Auf einem Festival mit fünfzehntausend Menschen?« Das bezweifle ich, aber ich kann nicht leugnen, dass es ein ziemlich lustiger Zufall ist.

»Die waren aber nicht alle bei den Paper Planes. Das waren maximal wie viele? Tausend vielleicht?« Er grinst breit. »Cool, oder? Obwohl wir uns erst heute kennengelernt haben, können wir behaupten, schon einmal zusammen bei unserer Lieblingsband gewesen zu sein. Und jetzt sag bloß nicht, dass sie nicht deine Lieblingsband sind. Das würde mir das Herz brechen.« Theatralisch greift er sich an die Brust.

»Du hast Glück.« Ich laufe weiter und sehe über meine Schulter zu ihm. »Keine gebrochenen Herzen heute.« Ich kann nur hoffen, dass das auch für mich gilt.

»Ehrlich? Das sagst du nicht nur, um mir nicht wehzutun?«

»Ich kann es sogar beweisen.«

»Wie das?« Er schließt zu mir auf, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen. »Hast du dir die Namen der Bandmitglieder tätowieren lassen? Oder ein Papierflugzeug?«

»Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich bin kein Fan von Tattoos. Was ich habe, ist cooler.«

»Cooler als ewige Tinte auf der Haut?« Ich weiß nicht, wie er es anstellt, aber da ist Skepsis und Belustigung zugleich in seiner Stimme zu hören.

»Für mich schon. Hier.« Ich ziehe den Ring von meinem Finger, den ich heute Abend ausgewählt habe. Ich trage ihn nicht oft, weil er ziemlich breit ist. Wortlos reiche ich ihn Mats.

Ratlos sieht er zwischen dem Ring und mir hin und her. »O-kay?«

»Schau ihn dir genauer an«, fordere ich ihn auf. »Es steht was drin.«

»Ah. Moment.« Er macht zwei Schritte, bis er unter einer Straßenlaterne steht. Dann hält er den Ring ins Licht und dreht ihn. »Existing in pain is not my purpose.« Seine Stimme ist sanft, als er die Worte vorliest. »Das ist aus The Kill.«

»Hm.« Ich nicke und will den Ring zurücknehmen. Doch als ich meine Hand ausstrecke, gibt Mats ihn mir nicht. Stattdessen schiebt er ihn mir selbst auf den Finger und löst damit erneut eine Gänsehaut auf meinen Armen aus. Nur liegt es dieses Mal definitiv nicht an der kühlen Nachtluft. Kaum merklich ziehe ich meine Jacke noch enger zusammen.

»Ich mag das Lied«, sagt er und fragt mit Blicken, ob wir weiterlaufen wollen. »Gab ’ne Zeit, da hab ich es tagelang in Endlosschleife gehört. Bis mein Mitbewohner ein bisschen ausgerastet ist, weil es ihn so genervt hat. Er könne nicht in Ruhe malen, wenn ich so einen Krach mache.«

»Hast du aufgehört, das Lied abzuspielen?«

»Ja.« Er grinst. »Sie haben kurz drauf Flash Forward veröffentlicht. Also hab ich einfach das stundenlang gehört.«

»Und ihn damit weiter wahnsinnig gemacht?« Ich erwidere sein Grinsen, als er ein selbstbewusstes »Natürlich« von sich gibt, und biege nach rechts ab. Es sind nur noch ein paar Meter bis zum Hotel. Zeit genug, um es mir anders zu überlegen. Ich bin mir sicher, Mats würde keinen Aufstand machen und sofort gehen, wenn ich ihn darum bitten würde.

Aber die vergangenen Minuten … Mit ihm über Paper Planes zu reden, hat mich ruhiger werden lassen. Nichts an ihm macht mir Angst und das ist gut und alarmierend zugleich. Gut, weil ich mich so sicher fühlen kann. Alarmierend, weil es kein Mann in den vergangenen zwei Jahren geschafft hat, dass ich in seiner Nähe nicht ständig unter Strom stehe. Keine Ahnung, wie er es macht, aber als wir das Hotel erreichen, bin ich überzeugt davon, dass das hier meine Chance ist. Ich kann es schaffen. Zusammen mit Mats.

