A single kiss - Ivy Andrews - E-Book
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A single kiss E-Book

Ivy Andrews

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Beschreibung

Ein einziger Kuss kann dein Leben für immer verändern …

Seit Ella denken kann, dreht sich alles um »French Chic«, das Mode-Unternehmen ihrer Familie. Während ihr Bruder Henri die Geschäftsleitung übernehmen wird, soll Ella eines Tages die Designabteilung der Firma leiten, etwas anderes stand nie zur Debatte. Dabei ist Mode in Wahrheit gar nicht Ellas Ding, das wird ihr während des Auslandsjahrs in Plymouth nur allzu bewusst. Viel lieber würde sie mit einer Kamera bewaffnet durch die ungezähmte Landschaft Cornwalls streifen oder sich in einer Dunkelkammer verschanzen. Doch dann läuft ihr Callum vor die Linse. Callum, der tätowierte Bad Boy, der ihr Herz in Aufruhr versetzt, der sie ermuntert, ihren Träumen zu folgen – der aber so ganz anders ist, als der Mann, den ihre Eltern an der Seite ihrer Tochter sehen …

Die L.O.V.E.-Reihe bei Blanvalet:
Band 1: A single night (Libby & Jasper) – Ausgezeichnet mit dem LovelyBooks Leserpreis 2020!
Band 2: A single word (Oxy & Henri)
Band 3: A single touch (Val & Parker)
Band 4: A single kiss (Ella & Callum)
Bonuskapitel: A single day

Alle Bände können auch unabhängig voneinander gelesen werden.

Die Autorin schreibt auch unter den Pseudonymen Ava Innings und Violet Truelove.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 694

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Buch

Seit Ella denken kann, dreht sich alles um »French Chic«, das Mode-Unternehmen ihrer Familie. Während ihr Bruder Henri die Geschäftsleitung übernehmen wird, soll Ella eines Tages die Designabteilung der Firma leiten, etwas anderes stand nie zur Debatte. Dabei ist Mode in Wahrheit gar nicht Ellas Ding, das wird ihr während des Auslandsjahrs in Plymouth nur allzu bewusst. Viel lieber würde sie mit einer Kamera bewaffnet durch die ungezähmte Landschaft Cornwalls streifen oder sich in einer Dunkelkammer verschanzen. Doch dann läuft ihr Callum vor die Linse. Callum, der tätowierte Bad Boy, der ihr Herz in Aufruhr versetzt, der sie ermuntert, ihren Träumen zu folgen – der aber so ganz anders ist, als der Mann, den ihre Eltern an der Seite ihrer Tochter sehen …

Autorin

Ivy Andrews alias Viola Plötz, geboren 1979, machte sich nach ihrem Studium im Fach Kommunikationsdesign als Hochzeitsfotografin und Designerin selbstständig. Im Jahr 2014 beschloss sie schließlich, ihren Traum von einem eigenen Buch zu verwirklichen. Was darauf folgte, waren mehrere erfolgreiche Romane als Selfpublisherin und nun die »L.O.V.E.«-Reihe bei Blanvalet. Die Autorin lebt mit Mann und Kindern im Taunus – viel zu weit entfernt vom Meer, das sie so liebt. Doch sie kann sich nicht nur für das Wasser und Wellenreiten begeistern, sondern auch für Musik, Yoga und nicht zuletzt für prickelnde Geschichten.

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Ivy Andrews

Asingle KISS

ROMAN

L.O.V.E. Band 4

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2020 by Ivy Andrews

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Michael Gaeb

Redaktion: Ivana Marinović

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2020 by Blanvalet Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Umschlaggestaltung: © Sandra Taufer, München

Umschlagmotiv: Sandra Taufer unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (Alona Siniehina, HS_PHOTOGRAPHY)

DN · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-25308-0V002www.blanvalet.de

Für Jasmin »Zippi« Zipperling

Nachdem du am 15.06.2020 die Umsetzung des Ein-Dollar-Notenkleids, das ich in A Single Night beschrieben habe, gepostet hast, habe ich mich gefragt, wie ich mich dafür erkenntlich zeigen kann.

Ich weiß, du hast bloß gebastelt und Netflix geschaut (und das Treppenhaus eingesaut) … Mag sein, aber du hast keine Ahnung, wie unglaublich viel mir das bedeutet hat. Es war nicht nur toll zu sehen, wie dieses Kleid aussehen könnte, sondern es war das Gefühl, das du mir dadurch gegeben hast.

Ich habe mich wichtig und besonders dadurch gefühlt.

Es hat mich ganz tief berührt, liebe Jasmin. Und daher habe ich beschlossen, dir dieses Buch zu widmen, um dir zu zeigen, dass auch ich dich wahnsinnig schätze. Ich bin so glücklich und dankbar dafür, dass ich dich kennengelernt habe, denn du bist ein großartiger Mensch mit einem Herzen aus Gold. Danke für deine Freundschaft und deinen Support.

Deine Viola

»Zahme Vögel singen von Freiheit,wilde Vögel fliegen!«

John Lennon

#justaremindertomyself

Prolog Ella

August 2019 | Paris

Noch immer keine Nachricht von Étienne. Frustriert stecke ich das Handy zurück in die schwarze Clutch von Saint Laurent. Kurz juckt es mich in den Fingern, meinen Insta-Account zu checken, doch wozu? Der Sturm hat sich noch längst nicht gelegt. Im Gegenteil, jetzt, wo sich die Trennungsgerüchte um Félix und seine Sandrine mehren, wird alles nur noch schlimmer werden …

Das weißt du doch gar nicht, spreche ich mir im Stillen Mut zu, doch nachdem vergangene Woche in diversen Medien behauptet wurde, Félix und ich hätten eine Affäre, und jede Menge Menschen mir die Pest an den Hals gewünscht haben, fehlt mir die Kraft, positiv zu denken.

Wenn man mich fragen würde, ob ich mit Félix geschlafen habe, könnte ich es nicht einmal verneinen … Allerdings ist das schon Jahre her. Inzwischen sind wir bloß Freunde, und ich freue mich wahnsinnig für ihn und seine Frau, dass sie sich gefunden haben und nun ihr erstes Kind erwarten. Sie sind so ein süßes Paar, und an den blöden Trennungsgerüchten ist genauso wenig dran wie an unserer vermeintlichen Affäre.

Wie es aussieht, bin ich allerdings die Einzige, die sich nicht von den Lügen der Klatschpresse blenden lässt, denn selbst hier, auf dieser Vernissage in Saint-Germain, wo sich die Pariser High Society, die mit mediengemachten Skandalen und Gerüchten bestens vertraut ist, tummelt, kassiere ich abfällige Blicke und hämische Bemerkungen.

Sobald Étienne in der Galerie eintrifft, wird sich das vermutlich ändern, doch solange er durch Abwesenheit glänzt, ziehe ich das stille Örtchen der Gesellschaft der geifernden Hyänen vor.

Die einzig vernünftige Person, die heute Abend hier ist, ist Henri, was einiges über das Niveau der Anwesenden sagt. Okay, das war gemein, aber da er die Zeit lieber mit Isabeau, diesem hinterhältigen Miststück, verbringt, blieb mir nur die Flucht in die Abgeschiedenheit der Toilettenkabine.

Ich kann nicht fassen, dass er sich mit einer, die es offensichtlich bloß auf sein Geld abgesehen hat, einlässt. Sie muss eine verdammte foufoune aus Gold haben, anders kann ich mir wirklich nicht erklären, wie er ihre Gegenwart erträgt – ich zumindest halte es in ihrer keine fünf Minuten aus und schätze seine dann doch nicht genug, als dass ich ernsthaft in Erwägung ziehen würde, mich zu ihnen zu gesellen.

Isabeau ist meine Nemesis. Erzfeinde sind zwar eigentlich bloß Superhelden und Dr. Sheldon Cooper, dem schrägen Nerd aus der Serie The Big Bang Theory, vorbehalten, doch in diesem Fall bestehe ich darauf, denn meine Abscheu ihr gegenüber ist grenzenlos. In der Tat, es schüttelt mich, wenn ich daran denke, dass Henri mit Isa, wie sie genannt werden möchte, Sex hat. Hashtag totaleGeschmacksverirrung.

Seufzend werfe ich noch einmal einen Blick auf die roségoldene Rolex, die mir meine Eltern zu Beginn meines Modedesignstudiums an der École de la Chambre Syndicale de la Couture geschenkt haben.

»Damit du in Zukunft pünktlich bist«, sagte Papa.

Hätte er doch bloß Étienne mit so einem Schmuckstück bedacht.

Fast zweiundzwanzig Uhr! Étienne versprach, er würde sich beeilen, doch vermutlich kommt er wieder mal nicht aus dem Büro raus. Und das an einem Freitagabend. Bei jedem anderen Mann würde ich vermutlich eine Affäre wittern, doch so ist Étienne nicht. Niemals würde er mir etwas Derartiges antun. Zum einen, weil er ein netter Mensch ist, und zum anderen natürlich, weil er diese schmerzhafte Erfahrung selbst schon machen musste. Seine Beinahe-Verlobte hat ihn nach Strich und Faden verarscht.

Nein, sein einziger Makel, wenn man es denn so nennen will, ist sein Ehrgeiz, und nun, da die große Beförderung zum stellvertretenden Redaktionsleiter bei France 2 im Raum steht, auf die er seit Jahren hinarbeitet, muss er sich noch einmal profilieren.

