A Fall to Forgive - Morgane Moncomble - E-Book

A Fall to Forgive E-Book

Morgane Moncomble

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Beschreibung

Ich werde alles tun, damit du mir verzeihst, ganz gleich, wie lang es dauert

Nach einer schweren Zeit an der Highschool wollte Camelia endlich einen Neustart an der Universität von Edinburgh wagen. Bis Lou plötzlich wieder in ihr Leben tritt. Ausgerechnet er soll Rory Cavendish getötet haben - seinen besten Freund und Camelias ehemaligen Peiniger. Obwohl auch Lou zu der Gruppe gehört, die Camelias Schulzeit zur Hölle gemacht hat, ist da dennoch diese unerklärliche Anziehung, die schon immer zwischen ihnen war. Deshalb stimmt die Jurastudentin zu, ihm zu helfen, seine Unschuld zu beweisen. Doch Camelia weiß nicht, ob sie ihm wirklich vertrauen kann - zu groß ist die Angst, dass er sie erneut hintergeht und damit ihr Herz bricht ...

»Morgane Moncomble ist einfach eine atemberaubende Autorin, die einzigartige Geschichten zu Papier bringt.« CHAPTERS.ABOUT.ME

Band 1 der SEASONS-Reihe

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Seitenzahl: 527

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Playlist

Prolog

1

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5

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Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Morgane Moncomble bei LYX

Impressum

MORGANE MONCOMBLE

A Fall to Forgive

Roman

Ins Deutsche übertragen von Ulrike Werner-Richter

ZU DIESEM BUCH

Die Schule war für Camelia O’Brien die Hölle. Sie ist froh, das alles hinter sich gelassen und an der Universität von Edinburgh einen Neustart gewagt zu haben. Bis ein Anruf die Ereignisse von damals mit einem Schlag zurückbringt. Ihr ehemaliger Peiniger Rory Cavendish wurde ermordet. Der Hauptverdächtige ist ausgerechnet Lou McAllister, Rorys bester Freund. Der Junge, für den Camelia in der Schulzeit schwärmte – bis er sie vor aller Augen bloßstellte. Obwohl er zu der Gruppe gehört, die Camelia damals das Leben schwer gemacht hat, kann die Jurastudentin einfach nicht glauben, dass Lou zu so einer Tat fähig ist. Sie stimmt zu, ihm dabei zu helfen, den Mord aufzuklären und seine Unschuld zu beweisen. Und als die beiden mit den Ermittlungen beginnen, ist plötzlich alles wieder da: diese unerklärliche Anziehung zwischen ihnen und das Flattern in Camelias Bauch – aber auch das Gefühl von Verrat und Schmerz. Camelia versucht verzweifelt, ihr Herz zu schützen, zu groß ist die Angst, dass er sie erneut hintergeht. Doch Lou hat ihre Mauern schon immer mühelos zum Einsturz gebracht …

Liebe Leser:innen,

dieser Roman enthält Szenen, Aussagen oder Themen, welche die Sensibilität bestimmter Personen verletzen können. Bitte beachtet daher vor dem Lesen die Triggerwarnung.

Ich möchte auch daran erinnern, dass es sich um ein fiktionales Werk handelt – mit unvollkommenen Charakteren, nicht immer gesunden Beziehungen und manchmal unentschuldbaren Verhaltensweisen. Als Autorin billige ich die Handlungen der Figuren in keiner Weise.

Eure Morgane

Für den CIA-Agenten, der meinen Internetverlauf ausspioniert … Ich kann alles erklären.

PLAYLIST

I Knew You Were Trouble – Taylor Swift

If I Killed Someone For You – Alec Benjamin

Another Love – Tom Odell

Happier Than Ever – Billie Eilish

Karma – Taylor Swift

Hurt Me – Suriel Hess

Cry Baby – The Neighbourhood

Aimed to Kill – Jade LeMac

Breakfast – Dove Cameron

Animal – EMELINE

I Wanna Be Yours – Arctic Monkeys

bury a friend – Billie Eilish

FU In My Head – Cloudy June

Fetish – Selena Gomez (feat.Gucci Mane)

Enemy – Imagine Dragons

Meet You in Hell – Jade LeMac

Devil Is A Woman – Cloudy June

Hate Me – Ellie Goulding & Juice WRLD

Slow Down – Chase Atlantic

Red Lights – Stray Kids

Don’t Blame Me – Taylor Swift

Small Doses – Bebe Rexha

The Cut That Always Bleeds – Conan Gray

I’m Not Mad – Halsey

Take Me to Church – Hozier

PROLOG

Lou

Fünf Jahre zuvor

Im Jahr 1895 wurde der Schriftsteller Oscar Wilde wegen Homosexualität zu zwei Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Er soll eine dekadente Affäre mit dem jungen schottischen Aristokraten Alfred »Bosie« Douglas gehabt haben, die sein Vater nicht guthieß. Ganz London regte sich über diesen Prozess auf, der als »Queensberry-Skandal« in die Geschichte einging.

Ich bin kein großer Leser, ich bevorzuge Dramen, die über die Musik erzählt werden können, aber mein bester Freund Rory überschüttet mich ständig mit historischen Anekdoten, die mich nicht die Bohne interessieren. Mit gerade einmal siebzehn Jahren redet er gern über Bücher und irgendwelche Rätsel, die er sich »zum Spaß« ausdenkt. Wenn er sein Gehirn nicht ständig stimuliert, langweilt er sich schnell.

Ich persönlich glaube, dass es ihm dabei am wichtigsten ist, sich als der intelligenteste Typ im Raum zu beweisen. Meistens nicke ich also nur mit aufgesetztem Interesse und gebe ein »Wow, tatsächlich?« von mir. Das funktioniert aber nicht wirklich.

Rory grinst immer nur und nennt mich einen »ungebildeten Mistkerl«.

Ich antworte dann, dass ich ihn schließlich auch nicht dazu zwinge, sich die 3. Sinfonie von Beethoven anzuhören. Vielleicht sollte ich das mal tun, um ihn für mehr als fünf Minuten zum Schweigen zu bringen.

Heute Morgen bin ich früher in die Schule gekommen, um ein paar Stücke auf der Geige zu üben. Das mache ich mindestens dreimal die Woche, vor allem, weil ich die Ruhe in den Fluren liebe, ehe der Tag beginnt. Es ist viel friedlicher als zu Hause, wo Schreie und Beleidigungen schneller umherfliegen als Gewehrkugeln. Selbst der Klang meiner Geige kann sie nicht dämpfen.

Nachdem ich den Herbst aus Vivaldis Vier Jahreszeiten gespielt habe, setze ich mich ans Fenster im Erdgeschoss und rauche eine Zigarette; eine schlechte Angewohnheit, die ich einzig mit dem Ziel zugelassen habe, meinen alten Herrn zu provozieren. Ich schlage Das Bildnis des Dorian Gray auf, das Rory mir geliehen hat und mich zu Tode langweilt.

Nach zwei Kippen bin ich nur vier Seiten weitergekommen.

Seit Allerheiligen ist es herbstlich kalt geworden. Die letzten Blätter fallen auf die Straßen Edinburghs und bilden einen Teppich aus braunen und goldenen Farben. Der Anblick lenkt mich ab. Schon immer war der Herbst meine Lieblingsjahreszeit.

»Was sehe ich da? McAllister liest ein Buch.«

Ohne mich umzudrehen, zeige ich Rory, der gerade den Musiksaal betritt, den Mittelfinger. Meine Arroganz schwindet, während ich ihn beobachte, und ich muss leider zugeben, dass mein Herz schmerzt. Verärgert über meine Reaktion würde ich es mir am liebsten aus der Brust reißen, um es am heftigen Schlagen zu hindern.

Mit den Händen in den Taschen lächelt Rory mich an, als wüsste er es – jede Wette, dass es so ist. Er hat die Krawatte seiner blaugrauen Uniform nicht richtig gebunden, und sein braunes Haar fällt ihm leicht über die hellen Augen. Aber es ist sein Lächeln, an dem mein Blick hängen bleibt.

Wie immer.

Ich sage nichts, als er sich auf den Stuhl neben mir fallen lässt, mir die Zigarette aus der Hand nimmt und sie aus dem Fenster wirft. Ich lasse ihn gewähren, ohne mich zu beschweren, puste ihm aber verärgert eine Rauchwolke ins Gesicht.

»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mit dem Scheiß aufhören sollst«, schimpft er genervt.

»Und ich habe dir ebenso oft gesagt, dass du aufhören sollst, mich herumzukommandieren.«

Er ignoriert meinen finsteren Blick, grinst mich frech an und antwortet: »Aber genau das magst du doch.«

Rory wartet nicht auf meine Antwort, dreht mein Buch um und schaut sich das Cover an.

Ich beneide ihn um die Art und Weise, wie er jeden Raum geradezu ausleuchtet, wenn er ihn mit seiner Leichtigkeit und Lässigkeit betritt. Man könnte meinen, er wäre gelangweilt, aber eigentlich gefällt es ihm. Wie alle griechisch-römischen Helden leidet auch Rory an Hybris. Sein Hochmut wird irgendwann sein Untergang sein. Ich bin mir nicht sicher, ob er ohne einen in jeder Situation auf ihn gerichteten Scheinwerfer überleben könnte.