PrologMats’ Version

Sie nimmt mich mit in ein Hotel. Ich kann nicht leugnen, dass ich im ersten Moment verwundert bin, als sie vor den großen Glastüren des Princess Hotels stehen bleibt und mir zu verstehen gibt, dass wir unser Ziel erreicht haben. Aber mein Erstaunen hält nicht lange an. Im Prinzip ist es mir vollkommen egal, wo wir hingehen. Uns ist beiden klar, worauf das hinausläuft. Was der Plan ist. Doch als wir das Stockwerk erreichen, auf dem ihr Zimmer liegt, bin nicht ich derjenige, der die Regeln aufstellt, wie ich es sonst immer tue, wenn ich mitten in der Nacht nicht allein einen Club oder eine Bar verlasse: Sie ist es.

»Drei Dinge …« Vor der Tür dreht sie sich zu mir um. Ihre Jacke hängt ihr locker über den Schultern. Es wäre leicht, meine Finger nach ihr auszustrecken und den Stoff nach unten zu streifen, damit ich sie genau dort küssen kann. Auf dem ganzen Weg hierher konnte ich an nichts anderes denken. Selbst als wir über Paper Planes geredet haben. Oder gerade weil wir über meine – nein, unsere – Lieblingsband gesprochen haben.

Ich weiß nicht, was an ihr es ist, das mich so dermaßen fasziniert. Aber seit wir im Norrsken aufeinandergetroffen sind, kann ich den Blick nicht von ihr abwenden. Von ihren langen braunen Haaren, die ihr Gesicht umspielen. Von ihren grünen Augen, die irgendetwas verbergen und gleichzeitig so warm wirken, dass ich nie wieder woanders hinsehen möchte. Von ihren dunkelrot geschminkten Lippen, die den ganzen Abend über nichts von ihrer Farbintensität verloren haben. Und auch nicht von ihren kleinen, spitzen Ohren, die an eine Elfe erinnern. Nele ist wunderschön und ich kann es nicht erwarten, sie endlich zu berühren. Zu küssen. Auf den Mund, auf den Hals, auf die Haut an ihrer Schulter. Und dann den kompletten Rest von ihr.

»Erstens … du berührst mich mit den Händen nur, wenn ich es dir sage, und nur dort, wo ich es dir sage.«

Überrascht kneife ich die Augen ein Stück zusammen. Das ist neu. Normalerweise wollen die Frauen, mit denen ich schlafe, dass ich sie überall anfasse. »Wirklich?«

»Ich meine das ernst, Mats. Nur wenn ich dich auffordere«, wiederholt sie. »Wenn du damit ein Problem hast …« Sie sieht mich vielsagend an, aber ich wehre ihren Einwand schnell ab.

»Kein Problem«, versichere ich. Denn es ist wirklich keins. Es ist nur … eine sehr interessante Regel. Aber damit kann ich leben. »Was ist Nummer zwei?«

»Kein Kuscheln oder so. Es ist bloß Sex. Wenn wir fertig sind, gehst du.«

»Nichts anderes hatte ich vor.« Was keine Lüge ist. So halte ich das immer. Am Ende verschwinde ich oder rufe den Frauen ein Taxi nach Hause, das ich bezahle. Ich habe nichts dagegen, danach noch ein paar Minuten liegen zu bleiben. Aber von Kuscheln bin ich offenbar ein genauso großer Fan wie sie: nämlich gar keiner.

»Und drittens …« Sie beißt sich kurz auf die Lippe und weckt damit den unbändigen Wunsch in mir, ich wäre derjenige, der mit seinen Zähnen darüberkratzt. Gott, wenn wir nicht bald ihr Zimmer betreten, küsse ich sie hier und jetzt. Meinetwegen auch ohne sie dabei anzufassen.

»Was ist drittens?«, frage ich, als sie nicht weiterspricht.

Sie weicht meinem Blick aus. Ganz so, als wäre ihre dritte Regel die, für die sie sich insgeheim ein bisschen schämt. Dabei bin ich mir sicher, dass es nichts gibt, was mich jetzt noch vertreiben könnte oder was ihr unangenehm sein müsste. »Willst du … keine Ahnung … willst du dich nicht ausziehen, während wir …?« Ich rate ins Blaue hinein und deute zwischen ihr und mir hin und her. »Das wäre verdammt schade, weil ich mir sicher bin, dass du ohne Klamotten wunderschön bist. Auch wenn dein Kleid dir unglaublich gut steht.« Ich zwinkere ihr zu, ehe ich wieder ernst werde. »Aber es wäre in Ordnung, Nele. Alles, womit du dich wohlfühlst.« Ich suche ihren Blick und halte ihn. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie mit den Fingern an ihrem Armband herumspielt.