Ich verstehe das, aber dennoch wünschte ich, er wäre hier. Es mag jämmerlich klingen, aber ich weiß, mit ihm an meiner Seite wären all die abschätzigen Blicke leichter zu ertragen. Ich würde mich bei ihm einhaken und könnte darauf vertrauen, dass er mir den Halt gibt, den ich im Augenblick verloren habe. Abgesehen davon würde seine Anwesenheit an sich den ganzen geschmacklosen Gerüchten entgegenwirken.

Auch wenn wir inzwischen bereits ein halbes Jahr zusammen sind, so habe ich jedes Mal, wenn ich an ihn denke, Schmetterlinge im Bauch … nun gut, wenn ich ehrlich bin, hat er diese schon vor einer halben Ewigkeit bei mir zum Flattern gebracht. Es hat bloß leider Jahre gedauert, bis auch er erkannte, was für ein grandioses Paar wir sind.

Mein Handy klingelt. Eilig zerre ich es aus der Clutch. Étienne. »Chérie«, sagt er, und ich weiß bereits, dass er mir gestehen wird, dass er es nicht mehr schafft, ehe er die Entschuldigung hervorgebracht hat – so gut kenne ich ihn nach all den Jahren. »Bist du immer noch auf der Vernissage?«

»Ja. Es ist sehr schön! Du solltest kommen und es dir ansehen«, erwidere ich, und es ist nicht einmal gelogen. Die Bilder von Basile sind wirklich unglaublich. Er ist ein begnadeter Fotograf, der es noch weit bringen wird. Man handelt ihn als einen modernen Henri Cartier-Bresson, was meiner Meinung nach allerdings doch etwas übertrieben ist, doch was weiß ich schon?

»Es tut mir so leid, aber …«

»Du kommst nicht mehr, richtig?«

»Ella, bitte sei nicht böse. Das hier ist wirklich wichtig.« Und ich? Bin ich denn gar nicht wichtig?, denke ich und verbiete mir diesen Gedanken im nächsten Atemzug. Ich will keine dieser Frauen sein. Étienne hat einen tollen Job bei einem der größten Fernsehsender Frankreichs, einen, der ihn erfüllt und in dem er aufgeht. »Du kannst dich doch auch sonst gut ohne mich amüsieren«, fügt er hinzu.

»Ja, natürlich kann ich das«, gebe ich ihm recht und versuche, nicht allzu niedergeschlagen zu klingen. »Aber ich amüsiere mich nun mal lieber mit dir.«

Dass dieser Abend, an dem ich mich fühle wie irgendein Einzeller unter dem Mikroskop, mit ihm so viel leichter zu ertragen wäre, verrate ich ihm nicht. Ich will ihm kein schlechtes Gewissen machen, und abgesehen davon sollte ich es ja nach all der Zeit gewöhnt sein, im Mittelpunkt des Tratschs zu stehen. Keine Ahnung, was mit mir los ist, normalerweise gelingt es mir auch wirklich ganz gut, das Gerede als Schwachsinn abzutun und nichts darauf zu geben, aber in letzter Zeit scheine ich immer dünnhäutiger zu werden.

»Okay, dann sehen wir uns also morgen bei meinen Eltern zum Essen?«, erkundige ich mich hoffnungsvoll.

»Ja, selbstverständlich«, versichert er mir.

»Wunderbar. Ich freue mich schon«, meine ich betont gut gelaunt, in dem Bemühen mir nicht anmerken zu lassen, wie geknickt ich eigentlich bin.

Im Hintergrund sind Stimmen zu hören. Jemand sagt seinen Namen und informiert ihn, dass es weitergeht.

»Ich muss wieder rein«, lässt er mich wissen.

»Étienne«, sage ich noch, ehe er auflegen kann. »Je t’aime.«

»Je t’aime aussi«, versichert er mir, und dann ist er weg.

Seufzend lasse ich das Handy zurück in die Clutch gleiten und brauche dann einen Moment, um den Mut zu finden, mich hinaus in die Höhle des Löwen zu wagen.

Dezente Jazzmusik, Gesprächsfetzen und Gelächter erfüllen den Vorraum, als die Tür zu den Toiletten sich öffnet.

»Und was sie heute wieder anhat!«, sagt eine der Frauen, die mich in meinem selbstgewählten Exil stört. »Dieser Ausschnitt! Aber immerhin kann bei ihr nichts rausfallen, denn wo nichts ist …«

Allgemeines Gelächter folgt.

»Ja, sie sollte echt mal was machen lassen«, pflichtet ihr eine andere bei.

»Blöd nur, dass es gegen Stillosigkeit keine OP gibt. Echt, so ein Kleid würde ich nie anziehen. Der Designer gehört verklagt. Wenn ich wegen dem Augenkrebs bekomme, dann …«

»Ist es nicht von On Fleek?«

»Ist doch auch egal!« Die dritte Stimme, die sich nun einmischt, gehört unverkennbar Isabeau. »Ich verstehe nicht, warum die Medien sie als die französische Paris Hilton bezeichnen.«

Ich presse die Lippen aufeinander, denn nun ist schlagartig klar, über wen die drei Frauen sprechen. Es geht um mich. Denn ich, Emmanuelle Chevallier, bin die französische Paris Hilton: It-Girl, Partyluder, Millionenerbin und nun auch noch die heimliche Affäre von Félix Lacroix. Mein Kleid allerdings ist von French Chic, und der Designer war eine Designerin, nämlich meine Mutter. Stillosigkeit wäre somit vererbbar, allerdings mache ich mir deshalb wenig Sorgen: Die drei Grazien im Vorraum würden Stil nicht mal erkennen, wenn er sie anspringen würde.

»Sicherlich wegen Paris«, spekuliert eine der anderen, vermutlich Chloé. Sie schnallt nicht, dass Isabeau diesen zweifelhaften Titel selbst gerne innehätte. »Denn Ähnlichkeit mit Paris Hilton hat sie ja nicht wirklich. Was denn? Die würde doch nie so einen langweiligen Long Bob tragen, und brünett ist sie doch auch nicht. Nein, es muss wegen Paris sein«, plappert sie arglos weiter.

»Oder es gibt auch ein Sextape von ihr!«, giggelt die Dritte im Bunde, bei der es sich bloß um Monique, Étiennes betrügerische Ex, handeln kann. Wunderbar! Dann wäre das infernalische Trio ja komplett.

»Zuzutrauen wäre es ihr!« Isabeau wieder.

»Vielleicht sogar mit unserem sexy Félix. Quelle salope!« Monique klingt, als hätte sie großes Interesse daran, sich das Tape in diesem Fall anzusehen.

»Glaubt ihr wirklich, dass an den Gerüchten was dran ist?«

»Oh, bitte, Chloé, Emmanuelle Chevallier ist wie der Louvre. Da war auch jeder schon mal drin!«

Und eine derartige Bemerkung kommt ausgerechnet von Isabeau? Witzig!

Um nicht aufzufliegen, unterdrücke ich das freudlose Lachen, das sich den Weg in meiner Kehle hinaufbahnt – das hier ist schließlich eine einmalige Chance. Wann hat man schon mal Gelegenheit hautnah mitzukriegen, was die verhasste Erzfeindin so denkt und sagt?

»Aber sie und Étienne wirken immer so glücklich!«

»Oh, bitte!«, schnaubt Monique empört. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass er sie wirklich liebt. Nein, ihm geht es nur um den sozialen Aufstieg. Sie mag zwar eine Schlampe sein, aber sie ist immerhin eine reiche Schlampe. Warum hätte er mich sonst verlassen sollen?«

Vielleicht, weil du ihn aufs Mieseste betrogen hast, du Dumpfbacke? Aber klar, dass sie sich das einreden muss. Wäre ja auch furchtbar sich einzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat – oder in ihrem Fall eher ein halbes Dutzend, oder so.

»Also mir tut sie ja schon ein wenig leid. All diese gemeinen Kommentare auf ihrem Insta-Profil. Ich glaube, ich würde mich nicht mehr aus dem Haus trauen, wenn ich so Sachen über mich lesen müsste.«

»Bei dir, Chloé, würde auch kein Typ unter dein Foto schreiben, dass du durchbrächest, wenn er es dir richtig besorgen würde«, schnaubt Isabeau abfällig.

»Die Gefahr bestünde ja auch definitiv nicht«, ätzt Monique, woraufhin Isabeau und sie gehässig lachen. Kaum ist das hyänenartige Gelächter verstummt, folgt der nächste Tiefschlag. »Du solltest wirklich etwas auf dein Gewicht achten. Und was dein Mitleid mit Emmanuelle anbelangt: Spar es dir für Leute, die es verdient haben.«

Bei diesen »Freundinnen« braucht man wirklich keine Feindinnen mehr.

»Monique hat recht! Emmanuelle hat diesen Shitstorm selbst heraufbeschworen, indem sie die Beine für Félix breit gemacht hat. Wäre sie mal bei ihrem Kerl geblieben, aber sie kann den Hals ja nicht voll genug bekommen.«

»Ja, der arme Étienne«, seufzt Chloé.

»Komm bloß nicht auf die Idee, ihn trösten zu wollen! Um den werde ich mich bei Gelegenheit kümmern«, meldet Monique Besitzansprüche an.

Als ob Étienne so blöd wäre und noch mal auf dich reinfallen würde, denke ich fassungslos. Ich glaube, sie hat keine Ahnung, wie sehr sie ihn mit ihrer Untreue verletzt hat.

»Aber dass sie heute hier überhaupt aufgekreuzt ist, zeigt mal wieder, wie unfassbar dreist sie ist. Die denkt wirklich, ihr würde die Welt gehören. Wisst ihr noch, was Margaux über sie erzählt hat?«

Bestimmt die Sache mit der Abtreibung, die ich nie hatte. Unwillkürlich krallen sich meine Finger in den schwarzen Seidenstoff meines Kleides, als ich an Margaux’ niederträchtige Lügen zurückdenke.