»Das wurde aber auch Zeit«, neckt er mich, als er den Titel sieht. »Und? Was hältst du davon?«

Ich seufze. »Dorian ist in diesen intelligenten, leicht ironischen Dandy Lord Henry verliebt, allerdings völlig unbewusst. Ich habe den Eindruck, dass Oscar sich stark an seiner Beziehung zu Bosie orientiert hat, oder?«

Rory nickt und starrt mich nachdenklich an.

Ich hasse es, wenn er das tut. Es gibt so viele Dinge, die er denkt, aber nie ausspricht.

»Das stimmt. Die Leute können sagen, was sie wollen, Oscar war aufrichtig in Alfred verliebt. Er hat ihm übrigens Liebesbriefe geschrieben, sogar noch aus dem Gefängnis.«

»Dieser Schlingel.«

Ich dachte, er würde über meinen Scherz lächeln, aber er starrt mich nur weiter an und zitiert: »Mein lieber Kleiner, sowohl im Schoß der Vergnügungen als auch im Gefängnis waren Sie und der Gedanke an Sie alles für mich. Oh, behalten Sie mich immer in Ihrem Herzen; in meinem sind Sie nie abwesend.«

Angesichts der Intensität dieses Zitats bekomme ich eine Gänsehaut. Ich weiß, dass es nicht seine Worte sind, aber ich stelle es mir vor. »Das ist traurig«, sage ich schulterzuckend.

»Es ist schön.«

Ich lächle, schüttle den Kopf und klappe mein Buch zu. Manchmal verstehe ich nicht, wie Rory und ich es geschafft haben, uns so nahe zu kommen, obwohl wir so unterschiedlich sind. Ob es nur daran liegt, dass unsere Eltern befreundet sind? Er ist ein Streber, gesellig und immer ganz bei sich, aber irgendwie hinterlistig. Ich hingegen bin das schwarze Schaf der Familie McAllister: ein feiger Nichtsnutz.

»Er hatte eine Frau«, bemerke ich.

»Constance«, bestätigt Rory. »Eine sehr gute Wahl. Autorin und feministische Aktivistin …«

»… die er mit jungen Männern und Prostituierten betrog.«

Rory steht auf und setzt sich neben mich auf die Fensterbank. »Na und? Ein bisschen männliche Wärme kann ab und zu nicht schaden.«

Ich runzle verständnislos die Stirn und bin gleichzeitig überrascht und verärgert, dass er über dieses Thema scherzt. Doch dann beschließe ich, es auf sich beruhen zu lassen. Das Gespräch nimmt eine Wendung, von der ich mir nicht sicher bin, ob ich sie verkraften kann.

»Deine Freundin tut mir leid.« Als ich das sage, schaue ich ihn nicht an. Das Gewicht seines Blickes und seines kleinen, rätselhaften und grausamen Lächelns lastet zu schwer auf meinem Herzen.

»Wenn du es unbedingt wissen willst, Skye ist sehr zufrieden mit unserer Beziehung«, sagt Rory und legt mir seinen Arm um die Schultern. »Ich mache, was ich will, und sie macht, was sie will.«

Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich dieser Sache hier bewusst ist, hätte ich beinahe geantwortet, halte mich aber zurück. Sein Knie berührt meines, als wollte er mich necken. Sein Atem streift meine Wange, und ich weiß, dass er das mit Absicht macht. Er testet mich. Er quält mich. Keiner von uns hat je etwas ausgesprochen, erst recht nicht, seit er und Skye zusammen sind – aber Worte sind auch nicht nötig. Blicke genügen, um all die Dinge zu sagen, die ich am liebsten mit ins Grab genommen hätte. Auch das Gefühl unserer aneinanderklebenden Haut, wenn wir manchmal mit nacktem Oberkörper in seinem Garten ringen.

Rory weiß, was ich seit Jahren, wenn nicht schon immer für ihn empfinde, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen. Sein Schweigen zu diesem Thema bestätigt mir jedoch, dass diese Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, also halte ich mich weiterhin bedeckt. Seit einiger Zeit ist es mir sogar gelungen, mit der Vergangenheit abzuschließen.

Trotzdem hasse ich es, wenn er damit spielt. Es ist, als würde er mich zurückweisen, mich aber trotzdem gefangen halten. Das verdiene ich nicht, verdammt! Zumindest glaube ich das.

Und wenn ich mich dafür revanchiere?

Ich wende ihm mein Gesicht zu. Wir sind uns so nah, dass sich unsere Nasen berühren. Damit will ich ihn verunsichern, schon allein wegen der Genugtuung, sein Lächeln erlöschen zu sehen.

Doch sein Lächeln wird nur noch breiter, und er betrachtet meinen Mund.

Scheiße. Ich bin auf mein eigenes Spielchen hereingefallen.

»Sag, was du auf dem Herzen hast, Lou«, flüstert er, ohne seine Augen auch nur eine Sekunde lang abzuwenden.

»Lieber nicht.«

»Bitte.«

Ich hasse dich. Nach neun Jahren Freundschaft verstehe ich dich immer noch nicht. Du bist mein bester Freund, trotzdem spielst du mit mir, weil du dich langweilst. Du ziehst mich mit den Augen aus, wenn du denkst, dass ich es nicht bemerke, und im nächsten Moment zeigst du dich mit Skye, um mich für deine eigene Schwäche zu bestrafen. Ich finde das nicht fair. Ich würde dich gern küssen, dir die Kleider vom Leib reißen, dir zeigen, was dir entgeht, aber dir auch die Abreibung deines Lebens verpassen und nie wieder mit dir sprechen.

Das ist der Zustand, in den mich Rory Cavendish versetzen kann. Weil ich aber immer noch zu viel Angst habe, dieses Gespräch mit ihm zu führen, versetze ich ihm einen abwehrenden Stoß mit dem Ellenbogen. »Du hast Mundgeruch. Lass mich in Frieden.«

Er wirkt ein wenig enttäuscht, auch wenn er mich amüsiert anlacht. Als ob er wüsste, dass ich zu feige bin, etwas zu unternehmen.

Weil der Unterricht bald anfängt, verlassen wir den Raum und gehen zu unseren Spinden.

Ich verstaue gerade meinen Geigenkasten, als der Rest der Gruppe zu uns stößt. Gideon und Alastair sind in ein Gespräch vertieft, Skye kommt lächelnd auf uns zu.

Rory nimmt sie in die Arme und küsst sie auf den Mund. Mit Zunge und so. Angewidert starre ich vor mich hin.

»Warum bist du gestern nicht ans Telefon gegangen?«, schmollt Skye und kuschelt sich an ihn. Ihre weiße Daunenjacke hebt sich als Kontrast von ihrer makellosen schwarzen Haut ab.

Rory streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn und antwortet, er sei sehr früh schlafen gegangen. Ich weiß, dass er lügt, denn er hat bis zwei Uhr morgens mit mir gechattet.

Alastair und Gideon begrüßen uns. Alastair, der haargenau wie Rory aussieht, wirft ihm einen bösen Blick zu.

»Du hast mich heute Morgen nicht geweckt. Papa hat mich erwischt.«

»Dann war ja alles wie immer«, sagt Rory grinsend und nimmt Skyes Hand.

Ich brauche den Gesichtsausdruck seines Zwillingsbruders nicht zu sehen, um zu wissen, dass ihn die Bemerkung verletzt. Wir alle hier wissen, wie sehr Alastair darunter leidet, dass Rory von Cavendish senior bevorzugt wird. Das ist grundsätzlich so. Rory ist der Liebling aller, der Favorit sämtlicher Gruppen. Der Charismatischste, der Intelligenteste, der Reichste … Aber auch der Grausamste.

Man sagt, dass es wahre Perfektion nicht gibt. Rory ist der beste Beweis dafür: Seine vielen guten Eigenschaften verstärken seine schlimmsten Fehler und machen ihn zu jemandem, der sowohl Hass als auch Faszination bei anderen hervorruft. Angefangen bei mir. Mein Herz liebt ihn, aber mein Verstand verabscheut ihn.

»Wir sehen echt nice aus!«, schwärmt Skye Rory vor, während sie ihm etwas auf ihrem Handy zeigt. »Soll ich lieber das hier oder doch das andere posten? Anna wird ganz schön eifersüchtig sein.«

Ich wende mich uninteressiert ab und betrachte die Schüler, die nach und nach die Flure der Edinburgh Academy bevölkern, wo gerade unser letztes Jahr an der Highschool beginnt. Ich persönlich nenne es das »Königreich von Rory Cavendish«. Alle übrigen Schüler sind nur Diener oder bloßer Hofstaat.

»Sollen wir?«, schlägt Rory vor, als es schließlich klingelt.

Ich folge ihnen blind, weil ich mit meinen Gedanken ganz woanders bin und viel zu langsam reagiere. Ungeschickt renne ich in einen Stapel Bücher hinein. Sie purzeln zu Boden, und ich blicke in ein Paar anklagender dunkler Augen, die mein Herz erbeben lassen.

Ich weiß schon, wer sie ist, ehe ich sie überhaupt sehe.

Ein Gesicht wie aus Porzellan, umrahmt von roten Haaren. Eine dünne goldene Brille, die nicht in der Lage ist, den Sommersprossenregen auf ihrer Nase zu verbergen. Und herzförmige rosa Lippen …

Camelia O’Brien, die Neue, von der alle reden.