Sie ist nervös. Und zwar deutlich mehr, als sie es sein müsste. Natürlich ist immer ein bisschen mehr Adrenalin in einem, wenn man im Begriff ist, zum ersten Mal Sex mit einer fremden Person zu haben. Aber sie scheint definitiv aufgeregter zu sein, als es angebracht wäre.

»Sag es mir«, bitte ich leise. »Was ist Regel drei? Hast du … keine Ahnung … irgendeinen besonderen Kink, von dem ich wissen sollte?« Ich versuche zu scherzen, den Moment etwas aufzulockern. Doch alles, was meine Worte hervorrufen, sind weit aufgerissene Augen und ein erschrockener Blick darin.

Mission eindeutig gescheitert.

Dabei müssen wir das hier nicht tun. Auch wenn es ihr Vorschlag war, zusammen zu verschwinden, will ich nicht, dass sie sich unwohl fühlt. Oder dass sie gar glaubt, es durchziehen zu müssen, weil sie das Gefühl hat, nicht mehr Nein sagen zu dürfen.

»Nele …«, beginne ich erneut. Doch weiter komme ich nicht.

»Du küsst mich nur ohne Zunge, wenn du mich küsst.« Die Worte platzen regelrecht aus ihr raus. Und ich bin ehrlich. Das ist noch weniger etwas, womit ich gerechnet habe, als es Regel eins war.

»Keine Zunge?«, hake ich nach. »Sicher? Mit macht doch doppelt so viel Spaß.«

»Ganz sicher«, bestätigt sie und sieht mich abwartend an. »Keine Zunge.« Eine Begründung bekomme ich nicht. »Ist das okay für dich?«

»Klar.« Ich nicke, weil ich sie natürlich zu nichts zwingen werde, was sie nicht möchte. Aber ein bisschen seltsam finde ich ihre erste und diese letzte Regel schon. Andererseits … Es gibt Schlimmeres. Wenn sie mich nun wegschicken würde zum Beispiel. »Küssen ohne Zunge. Ist notiert.« Ich deute mit zwei Fingern an meine Schläfe. »Sonst noch etwas, das ich wissen muss?« Oder beachten soll, füge ich in Gedanken hinzu.

Und als könne sie lesen, woran ich denke, nickt sie zaghaft. »Eine Sache wäre da noch …«

»Ja?«

»Ich bin … ich bin oben, okay?«

»Du willst mich reiten?« Meine direkte Wortwahl lässt eine zarte Röte auf ihren Wangen entstehen. Ein Rotschleier, der kurz darauf ihr gesamtes Gesicht bedeckt.

Wieder dieses zaghafte Nicken. Und dieses Mal kann ich den Verdacht, dass das alles weit außerhalb ihrer Komfortzone liegt, nicht länger ignorieren. Auf der einen Seite sagt sie mir genau, was sie will. Auf der anderen wirkt sie dabei wie ein verängstigtes Reh. Das passt nicht zusammen.

»Ist das dein erster One-Night-Stand?« Ich frage sie direkt, weil es keinen Sinn hat, um den heißen Brei herumzureden.

»Spielt das eine Rolle?« Sie reckt das Kinn, sieht mir direkt in die Augen. Und ich weiß, auch ohne dass sie es sagt, dass die Antwort auf meine Frage Ja lautet.

»Nur ein bisschen.«

Nele ignoriert meine Antwort. »Bist du dabei oder nicht?«

»Ja. Ich bin immer noch so was von dabei.« Ich habe meinen Satz kaum beendet, als sie auch schon ein erleichtertes »Gut« von sich gibt. Dann will sie sich umdrehen und die Schlüsselkarte an die Tür halten. Doch bevor sie das tun kann, halte ich sie auf. Behutsam umfasse ich ihren Oberarm und spüre, wie sich ihre Schulter vor Überraschung versteift. Ich lasse sie sofort wieder los und warte, bis sie sich zu mir umgedreht hat.

»Aber wichtiger, ob das okay für mich ist … Bist du dir sicher, dass du das hier willst?« Ich blicke ihr fest in die Augen, versuche, darin zu lesen und ihr gleichzeitig zu verstehen zu geben, dass es nicht zu spät ist, die Sache abzubrechen. Ich fände es schade, logisch, aber wenn sie es sich anders überlegt hat, ist das ihr gutes Recht und etwas, das ich, ohne zu zögern, sofort akzeptieren würde.