»Du meinst sicherlich den Dreier?«, fragt Chloé begierig.

Oh, ach die Geschichte … Wenn Margaux die Fähigkeit gehabt hätte, fünf Jahre in die Zukunft zu sehen, hätte diese Story zumindest gestimmt, doch mit sechzehn habe ich an etwas Derartiges nicht mal im Ansatz gedacht.

»Nein!«, grollt Isabeau hörbar genervt.

»Dann die Sache mit ihrer Zunge?«

»Étienne hat gesagt, dass er dieses Riesending eklig findet«, wirft Monique ein, was mir einen Stich versetzt. »Und dass er allein beim Gedanken, sie könnte ihn küssen, Angst bekäme zu ersticken.«

»Ach, wenn man Margaux glaubt, ist ihre Zunge doch in Wahrheit sein kleinstes Problem. Ihr könnt euch ja denken, was die sich bei ihrem Männerverschleiß so alles eingefangen hat«, entgegnet Isabeau hämisch.

»Was hat Margaux denn nun über sie behauptet?«, quengelt Chloé ungeduldig.

»Von der Orgie in Kapstadt habt ihr ja sicherlich schon gehört, aber wisst ihr auch, mit wem sie es da getrieben haben soll?«

Ach ja, die Orgie in Kapstadt … Ich bin ja gespannt, wer da dieses Mal dabei gewesen sein soll. Ich hörte schon von Scott Eastwood, Giacomo Gianniotti und Chris Hemsworth, aber auch davon, dass ich mich den ganzen Abend bloß mit Scarlett Johansson und Gal Gadot vergnügt hätte.

»Mit Henri!«

Mit Henri?, echot es in meinem Kopf fassungslos. Ich bin so perplex, dass ich meinen Vorsatz leise zu sein glatt vergesse und schallend zu lachen beginne. Ich lache so heftig, dass mir die Tränen kommen. Himmel, von all den abgefuckten Gerüchten, die mir in den vergangenen Jahren über mich zu Ohren gekommen sind, ist dieses ja wohl mal mit Abstand das absurdeste.

Ehrlich, das ist so grotesk, dass ich mich gar nicht mehr beruhigen kann. Als ich es schließlich doch schaffe und in den Vorraum hinaustrete, fehlt von Isabeau und ihrem Gefolge leider jegliche Spur.

Schade, ich hätte den dreien gerne gesagt, dass sie meinen sehr katastrophalen Tag – ach, was rede ich, meine katastrophale Woche – gerettet haben.

Henri und ich … Das ist so gut! So verdammt gut! Das muss ich ihm gleich erzählen. Er wird sich totlachen. Doch zuerst einmal muss ich die Spuren meines Lachflashs beseitigen. Mein Make-up hat stark gelitten, und ich will nicht, dass irgendwer denkt, ich hätte geheult. Meine Lippen bringe ich mit dem nachhaltigen, veganen Lippenstift von La Bouche Rouge auf Vordermann, ehe ich meinen LoB noch einmal glattstreiche, tief durchatme und dann hinaus in den Kampf ziehe.

Als ich zu den anderen Gästen zurückkehre, geht es mir blendend, und all die schrägen Blicke, die mir den bisherigen Abend über so zugesetzt haben, prallen an mir ab. Zumindest, bis ich Henri zusammen mit Isabeau vor einer von Basiles großformatigen Aufnahmen stehen sehe … seine Zunge tief in ihrem Rachen.

Ich geselle mich zu ihnen. »Und? Sind ihre Mandeln noch da?«, frage ich, woraufhin er mürrisch brummt und die Augen öffnet. Wie kann er bloß die Augen schließen, wenn er eine wie sie küsst? Ich meine, ernsthaft, hat er denn keine Angst, dass sie ihm das Konto leerräumt, wenn er mal eine Sekunde lang nicht aufpasst? Sie ist schließlich eine Goldgräberin par excellence.

»Ella«, seufzt er genervt, »hast du nichts Besseres zu tun, als …«

»Als dich davor zu bewahren, dir eine Geschlechtskrankheit zuzuziehen?« Unschuldig klimpere ich mit den Wimpern, was bei meinem großen Bruder leider seine Wirkung verfehlt.

»Sei nett«, rügt Henri mich.

»Oh, du dachtest, ich sei gerade unhöflich, Bruderherz?«

»Ella …«, ermahnt er mich.

»Zieh Leine, Isa! Ich will mit Henri unter vier Augen sprechen.«

Schockiert schnappt sie nach Luft und sagt dann das Dümmste, was sie in der Situation sagen kann. »Was auch immer sie erzählt, es ist nicht wahr!«

Mein Bruder hat zwar einen zweifelhaften Geschmack, wenn es um die Wahl seiner Betthäschen geht, aber er ist nicht blöd. Seine rechte Augenbraue schnellt in die Höhe. »Sei so gut, Isa, und besorg uns etwas zu trinken«, bittet er sie. Als sie zögert, schiebt er ein nachdrückliches »Jetzt!« hinterher, woraufhin sie dann doch abzieht.

Henri und ich suchen uns ein ruhiges Eck. Zum Glück verfügt die exklusive Galerie, in der die Vernissage stattfindet, über mehrere einladende Sitzgelegenheiten – vermutlich, weil sich Verträge besser unterschreiben lassen, wenn man auf seinen vier Buchstaben hockt.

»Bitte erschieß mich, wenn ich jemals Ähnlichkeit mit Isa entwickeln sollte«, stöhne ich, sobald wir Platz genommen haben. Die Worte sind kaum draußen, da wird mir bewusst, wie unpassend meine Bemerkung ist. Isa verkörpert zwar alles, was ich an der Pariser High Society verabscheue, doch das rechtfertigt noch lange nicht meine Gedankenlosigkeit. »Entschuldige!«, keuche ich. »Das war taktlos. Ich …«

Henri gibt ein frustriertes Schnauben von sich und fährt sich unwirsch mit der Hand durch die blonden Locken. »Lass das, Bibou! Ich habe es dir so oft gesagt, ich …«

»Ja, ja, du bist darüber hinweg. Ich weiß«, unterbreche ich ihn, denn das Lied kenne ich zur Genüge. Das spielt quasi auf Repeat. Mein Tonfall lässt keinen Zweifel daran, wie wenig ich davon überzeugt bin. »Henri, du …«

»Nein, Ella! Du weißt, ich will nicht darüber sprechen.«

»Nein, natürlich nicht! Du willst lieber den ganzen Tag arbeiten wie ein Tier, die Nächte durchfeiern, dich mit irgendwelchen austauschbaren Gespielinnen vergnügen und Sport bis zum Umfallen treiben«, fauche ich mit einem Mal den Tränen nahe, denn mein Bruder war nicht immer so, und es bringt mich um zu sehen, was aus ihm geworden ist. Er ist wie ein Zombie.

Diese Nacht, diese eine furchtbare Nacht, hat ihn zerstört.

Seine Hand legt sich auf meine. Er drückt sie sanft. »Was hat Isa gesagt?«, will er wissen.

Weil mir bewusst ist, dass ich chancenlos bin, gebe ich mich geschlagen. Er wird nicht mit mir über das sprechen, was ihm widerfahren ist. Aber er kann auch nicht ewig vor dieser Sache davonrennen. Irgendwann wird ihm die Puste ausgehen. Irgendwann holt ihn alles ein.

»Komm! Los, raus damit, Bibou!«

»Wenn du mich jemals vor Isabeau so nennst, wirst du dein blaues Wunder erleben«, entgegne ich und starre ihn säuerlich an. Er weiß echt, wie er mich auf die Palme bringen kann – diesen doofen Spitznamen zu verwenden ist beispielsweise ein Garant dafür. »Bibou« – so könnte man seinen Papagei taufen, wenn man an Geschmacksverirrung leidet.

»Ach, sie und ihre schwachsinnigen Freundinnen haben auf dem Klo bloß über mich abgelästert, und dann haben sie ein paar alte Margaux-Gerüchte ausgepackt.«

»Oh, bitte, Ella, du bist doch hoffentlich über diese Sache hinweg.«

Ja, ich bin über sie hinweg. Einfach war es nicht. Sie war meine beste Freundin, und als ich – nach Jahren – herausfand, wer für all die bösartigen Lügen meine Person betreffend verantwortlich war, brach für mich eine Welt zusammen. Bis heute verstehe ich nicht, was sie damit bezwecken wollte oder warum sie mich so sehr hasst.

»Ach, vergiss Margaux«, sage ich zu meinem Bruder. »Wobei … ich nehme an, das Gerücht, dass du und ich in Kapstadt während einer Orgie Sex hatten, geht mal wieder auf ihr Konto.«

»Was zum Teufel?«, entfährt es Henri. Seine Augen sind weit aufgerissen, und er sieht mich an, als wären mir Hörner gewachsen. »Das behauptet man nicht im Ernst?«

»Doch!«, kiekse ich, nah dran an der Hysterie.

Er schüttelt den Kopf, vermutlich, um die Fassungslosigkeit loszuwerden, oder die Bilder, die dieses Gerücht heraufbeschworen hat.

»Hat dieser Albtraum denn nie ein Ende?«, frage ich ihn und sehe ihn hilfesuchend an.

Er legt mir einen Arm über die Schulter, zieht mich dicht an sich und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel.

»Vermutlich nutzt die liebe Margaux einfach den Shitstorm für ihre Zwecke«, nuschle ich und spiele gedankenversunken mit dem Saum meiner petite robe noire, über die Isabeau und Konsorten sich so lustig gemacht haben.

