A Reason to Wait - Cassidy Cane - E-Book

A Reason to Wait E-Book

Cassidy Cane

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Hat ihre Liebe eine Chance?

Donovan führt ein glückliches Leben: Er ist der jüngste Oberarzt im Krankenhaus von Deepwater. Und auch privat scheint alles perfekt, hat er doch in seiner Nachbarin, Anwältin Courtney, die Liebe seines Lebens gefunden. Aber plötzlich gerät Donovans rosarote Welt ins Wanken, denn Courtney beginnt, sich von ihm zu distanzieren. Als sie dann auch noch unangekündigt ihre Sachen packt und Hals über Kopf in ihre Heimat verschwindet, klingeln bei Donovan alle Alarmglocken. Er reist ihr nach, um sie nicht zu verlieren - doch er ahnt nicht, dass weitaus mehr als seine Beziehung auf dem Spiel steht ...

Der zweite Band der emotionalen Reihe von Cassidy Cane. Entdecke die bewegende Geschichte von Donovan und lass dich von ihr mitreißen!

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.




Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 387

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Prolog – Adrenalinjunkie

Nervosität

Unschuldige Träume

Die reinste Belastungsprobe

Miss Dino-man

Flurgeflüster

Die Devoire-Methode

6B

Ein so was von verdammt starker Kaffee

Pausenknopf und Zitronenrisotto

Kurzschlussreaktion

Zwei große Träume

Nudeln mit Ketchup

Erregung öffentlichen Ärgernisses

Das teuerste Abo der Welt

Soziopath und Seelenverwandte

Der Plan

Meine Medizin

Acht Anrufe

Die Büchse der Pandora

Die fehlende Liebeserklärung

Überraschung!

Club der hängenden Schwänze

Er oder ich

Tango Wango Mango Crush

Die Definition von Liebe

Vegas, Baby

Wirklichkeitsflucht

Ein weiterer Verlierer

Der perfekte Liebhaber

Ungültig

Wie früher

Kompromisslos echt

Der falsche Finger

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.

Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.

Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an: be-heartbeat.de/newsletter

Viel Freude beim Lesen und Verlieben!

Dein beHEARTBEAT-Team

Melde dich hier für unseren Newsletter an:

Über dieses Buch

Donovan führt ein glückliches Leben: Er ist der jüngste Oberarzt im Krankenhaus von Deepwater. Und auch privat scheint alles perfekt, hat er doch in seiner Nachbarin, Anwältin Courtney, die Liebe seines Lebens gefunden. Aber plötzlich gerät Donovans rosarote Welt ins Wanken, denn Courtney beginnt, sich von ihm zu distanzieren. Als sie dann auch noch unangekündigt ihre Sachen packt und Hals über Kopf in ihre Heimat verschwindet, klingeln bei Donovan alle Alarmglocken. Er reist ihr nach, um sie nicht zu verlieren – doch er ahnt nicht, dass weitaus mehr als seine Beziehung auf dem Spiel steht …

Widmung

Donovan und Courtney gäbe es nicht ohne Dean und Morgan. Dean und Morgan gäbe es ohne viele von euch nicht. Doch die Person, die mich dazu gebracht hat, ihre Geschichte zu erzählen, ist Jenni gewesen. Deswegen widme ich dir ihre Reise. Look at us. Who would have thought?

Oh. Und meiner Mama widme ich das Buch auch, denn sie ist die ultimative Löwenmutter.

Prolog – Adrenalinjunkie

Donovan

Blut pumpt durch meine Adern, und mein Puls rast in die Höhe.

Jeder einzelne Nerv in meinem Körper steht unter Strom, wenn ich in den Fight-or-Flight-Modus wechsele und dem Adrenalin-Rausch verfalle.

Ich lebe für diesen Kick.

Normalerweise.

Mein Blick wandert von einem Notausgang zum nächsten, noch ehe die Flugbegleiter mich auf diese hinweisen. Die Rettungsweste liegt unter meinem Sitz, und die Sauerstoffmaske fällt zehn Zentimeter schräg vor mir aus der dafür vorgesehenen Klappe, falls es zu einem Notfall kommen sollte.

Fakt ist, als Arzt zieht man Notfälle nahezu magisch an. Deshalb bete ich, dass die nächsten drei Stunden ereignislos vergehen werden.

»Flugangst?«

Erschrocken wende ich mich meiner Sitznachbarin links von mir zu. Eine ältere Frau mit Perlenkette lächelt mich mitfühlend an.

»So offensichtlich?«, erwidere ich nervös lachend, und sie neigt ihren Kopf nach unten zu meinen Händen, die unruhig auf den Sitzlehnen zu einem Takt tanzen, den nur ich hören kann. Zu einem ›Steig aus, solange du noch kannst‹.

»Tut mir leid«, füge ich hinzu, zwinge meine Hände auf meinen Schoß und verschränke die Finger miteinander. Hoffentlich sehe ich nicht zu sehr nach nervlichem Zusammenbruch aus.

»Junger Mann, Aviophobie muss Ihnen nicht leidtun. Ich habe Angst vor Haien.« Sie lacht, als wäre es eine vollkommen irrationale Angst.

»Na, so ein Glück, dass heute keiner mitfliegt.«

Die Dame lacht lauter.

»Wie heißen Sie?«

»Reed, Ma’am. Donovan Reed.«

»Donovan, ich mag Sie. Sie erinnern mich an meinen Sohn. Früher war ich immer fest davon überzeugt, dass er Comedian wird. Wissen Sie, was aus ihm geworden ist? Ein Anwalt.« Gedankenverloren reibt sie an ihrer Kette und lächelt verträumt. Schlagartig muss ich an Courtney denken.

Für sie sitzt du in diesem Flieger, Don. Du liebst diese Frau und wirst sie nicht verlieren!

Beim Gedanken an unser letztes Telefonat wird mein Mund trocken, und was auch immer die Dame sagt, mein Blut rauscht zu laut in meinen Ohren, als dass ich ihr weiterhin zuhören kann.

Da ich dennoch nicht unhöflich wirken möchte, zeige ich entschuldigend zu der Flugbegleiterin im Gang vor uns, die soeben ihre Demonstration beginnt.

Um nicht an meine Beziehung zu denken, versuche ich, akribisch aufzupassen. Doch das gelingt mir eher schlecht als recht. Mir ist der Sicherheitsablauf im Falle extremer Turbulenzen bekannt, daher gibt es für mich keinen fesselnden Lerneffekt, und der kleine Streber in mir erwacht gar nicht erst zum Leben. Schon wenige Minuten später erwische ich mich daher erneut dabei, wie ich unser verdammtes letztes Telefonat Wort für Wort durchgehe. Mit dem Anruf hätte sie mir das Herz brechen müssen. Stattdessen hat unser Streit mich wachgerüttelt. Mich realisieren lassen, dass ich Court endgültig verliere, wenn ich nicht um sie kämpfe.

Niedergeschlagen schließe ich die Augen. Wann ist aus uns so ein Paar geworden?

Eins, das nicht mehr miteinander redet? Dessen Telefonate nicht mehr mit einem Ich-liebe-dich enden, sondern mit quälender Stille, nach einem weiteren Ich-weiß-es-nicht?

Ein Piepen ertönt, und ich schlage die Augen auf. Zum gefühlt zehnten Mal stelle ich sicher, dass mein Gurt sitzt. Gerade noch rechtzeitig, denn nicht mal zwanzig Sekunden später geht es los.