Sie vergräbt die Finger im Stoff meines Shirts, als sie mich näher zieht. »Du hast allen Regeln zugestimmt.«

»Das beantwortet nicht meine Frage.«

»Stimmt«, sagt sie. Sie steht so dicht zwischen mir und der Tür, dass sie sich dagegenlehnen kann. »Aber ich bin sicher.« Im nächsten Moment stellt sie sich auf die Zehenspitzen und reckt sich mir entgegen. Ihr Duft nach Lavendel steigt mir in die Nase. »Bist du es wirklich auch?«, fragt sie so nah an meinen Lippen, dass ich ihren Atem auf meiner Haut spüre. »Ich würde es verstehen, wenn dir das zu viele … Extrawünsche sind.«

»Ha.« Fast hätte ich gelacht. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sicher ich mir bin.«

In der nächsten Sekunde liegen ihre Lippen auf meinen. Sie hält sich an das, was sie gesagt hat. Keine Zunge. Aber das ist vollkommen egal, weil ich nun nicht nur ihre Lippen spüre, sondern ihren ganzen Körper an meinem. Ihre Brüste, ihre Mitte, ihre Hände, die sie an meinen Rücken hat wandern lassen und mit denen sie mich noch enger an sich drückt. Himmel, mein Schwanz ist innerhalb weniger Augenblicke steinhart.

»Lass uns reingehen«, raune ich an ihrem Ohr, ehe ich ihren Hals küsse. Ich will meine Hände an ihre Hüfte legen, sie noch näher an mich ziehen, aber in der letzten Sekunde fällt mir ihre Regel ein.

Du berührst mich mit den Händen nur, wenn ich es dir sage, und nur dort, wo ich es dir sage.

Nur wenn ich dich auffordere.

Also stütze ich mich mit beiden am Türrahmen links und rechts von ihr ab. Sie neigt ihren Kopf leicht beiseite, sodass ich ihre Lippen noch einmal streifen kann. Dann dreht sie sich zurück zur Tür, öffnet das Schloss und lässt uns ins Zimmer. Es sieht komplett unbenutzt aus. Kurz erwische ich mich bei dem Gedanken, dass das ungewöhnlich ist. Ich habe sie nicht gefragt, warum wir in diesem Hotel sind und nicht zu ihr nach Hause gehen. Aber insgeheim habe ich wohl damit gerechnet, dass sie zumindest ein paar Sachen hier haben würde. Einen Koffer, einen Rucksack, ein paar Schuhe und Klamotten. Vielleicht eine Jacke über einem Stuhl. Nichts davon gibt es. Der Raum ist vollkommen leer bis auf ein paar Begrüßungsgetränke auf dem Tisch.

Bevor ich dazu eine Bemerkung abgeben kann, steht Nele schon wieder vor mir. Sie hat sich die Jacke abgestreift und ihre Tasche auf die Garderobe gestellt. Mit den Händen greift sie nach meinem T-Shirt und zieht mich weiter in den Raum und zu sich. Dann streift sie mir meine Jacke vom Körper, sodass sie achtlos zu Boden fällt.

Okay. Offenbar fackelt sie nicht lange. Auch wenn mir klar ist, dass sie definitiv nicht so routiniert in One-Night-Stands ist wie ich, unterbreche ich sie nicht. Sie hat mir mehrfach versichert, das hier zu wollen. Und ich habe ihr versprochen, mich an das zu halten, was sie verlangt hat. Die Fronten sind geklärt.

Deshalb lasse ich mich von ihr in Richtung Bett ziehen. Und als sie uns dreht, damit sie mich auf die Matratze schubsen kann, lasse ich auch das zu. Ich schiebe mich weiter in die Mitte, bis ich mit dem Rücken gegen das Kopfteil stoße, und sehe ihr dabei zu, wie sie vor dem Bett steht. Sie wirkt unschlüssig und entschlossen zugleich, Reh und Löwin auf einmal. Und das ergibt keinen Sinn. Zaghaft strecke ich die Hand nach ihr aus und winke sie zu mir.

»Komm her«, sage ich, doch sie schüttelt den Kopf.