»Ihre Zwecke?« Henri runzelt verwirrt die Stirn.

»Na, ihr sadistisches Vergnügen mein Leben zu zerstören.«

»Das«, gibt er mir recht, »oder sie hat einfach ihre Tabletten nicht genommen.« Er fand Margaux schon immer sonderbar, meinte, sie sei anbiedernd und irgendwie falsch. Wie sich herausstellte, hatte er den richtigen Riecher.

Henri reibt über meinen Rücken, und ich frage mich, wer uns gerade alles beobachtet und diese brüderliche Geste als Bestätigung der inzestuösen Behauptungen sieht. Ich bin es so leid, dass ich mich immerzu fragen muss, wie mein Verhalten gedeutet wird. Ich meine, ich kann ja nicht mal mit einem alten Freund zu einer Preisverleihung gehen, ohne dass mir eine Affäre angedichtet wird.

»Ich rede mit Isa«, unterbricht Henri meine selbstmitleidigen Gedanken. »Sie soll diesen Quatsch nicht auch noch unterstützen.«

»Isa!«, platze ich heraus. »Es geht doch gar nicht um diese blöde Kuh. Echt! Warum lässt du dich bloß immer wieder mit ihr ein?«

»Lass gut sein!«, murmelt er abwesend. Er ist zu sehr damit beschäftigt, den Raum zu scannen, als dass er sich auf mich konzentrieren könnte. Irgendwas hat ihn alarmiert, fordert seine ganze Aufmerksamkeit. Ich spüre es an der Art, wie sich sein Körper versteift, sehe es in der Anspannung, die sich in seinen mahlenden Kiefern niederschlägt.

Wenn es das ist, was ich vermute, nennt man es »Hypervigilanz«. Ich wünschte, Henri würde einen Therapeuten aufsuchen und sich in Behandlung begeben, statt das Erlebte zu verdrängen.

»Vielleicht sollten wir einfach von hier verschwinden, wenn es dir heute nicht so gut geht«, schlage ich vor.

Ich rechne damit, dass er es leugnet, dass er sagt, dass er bloß einen Drink oder zwei braucht, um runterzukommen, doch das tut er nicht, stattdessen fragt er: »Und was ist mit Étienne?«

»Er kommt nicht mehr«, erwidere ich schlicht.

»Er hat viel zu tun«, meint Henri, denn anscheinend ist es mir nicht gelungen, die Niedergeschlagenheit aus meiner Stimme herauszuhalten.

»Du brauchst ihn nicht zu verteidigen. Das ist nicht nötig.«

Er nickt. »Gut! Du wirktest bloß traurig.«

Ich zucke mit den Achseln. Mir ist klar, dass das albern ist.

»Du weißt, er liebt dich!«

»Ja«, entgegne ich mit fester Stimme, aber dieser alberne Teil in mir fragt sich, ob Étienne seine Arbeit nicht vielleicht mehr liebt … mehr als mich. Und auch, ob ich in seinem Leben jemals an erster Stelle stehen werde.

»Komm, lass uns nach Hause gehen«, sagt Henri, erhebt sich und bietet mir – Gentleman, der er nachweislich nicht ist – galant seinen Arm an. Ich hake mich ein, wir verabschieden uns noch von Basile und verschwinden dann in der Pariser Nacht.

Bei dem Gedanken daran, dass Isa Henri den halben Abend lang suchen wird, stiehlt sich ein Lächeln auf meine Lippen. Das geschieht ihr nur recht.

Ein wunderbarer Duft steigt mir in die Nase, als ich am nächsten Tag das Haus meiner Eltern betrete. Es liegt in Neuilly-sur-Seine, einem der gut betuchten Pariser Vororte und – besonders schön gelegen – direkt am Folie Saint-James, einem Landschaftspark, der bis heute seinesgleichen sucht und aus dem achtzehnten Jahrhundert stammt.

»Bonsoir!«, rufe ich von der Haustür her.

»Ich bin in der Küche!«, ertönt Henris Stimme.

Die Bleistiftabsätze meiner weißen Slingback-Pumps von Aurelio klackern auf dem Marmorboden, als ich in Richtung Küche laufe.

»Du kochst!«, stelle ich erfreut fest, als ich meinen Bruder am Herd erblicke.

»An dir ist ein echter Sherlock Holmes verloren gegangen, Mademoiselle Obvious!«, neckt Henri mich.

»Kann ich dir etwas helfen«, biete ich meine Dienste an.

Henris Kopf ruckt beinahe panisch zu mir herum. »Bloß nicht!«, entfährt es ihm. »Meine Abendplanung sieht nicht vor, dass ich mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus lande.«

»Ha, ha! Hashtag MeinBruderIstGarNichtSoWitzigWieErDenkt«, murre ich, aber wir wissen beide, dass er recht hat. Ich kann nicht kochen und werde es auch niemals lernen. Henri hingegen ist diesbezüglich ein Genie. Er kocht göttlich.

»Wo sind Maman und Papa?«, erkundige ich mich und nehme auf dem Küchentresen Platz, um Henri zuzuschauen. Vielleicht – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – lerne ich ja wider Erwarten doch noch etwas.

»Na, dreimal darfst du raten, und die ersten beiden Male zählen nicht.«

»Du hattest zum Mittagessen aber auch Dumme-Sprüche-Suppe, oder?«

»Na komm, ist doch wahr! Wo werden sie wohl sein.«

»Noch in der Firma nehme ich an?«

Er hebt beide Hände und richtet seine Zeigefinger auf mich. »Félicitations, Mademoiselle! Diese scharfsinnige Schlussfolgerung macht Sie zur Gewinnerin des Abends!« Er grinst mich frech an.

»Bist du auf Koks?«, frage ich ihn – wohl wissend, dass er so einen Scheiß nie nehmen würde. »Du bist unausstehlich gut gelaunt.«

»Koks nehme ich doch nur, wenn wir Sexorgien feiern.«

Schnaubend rolle ich mit den Augen. »Unglaublich witzig! Denkst du wirklich, Margaux steckt dahinter?« Dass dieser Schatten aus meiner Vergangenheit wieder aufgetaucht sein könnte, hat mir eine schlaflose Nacht beschert.

»Ehrliche Meinung?«

Entschlossen nicke ich.

»Mich würde nicht mal wundern, wenn sie hinter diesen ganzen unsäglichen Gerüchten um Félix stecken würde.«

Erstaunt ziehe ich eine Augenbraue hoch, daran hatte ich noch gar nicht gedacht, aber was er sagt, ergibt durchaus einen Sinn.

»Überleg doch mal: Sie kennt Gott und die Welt. Ich wäre nicht überrascht, wenn sie diese ›heiße‹ Info irgendeinem schmierigen Sensationsreporter zugespielt hätte.«

Ja, und abgesehen davon ist sie Teil des Pariser Jetsets und war einmal eine gute Freundin von mir, was ihren Lügen Glaubwürdigkeit verleiht. Während ich noch darüber nachdenke, ob ich den ganzen Schlamassel, in dem ich gerade stecke, wirklich Margaux zu verdanken haben könnte, klingelt mein Telefon. Ich ziehe es aus der Gesäßtasche meiner French-Chic-Jeans und starre auf das Display.

»Étienne?«

Kopfschüttelnd und unfähig mein Erstaunen zu verbergen, erwidere ich: »Félix.«

Ich gleite von der Anrichte, bewege mich Richtung Garten, während ich den Anruf annehme.

»Salut!«, begrüße ich ihn.

»Salut, Ella«, sagt er mit brüchiger Stimme.

»Félix, ist alles in Ordnung?«

»Nein! Sandrine sie … sie musste ins Krankenhaus, und die Paparazzi waren überall. Es …«

»Oh mein Gott!«, stoße ich betroffen hervor und bleibe abrupt im Wohnzimmer stehen. »Geht es ihr und dem Baby gut?«

»Ja, der Arzt sagt, dass es vermutlich bloß ein Schwächeanfall war und dass die ganze Aufregung der Grund dafür gewesen sein könnte, aber sie haben ihr auch Blut abgenommen … allerdings haben wir die Ergebnisse noch nicht. Sie soll sich schonen, und sicherheitshalber muss sie für ein paar Tage zur Beobachtung im Hôpital Américain bleiben.«

»Die Ärmste«, murmle ich bestürzt und setze mich aufs Sofa. »Kann ich irgendetwas für euch tun?«

»Danke. Das ist lieb von dir, aber ich wüsste nicht, was. Ich wollte dich bloß vorwarnen, Ella. Ich weiß, du bist hart im Nehmen, aber so wie ich die Situation momentan einschätze …«

»Mach dir um mich keine Sorgen, Félix«, beruhige ich ihn. »Ich komme schon klar. Kümmere dich lieber um deine Frau und dein Baby.«

»Ella, unterschätz die Dynamiken nicht, die …«

»Nein, das mache ich nicht«, unterbreche ich ihn und verspreche: »Ich passe auf mich auf.«

Wieder einmal wird mir bewusst, was ich an Félix so mag. Er ist ein wirklich netter und fürsorglicher Mann, einer, der zuerst an andere und dann an sich selbst denkt. Dass es mit uns nicht geklappt hat, lag nicht an ihm, sondern bloß daran, dass mein Herz nun einmal schon immer Étienne gehört hat.