Natürlich musste Rory sie unter seine Fittiche nehmen und den freundlichen Klassenkameraden spielen. Er sagt, dass er ihr damit helfen will, aber ich weiß, dass er sich selbst hilft: Seit Camelia da ist, ist Rory zum ersten Mal in seinem Leben nicht mehr der Klassenbeste.

Gott weiß, wie sehr er den zweiten Platz hasst. Rory will sie in seiner Nähe wissen, um sie besser kontrollieren zu können, genau wie die anderen – wie uns. Aber Camelia ist anders … Ich weiß, dass er das bereits begriffen hat und dass es ihn ärgert. Mich persönlich amüsiert es eher. Ich bin neugierig, aber auch eifersüchtig.

Ich wünschte mir, ihre Charakterstärke zu besitzen.

»Ach, da seid ihr ja«, sagt Camelia, nachdem sie uns erkannt hat. »Ich habe euch gesucht.«

Ich erwidere nichts. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, wie jedes Mal, wenn ich ihr gegenüberstehe. Sie hat die Gabe, mein Gehirn von allen zusammenhängenden Gedanken zu leeren, und das bin ich weiß Gott nicht gewohnt. Einige finden, dass sie keineswegs außergewöhnlich ist: Skye hält sie für langweilig, und Gideon hat sie als »ziemlich banal« bezeichnet. Und doch hat sie dieses gewisse Etwas.

Ob Rory klar ist, dass mein Herz seit Kurzem und zum ersten Mal seit neun Jahren auch noch für jemand anderen als ihn schlägt?

Obwohl sie schon seit drei Wochen an der Schule ist, gestatte ich es mir nie, mit Camelia allein zu sein. Sie interessiert mich ebenso, wie sie mich einschüchtert. Sie ist gefährlich. Ständig habe ich Angst, etwas Falsches zu sagen und alles zu ruinieren oder, noch schlimmer, den düsteren Inhalt meines Herzens vor ihr auszubreiten.

Ich weiß nur über sie, dass sie in ihrer Freizeit Sherlock Holmes liest, sich vegetarisch ernährt, die Tochter eines Polizisten ist und es als Einzige mit Rorys Intelligenz aufnehmen kann. Oh … und dass ihr Erscheinungsbild eines unschuldigen weißen Lämmchens nur Fassade ist.

Andere kann sie vielleicht täuschen, aber nicht mich. Camelia spricht nicht viel, in diesem Punkt ähneln wir uns. Ich bin mir nicht sicher, ob sie weiß, wie man Freunde findet. Ich denke auch nicht, dass sie mich mag, angesichts der finsteren Blicke, die sie mir den ganzen Tag über zuwirft.

Und doch: Ich wünsche mir, dass sie genauso oft an mich denkt wie ich an sie.

»Tut mir leid«, entschuldige ich mich leise.

»Nicht schlimm.«

Sie bückt sich, um ihre Bücher aufzuheben. Ihre Wangen sind rosig vor Kälte. Wenn ich sie mit dem Finger berührte, würde er dann eine weiße Spur hinterlassen?

Ich bemerke, wie Gideon den Kopf schief legt und auf den Rock ihrer Schuluniform starrt, der über ihr Hinterteil hochrutscht.

Das ist dann sein »banal«. Arschloch!

Ich verkneife mir eine Bemerkung, gehe ebenfalls in die Hocke und lange nach ihrer Ausgabe von Anne auf Green Gables.

»Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich dich etwas anderes als Krimis lesen sehe«, kommentiere ich grinsend.

Sie schaut überrascht zu mir auf, aber ich lächle sie an. Flirte ich tatsächlich mit ihr … vor den anderen?

»Ich habe mich mal umgesehen«, antwortet sie mit einem Hauch Misstrauen in der Stimme. »Liest du auch gern?«

Das ist meine Chance. Ich könnte jetzt lügen und mich ihr über das Lesen nähern, sie manipulieren, um sie dazu zu bringen, mich zu mögen … Und ich bin im Begriff, es tatsächlich zu tun. Aber im letzten Moment flüstere ich: »Nein. Nicht wirklich.«

»Oh … schade.«

Mein Herz verkrampft sich, als ich die Enttäuschung in ihren Augen sehe. Sie hat mir eine Gelegenheit gegeben, ein Zeitfenster von wenigen Sekunden, und ich habe es verdorben. Ich möchte etwas Kluges hinzufügen, um es wiedergutzumachen, ihr vorschlagen, nach der Schule zusammen einen Kaffee zu trinken oder ins Kino zu gehen und uns während des ganzen Films zu küssen. Aber mein Instinkt warnt mich inständig davor, also gebe ich ihr einfach ihre Bücher zurück und richte mich wieder auf.

In diesem Moment begegne ich den Augen meines besten Freundes und bemerke meinen Fehler. Ich erschrecke zutiefst vor dem beunruhigenden Ausdruck, mit dem Rory Camelia anstarrt: Sein Kiefer mahlt, und sein Blick ist kalt und leer.

Aber es sind vor allem seine Lippen, die mich vor der Gefahr warnen – leicht nach oben verzogen, wie der Anflug eines Lächelns.

Als hätte er meinen Blick gespürt, dreht sich Rory zu mir und zieht spöttisch eine Augenbraue hoch. Als wollte er mich herausfordern … oder verhöhnen.

Mist.

Ich kenne dieses Gesicht nur allzu gut. Es ist das des Teufels, der in ihm schlummert. Es ist die Seite, die ich an Rory am wenigsten mag. Sie ist der Grund dafür, dass ich nie etwas Schönes, etwas wirklich Gutes erreichen kann.

»Wir sehen uns in der Mittagspause«, ruft Camelia im Gehen, und ich bin überrascht, dass sie ausgerechnet mich anspricht.

Ihre Wangen sind jetzt rosig, und sie kneift verlegen die Lippen zusammen, als bereute sie ihre Worte bereits. Ich beiße mir auf die Wange, um nicht zu lächeln.

Hinreißend.

Leider ist mir tief in meinem Inneren längst klar, dass es das letzte Mal ist, dass wir miteinander sprechen. Mit einem bitteren Geschmack im Mund schaue ich ihr nach, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwunden ist.

Ein Arm legt sich um meine Schultern, und ich spüre Rorys Atem auf meiner Wange. Meine Kehle zieht sich zusammen, als läge plötzlich der Schraubstock einer unsichtbaren Kette um meinen Hals.

Gefangen. Eingesperrt. Geiselhaft.

»Sie nervt. Dich nicht?«

Ich wusste es. Ich war nicht vorsichtig genug. Ich habe meine Mimik nicht unter Kontrolle gehabt. Dafür werde ich nun bezahlen.

»Du kannst sie nicht leiden, weil sie schlauer ist als du«, spöttelt Gideon.

»Ich kann sie nicht leiden, weil sie versucht, etwas zu stehlen, was mir gehört«, berichtigt Rory, ohne den Blick von mir abzuwenden.

Er meint mich.

Ich gehöre ihm. Und selbst, wenn es nicht der Fall wäre, würde er mich nie gehen lassen. Aber ich nehme an, ich habe es so gewollt. Ich kann nur mir selbst die Schuld geben.

»Und du, Lou?«, flüstert er, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Magst du sie?«

Ein bisschen zu sehr, und das könnte ihr zum Verhängnis werden.

Entschuldige, Camelia. Es ist meine Schuld, ich hätte besser aufpassen müssen. Ich bin zu feige, und du bist nicht stark genug, um gegen Rory zu kämpfen.

Es gibt nur eine mögliche Antwort. Und wenn ich etwas kann, dann ist es, eine Show zu machen. Mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen wende ich mich zu Rory um. »Nicht wirklich. Rote Haare sind nicht mein Ding, und Bücherwürmer mag ich schon mal gar nicht.«

Ich hasse mich, ich hasse mich, ich hasse mich.

Rory beobachtet mich intensiv und belustigt. »Sie verdient, dass man sie an ihre Stellung erinnert. Nicht wahr?«

Ich will ihm antworten, dass er es langsam angehen soll, weil ich weiß, wozu er fähig ist. Wenn ich ihm jedoch zeige, dass sie mir wichtig ist, wird er alles tun, um sie zu vernichten. In dieser Situation kann ich allenfalls für Schadensbegrenzung sorgen. Deshalb sage ich: »Lass es sein. Ich kümmere mich darum.«

Rory klopft mir zufrieden auf die Schulter.

Am nächsten Tag wird Camelia zum Gespött der ganzen Schule.

1

Camelia

September 2022

Jemand versucht, mich zu töten. Oder mich zu entführen, je nachdem. Was auch immer es ist, ich bin auf alles vorbereitet. Mein Vater ist ein ganz kleines bisschen paranoid, auch wenn er das Wort »umsichtig« bevorzugt. Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass er weiß, wovon er spricht, denn er ist Polizist.

Ich kann mit einem Gewehr schießen (auch wenn mir das in einer solchen Situation vermutlich nicht helfen würde), habe letztes Jahr einen Krav-Maga-Kurs absolviert und trage immer Pfefferspray mit mir herum, wenn ich meine Wohnung verlasse.