Mein Rücken wird in den Sitz gedrückt, saurer Speichel bildet sich in meinem Mund, und das Herz rutscht mir in die Hose, als wir den Kontakt zum Boden verlieren.

Du schaffst das, Donovan. Jetzt kannst du eh nicht mehr aussteigen. Also beiß die Zähne zusammen!

Mit zusammengekniffenen Augen bemühe ich mich, die Tatsache zu ignorieren, dass mein Leben in den Händen einer Maschine liegt, dessen Problemstellen zum Teil – laut Beiträgen auf reddit – liebevoll mit Klebestreifen ausgebessert werden. Ignoriere, dass es mit jedem Meter, den wir an Höhe dazugewinnen, zu einem größeren Druckunterschied kommt und der Körper nicht dafür gedacht ist, ihn auszugleichen. Schon ab einer bestimmten –

Verärgert über mich selbst schüttele ich den Kopf und weigere mich, den Gedanken zu Ende zu bringen.

Shit, ich hätte mir die Posts nicht durchlesen sollen.

Es sind lange Minuten im Steigflug, und erst als das erlösende Piepen erneut erklingt, atme ich gefühlt das ganze Volumen meiner Lunge aus.

»Das Schlimmste haben Sie geschafft.«

Meine Sitznachbarin scheint die Zeit bis hierhin bereits genutzt zu haben. Statt wie ich am Rad zu drehen, strickt sie munter vor sich hin. Mit einem Mal komme ich mir unglaublich kindisch und klein vor.

»Ich mag einfach den Gedanken nicht, Maschinen das Schicksal zu überlassen«, erkläre ich daher und blicke verlegen auf die Dellen, die meine Finger in dem Kunstleder der Lehnen hinterlassen haben.

Die alte Frau mustert mich einen Moment und hält mir dann ermutigend nickend das Knäuel Wolle hin. »Halten Sie das bitte mal.«

Irritiert nehme ich die Wolle in meine Hände und beobachte, wie sie mit flinken Bewegungen ihrer Finger Schlaufen bindet. »Normalerweise bevorzuge ich Stricknadeln, aber der nette Herr bei der Sicherheitskontrolle hat sie mir abgenommen. Die werden noch was von mir zu hören bekommen«, murmelt sie, ohne von ihrem Handwerk hochzublicken.

Merkwürdigerweise lenkt mich ihre Strickerei davon ab, weiterhin zu intensiv über das Flugzeug, die unendliche Entfernung zum Boden und vor allem meine in Trümmern liegende Beziehung nachzudenken.

»Sie sind gut«, stelle ich fest und lockere meine Finger, damit sie ein Stück Wolle abnehmen kann.

»Wenn man so alt ist wie ich, dann hat man mit der Zeit das ein oder andere aufgeschnappt«, erwidert sie und hält mir ihre verwebten Finger hin. »Wollen Sie es ausprobieren?«

Erst öffne ich meinen Mund, um dankend abzulehnen. Aber warum eigentlich nicht? Deswegen schließe ich ihn stumm wieder und nicke. Würde Courtney mich sehen, sie würde ihren Augen nicht trauen.

Die Dame erklärt mir, mit welchem Finger ich durch welche Schlaufe muss, und bald darauf bewegen sich meine Hände wie von selbst.

Das tun sie immer, wenn man ihnen eine Beschäftigung gibt. Zu sehen, wie problemlos sie die Wolle miteinander verknüpfen, nimmt mir noch einen Deut mehr Anspannung.

Vielleicht sollte ich das Stricken in meinen Alltag einbauen? Offensichtlich scheint es mich mehr zu relaxen als die dämlichen kleinen Sandsäcke, die mein Kumpel Mike mir aus Venice Beach mitgebracht hat und mit denen ich im Büro jongliere, wenn ich runterkommen muss.

»Sie sind ein schneller Lerner«, meint die Frau und beobachtet meine Bewegungen mit Adleraugen, bereit, jederzeit einzugreifen, falls ich einen Fehler mache. Etwas an ihrer Art erinnert mich an meinen Mentor während meiner Zeit als Assistenzarzt. Zur Freude meines Egos mache ich keinen Fehler, und irgendwann halte ich nicht mehr nur Fäden in den Händen, sondern ein … Tausendstel von einem gelben Schal … oder so etwas Ähnliches.

»Was soll daraus mal werden?«, frage ich in die Arbeit vertieft. Als ich keine Antwort erhalte, blicke ich hoch.

Hätte ich Stricknadeln, dann wären sie mir in diesem Moment aus den Händen gefallen. Die ältere Dame fasst sich an die Brust und atmet schwer ein und aus, als würde ihr die Luft abgeschnürt. Auf ihrer Stirn bildet sich in Rekordgeschwindigkeit ein Schweißfilm. Dann rollen ihre Augen nach hinten, und sie sackt in ihrem Sitz bewusstlos zusammen.

»Fuck!«, fluche ich lautstark, woraufhin ein Flugbegleiter aufmerksam wird und herbeieilt.

»Sir, ist alles –« Er sieht an mir vorbei zu meiner Sitznachbarin, und sämtliche Farbe weicht aus seinem Gesicht. »Was ist passiert?«, flüstert er panisch. »Brauchen wir einen Arzt? Wir brauchen definitiv einen Arzt! Ich – ich verständige den Captain!«

Blitzschnell entledige ich mich der Wolle und schnalle mich ab. Mit meinen Fingern taste ich am Hals der Dame nach einem Puls, doch ich spüre nichts, woraufhin ich ruckartig aufspringe und den Flugbegleiter, der mir bereits den Rücken zugedreht hat, am Arm packe und daran hindere, ins Cockpit zu stolpern.

»Herzstillstand«, sage ich und blicke ihm, wie sonst meinem Team, ernst ins Gesicht.

»Sir –«

»Ich brauche Platz, Ruhe und einen Defibrillator!«

»Sir! Es wäre ratsamer, einen Arzt dazuzuholen! Auf unserer Liste steht bestimmt –«

»Ich bin Arzt!«, erwidere ich ungeduldig. Das Adrenalin schwemmt regelrecht meinen Körper.

Ich bin Arzt und für die Medizin geboren. Hierfür schlägt mein Herz, und ich werde gottverdammt nicht zulassen, dass das der alten Frau es soeben das letzte Mal getan hat.

Nervosität

Donovan

Ein Jahr zuvor

Eine ganze Operation lang habe ich es geschafft, Sonnyboy Mike aus dem Weg zu gehen. Zwei Stunden musste ich mich auf nichts anderes konzentrieren als auf einen rostigen, alten Zaunpfahl, der im Oberschenkel meines Patienten steckte.

Doch Michael Walker findet einen immer, und deswegen ist es keine Überraschung, als er mit einem breiten Grinsen vor der Schwingtür des Operationssaals auf mich wartet.

»Und?«, hakt er neugierig nach und adaptiert mühelos mein Tempo, als ich an ihm vorbeilaufe und den Aufzug ansteuere.

»Zwei Tage zur Überwachung, und ich denke, dass der Kerl in nächster Zeit darauf achtet, worauf er fällt, wenn er aus dem Fenster springt«, antworte ich und drücke mehrmals hintereinander den Knopf, um den Fahrstuhl zu rufen.