»Okay, aber wenn etwas ist, dann …«

»Ja, dann melde ich mich.«

»Versprochen?«

»Ja!«, erkläre ich nachdrücklich. »Und nun kümmere dich um deine Familie.«

»Das mache ich«, entgegnet er. Wir verabschieden uns. Einen Moment lang bleibe ich unschlüssig auf dem großen beigen Sofa sitzen, versuche, die Info zu verdauen.

Dann erhebe ich mich, gehe durch eine der drei großen Flügeltüren hinaus in den Garten und sauge gierig die frische Luft in meine Lunge auf.

Diese ganze Situation raubt mir den Atem, droht, mich zu erdrücken. Ich verstehe die arme Sandrine nur zu gut. Dass ihr, in ihrem verletzlichen Zustand, diese ganzen Gerüchte an die Nieren gehen, ist absolut nachvollziehbar. Inständig hoffe ich, dass sie sich rasch erholt und bald wieder nach Hause darf.

Auch wenn ich vor Félix so getan habe, als würde ich über all dem Mist stehen, so muss ich zugeben, dass selbst mir dieses Gerede langsam an die Substanz geht, und ich bin, dank Margaux, in dieser Hinsicht wirklich einiges gewohnt.

Als es klingelt, eile ich zurück ins Haus, schmettere ein »Ich gehe schon!« in Richtung Küche und öffne nach einem Blick aufs Display der Gegensprechanlage überschwänglich die Tür.

»Étienne«, stoße ich erleichtert hervor und falle ihm um den Hals. Ich bin so froh ihn zu sehen.

Was ich jetzt – nach dieser Hiobsbotschaft – brauche, ist seine Liebe und Unterstützung, sein Trost und seinen Zuspruch.

Er gerät etwas ins Taumeln, sein rechter Arm schlingt sich um mich, denn in der linken Hand hält er einen großen Blumenstrauß.

»Wow! Nicht so stürmisch!« Er schiebt mich sanft, aber bestimmt von sich.

»Ohhh, du hast mich noch nicht wirklich stürmisch erlebt!«, scherze ich, lege meine Hand an seine Wange und gebe ihm einen Kuss.

»Ella, lass mich doch erst mal reinkommen«, rügt er mich. Statt seiner Bitte nachzukommen, nutze ich die Gelegenheit, die sich mir dank seiner geöffneten Lippen bietet, und vertiefe den Kuss. Dann jedoch kommt mir mit einem Mal Moniques blöde Bemerkung über meine lange Zunge in den Kopf, und ich unterbreche das Ganze abrupt.

»Alles okay?«, fragt Étienne mit gerunzelter Stirn und sieht mich verwundert an.

»Ja«, meine ich und hoffe, dass er mir nicht anhört, wie unsicher ich mich gerade fühle. Vielleicht sollte ich ihm einfach sagen, was ich gehört habe, doch was, wenn er meine Zunge wirklich abstoßend findet?

»Hey, da bist du ja!«, ertönt Henris Stimme hinter mir. »Mensch, lange nicht gesehen! Wusste schon gar nicht mehr, wie du aussiehst.«

»Und wessen Schuld ist das?«, fragt Étienne.

»Wer ist denn nur am Arbeiten? Mmh?«

»Wer im Glashaus sitzt …«, beginne ich, brauche den Satz jedoch nicht zu vollenden. Henri weiß selbst, dass er ein Workaholic ist.

»Gut, von mir aus ist es zu zwanzig Prozent meine Schuld«, behauptet er.

»Nein! Ihr gebt euch da echt nichts!«, widerspreche ich, denn im Ernst, ich weiß nicht, wer von beiden schlimmer ist. Ich nicke in Richtung der Blumen. »Was ist denn eigentlich mit denen? Sind die für mich?«

Étienne verzieht bedauernd das Gesicht. »Leider nein. Die sind für die Dame des Hauses.«

»Da wird Maman sich sicherlich freuen.«

»Vielleicht holst du eine Vase, Ella«, schlägt Henri vor und führt Étienne in die Küche.

Augenrollend nehme ich den Riesenstrauß in meine Obhut und begebe mich auf die Suche. In einer der Vitrinen im Wohnzimmer werde ich fündig, und wenig später stehen die Blumen in einer hübschen Kristallvase von Lalique. Goldene Schwalben ziehen unter tiefhängenden Blättern und Blüten ihre Kreise.

Ich zücke mein Handy und mache ein Foto, denn der bunte Strauß sieht im einfallenden Licht der Abendsonne besonders hübsch aus. Kurz überlege ich, das Bild auf Instagram zu posten, doch in der momentanen Situation wäre das vermutlich keine gute Idee. Es wäre zu banal. Mein nächster Post sollte zwar signalisieren, dass die Gerüchte mich nicht tangieren, doch … In dem Moment habe ich eine Idee.

Eilig marschiere ich in die Küche, wo Étienne und Henri sich über langweiligen Businesskram unterhalten.

»Chéri, kannst du mir einen Gefallen tun?«, frage ich Étienne, als sich mir die Gelegenheit bietet, weil Henri etwas im Rezept nachlesen muss.

Es freut mich zu sehen, dass er das Buch, das ich ihm gekauft und extra für ihn habe signieren lassen, so gerne nutzt. Ich weiß, Henri vergöttert Yannick Alléno, den weltbekannten Sternekoch, der als moderner Expressionist der französischen Küche gilt und dessen Rezepte stets eine Herausforderung für meinen talentierten Bruder darstellen. Er wäre wirklich ein hervorragender Koch geworden, und vielleicht hätte er Alléno sogar den Rang als Rockstar der Kochszene abgelaufen, wer weiß. Wir werden es jedoch nie erfahren, da Henri in French Chic, das Modeunternehmen unserer Eltern, eingestiegen ist.

»Kannst du kurz mitkommen?«, frage ich Étienne, woraufhin er nickt und mir durch die hohen Terrassentüren in den Garten folgt.

»Ich würde gerne ein Selfie von uns machen und posten«, erkläre ich ihm. »Ginge das?«

»Ella, du weißt, dass ich das nicht mag.« Er fährt sich mit gespreizten Fingern durch das dunkle Haar, als ich meinen Dackelblick aufsetze. »Na gut!«, schnaubt er. »Und wo?«

Ich deute auf den Rhododendronbusch, der in voller Blüte steht und einen schönen Hintergrund bietet.

Das Foto ist zu Étiennes Erleichterung schnell geschossen. Anfangs ist er etwas steif, doch als ich ihm sage, er solle sich vorstellen, ich stünde nackt neben ihm, verändert sich der Ausdruck in seinen Augen, und ich bekomme das Bild, das ich brauche.

»Perfekt! Danke, chéri«, sage ich und gebe ihm einen Kuss.

»Okay, wenn du mich suchst, ich bin bei Henri in der Küche.«

Ich nicke, setze mich ins Wohnzimmer und verfasse einen Post.

Abendessen mit der Familie und meinem Lieblingsmenschen, schreibe ich. Mehr nicht, dafür geize ich nicht mit Hashtags: #couple #loveyou #jetaime #fürimmer #alwaysandforever #amour #liebe #love #lovestory #paarshooting #pärchen #pärchenbild #lieblingsmensch #youaretheone

Noch einmal besehe ich mir das Foto, auf dem wir wirklich sehr verliebt ausschauen. Und ziemlich stylisch noch dazu. Étienne trägt einen beigen sommerlichen Leinenanzug, der ihn ziemlich lässig aussehen lässt, während mein Outfit – rote Seidenbluse und Jeans, beides natürlich von French Chic – sowohl süß als auch verführerisch wirkt.

Entschlossen drücke ich auf »Veröffentlichen«. Dieser Post sollte den blöden Gerüchten endlich Einhalt gebieten und den Hatern den Wind aus den Segeln nehmen.

Nachdem das erledigt ist, mache ich mich daran, den Tisch zu decken. Zwischenzeitlich werfe ich immer mal wieder einen Blick auf das Handy, das unablässig vibriert. Gerade habe ich eine Karaffe mit Wasser auf den Tisch gestellt, als Maman und Papa nach Hause kommen.

Henri empfängt sie mit einem Kir Royal als Aperitif im Wohnzimmer.

»Schön, dass ihr mal alle wieder da seid«, ergreift Papa sichtlich gut gelaunt das Wort. Wir stoßen an.

»Hast du gesehen, Maman, Étienne hat dir Blumen mitgebracht«, sage ich zu meiner Mutter und deute auf den Strauß bunter Sommerblumen.

»Oh, die sind ja herrlich«, meint sie begeistert, hakt sich bei ihm unter und tätschelt seinen Arm. »Vielen Dank, mein Lieber.«

Mein Handy vibriert zum wiederholten Mal, und ich riskiere einen kurzen Blick auf mein Insta-Profil.

Bis auf diesen einen gruseligen Typen, der mir immer schreibt, dass er mich liebt und mich heiraten will, und der nun fragt, wer »der Lappen« an meiner Seite ist, sind die Kommentare bisher recht wohlwollend. Okay, irgendwer meint, Étienne würde gelangweilt aussehen, und jemand hat darunter kommentiert, dass das bei meinem IQ kein Wunder sei, aber im Prinzip ist das alles noch im Rahmen. Ich atme tief durch und begegne dem fragenden Blick meines Vaters, als ich das Handy wegstecke.

»Irgendwas Wichtiges?«, will er wissen.

Ich schüttle den Kopf und nehme einen Schluck Kir Royal. Fruchtig perlt der Champagner meine Kehle hinab, bestärkt mich in meiner Entscheidung. Das Foto von Étienne und mir zu posten war ein kluger Zug. Der einzige, der mir blieb, denn eine Affäre dementieren kann man nicht – beziehungsweise natürlich kann man es, doch wie glaubwürdig ist ein Dementi, wenn selbst Präsidenten im Bezug auf Seitensprünge lügen?