»Gleich«, meint sie. Dann fasst sie nach hinten und ich höre ihren Reißverschluss. Keine drei Sekunden später fällt ihr Kleid geräuschlos an ihr nach unten und sie steht nur noch in schwarzem Höschen und schwarzem BH vor mir. Ich schlucke schwer, weil meine Kehle plötzlich wie ausgetrocknet ist. Jup, ich habe mich nicht getäuscht. Nele ist wunderschön. Und das sieht nicht nur mein Kopf so, sondern zweifellos auch ein anderer Teil von mir. In meiner Jeans wird es immer enger.

Nachdem sie auch aus ihren Schuhen gestiegen ist, klettert sie zu mir auf die Matratze.

»Zieh das aus«, sagt sie und zupft an meinem T-Shirt. Ich komme ihrer Aufforderung zu gern nach. Mit einem Ruck reiße ich mir das Teil über den Kopf und werfe es aus dem Bett. Ich bin so energisch dabei, dass Nele leise lacht, und fuck, wenn das nicht das schönste Geräusch der Welt ist, weiß ich auch nicht.

»Kommst du jetzt her?«, frage ich und halte ihr meine Hände erneut entgegen. Sie nickt, schiebt sich über meine Beine und kommt auf mich zu. Dann greift sie nach meinen Händen und legt sie auf ihre Hüfte. Doch anstatt mich wieder loszulassen, bleiben ihre Finger auf meinen und umklammern sie regelrecht. Als befürchte sie, sie könnten an eine Stelle wandern, an der sie sie nicht haben will.

Für einen Moment sitzt Nele regungslos da. Ich warte, auch wenn es mich alles kostet, was ich habe. Sollte sie sich auch nur ein paar Zentimeter weiter nach oben bewegen, kann ich nicht garantieren, dass die Sache hier nicht schneller zu Ende geht, als mir lieb ist. Es ist ewig her, dass mich eine Frau so erregt hat. Dabei tut sie kaum etwas. Sie sitzt einfach nur da, umfasst meine Handgelenke und sieht unendlich schön dabei aus. Und sehr, sehr angespannt. Ihre Augen wirken rastlos, zucken unruhig hin und her. Ihre Hände verkrampfen. Es ist eindeutig ihr erster One-Night-Stand, und ich kann ihr nicht verübeln, dass sie mir nicht gänzlich vertraut, ihre zugegebenermaßen etwas unüblichen Regeln auch einzuhalten. Dabei habe ich genau das vor.

»Okay, warte.« Ich ziehe meine Hände unter ihren hervor. »Das geht so nicht. Du musst dich entspannen.«

Sie sinkt weiter nach hinten, sitzt nun halb auf meinen Knien und viel zu weit weg von der Stelle, wo ich sie eigentlich haben will.

»Was würde dir helfen? Soll ich Musik anmachen? Paper Planes?«

Ihre Antwort ist ein Kopfschütteln.

»Willst du das Licht dämmen?«

»Nein!« Diese Antwort kommt noch schneller.

»Dann sag mir, was ich tun kann, damit du dich wohlfühlst.«

Dieses Mal schweigt sie.

»Ich berühre dich nur dort, wo du meine Hände haben willst, ich küsse dich nicht mit Zunge und du bist oben.« Ich wiederhole jede einzelne Regel, um ihr zu zeigen, dass ich sie nicht vergessen werde. Auch wenn ich keinen Schimmer habe, welche Stellen sie an ihrem Körper so sehr stören, dass sie auf keinen Fall dort angefasst werden will. Für mich sieht er absolut perfekt aus. »Beim Küssen kann ich dir zwar nur mein Wort geben, aber wenn du willst, kannst du meine Hände an den Bettpfosten festbinden. Das macht mir nichts aus.« Auch wenn es hart wäre, ihren Körper gar nicht zu berühren.

»Du würdest mir echt …« Sie stockt, betrachtet mich ungläubig. »Du würdest mir echt so sehr vertrauen, dass ich dich anbinden dürfte, obwohl du mich … obwohl du mich quasi nicht kennst?«

»Ja.« Ich zucke mit den Schultern. »Wenn es dir hilft, lockerer zu werden … Ich gehe nicht davon aus, dass du es ausnutzen oder etwas tun würdest, was ich nicht will.«

»Würde ich nicht«, sagt sie sofort.