»Davon wird er nicht schneller kommen«, meint Mike und deutet auf meinen ungeduldigen Finger. »Außerdem hab ich nicht nach deinem Patienten gefragt, sondern nach deinem Date! Wie ist es gelaufen?«

Ich hole tief Luft. »Warum habe ich dir noch mal davon erzählt?«

Mike grinst dreckig. »Weil du mich seit unserem ersten gemeinsamen Tag hier an deinem Sexleben teilhaben lässt.«

»Unfreiwillig«, entgegne ich und mustere meinen Freund und Kollegen.

Ob ich mich in den letzten fünf Jahren verändert habe? Mike scheint mit seinen langen goldblonden Locken, den Grübchen in den Wangen, wann immer er einen dreckigen Witz erzählt, und den Muschelketten am Hals immer noch genauso zu ticken wie früher.

Ich möchte glauben, dass ich nicht in der Zeit stehen geblieben bin, allerdings habe ich ehrlich gesagt keine Ahnung, wo die Jahre hin sind. Zeit folgt im Sherman General Hospital anderen Regeln. In einem Raum steht sie still, im nächsten rennt sie einem davon.

Im Gegensatz zu Mike ist der Fokus meiner Interessen mit den Jahren weitergezogen. Feierabende im Beckys, dem Pub auf dem Campus, oder durchtanzte Nächte in irgendeinem Club in der Innenstadt stehen mittlerweile nicht mehr auf dem Plan. Jetzt verbringe ich meine freie Zeit lieber auf dem Anwohner-Forum unseres Apartment-Komplexes und beteilige mich an Diskussionen über Ruhestörung und versperrte Feuerwehreinfahrten und begebe mich mit den anderen auf die Suche nach vermissten Paketen.

Scheiße, ich werde alt.

»Kumpel? Signal an Don! Hörst du mich?«

Ich schiebe meine Hände in den Kittel, ertaste die aufgesparte Hälfte meines Powerriegels, den meine beste Freundin Morgan mir heute vor der Schicht zugesteckt hat, und drehe mich zu Mike. Dieser sieht mich aus seinen steingrauen Augen abwartend an.

Er ist in Ordnung. Ohne ihn wären mir die Ausbildungsjahre zum Facharzt deutlich schwerer gefallen, weshalb ich mir einen Ruck gebe und mir vornehme, ihn mit Informationen zu füttern. Schließlich ist es nicht seine Schuld, dass ich aus seinem Lebensstil rausgewachsen bin. Zwar hätte ich nicht gedacht, dass es so passieren würde, doch seit ich der Vollkommenheit, die Courtney Devoire heißt, begegnet bin, interessiert mich alles andere herzlich wenig.

Gut, ich bin ihr nicht persönlich begegnet, aber wann immer wir uns im Forum miteinander austauschen, verblasst die Welt um mich herum. Es klingt verdammt kitschig, doch wie sonst soll ich mir erklären, dass ich gegen einen Laternenmast gelaufen bin, als ihr Name vor wenigen Tagen das erste Mal auf meinem Handybildschirm aufgepoppt war?

Bei der Erinnerung an den dumpfen Schmerz drücke ich auf meine Stirn, um sicherzustellen, dass ich weiterhin keine Beule von dem Vorfall davongetragen habe.

»Kumpel, heute noch?«, drängt Mike und schlägt mir gegen den Oberarm. »Komm schon! Lass mich mental an deinem Erfolg teilhaben, damit ich mich wenigstens noch an einer Sache ergötzen kann.«

Ich ziehe meine Brille von der Nase, falte sie in aller Ruhe zusammen und schiebe sie vorsichtig in die Innentasche meines Kittels. Im Grunde sind meine Augen nicht so schlecht, dass ich eine Brille bräuchte, da ich allerdings finde, dass sie mir etwas Seriöses verleiht, trage ich sie ab und an.

Sobald der Aufzug kommt, steige ich in die Kabine. Mike folgt mir. Erst als die Türen zugehen und mein Kollege vor Neugier beinahe umkommt, grinse ich ihn an. Nicht, weil das Date so gut lief – es lief nämlich überhaupt nicht –, sondern weil ich immer in diese spitzbübische Stimmung komme, wenn ich an Courtney denke.

»Was denn jetzt? Komm, spuck schon aus!« Mike balanciert auf seinen Fußballen auf und ab wie ein ungeduldiges Kind. Um ehrlich zu sein, hoffe ich sogar, dass ich reifer rüberkomme als er.

Wir haben gemeinsam viel erlebt und geschafft und sind mit harter Arbeit zu echt guten Ärzten geworden. Er brilliert in der Kardiologie, ich als Unfallchirurg in der Notfallmedizin. Schon ironisch, dass ich mich für den Bereich entschieden habe, bei dem fast jeder neue Fall einen Kick auslöst, und Mikes Expertise hauptsächlich ein geschicktes Händchen und stählerne Nerven voraussetzt.

»Das Treffen hat nicht stattgefunden«, erkläre ich ihm sachlich, woraufhin er enttäuscht die Schultern sinken lässt.

»Warum nicht? Sag mir nicht, dass du kalte Füße bekommen hast!«

Ehe ich antworte, zücke ich den Powerriegel in meiner Tasche und beiße hinein. »Nicht direkt. Ich –«

»Don.« Mike unterbricht mich unzufrieden.

»Ich bin halt ziemlich beschäftigt, okay? Das hier«, ich zeige auf den Riegel, »ist noch mein Mittagessen. Und wir haben Abend, wohlgemerkt.«

»Don«, wiederholt er und hält seine Hand auf. »Gib mir dein Handy.«

»Nein.«

»Donovan Theodore Reed«, mahnt er. Jegliche quirlige Art, die ihm den Spitznamen Sonnyboy Mike verschafft hat, ist aus seinem Gesicht gewichen.

Mein Blick fällt auf die roten Nummern über der Aufzugtür, und ich stöhne, weil wir noch eine ganze Weile von Etage zu Etage fahren und es für mich keinen Ausweg aus diesem Gespräch gibt.

»Es ist zu deinem eigenen Besten, Kumpel. Tu es für deinen Schwanz.«

Ich schließe die Augen. Wenn es nur um den ginge, dann hätte ich nicht jedes einzelne Szenario in meinem Kopf durchgespielt, wie das Treffen mit ihr hätte schieflaufen können. Mir wäre nicht der Gedanke gekommen, dass ich mit einer vermasselten Verabredung die virtuelle Unterhaltung von uns ebenso beenden könnte, und ich hätte nicht in letzter Minute kalte Füße bekommen und die Verabredung abgeblasen.

Nein, seit ich wegen Courtney gegen den Laternenmast gelaufen bin, geht es um etwas anderes.

»Ich werde dir nicht mein Handy geben«, wiederhole ich, doch Mike ignoriert meine Antwort und zappelt unnachgiebig mit den Fingern.

Einerseits möchte ich es.

Wir haben, nachdem ich ihr erzählt hab, dass ich sie wegen einer länger dauernden Operation versetzen müsse, kein Wort mehr miteinander gewechselt. Wahrscheinlich habe ich es mir mit ihr bereits verdorben. Sie ist sicher nicht die Frau, die die Offensive ergreift, nachdem man sie sitzen gelassen hat. Gleichzeitig finde ich nicht den Mut, sie um ein neues Treffen zu bitten, weil ich ein Schisser par excellence bin. Etwas Hilfestellung von Mike wäre daher nicht verkehrt.