Wir gehen hinaus auf die Terrasse, setzen uns an den gedeckten Tisch. Die Vögel zwitschern, während Henri das Amuse-Gueule serviert. Der kleine Gruß aus der Küche kommt auf einem Löffel daher. Feuriger Mangosalat mit Scampi. Ich bin im siebten Himmel.

»Du bist ein Meisterkoch«, lobe ich meinen Bruder und hoffe inständig, dass es in der Küche noch mehr von beidem gibt.

»Das sagst du bloß, weil du auf einen Nachschlag spekulierst«, entgegnet er und zwinkert mir zu. Er weiß, wie sehr ich auf diese Kombination abfahre, und obwohl Henri gerne Neues ausprobiert, hat er mir zuliebe mein Lieblings-Appetithäppchen kredenzt.

Ich helfe ihm, das benutzte Geschirr wegzutragen, in der Hoffnung, noch einen Happen erhaschen zu können, und in der Tat hat Henri einen sechsten Löffel vorbereitet, den ich vernasche, während er die Rote-Beete-Ravioli in Trüffelcreme anrichtet. Da sein Perfektionismus grenzenlos ist, dauert es eine halbe Ewigkeit, weshalb ich noch einmal die Resonanz auf meinen Post checke.

»Mince alors!«, fluche ich ungehalten.

Unter die IQ-Bemerkung von vorhin haben sich eine Reihe weiterer dummer Sprüche gesellt, und manche davon sind gar nicht mehr witzig. Über Kommentare zu meinem IQ, beziehungsweise dem Nichtvorhandensein desselbigen, kann ich hinwegsehen. Ich weiß, dass ich nicht dumm bin … Ja, ich treffe nicht immer die klügsten Entscheidungen, aber auf den Kopf gefallen bin ich dennoch nicht. Was dort jedoch inzwischen steht, ist eine ganz andere Liga. Mein Herz rast und droht mir aus der Brust zu springen.

Du hast recht. Eine wie die hat man bloß zum Ficken.

Ja, aber auch das wird langweilig, wenn man da ein paarmal drin war.

Von mir würde die Schlampe bloß einen Hass-Fick bekommen, der sich gewaschen hat.

Richtig so, Bruder!

Ich schwöre, wenn ich mit der fertig bin, dann kann die eine Woche lang nicht mehr richtig laufen.

»Was ist los?«, erkundigt Henri sich, während er die Ravioli drapiert. Ich halte ihm das Handy unter die Nase, sodass er lesen kann, was mich gerade so aufwühlt.

Henris Augen weiten sich, er legt den Löffel beiseite und schließt mich wortlos in die Arme. Beschützend und fürsorglich geben sie mir den Halt, den ich gerade verloren habe, als mir durch diesen widerlichen sexistischen Kommentar der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

»Verdammt, Ella, das tut mir so leid. Du solltest diesen Wichser anzeigen!«, entfährt es ihm aufgebracht. Mein großer Bruder, der sich normalerweise so gut unter Kontrolle hat, bebt vor Wut.

»Werde ich machen«, versichere ich ihm, auch wenn ich weiß, dass die Chancen, den Typen dranzukriegen, eher gering sind.

Gefasster als noch vor ein paar Minuten, löse ich mich von Henri, mache mit leicht zittrigen Fingern einen Screenshot und nehme mir vor, ihn spätestens morgen früh an meine Anwältin zu schicken, damit sie sich der Angelegenheit annimmt. Die Gute ist nach der vergangenen Woche einigen Kummer gewöhnt. Danach stecke ich das Handy weg und unterstütze Henri, so weit es geht.

Als wir mit der Vorspeise die Terrasse betreten, berichtete Étienne gerade von den Plänen seiner Eltern, in diesem Jahr wieder eine große Silvestergala auszurichten.

»Wusstest du davon?«, fragt mein Vater und sieht meine Mutter fragend an.

Ich rolle mit den Augen. »Das ist ja wohl mal eine rein rhetorische Frage«, werfe ich ein. Schließlich sind Étiennes Mutter Claudette und Maman die besten Freundinnen – und das seit Studientagen. Sie lieben sich heiß und innig, und es gibt nichts, was die eine macht, ohne dass die andere davon weiß.

Ich stelle den Vorspeisenteller vor Papa ab. Er schaut zu mir hoch. »Auch wieder wahr!«, gibt er mir recht.

Étienne steht auf und rückt mir den Stuhl zurecht, als ich Anstalten mache, mich zu setzen.

»Wie ritterlich von dir«, säusle ich und bedenke ihn mit einem liebevollen Blick.

»Immer«, erwidert er lächelnd und gibt mir einen süßen Kuss. Auch nach all den Jahren, die ich nun schon in ihn verliebt bin, sorgt sein Grinsen dafür, dass ein ganzer Schwarm von Schmetterlingen durch meinen Bauch tobt, und ein Kuss von ihm – egal, wie zurückhaltend er ist – beschert mir derart weiche Knie, dass ich kaum noch stehen kann.

»Du wirst Claudette ausrichten müssen, dass Florence und ich nicht zu eurer Silvestergala kommen können«, unterbricht Papa unseren kleinen Flirt.

»Wieso nicht?«, fragt meine Mutter beinahe empört.

Das Handy vibriert. Ein unbehagliches Gefühl geht damit einher. Während Papa unsere Mutter daran erinnert, dass sie ihren dreißigsten Jahrestag haben und er eine Überraschung plant, die weder uns Kinder noch all ihre Freunde beinhaltet, werfe ich einen verstohlenen Blick auf das Display.

Wie ich die Alte hasse! Sandrine verliert vor lauter Kummer ihr Baby, und diese Schlampe macht bereits für den Nächsten die Beine breit.

An Sandrines Stelle hätte ich Félix nicht zurückgenommen, nachdem er bei so einer drin war … Wer weiß, was er sich da eingefangen hat.

Ihr Typ sieht aus, als ob er gleich kotzen muss … Kein Wunder beim Anblick dieser Fotze.

Nicht mal für eine Million würde ich meinen Schwanz bei der reinhängen.

Na, ich Glückskind, da bin ich ja noch mal davongekommen, denke ich zynisch.

Es gibt natürlich nette Kommentare, doch die sind in der Unterzahl, und schlimmer noch – irgendwelche Idioten pöbeln diejenigen an, die mir Mut zusprechen und sich auf meine Seite schlagen. Sie bezahlen für ihre aufmunternden Worte, indem sie sich dumm anmachen lassen müssen.

Unter einem lieb gemeinten Kopf hoch!, hat irgendwer geschrieben: Lieber Kopf ab! Und du schaltest mal besser deinen ein, bevor du was schreibst!

»Ella, du kennst die Regeln!«, ermahnt mich mein Vater. »Steck das Handy weg!«

Wortlos folge ich seiner Anweisung, denn ich will mir keinen Ärger einhandeln. Als ich jedoch eine Viertelstunde später das schmutzige Geschirr in die Küche trage, frage ich mich, was mich wohl als Nächstes erwartet. Schlimmer kann es eigentlich nicht mehr kommen, denke ich und werfe einen Blick auf mein Profil. Natürlich geht es unter meinem Post noch immer drunter und drüber.

»Vielleicht solltest du dich in nächster Zeit einfach etwas bedeckt halten!«, schlägt Henri vor.

»Und mich von diesen Idioten mundtot machen lassen? Das ist nämlich genau das, was die wollen. Die wollen einen so einschüchtern, dass man abtaucht. Aber nicht mit mir!«, verkünde ich kämpferisch.

Henri seufzt leise, gibt sich dann jedoch mit einem knappen Nicken geschlagen. »Ich hoffe, du weißt, was du tust. Das da«, er nickt mit dem Kinn in Richtung meines Handys, »ist echt ziemlich übel, Ella.«

»Ich weiß, aber es sind bloß irgendwelche Trolle, die nichts weiter können, als rumzutönen. Wie sagt man so schön? Hunde, die bellen, beißen nicht?«

Er schluckt beklommen, sieht nicht aus, als würde er die Floskel, die nicht nur ihn beruhigen soll, sondern auch mich, glauben. »Ich hoffe, du hast recht«, murmelt er und wendet sich dem Fleisch zu. »Kannst du die Teller aus dem Ofen holen?«, fragt er, woraufhin ich nicke und mich an die Arbeit mache. Das bekomme selbst ich hin.

»Was ist das?«

»Das, Schwesterherz, ist goldgelb geschmortes Milchkalb mit gebratenem Rosenkohl und confierten Schalotten mit Mandarinennote.«

»Klingt ausgezeichnet«, befinde ich. »Und es riecht schon mal vorzüglich«, schiebe ich hinterher. »Du hättest echt Koch werden sollen. Damit hättest du eine Menge Leute sehr glücklich machen können.«

Er wirft mir einen kurzen Seitenblick zu, ehe er sich wieder auf das Anrichten des Hauptgangs konzentriert.

»Was?«, schnappe ich, obwohl mir klar ist, was dieser Blick mir sagen soll. »Trauerst du dem denn gar nicht hinterher?«, frage ich ihn.

»Wozu? Das bringt doch nichts.«

»Aber …«

»Ella, ich bin glücklich. Mein Job ist toll. Ich jette um die Welt, scoute Trends, überlege mir, wo die Firma in zehn oder zwanzig Jahren sein soll und welche Weichen wir jetzt dafür stellen müssen. Das ist …«

»Stinklangweilig!«, schlage ich vor, als er verstummt, um nach den richtigen Worten zu suchen.