Während ich die Vennel-Treppe zum Grassmarket hinuntersteige, ziehe ich meinen Taschenspiegel hervor und werfe einen verstohlenen Blick hinter mich. Es ist erst halb acht, aber bereits fast dunkel, und seit ich das Unigelände verlassen habe, folgt mir eine seltsame Gestalt.

Ich stelle fest, dass sie immer noch da ist, mir mit kleinen Schritten folgt und immer mehr mit der Dunkelheit verschmilzt. Ich muss die Augen zusammenkneifen, um sichergehen zu können, aber ich glaube, es handelt sich um eine große, elegante Frau in einem Kostüm.

Wie schon gesagt, wahrscheinlich versucht jemand, mich zu entführen und dann zu ermorden. Keine Ahnung, warum. Betrug, Vergewaltigung, Mord, Organhandel oder Prostitution … Das Feld ist riesig groß.

Meine Mutter hat immer gesagt, meine Bücher hätten mich ein bisschen »seltsam« werden lassen. Ich persönlich bevorzuge das Wort »fantasievoll«. Wie dem auch sei, ich habe keine Zeit für solchen Quatsch.

Genervt schaue ich auf meine Uhr. Ich hatte einen miesen Tag, meine High Heels quälen mich, und ich komme zu spät zu einem Date, von dem ich weiß, dass es eine Katastrophe wird.

Julian ist nett, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir zusammenpassen. Als wir uns das letzte Mal trafen, habe ich ihn gebeten, mich beim Sex zu würgen – nur ein kleines bisschen –, und er wurde panisch. Seitdem denke ich, dass er mich für verrückt hält. Vielleicht stimmt das ja auch.

Ich drehe mich abrupt um, was meine Stalkerin überrascht. »Hören Sie auf, mir zu folgen. Ich habe meinem Freund eine Nachricht geschickt, er wird jeden Moment hier auftauchen«, lüge ich und schließe die Hände fest um mein Smartphone.

Uff.

Ich hasse es, auf diese lahme Ausrede zurückzugreifen, als ob diese Drohung die Situation ändern würde, aber ich muss leider zugeben: Es funktioniert.

Die Frau zeigt ihre geöffneten Hände und kommt langsam näher, als hätte sie die Befürchtung, mich zu verängstigen.

»Bitte entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich war mir nur nicht sicher, ob Sie die Person sind, die ich suche.«

Ich runzle die Stirn.

»Sie sind Camelia O’Brien, nicht wahr?«

»Ja … Was wollen Sie von mir? Ich habe es eilig, ich bin auf dem Weg zu einem sehr wichtigen Termin.«

Mein Gewissen verdreht angesichts meiner Dreistigkeit die Augen. Es ist ja nicht so, als ob ich es eilig hätte, mit einem Mann Schluss zu machen, der sich weigert, mir im Bett den Hintern zu versohlen.

»Es dauert nur eine Sekunde.«

Feiner Nieselregen benetzt meine Brille. Ich nehme sie ab, um die Frau besser sehen zu können, während sie mir eine Visitenkarte reicht, die ich zögernd entgegennehme.

»Kennen Sie Rory Alexander Cavendish?«

Ich habe alles andere erwartet als das. Allein der Name jagt mir einen Schauder über den Rücken. Was auch immer diese Frau hier zu suchen hat, ich will es nicht wissen. Nicht, wenn es mit Rory Cavendish zu tun hat. Ich habe diesem Sadisten vor Jahren den Rücken gekehrt und denke nicht darüber nach, daran je wieder etwas zu ändern. Ich habe schon genug damit zu tun, ihm in den Fluren der Uni auszuweichen, so groß sie auch sein mag. Das ist auch der Grund, warum ich den Sommer liebe: Die Ferien verschaffen mir stets die ersehnte Atempause.

»Ein ehemaliger Schulkamerad«, sage ich mit einer Stimme, die trockener ist als nötig. »Warum?«

»Er ist tot.«

Ich blinzle nur, während sich ihre Worte in meinem Kopf in Endlosschleife drehen.

Rory ist … tot?

Angesichts dieser Nachricht und ihrer Folgen gerät mein Herz fast außer Kontrolle. Wenn er nicht mehr da ist … bedeutet das, dass ich frei bin. Ich greife mir an den Hals, als wollte ich mich vergewissern, dass die unsichtbare Kette wirklich abgefallen ist.

Rory hat seit meinem achtzehnten Geburtstag kein Wort mehr mit mir gesprochen, und doch … Allein seine Anwesenheit war so belastend, dass sie mir jeden Tag das Leben zur Hölle machte. In den Fluren der Uni senkte ich immer den Blick, weil ich Angst hatte, ihn zu sehen, und ich mied die Orte, die er und seine Clique besuchten … Ich habe die Tage gezählt, die mich noch von meinem Abschluss trennten, von dem Tag, an dem sich unsere Wege endgültig scheiden würden und ich den Anblick seines Gesichts und den Klang seines Lachens nicht mehr würde ertragen müssen; ein Klang, der noch immer ausreicht, um mir das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.

»Tot?«, wiederhole ich und kann es kaum glauben. »Aber ich habe ihn am ersten Tag nach den Ferien von Weitem gesehen, und es ging ihm ausgezeichnet.« Ich mag schrecklich gemein sein, aber ich gehe jede Wette ein, dass er es verdient hat.

»Möglich«, antwortet die Frau. »Aber die Nachricht wurde offiziell bekannt gegeben.«

»Okay. Wem darf ich eine Flasche Champagner schicken?«

»Wie bitte?« Die Frau blinzelt, schockiert über meine Reaktion.

Soll sie doch von mir denken, was sie will, es ist mir egal. Ich werde den Tod meines ehemaligen Peinigers sicher nicht betrauern. Der Typ, der mich in aller Öffentlichkeit erniedrigte, mir abschätzige Spitznamen gab, mich an gruseligen Orten einsperrte und abscheuliche Gerüchte über mich in Umlauf brachte … Ein krankhafter Lügner und Manipulierer, wie ich selten einen erlebt habe. »Wenn er so jung gestorben ist, dann hat er wohl irgendwen zum Äußersten getrieben, oder? Ich habe Mitleid mit demjenigen, wer auch immer es war.« Für Rory hingegen fehlt mir jedes Mitgefühl. Er verkörpert eine schwierige Zeit in meinem Leben, obwohl die Schule nie mein Lieblingsort war, auch nicht, ehe ich ihn kennenlernte.

Meine Mutter hat recht: An all dem ist mein Vater schuld. Alles, woran ich mich aus meiner Kindheit erinnern kann, sind die Abende, an denen ich mit ihm auf dem Sofa kuschelte und Akte X schaute, und die Sonntagnachmittage, an denen wir Cluedo spielten – also nichts, was für eine Sechsjährige eigentlich normal wäre.

Mein Vater erzählte mir Gutenachtgeschichten, die von Fällen inspiriert waren, an denen er arbeitete. Natürlich wuchs ich mit vielen Fragen im Kopf und einer überbordenden, ja gewissermaßen unheimlichen Fantasie auf. Nach und nach entwickelte ich eine Leidenschaft für ungelöste Verbrechen, komplizierte Kriminalfälle und die Bücher von Agatha Christie.

Ich verbrachte meine Nächte damit, Criminal Minds anzuschauen, mich durch blutrünstige Meldungen zu wühlen und Kriminalromane zu lesen. Vielleicht war das der Grund, warum die Leute mich für seltsam hielten …

Nach dem Umzug von Inverness nach Edinburgh dachte ich, es würde anders werden. Ich glaubte wirklich, Rory gäbe mir die Chance, zu einer Clique zu gehören, aber das war ziemlich dumm von mir.

»Entschuldigen Sie, aber ich verstehe nicht, warum Sie mir das mitteilen …«

»Ihr Name steht in seinem Testament. Die Eröffnung findet morgen im kleinen Kreis statt. Ihre Anwesenheit ist erforderlich.«

Ich brauche ein paar Sekunden, um den Sinn des doch eigentlich einfachen Satzes zu verstehen, und muss mir das Lachen verkneifen. Ich im Testament von Rory Cavendish?

Unwillkürlich beginne ich zu zittern, was dem Blick der Unbekannten nicht entgeht.

»Ich fürchte, Sie irren sich«, sage ich höflich. »Wir waren nicht befreundet. Ganz im Gegenteil.«

»Hier liegt kein Irrtum vor, Miss O’Brien.«

Dann handelt es sich eben um einen Scherz. Ein letzter, geschmackloser Scherz. Selbst im Tod streckt Rory Cavendish noch seine Tentakel aus, um mich zu verfolgen.

Als ob es nicht schon gereicht hätte, ein ganzes Jahr lang von ihm und seiner Clique belästigt zu werden. »Wissen Sie denn, was er mir hinterlassen hat? Ich habe keine Lust, mich umsonst auf den Weg zu machen.«

»Nein. Sie müssen schon kommen, um es zu erfahren.«

Bei dieser Antwort wird mir alles klar. Ich seufze und verfluche Rory innerlich.

Er wusste, dass ich nichts von ihm annehmen würde. Aber er kannte mich auch gut genug, um zu ahnen, dass ich meiner krankhaften Neugierde nicht widerstehen könnte.