»Meinetwegen kann ich die ganze restliche Nacht warten«, sagt dieser süffisant.

»Hast du nichts Besseres zu tun, Amor?«

Er schüttelt den Kopf. »Lucy redet nicht mit mir. Warum denkst du, möchte ich mich an deinem Sexleben ergötzen? Ein Mann braucht Erfolge, Donovan.«

»Was hast du jetzt schon wieder getan?«, möchte ich wissen und rolle mit den Augen.

»Verrate ich dir, wenn du mir dein Handy gibst.« Er grinst, als wäre ich der neugierigste Mann auf der Welt, doch da liegt er falsch.

Vermutlich bin ich eher der erbärmlichste Mann auf der Welt, denn ich fische schwer seufzend mein Handy aus der Hosentasche und drücke es ihm in die Hand.

Ganz offensichtlich bin ich außerdem wohl der feigste Mann auf der Welt, denn ich will, dass er das mit Courtney für mich wieder hinbiegt.

»Na endlich«, stöhnt Mike, und dann fliegen seine Finger bereits über mein Display.

»Also?«, frage ich, um mich davon abzulenken, dass er gerade meine ganze eventuelle Zukunft mit Courtney in den Händen hält.

»Wie klingt Kino?«, schlägt er vor, aber ich schüttele den Kopf.

»Da könnte ich sie die ganze Zeit anschweigen.«

Mike tippt nachdenklich mit dem Handy gegen seine Stirn. »Okay! Dann ein gemeinsamer Abend beim Mexikaner.«

Schweigend sehe ich dabei zu, wie die Nachricht, die er eintippt, immer länger wird.

»Was war jetzt mit Lucy?«, hake ich erneut nach.

»Lucy«, mein Freund seufzt, »ist der Meinung, dass ich Natali angebaggert habe. Fertig. Hier, gesendet.« Ohne mir den abgeschickten Text durchzulesen, schiebe ich das Telefon schnell in meine Tasche.

»Und? Hast du?«

Er fährt sich durch die Haare. »Du weißt ja, ich suche nicht nach einer Beziehung. Ich will nur etwas Spaß haben, also ja, ich hab Natali angemacht.«

Fassungslos schüttele ich den Kopf. »Und dann wunderst du dich, wieso Lucy nicht mehr mit dir spricht? Sind die beiden nicht so etwas wie beste Freundinnen?«

»Deshalb ja, Don! Die beiden verstehen sich blendend! Kannst du dir vorstellen, wie heiß eine Nacht mit beiden wäre?«

»Du bist furchtbar. Einen Dreier hat man nicht mit zwei besten Freundinnen.«

»Erklär das mal meinem Schwanz.«

Angewidert von der Vorstellung verziehe ich das Gesicht. »Nein, danke.«

»Außerdem, sollte ich mir wirklich von dir Ratschläge holen? Du schaffst es ja nicht einmal, eine Frau ins Bett zu kriegen.«

Mein Mund öffnet sich, um ihm zu widersprechen, denn ich habe keinerlei Probleme damit – normalerweise –, als es in meinem Kittel vibriert und mich das gehörig aus der Bahn wirft.

Hat sie geantwortet?

»Nichts zu sagen?«, neckt Mike, und ich bemühe mich, unserer Unterhaltung weiterhin zu folgen.

»Mach, was du willst. Aber wunder dich nicht, wenn bald die halbe Belegschaft nicht mehr mit dir redet.«

Mike setzt wieder zum Sprechen an, als der Aufzug aufgeht. Obwohl ich meine Etage längst nicht erreicht habe, steige ich aus, denn ich halte es nicht mehr aus, die eingetrudelte Nachricht wegen Mikes Anwesenheit weiter zu ignorieren.

»Hier muss ich raus«, lüge ich und deute ziemlich offensichtlich auf die offene Tür.

»Sie hat geantwortet, oder?«

Ich bin froh, ihm nichts vormachen zu müssen, denn in der psychiatrischen Abteilung habe ich für gewöhnlich nichts zu suchen. Mike besitzt mehr als genug Grips, um das zu wissen.

»Glaub ja.«

»Alles klar, Casanova.« Er klopft mir zum Abschied auf die Schulter, und dann schlängele ich mich an den Menschen vorbei, die bereits dazusteigen. »Ach, und Don? Versau es nicht wieder. Du brauchst Sex«, ruft mein verdammter Freund mir noch hinterher. Schockiert drehe ich mich zu ihm um, bemerke die neugierigen Blicke der anderen und wende ihnen peinlich berührt den Rücken zu.

Erst nachdem ich mich mit großen Schritten vom Fahrstuhl entferne, eine wenig besuchte Ecke der Station erreiche und im Kopf bis zehn gezählt habe, kühlt sich mein vor Scham brennendes Gesicht ab.

Trotzdem kostet es mich weitere zehn Sekunden, bis ich mir den letzten Ruck gebe und mein Handy raushole.

Entweder sie hat Ja gesagt oder eben nicht. Und das wäre kein Weltuntergang, Don.

Feige, wie ich bin, kneife ich die Augen zusammen. Ja, meine Welt würde davon nicht untergehen, aber besonders schön wäre mein Leben bei einem Nein nicht mehr.

Ich drehe das Telefon nervös ein paarmal in meiner Hand, dann atme ich tief durch und tippe hastig auf den Bildschirm, damit er aufleuchtet, ehe mich der Mut wieder verlässt.

Durch meine halb geschlossenen Augen erblicke ich ein einziges Wort, doch es reicht, damit sämtliche Last von meinen Schultern fällt und sich das breiteste Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitet.

Game on, Donovan.

Unschuldige Träume

Courtney

Meine frisch manikürten Fingernägel klicken gegen das Holz der Tischplatte, während ich ungeduldig darauf warte, dass der Lade-Kreis auf dem Bildschirm vor mir verschwindet.

Was ich alles schaffen könnte, wenn das hier etwas schneller vonstattengehen würde.

Nein. Denk gar nicht erst daran. Dieser Anruf ist wichtig.

Der Stapel an Akten, zu denen mein Blick schweift, ist ebenfalls wichtig. Mit einer Hand fahre ich über das Plastik der Ordner, als der Lade-Zirkel endlich verschwindet und das kindlich runde Gesicht meiner Schwester Michelle auf dem Display auftaucht.

Hastig ziehe ich meine Hand zurück, denn ich hatte ihr versprochen, mich heute vollkommen auf sie zu konzentrieren.

»Hey, Maus«, begrüße ich meine fünfjährige Schwester. Bei ihrem Kichern entspannt sich direkt mein ganzer Körper.

Das hier ist keine Arbeit, sondern Familie.

Und so schiebe ich sämtliche Ringe von meinen Fingern, lege sie neben dem Laptop ab und mache es mir im Schneidersitz auf meinem Drehstuhl gemütlich.

»Hi, Courtney!«, flötet Michelle und zieht das Tablet an ihr Gesicht. Es nimmt den ganzen Bildschirm ein, bis die Kamera zu ihrem Grinsen schwenkt und ich auf eine Zahnlücke schaue.