»Eine Herausforderung. Das ist anspruchsvolle Arbeit.«

»Das da sieht auch sehr anspruchsvoll aus«, meine ich und deute auf den Teller, auf dem er gerade die Beilagen anrichtet.

Henri ignoriert den Subtext. »Das Auge isst schließlich mit«, meint er betont vergnügt und zwinkert mir zu.

Mit aufeinandergepressten Lippen schlucke ich eine Erwiderung hinunter. Ich weiß, dass diese Diskussion keinen Sinn hat. Er hat sich entschieden, und wie es aussieht, werde ich in den sauren Apfel beißen und den gleichen Weg einschlagen, denn ich will Maman und Papa unter keinen Umständen enttäuschen.

Keine fünf Minuten später servieren Henri und ich den Hauptgang. Étienne und Maman unterhalten sich angeregt, Papa hingegen tigert aufgebracht im Garten umher und ist augenscheinlich am Telefonieren.

»Wir sollten schon mal anfangen«, schlägt Maman vor, als Papa keine Anstalten macht, an den Tisch zurückzukehren. »Es schien dringend zu sein.«

Mein Teller ist halb leer, als Papa meinen Namen sagt. Meinen richtigen Namen. Nicht »Ella«, sondern »Emmanuelle«. Allein das ist Hinweis genug, dass die Sache ernst ist, da müsste Papa dabei nicht einmal so frostig klingen wie eine Nacht in Sibirien.

Mamans fragender Blick trifft mich, als er hinzufügt: »Kommst du mal bitte!« Das »Bitte« hätte er sich auch schenken können, denn nichts an seinem Tonfall ist eine Bitte. Es ist ein Herbeizitieren, ein Befehl.

»Alain, setz dich doch erst mal und iss. Das Essen wird sonst kalt«, wirft Maman beschwichtigend ein.

Zwar setzt er sich, sagt dann jedoch: »Mir ist der Appetit vergangen.«

Mir schwant Übles, und in der Tat hält er es keine zwei Minuten durch, ehe es aus ihm herausplatzt: »Wann, Emmanuelle, wolltest du mir von dieser Sache erzählen?«

»Von welcher Sache?«, fragen meine Mutter und Étienne unisono.

»Diesem Shitstorm!«

»Ich habe alles unter Kontrolle, Papa. Das sind bloß ein paar durchgeknallte Spinner, die …«

»Ein paar Spinner? David von der PR-Abteilung hat gerade angerufen. Er ist beunruhigt, weil …«

»Das hat gar nichts mit French Chic zu tun!«, werfe ich ein. »Das passiert auf meinem Privataccount.«

»Wann begreifst du endlich, dass alles, was du tust, mit French Chic zu tun hat. Alles fällt auf uns zurück. Die halbe Woche schlagen David und ich uns schon mit dem Mist herum, räumen deinen Dreck weg.«

In einer verzweifelten Geste fährt er sich durch die blonden engelsgleichen Locken, die mein Bruder von ihm geerbt hat. Doch mein Vater wirkt in diesem Moment nicht wie ein sanftmütiger Himmelsbote, sondern eher wie die Manifestation des göttlichen Zorns in Form eines Racheengels.

»Ich bin deine Eskapaden so leid, Emmanuelle!«, herrscht er mich an.

»Meine Eskapaden?«, echoe ich aufgebracht. Das kann doch nicht sein Ernst sein! »Ich habe nichts getan!«

»Du hast mit deinem Post Öl ins Feuer gegossen. Ich hätte dich wirklich für schlauer gehalten. Du …«

»Ich lass mich nicht mundtot machen«, werfe ich ein, doch Papa hat sich bereits Étienne zugewandt: »Und warum hast du dich überhaupt in die ganze Sache reinziehen lassen?«

»Ich habe Ella gesagt, dass das keine gute Idee ist!«

Ärgerlich sehe ich Étienne an. Wie kann er mir bloß so in den Rücken fallen?

»Mein Post war völlig harmlos«, verteidige ich mich.

»Harmlos? Es sieht aus, als wäre es dir egal, was mit Sandrine ist, als würde dich das gar nicht tangieren.«

»Beruhige dich, Alain«, mischt Maman sich ein.

»Das würde ich ja gerne, doch Closer ist – wie ich eben von David erfahren habe – fest entschlossen, die Story auf der Titelseite zu bringen. Wir versuchen, das zu verhindern, aber …«

»Denkst du, dass diese Schmutzkampagne negative Folgen für French Chic haben könnte?«, fragt Henri – er klingt alarmiert, was nun auch mich beunruhigt.

»David ist überzeugt davon.«

So wenig ich David leiden kann, er weiß, was er tut. Mist! Nie hätte ich gedacht, dass dieser Pseudo-Skandal Auswirkungen auf die Firma meiner Eltern haben könnte.

»Papa, es tut mir leid. Was kann ich tun, damit …?«

»Nichts, du hast weiß Gott genug getan!«, fällt er mir aufgebracht ins Wort. »Und das alles, weil du mit diesem Félix herumpoussieren musstest«, stöhnt er.

»Herumpoussieren?« Ich blinzle verwirrt.

»Na, dich an ihn ranschmeißen!«

»Oh, Papa, ich weiß sehr wohl, was das Wort bedeutet. Anders als man auf Instagram behauptet, verfüge ich sowohl über einen ansehnlichen IQ als auch eine gute Schulbildung!«, fauche ich. »Und zu deiner Info, ich habe nicht ›poussiert‹. Ich habe ihn lediglich zu der Preisverleihung begleitet.«

»Auf den Fotos sieht es anders aus, Emmanuelle!«

Fassungslos starre ich ihn einen Moment lang an. Er glaubt diesen Mist doch hoffentlich nicht.

»Und ich finde es ohnehin völlig unangebracht, wenn man Zeit mit seinem Ex-Freund verbringt«, fügt er hinzu. Hat er das gerade wirklich gesagt?

»Wir waren nie ein Paar, Papa!«

»Umso schlimmer!«, stößt er hervor, was das Fass endgültig zum Überlaufen bringt.

»Ach ja? Ich bin erwachsen, und was ich mache und mit wem ich schlafe, geht dich ja wohl mal gar nichts an!« Energisch schiebe ich meinen Stuhl zurück und stehe auf.

»Was tust du da?«

Wütend funkle ich ihn an. »Ich gehe! Nun ist mir nämlich der Appetit vergangen!«

»Setz dich! Ich bin noch nicht fertig!«

»Aber ich bin fertig!«

Mit erhobenem Haupt rausche ich ins Haus, durchquere das Wohnzimmer und den Empfangsbereich und bin schon fast an der Haustür, als sich Finger um mein Handgelenk schließen.

»Warte, Ella!« Ich drehe mich zu Étienne um.

»Worauf? Darauf, dass du mir wieder in den Rücken fällst? Warum hast du gelogen?«

»Ich … ich habe nicht gelogen. Ich hatte wirklich Bedenken.«

»Aber du hast sie nicht geäußert! Du hast nichts dergleichen gesagt«, werfe ich ihm vor und mache keinen Hehl daraus, dass ich stinksauer auf ihn bin.

»Ja, aber bloß, weil ich es dir ohnehin nicht hätte ausreden können! Wenn du dir einmal was in den Kopf gesetzt hast, dann …« Er hebt hilflos die Hände.

»Ja, ja, dann bringen mich keine zehn Pferde mehr davon ab, aber das ist kein Grund zu behaupten, du hättest versucht, mich von dem Post abzuhalten.« Aus zu Schlitzen verengten Augen starre ich ihn an. »Was hast du dir dabei bloß gedacht?«

Er öffnet den Mund.

»Ach, erzähl es mir unterwegs.« Ich schnappe mir meine Handtasche und öffne die Tür.

»Ella, ich will noch nicht …«

»Was?«, frage ich und drehe mich zu ihm herum.

»Gehen! Ich will nicht gehen.«

»Dann bleib eben hier!«, stoße ich verärgert hervor.

»Ella, sei doch vernünftig. Komm wieder rein und schaff diese Sache aus der Welt. Dein Vater hat …«

»Sehr deutlich gesagt, was er von mir hält«, schnaube ich, wobei es mir nicht gelingt zu verbergen, wie sehr sein Urteil mich verletzt hat. Was bitte schön spricht dagegen, mit einem Ex-Lover aus Teenagertagen befreundet zu bleiben? Ich meine, was hätte ich denn tun sollen? All die Jahre auf Étienne warten, in der Hoffnung, dass er erkennt, dass er auch Gefühle für mich hat?

Ja, andere Mädchen hätten das vielleicht getan. Sie hätten deprimiert daheim gehockt, gehofft und gewartet, aber ich bin nicht wie andere Mädchen. Er hat damals gesagt, ich sei zu jung und zu unerfahren. An meinem Alter konnte ich nichts ändern, doch Erfahrung konnte ich sammeln, und – Skandal! – ich hatte auch noch Spaß dabei.

»Nein, Étienne, wirklich, ich habe keine Lust, mich mit Papa an einen Tisch zu setzen, nicht nachdem er mir klipp und klar gesagt hat, was er über die ganze Sache denkt, und du den Brutus gemimt hast.«

Étienne sieht mich unglücklich aus seinen schönen dunklen Augen an, macht jedoch keine Anstalten mir zu folgen, als ich das Haus meiner Eltern verlasse.