Heute ist vermutlich der seltsamste und peinlichste Tag in meinem ganzen Leben. Ich weiß wirklich nicht, was ich hier tue und warum ich Rory diesen letzten Triumph zugestehe. Ich glaube, ich habe noch nie jemanden so sehr gehasst – außer dem Serienmörder Jeffrey Dahmer, aus naheliegenden Gründen. Aber Rory war ein Ausnahmemensch. Als kleines Genie und Erbe der wohlhabenden Destillerie Cavendish & Co. konnte er sich alles erlauben. Jeder küsste den Boden, den er betrat.

Ich persönlich sehnte mich nur danach, von ihm in Ruhe gelassen zu werden. Es war schließlich nicht meine Schuld, dass ich intelligenter war als er.

»Was macht die denn hier?«

Skye Hutcherson runzelt ihre perfekten Augenbrauen, als sie eintritt und mich im Raum sitzen sieht. Ihre Augen sind rot. Sie hat also geweint und sich an diesem Morgen nicht die Zeit genommen, sich zu schminken.

Rorys Ex-Freundin mustert mich mit bösen Blicken von Kopf bis Fuß und katapultiert mich mit einem Fingerschnippen fünf Jahre in die Vergangenheit zurück. Ich ignoriere sie hoheitsvoll, um ihr zu beweisen, dass ich nicht mehr dieselbe bin und mich nie wieder von jemandem einschüchtern lassen würde.

Gideon, der hinter ihr auftaucht, beäugt mich ebenfalls. »Vergiss es. Komm!«

Isoliert bleibe ich in der hintersten Ecke des Raumes sitzen. Ich frage mich selbst, was ich hier mache. Erst recht, als dann auch noch Rorys Eltern auftauchen. Sie schauen mich an, ohne zu wissen, wer ich bin, und gehen dann zu Skye, um sie voller Mitgefühl zu umarmen.

Die Szene ist surreal. Am liebsten würde ich nach Hause gehen. Außerdem fürchte ich mich. Natürlich weiß ich, dass Rory nicht auftauchen wird, um mich zu quälen, aber es fühlt sich fast so an. Meine Peiniger so aus der Nähe zu sehen, ist, als wäre ich wieder siebzehn. Ich hasse die Macht, die sie immer noch über mich haben.

Aber Skye und Gideon sind nicht die Schlimmsten.

Es gibt noch jemanden, den zu sehen ich mich heute fürchte, aber ich verbiete mir, seinen Namen auch nur zu denken, aus Angst, er könnte mir Unglück bringen.

Schließlich taucht auch Alastair, Rorys Zwillingsbruder, auf. Er sieht sehr schlecht aus. Wie ein Zombie. Seine Haut ist bleich, und er hat dunkle Ringe unter den Augen. Er wirkt so mitgenommen, dass er mich nicht einmal bemerkt. Kühl begrüßt er seine Eltern, doch sie beachten ihn kaum.

Offensichtlich hat sich nichts geändert. Auch ohne Rory, der ihn immer in den Schatten gestellt hat, bleibt Alastair unsichtbar … Er ist derjenige von ihnen allen, für den ich die meiste Empathie empfinde und schon immer empfunden habe. Weil er nicht versucht hat, andere zu erdrücken, sondern einfach nur existieren wollte.

Ich warte auf das Eintreffen der letzten Ankömmlinge, doch ein Mann mittleren Alters schließt die Tür und setzt sich hinter den Schreibtisch. Verwirrt runzle ich die Stirn.

Er ist nicht hier.

Merkwürdig. Wenn es jemanden gibt, von dem ich dachte, dass ich ihn heute wiedersehen würde, dann ist es er.

»Ich danke Ihnen, dass Sie heute erschienen sind. Ich wurde beauftragt, das Testament des verstorbenen Rory Alexander Cavendish zu eröffnen und Ihnen vorzutragen. In diesem Dokument wird jeder von Ihnen erwähnt.«

Mein Herz beginnt zu rasen, aber ich verhalte mich still. Meine Hände sind feucht. Ich erwarte alles von Rory, vor allem das Schlimmste.

Der Mann greift nach einem Blatt Papier, räuspert sich und beginnt. »Wenn ihr das hier lest, hat es einer von euch geschafft, mich umzubringen. Herzlichen Glückwunsch!«

Verblüfft werfe ich einen Blick auf die anderen, um ihre Reaktion abzuschätzen. Rorys Vater seufzt, über Skyes Wange rollt eine Träne.

»Ich gehe glücklich, weil ich weiß, dass ich ebenso geliebt wie beneidet wurde – wie alle großen Männer«, fährt der Notar ungerührt fort.

Ich widerstehe dem Drang, die Augen zu verdrehen. Typisch Rory.

»Lou, wenn du es warst, bin ich echt sauer.«

Ich erbebe, als ich den verhassten Namen höre. Er wird tatsächlich im Testament erwähnt … Aber warum ist er dann nicht hier? Beschweren werde ich mich deshalb aber sicher nicht. Ich tue alles, um diesem Mann aus dem Weg zu gehen, wo auch immer ich bin. Von ihm kam noch nie etwas Gutes.

»Skye, entschuldige, dass ich dich betrogen habe. Du hattest recht, ich hätte dich schon längst verlassen sollen.«

Ich reiße meine Augen weit auf, wage aber nicht, mich zu rühren. Mein Blick fällt auf Skye, die gedemütigt die Zähne zusammenbeißt. Sie wirkt jedoch nicht überrascht, wusste also bereits Bescheid.

»Gideon, es tut mir leid, dass du es nie ertragen konntest, dass ich mehr geschätzt wurde als du. Jetzt hast du freie Bahn.«

Oh. Mein. Gott.

Es wird immer schlimmer. Rory beherrscht dieses Spiel, sich zu entschuldigen, ohne es wirklich zu tun, in Perfektion. Er erniedrigt Menschen, indem er auf ihre größten Schwächen pocht.

»Alastair, mein geliebter Bruder, es tut mir leid, dass ich dir das einzige Mädchen weggenommen habe, das du je geliebt hast. Nur so, weil ich mich gelangweilt habe. Wenn es dich tröstet, ich habe dir damit einiges erspart.«

Ganz klar: Ich habe Rory gehasst. Aber jetzt muss ich mich beherrschen, um nicht zu lächeln, und das ist ganz schön schwer. Alastair reagiert nicht, sondern starrt ins Leere. Ich frage mich, ob er überhaupt zugehört hat. Skye murmelt etwas vor sich hin, und ich glaube zu hören: »Bis zum bitteren Ende …«

»Papa, sieh es positiv, du hast noch einen Sohn. Mama, danke für … eigentlich gar nichts.«

Ich weiß, dass ich die Nächste auf der Liste bin, und mein Magen krampft sich zusammen. Hat er mich kommen lassen, um sich ein letztes Mal über mich lustig zu machen? Würde ihm ähnlich sehen, diesem Mistkerl. Für die Menschen, die ihn geliebt haben und die er eigentlich hätte zurücklieben sollen, hatte er keine positiven Worte. Warum also sollte er mich verschonen?

»Und last but not least, Camelia: Ich weiß, dass du schon immer eine von uns sein wolltest, und jetzt ist es so weit. Willkommen im Spiel, Sherlock.«

Ich runzle verständnislos die Stirn. Gideon und Skye werfen mir über die Schulter einen halb neugierigen, halb verärgerten Blick zu. Musste ich nur deswegen kommen? Für ein paar Zeilen und eine dreiste Lüge?

Nie wollte ich zu dieser Gruppe von Quälgeistern gehören. Wirklich nicht. Fünf verwöhnte Kinder reicher Eltern, zu intelligent und zu bösartig für die Welt? Nein danke.

Der Notar beginnt mit der Verteilung des Erbes. Ich höre nicht zu, denn ich bin zu sehr damit beschäftigt, mir tausend und eine Frage zu stellen. Bis mein Name zu laut durch den Raum hallt.

»Camelia O’Brien vermache ich meine gesamte Bibliothek: Alle meine Bücher bis zum letzten gehören jetzt ihr, weil ich weiß, wie gern sie liest. Dies ist eines der beiden Dinge, die wir gemeinsam haben.«

Das ist eine Falle. Ganz sicher. Ein schlechter Scherz, eine versteckte Kamera, und sie stecken alle unter einer Decke! Erst Skyes sarkastisches Lachen macht mir klar, dass alles real ist.

Eines der beiden Dinge, die wir gemeinsam haben? Ich frage mich, was das andere sein könnte.

»In meinen Unterlagen befinden sich überdies Briefe an fünf von euch: Lou McAllister, Skye Hutcherson, Alastair Cavendish, Gideon Cormack und Camelia O’Brien.«

Er verteilt sie der Reihe nach. Ich bin die Erste, die geht, oder besser gesagt wegläuft. Ich habe keine Lust, mein Beileid zu bekunden, und glaube auch nicht, dass jemand es hören will.

Ich eile nach draußen und starre den Umschlag eine gute Minute lang an, ehe ich ihn öffne. Mein Name ist mit schwarzer Tinte geschrieben, und ich erkenne Rorys Handschrift. Ungläubig lese ich die letzten Worte an mich, für die er sich Zeit genommen hat:

Wenn es um einen Mord geht, hat es nichts Boshaftes, den Charakter des Opfers aufzuschlüsseln. Es ist sogar absolut notwendig. Die Persönlichkeit des Opfers ist die direkte Ursache für viele Morde … Und wie du weißt, war ich der größte Idiot.