»Wow!«, sage ich lachend. »Wann ist das denn passiert?«

»Heute Morgen! Felix hat Zahnseide genommen und einen Knoten um meinen Zahn und einen um die Türklinke seines Zimmers gewickelt, und dann hat er ganz schnell die Tür zugeknallt, und mein Zahn war raus! Hat auch fast nicht wehgetan«, erzählt sie stolz, während ich im Kopf ein Memo verfasse, meinem jüngeren Bruder eine Standpauke zu halten. Früher, als man es nicht besser wusste, war diese Methode okay. Heutzutage gibt es Studien, die beweisen, dass man auf diese Art Schaden im Mund anrichten kann.

»Okay, Michelle, gratuliere! Äh, meinst du, du kannst jetzt die Kamera wieder weiter weghalten, damit ich dein hübsches Gesicht sehen kann? Die Zahnlücke habe ich jetzt ausführlich begutachten dürfen.«

Michelle entfernt sich augenblicklich und lässt sich dann mit dem Tablet auf den Boden plumpsen, sodass ihre blonden Löckchen kurz fliegen lernen.

»Ist das Court?«, höre ich meinen Bruder im Hintergrund fragen.

»Hey, Felix, stoß doch dazu«, biete ich laut an, damit er mich hört, aber ich bekomme nur noch gedämpft mit, wie er sich von meiner Schwester verabschiedet und sie für den Abend zum Boss ernennt.

Mental verfasse ich eine weitere Notiz. Man sagt keiner Fünfjährigen, dass sie die Verantwortung hat.

»Wo sind Mom und Frank?«, frage ich, nachdem eine Tür ins Schloss fällt und mein siebzehnjähriger Bruder sich offenbar wichtigen Pubertäts-Sachen zuwendet.

Michelle zögert, dann zuckt sie mit den Schultern.

Mit einem tiefen Seufzer greife ich zu meiner Tasse, von der aus mich Chris Hemsworth anstrahlt, und nehme einen Schluck von meinem Matcha-Tee.

»Also?«

»Sie sind arbeiten«, sagt sie.

»Mom hat wieder einen Job?« Überrascht darüber, dass sie das Leben als Hausfrau anscheinend satthat, lehne ich mich zurück, bis mir klar wird, was das bedeutet.

»Michelle, wer passt auf dich auf?«

»Bob und Wrinky.«

Ungläubig blinzele ich. »Bob und Wrinky?«

Sie hält zwei Teddybären in die Kamera.

Ich weiß, wer Bob und Wrinky sind, denn das waren mal meine Plüschtiere gewesen. »Du bist völlig allein zu Hause?«

»Neihein. Bob und –«

Ich halte mahnend meinen Zeigefinger in die Höhe, und Michelle verstummt augenblicklich. Gleichzeitig schnappe ich mir mein Telefon, und so unangenehm es mir ist, wähle ich die Telefonnummer von Susi, der Nachbarin, die schon auf mich aufgepasst hat.

Michelle plustert geduldig ihre Wangen auf und starrt durch ihr Zimmer, während ich Susi erfolgreich dazu überrede, für die Nacht auf sie aufzupassen.

»Paris hat gesagt, dass heute die Zahnfee kommt.«

Paris ist die Coolste im Kindergarten. Zumindest, wenn man Michelle glauben möchte. Sie ist alles, was meine Schwester gerade wünscht zu sein.

»Die Zahnfee?«, wiederhole ich und reibe mir müde die Schläfen.

»Kennst du sie nicht? Paris sagt, wenn man einen Zahn verliert und ihn vor dem Schlafen unter das Kopfkissen legt und einschläft, dann kommt sie und tauscht den Zahn gegen einen Dollar!«

Natürlich kenne ich den Brauch, aber ihre vermeintliche Existenz passt mir gerade überhaupt nicht in den Kram. Susi auch noch darum zu bitten, diese Rolle zu übernehmen, das ist einfach zu viel verlangt.

Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Warum haben ausgerechnet heute beide gleichzeitig beschlossen, dass sie besonders schlechte Eltern sein wollen?

Wir drei sind in eine beschissene Familiensituation hineingeboren worden. Im Gegensatz zu Felix und Michelle konnte ich sie jedoch mittlerweile mit einem blauen Auge hinter mir lassen. Wenn mein Bruder seinen Highschool-Abschluss hat, wird er auch nicht mehr viel länger bleiben. Mein Herz bricht bereits bei dem Gedanken, dass Michelle bald völlig allein sein wird. Zwar hat sie von uns dreien den besten Draht zu Mom und mit Frank einen Vater in ihrem Leben – etwas, das Felix und mir verwehrt worden ist –, doch ich bin mir nicht sicher, ob es so toll ist zu wissen, dass dieser seine Arbeit jederzeit vorzieht.

Mein Bruder und ich sind Unfälle gewesen – Väter unbekannt. Michelle hingegen war Moms Versuch, Frank an sich zu binden. Teilweise ist ihr Plan aufgegangen. Er kümmert sich finanziell um sie und meine kleine Schwester. Wahrscheinlich rechtfertigt er damit, dass er kaum vor Ort ist.

»Bist du müde?«, höre ich Michelle fragen und öffne wieder die Augen.

»Ja, es war ein langer Tag. Hör mal, ich wünschte, wir könnten länger quatschen, aber ich muss noch etwas mit Felix besprechen. Bevor ich auflege, tust du mir noch einen Gefallen?«

»Oh-kay.«

»Die Zahnfee kommt nur, wenn du tief und fest schläfst, also wenn du den Dollar haben möchtest, dann bleib nicht wach, um sie zu sehen, okay?«

Sie nickt übertrieben doll.

»Wunderbar. Ich bin sehr stolz auf dich, Michelle. Susi müsste jeden Moment da sein, um den Abend mit dir zu verbringen. Wenn Mom wieder da ist, kannst du ihr ausrichten, dass sie mich anrufen soll?«

Zwar bezweifle ich, dass sie in diesem Leben noch mal meine Nummer wählen wird, aber Wunder gibt es immer wieder.

»Mach ich!«

»Danke. Hab dich lieb, Maus.«

»Ich dich auch.«

»Legst du zuerst auf?«, wehmütig lächele ich, und wieder nickt sie. Dann ist der Bildschirm schwarz, und ich blicke meinem eigenen Spiegelbild entgegen.

Erschöpft fahre ich mir über das Gesicht, klopfe auf meine Wangen und nehme den nächsten Punkt auf meiner imaginären Liste in Angriff. Einer, der frisch auf die Spitze geklettert ist.

Ein weiteres Mal greife ich zu meinem Handy. Für einen Moment betrachte ich die Leere in meinem Postfach und verdränge den Gedanken, erneut und endgültig von Donovan Reed versetzt worden zu sein, damit ich mich vollends auf meinen geliebten kleinen Bruder konzentrieren kann, dessen Nummer ich nun wähle.

»Court«, begrüßt Felix mich. Im Hintergrund höre ich weitere jugendliche Stimmen, die lachen, grölen und kichern und zu scheppernder Musik mitsingen.

»Störe ich?«, frage ich zuckersüß.

»Irgendwie schon, ja.«

»Dann mache ich es kurz. Du kannst deine Schwester nicht unbeaufsichtigt zu Hause lassen, Felix.«

»Michelle kommt zurecht.«

»Sie ist fünf!«

»Und ich bin fast achtzehn, Courtney! Ich hab auch ein Leben!«

Ehe ich antworte, beiße ich mir auf die Lippe und gebe mir eine Sekunde, um sachlich zu bleiben. Es ist nicht fair von mir, von Felix zu erwarten, den Babysitter für unsere Schwester zu spielen. Trotzdem muss er verstehen, dass es nicht okay ist, seine kleine Schwester sich selbst zu überlassen.