»Siehst du. Und deshalb …« Ich lege den Kopf schief. »Willst du mich festmachen?«

Sie lässt sich mein Angebot durch den Kopf gehen. Immer wieder wandert ihr Blick von meinen Händen zu den Bettpfosten und wieder zurück. Ich bewege sie nicht einen Millimeter. Gedankenverloren streicht sie sich eine Haarsträhne hinter ihre Elfenohren.

Schließlich schüttelt sie den Kopf. »Nein. Ich will dich nicht festbinden. Aber … vielleicht könntest du sie für den Anfang neben dich legen?

»Okay. Klar. Kann ich machen.« Ich nicke und komme ihrer Aufforderung nach. »Nur musst du mir dann mit meiner Hose helfen. Schaffst du das?«

»Ja.« Ihr Blick senkt sich kurz auf meinen Schritt, wo ich wirklich nicht verheimlichen kann, wie sehr mein Körper auf ihren steht. Dann sieht sie mit ihren strahlenden grünen Augen wieder zu mir, legt ihre weichen Hände auf meine Brust und beugt sich vor, um mich zu küssen. Und es ist ein Kuss, der mir durch Mark und Bein geht und meinen ganzen Körper unter Hochspannung setzt. Obwohl oder gerade weil sie es ohne Zunge tut.

Kurz darauf umschließen ihre Finger meinen Hosenknopf, sie öffnet ihn vorsichtig, zieht den Reißverschlusszipper nach unten und ich die Luft ein, als sie dabei meinen Schwanz berührt. Er ist gefühlt steinhart. Ich hebe meinen Hintern an, damit sie mir die Jeans von den Beinen ziehen kann. Und dann werden wir nur noch von meinen Boxerbriefs und ihrem Höschen voneinander getrennt.

»Ich will das hier«, flüstert Nele gegen meine Lippen, als sie so weit nach oben rutscht, dass sie sich an mir reiben kann.

Ein gezischtes »Fuck!« entfährt mir.

Sie grinst und reibt sich noch etwas mehr. »Und du offenbar auch.«

»Du hast absolut recht«, gebe ich schwer atmend zurück. »Wie wäre es also, wenn wir ab sofort weniger reden und mehr küssen?«

Ihr Blick hält meinen einige Sekunden abwägend fest.

»Vertrau mir, okay? Ich tue nichts, was du nicht willst«, schiebe ich hinterher, als sie nichts erwidert. Daran habe ich mich schon immer gehalten und bei Nele wird das nicht anders sein. Sie bestimmt den Weg. Denn das habe ich in den vergangenen Jahren gelernt. Sex macht so viel mehr Spaß, wenn man Rücksicht auf den anderen nimmt.

Bedächtig lehnt sie sich zu mir. Sie küsst mich erneut, sanft, erst auf die Lippen, dann auf mein Kinn. Den Hals und die empfindliche Stelle unterhalb meines Ohrläppchens. Es sind die unschuldigsten Küsse meines Lebens und doch spüre ich sie in jeder einzelnen Zelle. Ihre Brüste streifen meinen nackten Oberkörper, ihre Mitte meinen Schwanz, und während ich meistens für ein gutes Vorspiel zu haben bin, weiß ich heute wirklich nicht, ob ich es aushalte, nicht bald in ihr zu sein.

Sie reibt sich weiter an mir, während sie Küsse auf meiner Haut verteilt. Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche, nicht auf das Ziehen in meinen Leisten zu achten.

Was würde ich dafür geben, sie anfassen zu dürfen. Ihr den BH zu öffnen, sie zwischen den Beinen zu streicheln, sie festzuhalten und an mich zu ziehen. Aber solange sie mir kein Zeichen gibt, dass wir Regel eins brechen, reiße ich mich zusammen und lasse meine Hände da, wo sie sind. Und ich glaube, das ist der Grund, warum sie sich endlich entspannt. Weil sie merkt, dass ich mich an mein Versprechen halte. Egal, wie schwer es ist. Egal, wie sehr sich alles in mir danach verzehrt, sie zu berühren.

Und dann wird meine Geduld belohnt. Nach einer Weile nimmt sie tatsächlich meine Hände, legt sie auf ihre Oberschenkel und dirigiert sie langsam ihren Körper hinauf.