Gegen meinen Willen muss ich grinsen. Wenigstens war er sich dessen bewusst. Der Anfang seiner Nachricht kommt mir jedoch bekannt vor, als hätte ich es schon einmal irgendwo gehört. War das alles, was er mir sagen wollte?

Was für eine Zeitverschwendung.

»Und?«

Ich zucke zusammen, drehe mich um und verberge den Brief an meiner Brust. Skye starrt mich feindselig an, die Arme über ihrem cremefarbenen Rollkragenpullover verschränkt.

Ich wusste nicht, dass so etwas möglich ist, aber sie ist in den letzten fünf Jahren noch schöner geworden. Ihre schwarze Haut schimmert selbst ohne Schminke makellos, und ihr First-Lady-Look lässt sie sehr kultiviert erscheinen. Wir stammen absolut nicht aus derselben Welt.

»Entschuldigt er sich dafür, dass er dich gemobbt hat, während er dir gleichzeitig erklärt, wie sehr du es verdient hast?«, fragt sie spöttisch. »Das ist schließlich seine Spezialität.«

»Ich weiß. Ich frage mich, wie es sich anfühlt, Bekanntschaft mit dem eigenen Gift zu machen«, antworte ich spitz.

Ihre Augen verengen sich gefährlich angesichts des Spotts. Skye hat Rory immer nach dem Mund geredet. Sie war die Erste, die meine Telefonnummer auf Datingseiten für Erwachsene eingab, die Erste, die mir während des Unterrichts die Haare abschnitt, und die Erste, die den Inhalt ihres Tellers in meine Tasche schüttete.

Ich habe mich nie getraut, mich zu wehren; vielleicht hat sie mich deshalb für schwach und manipulierbar gehalten.

Das ist jetzt vorbei.

»Ich habe mir ernsthaft den Kopf zerbrochen«, fährt sie kopfschüttelnd fort. »Aber ich verstehe immer noch nicht, warum er dich hier haben wollte. Ausgerechnet dich.«

Willkommen im Club.

»Er hat mich wohl vermisst.«

»Jetzt, wo alles erledigt ist, halte dich fern von uns«, faucht Skye und wischt sich eine weitere rebellische Träne aus dem Gesicht.

Ich will ihr antworten, dass ich nie etwas anderes gewollt habe, lasse es aber bleiben. Sie dreht sich um und will ohne ein weiteres Wort gehen, und ich hätte es einfach zulassen sollen. Aber Neugier ist nun einmal meine größte Schwäche. Ehe ich es verhindern kann, frage ich: »Was ist mit ihm passiert?«

Skye bleibt stehen, dreht sich aber nicht sofort um.

Ich bereue es, die Frage gestellt zu haben. Bis heute musste ich mich zwingen, Rorys Namen nicht im Internet einzugeben, einfach weil ich ihm keine Bedeutung beimessen wollte. Ich habe sogar gehört, wie Kollegen in der Arbeit darüber sprachen, aber ich bin dem Klatsch so weit wie möglich aus dem Weg gegangen. Tatsächlich ist es so, dass ich noch gestern dachte, ich würde nicht zur Testamentseröffnung gehen. Ich dachte, ich könnte diese Leute hinter mir lassen.

Offenbar habe ich mich selbst belogen. Als angehende Anwältin und passionierte Detektivin, die ich nun einmal bin, wollte ich es wissen.

Skye dreht sich schließlich um und schaut mir mit leeren Augen ins Gesicht. »Du weißt es nicht?«

Ich schüttle stumm und mit wild klopfendem Herzen den Kopf.

Skye starrt mich lange an, dann sagt sie dumpf: »Lou hat ihn ermordet.«

2

Lou

September 2022

Ich weiß nicht, wann genau mein Leben anfing, aus den Fugen zu geraten. Als meine Mutter meinen Vater mithilfe ihrer Schwangerschaft in eine ungewollte Ehe lockte? Als ich mich in Rory verliebte, den Jungen mit dem neckischen Lächeln und der tief sitzenden Egozentrik? Oder vielleicht, als er anfing, die reine, arglose Aufmerksamkeit zu erwidern, die ich ihm schenkte?

»Du wirst nun nicht mehr so überschlau sein, stimmt’s, McAllister?«

Ich verziehe unwillkürlich das Gesicht und spucke Blut aus.

Bastard!

Muss ich jetzt für meine Sünden büßen? Ich frage mich, ob ich vielleicht in den schmutzigen Duschen eines schottischen Gefängnisses sterben werde.

Zwei stämmige Typen ziehen meine Arme nach hinten, während ein dritter mit einem Messer in der Hand vor mir in die Hocke geht. Ich muss zugeben, das wirkt ein bisschen einschüchternd. Da, wo ich herkomme, macht man seine Feinde nicht mit Klingen, sondern mit Worten nieder.

Das hat in meiner Kindheit ziemlich gut funktioniert, wenn man bedenkt, was für ein Mann ich inzwischen geworden bin.

Aber angesichts einer scharfen Klinge will niemand ein Klugscheißer sein. Ich weiß nicht, wie es der Typ geschafft hat, das Messer reinzuschmuggeln, geschweige denn, es vor den Wachen zu verbergen. Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, nicht nach allem, was ich seit meiner Ankunft durch die Gitterstäbe habe wandern sehen: Drogen, Medikamente, Geld, Handys …

Der Häftling vor mir ist bestimmt schon um die vierzig. Er lässt die kalte Oberfläche seines Messers über meine Wange gleiten.

Wie dramatisch! Ich hasse es, wenn sie es so spannend machen.

»Hast du gedacht, du machst uns Angst, weil du ein Mörder bist, Junge? Stell dir mal vor, das sind wir hier fast alle.«

Rorys Gesicht kommt mir plötzlich in den Sinn, und ich beiße die Zähne zusammen.

Mist.

Ich sitze jetzt schon seit einer knappen Woche im Gefängnis. Am Anfang war alles in Ordnung. Ich hielt meine Klappe, und niemand traute sich an mich heran. Bis einer von ihnen versuchte, mich beim Verlassen der Duschen einzuschüchtern.

Ich reagierte mit Frechheit, wie ich es nach außen hin so gut kann … Mit Stil, versteht sich. Natürlich schätzt man das hier nicht besonders. Ich musste nicht einmal kämpfen, denn die Wärter beruhigten die Lage sofort. Noch am selben Abend verschluckte der betreffende Mann im Schlaf seine Zunge.

Ich hatte damit nichts zu tun, ehrlich. Leider – oder zum Glück – dachten aber alle anderen, dass ich mich heimlich gerächt hätte. Ich dementierte das Gerücht nicht, als ich erkannte, dass es für mich von Vorteil war.

Seit jenem Tag veränderten sich die Blicke der anderen. Ich verstand, dass ich gefürchtet werden musste, um respektiert zu werden und hinter diesen Mauern zu überleben, also nutzte ich es aus.

Offenbar einen Hauch zu viel.

Rory würde sich totlachen, wenn er mich sehen könnte. Bestimmt kann er das.

Manchmal vergesse ich immer noch, dass er tot ist.

»Das nächste Mal ist dein kleiner Zeh dran.«

»Macht nichts, ich habe mehrere davon«, sage ich und lächle mit blutverschmiertem Mund.

Stewart versetzt mir einen Tritt gegen die Brust, der mich zu Boden gehen lässt. Ich muss ein bisschen husten, was mir verächtliche Bemerkungen von seinen Helfershelfern einbringt.

Nachdem sie verschwunden sind, verwandelt sich mein Husten in ein unkontrollierbares Lachen.

Na toll!

Es ist fast schon enttäuschend. Ich mag ja der Sohn reicher Leute sein, aber von »Gaunern« hätte ich mehr erwartet. Filme haben mich lange Zeit glauben lassen, Gefängnisse wären voller harter Kerle und gesetzloser Männer, die einen für einen schrägen Blick massakrierten. Aber bisher ist kein Dolchstoß in Sicht.

Noch nicht.

Schließlich hat mein Aufenthalt gerade erst begonnen, und ich habe die Art von Gesicht, die Mordgelüste weckt, zumindest sagt das mein Vater immer. Es gibt also noch Hoffnung.

»Òinseach. Legst du es darauf an, dich umbringen zu lassen?«, fragt mein Zellennachbar Kenny, als ich eine halbe Stunde später in unsere Zelle zurückkehre.

Sein »Trottel« auf Gälisch habe ich durchaus verstanden.

Er sitzt auf dem oberen Bett, schaut über seine schmale Brille hinweg auf mich hinunter und schnalzt mit der Zunge. Trotz meiner blauen Flecken und des Blutes, das bereits in meinen Mundwinkeln gerinnt, lächle ich arrogant. »Gut möglich. Hast du ein Problem damit?«

Kenny verdreht gelangweilt die Augen. »Die Rolle des Gefangenen, der es darauf anlegt, gekillt zu werden, passt nicht zu dir, Kleiner. Wenn du schon jemanden umgebracht hast, solltest du zumindest dazu stehen.«

Der Satz trifft mich mitten ins Herz. Nicht cool, Kenny. Leider hat er recht. Trübsal zu blasen, nachdem man eine solche Gräueltat begangen hat, ist feige. Aber da dies angeblich meine Spezialität ist …

Ich antworte nicht und lasse mich auf einen der beiden Plastikstühle der Zelle fallen. Ich betrachte Kennys Fotos an der Wand, die seine vierzehnjährige Tochter und seine Frau zeigen. Er hat mir immer noch nicht gesagt, warum und für wie lang er hier ist. Kenny redet nicht viel. Er ist auch nicht auf Ärger aus. Er löst Kreuzworträtsel, treibt Sport, liest und isst allein in seiner Ecke.