»Du hättest wenigstens Susi Bescheid geben müssen.«

»Und hier bin ich und denke mir, ich bin ein vom Himmel gesandter Engel, weil ich eine alte Frau, die vor kurzem die Treppe heruntergefallen ist, nicht darum bitte, auf ein kleines Monster aufzupassen.«

Mir fällt beinahe das Telefon aus der Hand.

»Susi ist gestürzt?«

»Ja, hat wohl eine Stufe übersehen. Nichts Weltbewegendes.«

Susi ist über siebzig. Ein Sturz in diesem Alter ist weltbewegend. »Felix, kannst du nach Hause und auf Michelle aufpassen? Ich muss Susi –«

»Court«, unterbricht mich Felix, und ich kann mir genau vorstellen, wie er sich gerade durch seine dunkelblonde Matte fährt und vor seiner Clique eine genervte Grimasse zieht. »Wenn Susi zugesagt hat, dann wird sie schon kein Problem damit haben. Ich werde nicht nach Hause gehen.«

»Felix –«

»Nein. Wenn du unbedingt einen Babysitter für Michelle brauchst, dann hättest du nicht abhauen dürfen!«

Das verschlägt mir die Sprache, und das schlechte Gewissen, das ich mit mir herumschleppe, seit ich Clark County, einen trostlosen Bezirk in Las Vegas, verlassen habe, macht sich schwer in meiner Brust bemerkbar.

»Tut mir leid«, erwidere ich schließlich erstickt und versuche zu verdrängen, wieso ich gegangen bin. Wieso ich gehen musste.

»Mir auch, Court.«

Ehe ich noch etwas sagen kann, beendet er das Telefonat, und ich starre ein weiteres Mal erschöpft und verzweifelt auf mein Spiegelbild im Display meines Laptops.

Ich vermisse meine Geschwister und bereue jeden Tag von Neuem, sie vor vier Monaten verlassen zu haben.

In Deepwater bin ich bisher nicht angekommen. Meine Aufträge kommen schleppend ins Rollen, und auch sonst habe ich Schwierigkeiten, überhaupt Anschluss zu finden.

Gestern hatte ich noch die Hoffnung gehabt, wenigstens in dem Aspekt etwas ändern zu können – bis Donovan Reed in letzter Minute abgesagt hat.

Er ist mir schon in meiner ersten Woche in diesem Apartment-Komplex ins Auge gefallen, und in meiner Einsamkeit habe ich ihn vor kurzem im Anwohner-Forum angeschrieben und gefragt, wann hier immer die Post kommt.

Beim Gedanken daran lache ich peinlich berührt auf. Eine dämlichere Frage hätte mir nicht einfallen können. Außerdem hätte ich auch einen der anderen Nachbarn fragen können, aber die sind im Vergleich zu Donovan Reed in meinem Kopf Gespenster und leere Gesichter.

Er hingegen … sein Lachen hat sich mir eingebrannt. Es ist dieses herzliche, charmante Lachen, in das auch Felix reinwachsen könnte, würde er darauf scheißen, sich cool geben zu wollen. Ein Lachen, mit dem ihm die Welt zu Füßen liegen würde.

Neugierig hatte ich mich über das Treppengeländer gelehnt, um den Mann mit dem wunderschönen Lachen zu sehen, und Don erblickt.

Das hat gereicht, um mehr über ihn wissen zu wollen. Tagelang ist er mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Als aus unschuldiger Tagträumerei allerdings nicht mehr ganz so unschuldige Träume in der Nacht wurden, habe ich es nicht mehr ausgehalten. Deswegen habe ich mich letztlich zum Deppen gemacht und den Kontakt gesucht.

Anscheinend bin ich auch der Depp geblieben, denn nachdem Donovan mir pflichtbewusst und in der besten Grammatik die Uhrzeiten für jeden einzelnen Tag durchgegeben hat, haben wir uns in einer Unterhaltung verloren, die bislang mein einziges Highlight in Deepwater geblieben ist.

Mit jedem weiteren Tag ist das Verlangen, ihn kennenzulernen, gewachsen, und so kam es, dass ich ihn eines Nachts, nach einem großen Glas Chardonnay, gefragt habe, ob er Lust hätte, mir die Stadt zu zeigen.

Sieben Stunden und sechsundvierzig Minuten lang kam nichts. Innerlich hatte ich mich schon vor Scham vom Dach des Gebäudes gestürzt, doch dann trudelte seine Antwort ein.

Sie bestand aus einem einzigen Wort.

Endlich.

Aber seit unser Treffen gestern wegen einer Operation, die länger gedauert hat, geplatzt ist, haben wir nicht mehr miteinander geschrieben. Etwas, das ich zutiefst bedauere – auch wenn er mich in letzter Minute versetzt hat und ich schon ausgehbereit gewesen bin.

Mein Blick fällt auf das Chris-Hemsworth-Grinsen meiner Tasse, und ich beschließe, genug in Selbstmitleid gebadet zu haben.

Ich habe den ersten und zweiten Schritt getan. Wenn er nicht mehr antwortet, dann bin ich nicht der Grund, wieso diese Knospe der Freundschaft eingegangen ist.

Ich raffe mich auf, leere meinen Tee und reibe mir die Hände, ehe ich meinen Notizblock mit meiner To-do-Liste in die Hand nehme, ihre Punkte betrachte und mich unmotiviert zurück auf den Schreibtischstuhl fallen lasse. Es stehen noch einige Dinge an, die ich abhaken sollte, bevor sich der Tag dem Ende zuneigt.

Nichts von den selbst auferlegten Aufgaben ist spannend, muss jedoch gemacht werden.

Die restlichen Dokumente für den Ehevertrag der Goodwins prüfen.

Wäsche sortieren und in die Trommel werfen.

Einkaufen.

Zur Belohnung wieder im Selbstmitleid suhlen.

Wie klug ich doch gewesen bin, mir dafür extra Zeit einzuräumen. Wahrscheinlich sollte ich Donovan vergessen ebenfalls auf die Liste setzen. Die Vorstellung, ihn näher kennenzulernen, ist zwar toll gewesen, aber wenn ich ehrlich zu mir bin, ist es zu schön gewesen, um wahr zu sein. Er spielt in einer völlig anderen Liga, und Menschen wie er … die gehören nicht in ein Leben wie meins.

Doch selbst beim Sortieren meiner Kleidung und dem Inspizieren von Obst und Gemüse im Supermarkt denke ich an ihn und ärgere mich den ganzen Heimweg noch darüber, wie enttäuscht ich tatsächlich bin, dass er das Treffen abgeblasen hat.

Früher hätte ich mir meine Laune nicht von einem Mann versauen lassen.

Ich lasse die Orangen in der Küche in eine Obstschale rollen und lache verbittert auf.

Ja, früher hatte ich ganz andere Probleme.

Um nicht wieder an mein Leben in Nevada zu denken, nehme ich mir eine Orange und schnappe mir ein Messer. Dank eines Internetvideos schaffe ich es, das Obst ohne große Sauerei von seiner Schale zu befreien und in mundgerechte Stücke zu schneiden. Ich bin gerade dabei, die letzten weißen Fäden abzuziehen, als mein Handy auf der Tischplatte einige Sekunden laut vibriert.