»Hast du ein Kondom?«, fragt sie schließlich. Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, seit wir in ihr Zimmer gestolpert sind. Es können drei Minuten sein oder dreißig. Ich weiß nur, dass ich den Lavendelduft ihres Haars und ihre weiche Haut unter meinen Fingern nie wieder vergessen werde. »Ich habe welche, aber ich weiß nicht, ob sie dir passen.«

»Ich hab auch welche«, murmle ich. »In meinem Geldbeutel.«

»Und der ist wo?«

»Hosentasche.«

»Okay.« Sie rutscht von mir und augenblicklich fehlt mir ihre Wärme. Ihr Gewicht. Die Reibung, mit der sie mich wahnsinnig zu machen droht. Ich drehe den Kopf seitlich und sehe ihr dabei zu, wie sie sich nach meiner Hose bückt. Gott, sie ist so verflucht sexy. Der schwarze Stoff hebt sich dunkel von ihrer hellen Haut ab. Ihre Beine und Arme sind vom Tanzen trainiert, ihre Bewegungen geschmeidig und weich. Sie ist schnell. Es dauert nicht lange, bis sie mit dem Kondom zurück ist. Sie reicht es mir, ich reiße es auf. Mit der anderen Hand schiebe ich mir die Boxerbriefs von den Beinen. Ich bin so bereit für sie, nur weiß ich nicht, ob sie es auch für mich ist. Sie trägt immer noch ihre Unterwäsche.

Als hätte sie meine Gedanken erraten, fasst sie in diesem Moment an ihren Rücken und öffnet den Verschluss ihres BHs. Sie fängt das Stück Stoff auf, streift sich die Träger von den Schultern und wirft es auf den Boden zu unseren restlichen Klamotten. Ich halte inne, sehe sie an und kann nur noch Wow denken. Wow, wie perfekt sie sind. Nicht zu groß, nicht zu klein. Einfach wow. Und dann vergesse ich jeden einzelnen Buchstaben in meinem Kopf, als sie ihre Daumen in den Stoff ihres Höschens hakt und auch dieses störende Teil auszieht.

Ich weiß, dass niemand perfekt ist. Vermutlich könnte sie mir einhundert Fehler an sich aufzählen, wenn ich an Regel Nummer eins denke. Aber für mich ist sie, in diesem Licht, in dieser Position, einfach nur makellos. Makellos schön. Und ich will ihr unbedingt eine Haarsträhne hinter das Elfenohr streichen. Verdammt, sie bringt mich so sehr aus dem Konzept, dass ich vergesse, mir das Kondom überzustreifen.

Erst, als Nele mich anspricht und die Beine über mich schwingt, erwache ich aus meiner Starre. Ich rolle mir das Kondom über und halte meine Hände danach fragend über ihren Oberschenkeln in der Luft, hoffnungsvoll, dass ich sie erneut dort berühren darf, wo sie eben lagen. Ungeniert lasse ich meinen Blick über ihren Körper wandern, bis ich ihr ins Gesicht sehe.

Nele nickt lächelnd und setzt sich über mich, rückt weiter nach oben, bis ihre Mitte genau über meinem Schwanz ist, während ich ihre Oberschenkel umfasse. Eigentlich rechne ich damit, dass sie sich auf mich senkt, mich in sich aufnimmt. Aber sie überrascht mich. Anstatt nach mir zu greifen, lässt sie ihre Hand zwischen ihren Beinen verschwinden. Und dann werde ich Zeuge davon, wie sie die Augen schließt und sich selbst streichelt.

Es ist der vielleicht heißeste Anblick meines Lebens.

Scheiße, ich würde alles dafür geben, wenn es nun meine Hand wäre, die sie dort berührt. Verflucht noch mal, alles! Aber mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr zuzusehen. Ich glaube, es sind nur ein paar Minuten, aber es sind die längsten und zugleich kürzesten der Welt. Denn wenn ich sie schon nicht selbst dort anfassen darf, würde ich sie am liebsten ewig dabei anschauen. Doch nach ein paar Minuten hört sie auf, öffnet die Augen wieder, umfasst mich und positioniert sich so über mir, wie sie uns haben will. Sie weiß ganz eindeutig, was sie möchte, auch wenn ich kurz das Gefühl habe, dass ihre Finger zittern.

Der Moment, in dem sie sich absenkt und ich in sie eindringe, ist unbeschreiblich. Ein lautes Stöhnen entweicht mir, während Nele ein leiseres »Oh« von sich gibt. Sie sinkt immer weiter, stützt sich auf meiner Brust ab, ihre Fingernägel kratzen über meine Haut, ich will mehr, mehr, mehr. Bis ich so tief in ihr bin, dass sie innehält und kurz in dieser Position verweilt.