»Mist, eine Zigarette käme jetzt gut«, seufze ich und streiche mir mit der Hand durch mein braunes Haar. Ich glaube, die Zigaretten fehlen mir am meisten.

Sechs Tage sind seit meiner Inhaftierung vergangen. Sieben seit Rorys Geburtstag – seinem letzten. Sieben Tage seit der Nacht, in der mich ein Polizist auf der Straße anhielt und Rorys noch warme Leiche im Kofferraum meines Autos entdeckte.

Zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich genauso schockiert war wie er.

Ich trauere ziemlich, aber mein Herz leugnet das lieber. Ich kann es mir nicht leisten zusammenzubrechen. Noch nicht und nicht hier.

Schaudernd schließe ich die Augen. Das Bild geht mir kaum eine Sekunde aus dem Kopf. Ich habe keine Ruhe mehr gefunden, seit man mich auf den Boden gedrückt und mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt hat.

Die geöffneten, leblosen Augen des Mannes, den ich einmal geliebt habe, reißen mich jede Nacht aus dem Schlaf. Um mich zu bestrafen oder zu verspotten? Ich weiß es nicht.

Mein Leben lang werde ich mich an sein Gesicht erinnern, als ich ihn das letzte Mal sah. Angesichts der Situation ist es natürlich albern, aber ich war überrascht, dass er nicht lächelte. Rory lächelte immer. Ganz gleich, ob aus Freude, Verachtung, Grausamkeit oder Wut. Sein Lächeln verriet, genau wie bei mir, was seine Augen zu verbergen suchten. Aber an jenem Abend, reglos im Kofferraum meines Autos, lächelte er nicht mehr. Und irgendwie fand ich das am traurigsten.

Und mit der Wange auf der feuchten Erde des Cavendish-Anwesens weinte ich still vor mich hin. Weil ich begriffen hatte, dass ich Rorys Lächeln nie wiedersehen würde … und weil ich sein letztes Lächeln nicht hatte genießen können.

Ich komme gerade von meinem Morgenspaziergang zurück, als mir ein Wärter vor meiner Zelle den Weg versperrt. Das ist nie ein gutes Zeichen, aber ich kann mir nicht vorstellen, was noch Schlimmeres kommen könnte.

»McAllister, du hast Besuch.«

Ich bleibe stehen und verberge meine Überraschung. Selbst Kenny lauscht aus dem gemeinsamen Stockbett.

»Wer ist es?«

Vielleicht meine Mutter. Sie hat mich noch nicht angerufen, seit ich hier bin. Wahrscheinlich schämt sie sich zu Tode … oder sie ist erleichtert, dass sie nicht mehr so tun muss, als würde sie mich lieben. Nicht, dass sie bislang gute Arbeit geleistet hätte. Selbst die Kassiererin des Tabakladens, wo ich meine Zigaretten kaufe, zeigt mehr Wohlwollen.

»Dein Anwalt.«

Ich verkneife mir ein entnervtes Knurren. Ich weiß, dass er mir helfen soll, hier rauszukommen, aber er ist dumm wie Brot.

Ich frage mich, ob mein Vater ihn absichtlich ausgesucht hat, weil er wusste, dass der Kerl mir auf die Nerven gehen würde. Oder schlimmer: um sicherzugehen, dass ich den Prozess verlieren würde. Das wäre durchaus möglich, und sei es nur, um mich endlich loszuwerden.

»Muss ich da wirklich hin? Ich bin in zehn Minuten zum Tennis verabredet.«

»Sehr witzig«, spottet er und winkt mich vorwärts.

Ich zögere einige Sekunden, ehe ich ihm seufzend folge. Was habe ich schon zu verlieren? Höchstens eine Viertelstunde meines hektischen Lebens im Gefängnis.

Gemächlich gehe ich die Treppe hinunter und durchquere mit den Händen in den Taschen meiner Häftlingskleidung die Gänge. Einige Insassen beäugen mich neugierig, aber ich ignoriere sie. Keiner von ihnen macht mir Angst, obwohl ich weiß, dass sie es tun sollten. Denn sie sind viel gefährlicher, als ich es je sein werde.

Irgendwie ist das ein tröstlicher Gedanke, denn einer von ihnen könnte derjenige sein, der dieser Qual ein Ende setzt.

»Wurdest du verprügelt?«, fragt der Wärter und zeigt auf mein Gesicht.

»Ja, wieso nicht? Ich mag es, wenn man mir Aufmerksamkeit schenkt.« Ohne zu lächeln, zwinkere ich ihm zu, aber er schaut mich nur kalt und distanziert an.

Man durchsucht mich, ehe ich den Besuchsraum betreten darf. Mein Anwalt, Mr Morrison, wartet bereits.

»Was ist denn mit Ihnen passiert?«, erkundigt er sich hastig, als er meine Verletzungen sieht.

Ich setze mich entspannt ihm gegenüber. »Es verletzt mein Ego, es zuzugeben, denn ich bin weiß Gott nicht daran gewöhnt … aber ich fürchte, ich bin hier nicht sehr beliebt.«

Angesichts meiner Arroganz hebt er die Augenbrauen, fragt aber nicht weiter. Stattdessen öffnet er eine Kladde und zieht einen weißen Umschlag heraus. Ich erstarre, als ich Rorys sorgfältige runde Handschrift erkenne.

Auf dem Umschlag steht mein Name – von ihm geschrieben.

Ich würde gern fragen, was das ist, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Morrison schiebt mir den Umschlag schweigend zu. Ich wage nicht, ihn zu nehmen. Der Anwalt soll nicht sehen, wie meine Finger zittern.

»Rory Cavendish hat vor seinem Tod mehrere Briefe an Menschen hinterlassen, die ihm nahestanden. Hier ist Ihrer.«

Ich starre das Ding an, ohne mit der Wimper zu zucken. Als wäre der Brief eine tickende Zeitbombe. Zwar bin ich neugierig, wie seine letzten Worte an mich lauten, habe aber auch große Angst vor einer Enttäuschung. Wie ich ihn kenne, hat er sowieso nur Unsinn geschrieben.

Morrison muss einige Zeit auf meine Reaktion warten, bis ich endlich zu ihm aufschaue. Mag ja sein, dass er auf meiner Seite ist, aber ich lasse mir vor ihm nie etwas anmerken.

Er ist inkompetent. Ich hasse Menschen, die ihre Arbeit nicht richtig machen, und verliere sofort jeden Respekt vor ihnen. Schon gar nicht traue ich erwachsenen Männern mit ausgefallenen Krawatten über den Weg; rosa Flamingos, echt jetzt?

»Die Testamentseröffnung fand gestern statt. Ich habe das Schriftstück bei mir, denn Sie kommen darin vor.«

Ich stelle mir die Szene beim Notar vor, mit seinen Eltern, seinem Bruder, Gideon und Skye … Keiner von ihnen hat mich bisher besucht oder angerufen. Ich weiß, was sie denken.

Alastair würde mich bestimmt am liebsten mit bloßen Händen erwürgen. Gideon würde angesichts meines derzeitigen Rufs lieber sterben, als dass sein Name mit mir in Verbindung gebracht würde. Skye hingegen hält mich wahrscheinlich für unschuldig, aber ihr verletzter Stolz, gemischt mit ihrer krankhaften Eifersucht, hindert sie daran, mir zu helfen.

Ich bin keinem böse. Nicht einmal Rory, der mich in diese Situation gebracht hat. Es ist eben mein Karma.

»Sie können von Glück reden«, fährt mein Anwalt fort.

»Das Testament könnte einen Vorteil für Ihre Verteidigung darstellen.«

Ich frage ihn, warum, obwohl es mich nicht interessiert.

»Er hat Ihnen eine Menge vermacht: sein Auto, sein Boot … und sein gesamtes Privatvermögen.«

Ich fluche und lache gleichzeitig. Rory, du Mistkerl. Wollte er, dass alle mich hassen? Und wie genau sollte mir das helfen? Man wird erst recht glauben, dass ich ihn umgebracht habe, und sei es nur, um das Erbe zu kassieren.

»Ich nehme es nicht an.«

»Wie bitte?«

»Ich lehne das Erbe ab. Ich habe doch das Recht dazu, oder?«

Morrison blinzelt verblüfft. Er hat nicht mit einer Ablehnung gerechnet, und ich verstehe ihn sogar. Aber nichts davon reizt mich.

»Ja, natürlich, aber …«

»Lesen Sie mir das Testament vor«, sage ich und beuge mich über den Tisch. »Bringen wir es hinter uns.«

Den Brief werde ich später in meiner Zelle lesen, ohne dass jemand zusieht. Ich will keine Zeugen für meine Schwäche, wenn ich Rorys Worte zum allerletzten Mal in mich aufnehme, geschweige denn, wenn ich sie wieder und wieder lese, bevor ich das Papier unter meinem Kopfkissen verstecke.