Zuerst lecke ich mir die Finger, entschließe mich dann doch dazu, sie unter fließendem Wasser abzuwaschen, und trockene jeden einzelnen penibel mit einem frischen Küchentuch ab, wohl wissend, dass ich damit Zeit schinden möchte.

Je länger ich nicht auf mein Telefon sehe, umso länger kann ich mir vormachen, dass es eventuell Donovan ist, der geschrieben hat. Wenn es aber bloß eine lächerliche Newsletter-Benachrichtigung von Ikea oder Target ist, dann …

Seit wann bin ich eigentlich so feige und überdenke alles, anstatt direkt nachzusehen?

Auch darauf weiß ich die Antwort: Seit ich mir das erste Mal seit langem erlaubt habe zu träumen. Mir Szenarien ausgemalt habe, in denen es endlich mal um mich geht. Ein erfolgreiches Leben mit genug Aufträgen, um auf Dauer über die Runden zu kommen, und einen Partner an meiner Seite, der jede schlechte Erinnerung durch doppelt so schöne ersetzt.

Frustriert knibbele ich an dem weinroten Lack auf meinem Daumennagel, bis er anfängt abzublättern.

Daran ist einzig und allein Donovan Reed schuld.

Hätte ich ihn nicht lachen hören, hätte ich keinen Grund gehabt, mir so ein Leben vorzustellen.

Doch ich habe ihn gehört, und es hat die Spielregeln verändert.

Los, sei keine feige Henne, Courtney. Schau nach!

Seufzend gebe ich meiner inneren Stimme nach und nehme das Handy vom Tisch.

Mein Herz sackt bis ins Erdgeschoss herunter, so verdammt erleichtert bin ich, als ich wirklich seinen Namen auf dem Bildschirm erspähe. Es macht mit jedem seiner Worte einen kleinen Luftsprung. Lächelnd sauge ich seine Entschuldigung auf, dann lese ich die Nachricht ein zweites Mal, weil es in keinem Abschnitt danach klingt, als hätte er mich absichtlich versetzt. All meine Zweifel verpuffen, und ich atme erleichtert durch, weil das, was Donovan und ich haben könnten, noch nicht vorbei zu sein scheint.

Mir kommt nicht einmal in den Sinn, eingeschnappt zu sein und die Karte der unnahbaren Frau zu zücken, so glücklich bin ich über seine Nachricht. Deswegen ziehe ich direkt die Tastatur hoch und antworte mit einem einzigen Wort, welches irgendwie zu unserem geworden ist: Endlich.

Die reinste Belastungsprobe

Donovan

Lange habe ich darüber nachgedacht, wie ich das abgesagte Treffen wiedergutmachen könnte. Als sie jedoch das Restaurant betreten und sich nach mir umgesehen hat, und dann mit dem schönsten Lächeln, das ich je gesehen habe, auf mich zugesteuert ist, war mein Kopf auf einmal wie leergefegt.

Ich war schon erleichtert, dass ich meinen eigenen Namen nicht vergessen habe, als wir uns einander offiziell vorgestellt haben.

Selbst jetzt, zwei Stunden später, bin ich erstaunt darüber, dass sie immer noch mit mir am Tisch sitzt, Oliven von ihrem Cocktail und meinem Drink nascht und das mexikanische Restaurant mit dem herrlichen Klang ihres Lachens erfüllt, wann immer ich es schaffe, etwas zu erzählen, das sie amüsiert.

Faszinierend daran ist, dass ich mir gar nicht krampfhaft Sachen ausdenken muss, um sie zu bespaßen, sondern unsere reale Unterhaltung genauso entspannt abläuft wie die virtuellen. Nur, dass das hier viel, viel besser ist.

Wow, ich kann meinen Blick überhaupt nicht von Courtney abwenden. Sie ist eine Wucht, und meinen Kollegen würden die Augen aus dem Kopf fallen, würde sie bei uns im Krankenhaus auftauchen.

Nicht nur, weil sie in ihrem Outfit verboten heiß aussieht, sondern weil sie alles ausstrahlt, was wir uns insgeheim von einer Frau wünschen.

Selbstbewusstsein, Witz, Charisma.

Sie ist die Art Frau, bei der jeder verstummt, sobald sie den Raum betritt. Die Art, bei der wir uns überschlagen würden, um ihr jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, um ihr zu imponieren – ganz egal, wie banal der auch sein mag. Würde sie mich jetzt auf der Stelle darum bitten, eine Patenschaft für einen Schimpansen zu übernehmen, ich würde sofort zum nächsten Zoo aufbrechen.

»Oh, ich sehe unseren Nachtisch!« Courtney deutet zu dem Kellner, der eine kleine Auflaufform mit zwei Wunderkerzen in unsere Richtung trägt. Normalerweise würde ich mich wegen dieser Extra-Portion Aufmerksamkeit vor Scham verkriechen, aber heute befürworte ich Besonderheiten – wie das Flan der Liebe –, die der Welt zeigen, dass Courtney mit mir unterwegs ist.

Die Funken der Wunderkerzen spiegeln sich in ihren dunkelbraunen Augen, als die Bedienung das Dessert zwischen uns abstellt. Wie schon so oft an diesem Abend bleibt mir die Luft weg, und das Essen rückt ein weiteres Mal in den Hintergrund.

Sie ist so verdammt schön.

Seit der ersten Minute hält sie mich und meinen Körper auf Trab. Ihre Nägel sind blutrot lackiert und in vollem Einklang zu ihrem bordeauxroten Einteiler – wegen dem habe ich noch vor dem ersten Gang einen Tequila Shot heruntergekippt, um wieder klarzukommen.

Der Ausschnitt ist sehr tief, es würde mich nicht wundern, wenn wenige Zentimeter tiefer schon ihr Bauchnabel zu sehen wäre. Aber alles sitzt da, wo es zu sitzen hat. Courtney wäre sicher der Traum jedes Modedesigners, denn sie trägt das Outfit mit Grazie und Selbstbewusstsein und lässt es damit an ihr unbezahlbar aussehen. Ob sie diese Eleganz auch ausstrahlt, wenn sie nichts trägt? In meinem Kopf entsteht ein Bild von ihr ohne den Einteiler. Ohne das Restaurant und ohne den Tisch zwischen uns. Für einen winzigen Moment sind das Einzige, was ihren Körper bedeckt, meine Hände, unter denen sie sich räkelt, und ich habe meine Antwort.

»Alles okay?«

Courtneys Stimme reißt mich aus meinem Tagtraum. Verlegen fahre ich mir durch die Haare und murmele eine Entschuldigung. Dabei versuche ich zu ignorieren, dass es in meiner Hose enger geworden ist. Ich rutsche in meinem Stuhl herum und rücke die Serviette auf meinem Schoß zurecht. Mit einem Mal befürchte ich nämlich, dass Courtney, wie Clark Kent, den Scanblick beherrscht und durch den Tisch hindurchsehen könnte, dass ich auf sie reagiere. In der Hoffnung, dass das Blut schleunigst wieder in die andere Richtung fließt, tauche ich meinen Löffel in den Nachtisch und lasse mir den süßlich cremigen Geschmack genussvoll auf der Zunge zergehen.

»Kompliment an den Chef?«, fragt Courtney lachend, woraufhin ich bejahend nicke und mit dem leeren Löffel in der Luft wedele.