Während ich über die, von der Öffentlichkeit durch ein eisernes Tor abgeriegelte, Villa de Madrid zur Hauptstraße laufe, bestelle ich mir ein Taxi, und keine Viertelstunde später befinde ich mich auf dem Weg zu meiner Wohnung im 17. Arrondissement. Ich bin immer noch fassungslos, dass Papa so denkt und Étienne sich so dämlich verhalten hat. Er hätte mich ja gar nicht verteidigen müssen – ich kann meine Kämpfe selbst ausfechten –, aber dass er gelogen hat, um vor Papa besser dazustehen, war echt mies.

Ich sehne mich in diesem Moment so sehr nach der Ruhe meiner Wohnung. Wenn ich zu Hause bin, werde ich mir als Erstes einen Cappuccino machen und ihn zusammen mit einem Eis auf meinem Balkon genießen. Ich werde …

»Halten Sie an!«, sage ich zu dem Taxifahrer, als ich sehe, was vor dem Haus, in dem ich wohne, los ist. Ein Haufen Reporter belagert den Eingang, wartet darauf, dass ich herauskomme, damit sie über mich herfallen können wie ein Rudel hungriger Wölfe. Paparazzi sind solche Tiere! Skrupellos und …

»Mademoiselle?«

»Ja, ich … Hören Sie, ich habe es mir anders überlegt. Fahren Sie mich bitte zurück ins sechzehnte Arrondissement.« Ich nenne eine Adresse in der Nähe von Henris Wohnung und schicke meinem Bruder dann eine Nachricht, dass ich bei ihm untertauchen muss.

»Du weißt, ich schätze deine Anwesenheit, aber wie lange hast du denn vor zu bleiben, Bibou?«, erkundigt Henri sich, nachdem ich vier Tage seine Gastfreundschaft beansprucht habe.

Ich tue seine Frage mit einem Achselzucken ab, ignoriere den dämlichen Kosenamen und bemühe mich den fantastischen Ausblick von seiner Dachterrasse auf den Eiffelturm zu genießen, während ich meinen Milchkaffee trinke. Nicht einfach, denn meine Stimmung ist auf dem Tiefpunkt, da Étienne unser Date für heute Abend kurzfristig gecancelt hat. Überhaupt ärgert es mich, dass er mir nicht angeboten hat, bei ihm unterzuschlüpfen. Als mein Freund hätte er mir schließlich Asyl gewähren müssen, oder?

Andererseits haben es diese Aasgeier von Paparazzi zuerst bei ihm versucht und seine Wohnung regelrecht belagert. Nun fragt sich ganz Paris seit Tagen, wo ich stecke. Das Rätsel um meinen Aufenthaltsort und die Spekulationen über mein Verschwinden haben mehr Schlagzeilen gemacht als meine sonstigen Aktivitäten der letzten fünf Jahre zusammen.

»Hier, das habe ich dir mitgebracht!«, meint mein Bruder und reicht mir einen Stapel Klatschzeitschriften.

»Wo steckt Frankreichs It-Girl Nummer 1? Wurde Emmanuelle Chevallier entführt?«, lese ich laut einen der Teaser vom Cover eines der Schmierblätter ab. »Wie kommen die denn auf den schmalen Trichter?«

»Irgendwie müssen sie das Sommerloch ja stopfen«, meint Henri achselzuckend und holt dann einen Stapel Hochglanzmagazine aus einer Tüte. »Ich habe dir aber auch noch was Anständiges zum Lesen gekauft.«

»Danke. Womit habe ich das verdient?«

»Ist so was wie Bestechung. Ich bekomme heute Abend Besuch, und ich möchte, dass …«

»Ich in meinem Zimmer bleibe?«

»… du nett bist, Bibou, auch wenn es dir schwerfällt.«

Meine Augen weiten sich. »Henri!«, keuche ich entsetzt, als mir dämmert, wen er heute Abend treffen wird. »Das ist doch nicht dein Ernst. Du …«

»Ich diskutiere das nicht!«

»Warum sie? Ehrlich, du könntest jede Frau in Paris haben. Jede! Warum muss es diese dämliche Kuh sein?«

»Was an ›Ich diskutiere das nicht!‹ hast du nicht verstanden? Rede ich etwa dir und Étienne rein, mmh?«

»Hallo!«, empöre ich mich. »Das kann man doch gar nicht vergleichen. Dir kann schließlich gar nichts Besseres passieren, als dass ich mit deinem besten Freund zusammen bin. Zwei Menschen, die du liebst, sind miteinander glücklich. Das ist …«

»Toll! Ja, solange es funktioniert!«

»Aber es funktioniert doch!«

Henri sieht mich streng an. »Logisch! Und deshalb bist du so angepisst.«

»Ich bin angepisst, weil du mit Isabeau rumpoussierst«, entgegne ich und imitiere dabei gekonnt unseren Vater.

»Klar!«, meint er ironisch.

»Wann kommt sie?«

»In …« Er schaut auf die Uhr, doch da klingelt es auch schon.

»Ich bin dann mal auf meinem Zimmer«, meine ich lakonisch, denn auf die Begegnung der dritten Art habe ich wirklich keine Lust.

Kurz war die Nacht. Ich weiß nun Dinge über Isabeau, die ich nie wissen wollte … zum Beispiel, dass sie obszön laut im Bett ist. An ihr ist ein Pornostar verloren gegangen. Nein, ernsthaft, so verdammt euphorisch klingt doch kein normaler Mensch beim Sex.

Mit einer der Zeitschriften, die einen spannenden Artikel über die renommierte Modedesignerin Alicia King enthält, und einer großen Tasse Kaffee verziehe ich mich auf die Terrasse. Unglaublich, dass sie ihre Professorenstelle am Central Saint Martins in London aufgibt, um für ein Jahr an einem Provinzcollege zu unterrichten. Nun ja, ihre Motive sind durchaus edel. Sie vertritt ihren erkrankten Mentor und engen Freund, aber ehrlich, mich würden keine zehn Pferde in eine Kleinstadt wie Plymouth bringen. Was will man denn in so einem Kaff? Keine ordentlichen Museen, keine guten Partys, keine exquisiten Boutiquen oder Restaurants … Der Horror! Nun gut, einen Vorteil hat dieses beschauliche Städtchen allerdings zugegeben doch: Es liegt direkt am Meer, und das ist eine traumhafte Vorstellung. Vormittags studieren, mittags mit dem Boot rausfahren … Ja, damit könnte ich wohl leben.

»Bonjour, Ella!«, schreckt mich Isabeaus mit von Falschheit triefender Stimme aus meinen Gedanken. Sie hat hier übernachtet? Mein Bruder sollte wirklich mal seinen Kopf untersuchen lassen!

»Ella nennen mich bloß meine Freunde«, erwidere ich trocken und ernte ein überraschend schlagfertiges: »Freunde? Du hast doch gar keine Freunde. In deiner Situation solltest du wohl nicht zu wählerisch sein. Selbst dein Étienne meidet dich.«

»Er war arbeiten«, korrigiere ich sie betont gleichgültig. Soll sie woanders ihr Gift verspritzen.

»Sicher? Für mich sieht es so aus, als hätte er sich gestern prächtig amüsiert.« Sie hält mir ihr Handy unter die Nase. Vom Display prangt mir ein feiernder Étienne entgegen. Wenn man der Schlagzeile Glauben schenken darf, genießt er nach unserem Beziehungsaus seine neugewonnene Freiheit. Etwas in mir schiebt Panik, doch ich werde den Teufel tun und mir das vor meiner Erzrivalin anmerken lassen.

»Gut, dann war er eben feiern«, meine ich gespielt unbeteiligt. »Und wenn schon?«

»Das ist dir egal?«

»Er ist groß, und ich bin nicht seine Mami. Er muss sich nicht bei mir abmelden, wenn er Lust hat um die Häuser zu ziehen.«

»Ihr führt eine offene Beziehung?« Sie hebt erstaunt eine Augenbraue.

»Was? Nein!« Sofort ärgere ich mich über meinen erschrockenen Tonfall, doch allein die Vorstellung ist absurd! Étienne und eine andere … Ich glaube, ich würde sterben.

»Dann hat er nach deiner Eskapade mit Félix einen Freifahrtschein, oder wie darf ich das verstehen?«

»Bist du bescheuert?«, fauche ich sie an und vergesse glatt Henris Bitte mich nett zu verhalten.

»Nein, bloß neugierig!«

»Das eine schließt das andere offensichtlich nicht aus. Echt, du hast so einen Knall. Ich weiß wirklich nicht, warum mein Bruder so dämlich ist, ständig mit dir ins Bett zu fallen«, schnaube ich aufgebracht. »Zu deiner Info: Ich hatte nichts mit Félix.«

Sie runzelt die Stirn. »Weiß dein Freund das auch? Denn vor zwei Tagen auf der Party von Chloé wirkte er sehr niedergeschlagen.«

»Natürlich weiß er das!«, empöre ich mich und schätze, dass es entweder am Stress lag, dass er sich auf der Party nicht amüsiert hat, oder daran, dass die Gesellschaft zu wünschen übrig ließ. Ich zumindest hatte keine Lust, ihn zu einem von Isabeaus Schoßhündchen zu begleiten.

»Vielleicht glaubt er dir einfach nicht«, sinniert sie. »Ich meine, es ist schwer, wenn man von allen Seiten hört, dass die eigene Freundin wie der Louvre ist. Sehen wir der Tatsache ins Auge, Ella, du bist eine billige Schlampe, daran ändern auch deine heißgeliebten Designerteile nichts.«

»Wenn wir gerade so offen feindselig sind, dann kann ich dich ja von einer Schlampe zur anderen fragen, wie …?«

»Ella!«, ertönt Henris Stimme mit einem Mal von der Terrassentür her. Er gibt mir mit einem Fingerzeig zu verstehen, dass ich hereinkommen soll.