»Wenn ihr das hier lest, hat es einer von euch geschafft, mich zu töten. Herzlichen Glückwunsch«, beginnt Morrison, nachdem er sich verlegen geräuspert hat.

Überrumpelt sitze ich kerzengerade da. Ich öffne den Mund, um mich gegen die Anschuldigung zu verteidigen, werde aber unterbrochen.

»Ich gehe glücklich, weil ich weiß, dass ich ebenso geliebt wie beneidet wurde – wie alle großen Männer. Lou, wenn du es warst, bin ich echt sauer.«

Ich brauche meine gesamte Kraft, um nicht vor Morrison in Tränen auszubrechen. Ich stütze einen Ellenbogen auf den Tisch und verberge mein Gesicht mit geschlossenen Augen hinter meiner zitternden Hand.

Scheiße.

Wenn mich das Gefängnis nicht umbringt, dann tun es diese paar Worte. Es ist, als wüsste er alles, als wäre er mir drei Schritte voraus. Ich bin so erschüttert, dass ich dem Rest nicht mehr richtig zuhöre.

»Und last but not least, Camelia: Ich weiß, dass du schon immer eine von uns sein wolltest, und jetzt ist es so weit. Willkommen im Spiel, Sherlock.«

Dieser letzte Satz weckt mich schlagartig auf. Ich reiße die Augen auf und schlage mit der flachen Hand auf den Tisch. Morrison zuckt zusammen. »Können Sie das wiederholen?«

Neugierig gehorcht mein Anwalt.

Ich habe nicht geträumt. Rory hat sie tatsächlich in seinem Testament erwähnt.

Camelia O’Brien … Eine Erinnerung, die zum Phantom wurde. Überreste einer verdorbenen Jugend. Wie ein Poltergeist hat sie immer wieder meine von Bedauern geprägten Träume heimgesucht.

Ich habe mich bemüht, ihr auf den Fluren der Universität aus dem Weg zu gehen, doch meine Augen schienen jede ihrer Bewegungen wie Magnete verfolgt zu haben. Immer steckte ihre Nase tief in einem Buch, ihr Blick abgewandt und ihr Gang eilig.

Mein erster Gedanke ist: Wie geht es ihr? Mein zweiter: Wie konnte Rory es wagen?

»Camelia O’Brien?«

Morrison wühlt in seinen Unterlagen, überprüft einige Zeilen genauer und nickt.

»Genau. Dreiundzwanzig Jahre alt, studiert Strafrecht und Kriminalwissenschaften und arbeitet Teilzeit in einer Anwaltskanzlei in Edinburgh. Ich sehe, dass ihre Mentorin versucht hat, Ihre Verteidigung zu übernehmen, aber …«

Er hält inne, als er meinem Blick begegnet. Was auch immer er darin sieht, es reicht, um ihn zum Schweigen zu bringen.

Ich weiß nicht, was in Rorys Kopf vorging oder warum er die Frechheit besaß, eines seiner Opfer in seinem Testament zu benennen, aber das ist mir egal.

Es ist, als hielte Gott mir einen Rettungsring hin, um mich hier rauszuholen, oder um mich im Gegenteil noch tiefer hineinzustoßen. »Sie hat darum gebeten, mich als Anwältin zu vertreten?«, wiederhole ich leise, um sicherzugehen, dass ich richtig verstanden habe.

Mein Herz bläht sich auf wie ein Luftballon, aber ich bringe die törichte Hoffnung darin zum Schweigen.

»Sieht ganz danach aus. Aber sie hat keine Erfahrung, und …«

»Sie sind gefeuert.« Er öffnet den Mund, aber ich beruhige ihn mit honigsüßer Stimme: »Tut mir leid. Es liegt nicht an Ihnen, sondern an mir.«

Morrison antwortet nicht. Wie alle Leute, die abserviert werden, weiß er genau, dass es nur eine Ausrede ist, um ihn nicht zu verletzen. »Sind Sie sich ganz sicher?«

Es ist rücksichtslos, eine Verzweiflungstat und bestimmt die dümmste Idee, die ich je im Leben hatte. Aber ich weiß auch, dass es wahrscheinlich genau das ist, was Rory sich gewünscht hat. Denn er tat nie etwas ohne Grund.

Er hatte immer etwas im Sinn: einen Plan, eine Idee, einen Rachefeldzug. Ich weiß noch nicht, ob er Camelia einbezogen hat, um mich zu bestrafen oder um mir zu verzeihen, aber ich habe vor, das Beste daraus zu machen.

Sie wird meine Erlösung sein … oder meine Vollstreckerin.

»Ja. Ich will Camelia O’Brien. Und niemand anderen.«

3

Camelia

September 2022

Ich habe seit fünf Tagen nicht mehr richtig geschlafen. Die Neugier frisst mich langsam auf.

Lou hat ihn ermordet.

Ich muss zugeben, diese Nachricht hat mir ein verblüfftes Lächeln entlockt. Ich habe Lou McAllister nie gemocht. Er gehörte zu diesem verabscheuungswürdigen Elitegrüppchen, zu dieser Clique reicher, andere verachtender Kinder, die ich über mein Buch hinweg mit ebenso viel Abscheu wie verstörender Faszination ausspioniert habe.

Er war einer der ruhigsten. Ich hätte ihn mit meinen Vorurteilen verschonen können, aber die Aufmerksamkeit, die Rory ihm widmete, machte ihn gefährlich. Ich vertraute niemandem, der von diesem Kerl geliebt wurde.

Lügnerin, flüstert mir meine innere Stimme zu. Es könnte tatsächlich möglich sein, dass ich eine Sekunde lang … an einer Ecke des Flurs … dass ich einmal dachte, wir wären auf derselben Wellenlänge. Es war ein Irrtum, denn vom nächsten Tag an machte Rory mich eher zu seinem Opfer als zu seiner Rivalin. Sein Bruder und seine Freunde taten nichts, um ihn davon abzuhalten. Ganz im Gegenteil. Es machte ihnen Spaß; sie waren wie an Heuchelei erstickte Hofnarren am Königshof.

Lou nahm nie daran teil, daher war es unmöglich, ihn zu beschuldigen. Aber die anderen vergaßen nie, mich daran zu erinnern, wer der Anstifter war.

Mit Lou fing alles an. Er rempelte mich auf den Fluren an, er sorgte dafür, dass ich an keiner Party teilnahm, und er streute ein Gerücht nach dem anderen über mich. Es war seine Schuld, dass ich in der Schule nie Freunde finden konnte, dass nie ein Junge auf mich zukam … dass ich mich jeden Mittag versteckte, um allein zu essen.

Ich kam also zu dem Schluss, dass Lou McAllister trotz seiner anziehenden Schönheit und seines verschmitzten Lächelns ein Feigling und ein Tyrann war. Zwangsläufig musste ich lachen, als ich von seinem Schicksal erfuhr.

Du bist also in ein tiefes Loch gefallen? Perfekt. Dann weißt du ja jetzt, wie sich das anfühlt.

In gewisser Weise ist das ein tröstlicher Gedanke. Als ob das Leben ihm und Rory etwas heimgezahlt hätte.

Was könnte ihn so weit gebracht haben?

Hunderte von Fragen schwirren in meinem Kopf herum, während ich die nächsten Tage damit verbringe, über ihn zu recherchieren. Ich lese alle Artikel über ihn – JungesMusiktalentwirddurchmakabreTatzuFallgebracht – und sehe mir alle Videos an, die seit seiner Verhaftung aufgenommen wurden.

Wie geht er mit all dem um, er, der doch nie Schwierigkeiten hatte? Ist er auch in dieser Situation noch so lässig? Leidet er?

Ich hoffe es.

Wie reagiert er darauf, dass alle ihm den Rücken kehren?

Die gleichen Leute, die mich in der Schule schikaniert haben, haben ihn angebetet, das stimmt, aber es ist so einfach, einen Kämpfer zu erledigen, der bereits am Boden liegt. Ich könnte wetten, dass sie in der Presse und in ihrem Umfeld über ihn reden …

Sie sind erbärmlich.

»Ich wünsche mir, dass wir ihn vertreten«, sage ich zu Charlotte, meiner Vorgesetzten und Mentorin. »Ich assistiere dir.«

Ich erlaube mir, sie darum zu bitten, weil Charlotte mich betreut und ich noch nicht viel Erfahrung habe.

Ich wünsche mir, dass er mir ausgeliefert ist. Es wäre unglaublich befriedigend, Lou McAllister einmal ohne seine arrogante Haltung zu erleben.

»Er hat bereits einen Anwalt, Camelia.«

»Egal. Ich brauche nur ein privates Gespräch mit ihm, um ihn zu überzeugen«, beharre ich entschlossen.

Es muss klappen. Ich will es mit eigenen Augen sehen.

»Na gut«, seufzt sie. »Ich stelle den Antrag.«

Ich trage mein neues goldbraunes Kostüm, drücke die Ordner zu seinem Fall an mein Herz und lächle.

»Glaub mir, er wird zustimmen.«

Schon am nächsten Tag übergibt uns Lous Anwalt die Verteidigung.

»Für einen Rookie hast du ein unglaubliches Glück«, stellt Charlotte fest. »Der Fall ist überall in den Medien und wird ein gutes Sprungbrett für deine Karriere sein.«

Sie hat recht, aber das ist mir egal.