»Oh, ja! Himmlisch!«, bestätigt sie, sobald auch sie den Nachtisch probiert.

Danach löffeln wir still und zufrieden das Dessert.

Vorhin bin ich von dem Anblick ihres Einteilers überrumpelt worden und habe mich aus … Höflichkeitsgründen – haha – nicht getraut, einen längeren Blick auf Court zu werfen. Das hole ich nun, da sie damit beschäftigt ist, mir die dunkleren Stücke der karamellisierten Kruste unterzujubeln, nach.

Sie ist zierlich gebaut und würde von der Größe perfekt in meine Arme passen. Die Umarmung zur Begrüßung war allerdings zu flüchtig, um das genau zu wissen. Das müsste ich also noch mal testen.

Bei dem schokobraunen, asymmetrisch geschnittenen Bob und ihren markanten Gesichtszügen könnte man glatt denken, sie sei frisch einem französischen Modemagazin entstiegen. Im Grunde ist sie gar nicht mein Typ, aber ich schätze, dass sich das nach diesem Abend ohnehin erledigt hat, denn ich kann mir nicht mehr vorstellen, nur für eine Sekunde an eine andere Frau zu denken, wenn stattdessen sie in meinem Kopf herumgeistern könnte.

Courtney hat mich umgehauen, so simpel ist das. Bei ihr stimmt alles, Aussehen, Auftreten … und dann teilt sie auch noch die gleichen Interessen! Mir wird mehr und mehr bewusst, dass sie die perfekte Partie für mich sein könnte. Umso nervöser werde ich allerdings, wenn ich daran denke, dass sich unser Date mit großen Schritten dem Ende neigt.

»Was ist? Hab ich was im Gesicht?« Peinlich berührt wischt Courtney sich über ihre Wange, sobald sie bemerkt, dass mein Blick auf ihr ruht. »Bitte sag mir nicht, dass ich Tomatensauce von eben im Gesicht habe.«

»Lass mich mal schauen«, murmele ich, zu hingerissen von ihrer Verlegenheit, um mich selbst ertappt zu fühlen. Ich schiebe den Flan zur Seite und beuge mich zu ihr vor. Natürlich ist da nichts, aber ihre Frage dient mir idealerweise als Grundlage, um ihr näher zu kommen, als es der runde Tisch zulässt. Morgan würde bei dieser dreisten Masche die Augen verdrehen. Courtney hingegen scheint ihr überraschenderweise nicht abgeneigt zu sein. Sie lehnt sich nämlich ebenfalls vor, bietet mir regelrecht ihr Gesicht an und schließt ihre Augen.

Als ich es behutsam umfasse, flattern ihre Lider, und mein Atem stockt.

Keine einzige Frau hat in mir je so intensive Reaktionen ausgelöst – vor allem nicht in dieser rasenden Geschwindigkeit.

Courtneys Haut ist weich und warm, und ich zwinge mich, tief durchzuatmen, was ein Fehler ist, denn der Duft von ihrem teuren Parfüm steigt mir in die Nase. Mit einem Mal übernimmt mein Körper. Mein Daumen fährt flüchtig und sanft über ihre Wange und ertastet ihren Wangenknochen. Dabei entgeht mir nicht, wie sich ihre Lippen einen winzigen Spalt öffnen.

Das nehme ich als stumme Aufforderung weiterzumachen, und so gleitet mein Finger unter ihrem Auge entlang, langsam und zart, als würde ich ihr eine Wimper von der Haut wischen – nur, dass dort keine klebt.

»Was würdest du dir bei einer Wimper wünschen?«, frage ich und stelle fest, dass meine Stimme rau und tief geworden ist.

»Hm.« Ihr Mund verzieht sich zu einem nachdenklichen Schmollmund, und sie öffnet sündhaft sinnlich ihre Augen. Sie sieht mich lange und aufmerksam an, und mit jeder weiteren Sekunde, die vergeht, wächst der Drang, mich weiter vorzubeugen, sie an mich zu ziehen und zu küssen.

Ob ihr Kuss genauso sündhaft, genauso sinnlich ist wie sie?

Das herauszufinden wäre mein Wimpern-Wunsch.

Gemächlich und hoffentlich lässig hebe ich eine Braue, um ihr zu verdeutlichen, dass ich eine Antwort erwarte – und zwar schon bald. Ich kann nämlich nicht dafür garantieren, später als Gentleman durch den Ausgang zu marschieren, wenn sie mich weiter so ansieht.

»Ich würde mir wünschen, dass der Abend noch nicht vorbei wäre«, flüstert sie schließlich und senkt für einen Moment ihren Blick.

Sie hat ihn auf meine Lippen gelenkt. Gut möglich, dass ich mir das auch nur einbilde, weil ich es möchte.

Ich möchte, dass sie sich nach meinem Kuss sehnt. Oder, dass ich zumindest einen halb so starken Eindruck bei ihr hinterlassen habe wie sie bei mir. Es ist immerhin ein gutes Zeichen, dass sie sich mehr Zeit mit mir wünscht, richtig? Daher spiele ich mit.

»Dann schließ die Augen und wünsch es dir«, murmele ich, woraufhin sie gluckst.

Musik für meine Ohren, die reinste Belastungsprobe für meinen Schwanz.

»Dieser Wunsch wird nicht mehr in Erfüllung gehen, weil ich ihn dir verraten habe.«

Erneut streife ich mit meinem Daumen über ihre Wange. Es ist die einzige Stelle, die mir angemessen erscheint, denn in Wirklichkeit möchte ich sie am liebsten überall berühren.

Diesmal bin ich es, der sie lange wortlos ansieht, dabei fliegen in meinem Kopf allerlei Wörter und Sätze herum.

Du könntest dir etwas anderes wünschen.

Wünsch dir einen Kuss.

Doch ich sage nichts, was auch nur annähernd so charmant klingt, sondern nehme mit Entsetzen wahr, wie sich mein Mund selbstständig macht und die wohl unpassendsten Worte formt, die er hätte formen können.

»Komm mit mir nach Hause.«

Miss Dino-man

Courtney

Ist es möglich, dass das Universum endlich mal in meinem Team spielt?

Schon als ich zum La Cocina Mexicana aufgebrochen bin, nein, sogar bereits als ich mein Outfit zusammengestellt habe, war mir vor Nervosität so schlecht gewesen, dass ich gedacht habe, mich jeden Moment übergeben zu müssen.

Das ist eine ziemlich extreme Reaktion auf ein anstehendes Date. So kenne ich mich nicht. Ja, okay, die Dates, die ich früher gehabt habe, fanden auch nicht in schicken Restaurants statt, wo der Nachtisch mit Wunderkerzen dekoriert ist, sondern auf dem Strip in einem Nachtclub oder auf einer Gartenbank in einem Trailerpark.

Mir ist bis heute ein Rätsel, warum ich zugesagt habe. Wahrscheinlich wollte ich weg von zu Hause. Alles war besser, als dort zu versauern und dabei zuzusehen, wie Mom ihr Leben – und damit auch unseres – gegen die Wand fährt und uns dafür die Schuld gibt.

Hätte ich allerdings geahnt, dass ich Jahre später ein richtiges Rendezvous mit einem wundervollen Mann haben würde, hätte ich meine Abende anderweitig verbracht und mir sämtliches Drama erspart.