"Aber plötzlich war mir, als drohe das Haus über mir zusammenzubrechen." - Olena Sivuda - E-Book

"Aber plötzlich war mir, als drohe das Haus über mir zusammenzubrechen." E-Book

Olena Sivuda

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Beschreibung

Olena Sivuda untersucht das Motiv des Kriegsheimkehrers in der westdeutschen und sowjetischen Nachkriegsliteratur am Beispiel der Kurzgeschichten „Die Botschaft“ (1947) und „Wanderer, kommst du nach Spa...“ (1950) von Heinrich Böll, „Bleib doch, Giraffe“ und „Die Küchenuhr“ (beide 1947) von Wolfgang Borchert sowie der Erzählungen „Rückkehr“ (1946) von Andrej Platonow und „Ein Menschenschicksal“ (1956/57) von Michail Scholochow. Die Studie deckt Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Prozess der literarischen Aneignung spezifischer Nach­kriegserfahrungen einerseits in der Tri-/Bizone bzw. der jungen Bundesrepublik nach dem Dritten Reich und andererseits in der spät- bzw. unmittelbar poststalinschen UdSSR nach dem Großen Vaterländischen Krieg auf. Sivuda untersucht dabei sowohl die Situation der „Heimkehr aus dem Krieg“, wie sie in ausgewählten literarischen Texten in ihren sozialen Dispositionen mithilfe stilistischer Mittel zum Ausdruck gebracht wurde, als auch die Darstellung individueller Traumata im Ergebnis der Kriegserfahrung. Die Studie bietet eine neue interpretatorische Perspektive auf das Heimkehrermotiv in der westzonalen bzw. bundesdeutschen sowie der sowjetrussischen Nachkriegsprosa der Zeit von 1945 bis 1957. Die vergleichende Untersuchung der literarischen Darstellung der Kriegsheimkehrer gestattet einerseits einen tieferen Einblick in die Nachkriegser­fah­rungen der betroffenen Gesellschaften; zum anderen ermöglicht sie die Identifizierung der in diesen Gesellschaften gemeinsam gültigen Schemata im Erinnerungsbild der Heimkehr aus dem Krieg.

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

Danksagung
Einführung
I. Analyse des Motivs des Kriegsheimkehrers in der sowjetrussischen Nachkriegskurzprosa
I.1. Historischer Überblick
I.2 Die Erzählung „Heimkehr“ (1946) von Andrej Platonov: Suche nach einer humanen Welt
I.3 Michail Šolochov: „Ein Menschenschicksal“ (1956–57): Einsamkeit und Trübsal
II Besonderheiten der Heimkehrerthematik in der deutschen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg
II.1 Historischer Hintergrund der Entstehung der Nachkriegswerke
II.2 Die Literaten der „jungen Generation“ und die „Gruppe 47“
II.3 Wolfgang Borchert: Heimkehrtragödie
II.4 Heinrich Böll: Trümmerdichtungen
III Das Motiv des Kriegsheimkehrers in der deutschen und sowjetrussischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg. Versuch einer komparativen Analyse
IV Gattungsmerkmale als Manifestation der Schreibabsicht: Erzählung versus Kurzgeschichte
IV.1 Kurzgeschichte und Erzählung: eine komparative Gattungsanalyse anhand literarischer Texte der Nachkriegszeit
IV.2 Strukturelle und stilistische Gattungsmerkmale der Kurzgeschichte und der Erzählung
Ausblick und letzte Bemerkungen
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
Nachschlagewerke und Lexika

Danksagung

Ich möchte mich hiermitinsbesondere bei Frau Prof. Dr.Johanna Meixnervon der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU E-I) für ihreBetreuung der Promotion sowienützlichenRatschläge bedanken. Darüber hinaus bedanke ich michherzlich bei weiteren Kollegen an der KU-EI: bei Prof. Dr.Thomas Pittroffür seineKommentare zur Einleitung derArbeit, bei Prof. Dr.Michael Neumann für diewertvollenSitzungen desDoktorandenkolloquiums für Literatur- und Kulturwissenschaftlersowie bei Dr.Margarete Willerich-Tochafür fruchtbareDiskussionen sowie ihr beispielhaftes professionelles Engagement. BesondererDank giltauch Prof. Dr.Oksana Kornijenko,meinerBetreuerinan der Kiewer Dragomanow-Universität. Weiterhinbedankeich mich beiProf. Dr.Aage Hansen-Löve, Ludwig-Maximilians-UniversitätMünchen,für die Möglichkeitder Teilnahme amBlockseminar „Melancholie, Allegorie und Depression nach Walter Benjamin“undderVorlesung „Psychoanalyse der Literatur – Literatur der Psychoanalyse“2013.

Die Promotion hätte nicht abgeschlossen werden können ohne ein einjährigesForschungsstipendiumdes Deutschen Akademischen Austauschdienstes, dem ich für diese Unterstützung zu Dank verpflichtet bin.Das Erscheinen dieses Buches ermöglichten nicht zuletzt die Mitarbeiter der Universitätsbibliothek der KU E-I, denen ich –und insbesondere Frau Christine Pfrang –meinen herzlichen Dank bekunde. Zum Entstehen dieser und früherer Publikationenhaben weitereKollegenbeigetragen:Prof. Dr. LjudmilaSintschenko, Dragomanow-Universität Kiew;Prof. Dr. Leonid Luks, Dr. Dr. Andreas Umland,Dr.Antonina Zykova, Gunter Dehnert, John Andreas Fuchs und Chiara Savoldelli, Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien Eichstätt;Diana Trümper, KU E-I; Marian Luschnat, Universität Hamburg;Immanuel Petermeier,Universität Würzburg;Dmitrij Kraft, LMU München;Gernot Howanitz, Universität Passau.Dankbar bin ich auch meinenKollegen ander Audi Akademie Ingolstadt sowiederinlinguaSprachenschule Ingolstadt.

Ganz besonderer Dank geht an meine Familie undmeineFreunde Sophie Aloё, Svetlana Balan, Elena Beketova, Natalya Bendel, Natallia Brahinets, IngmarBredies, Olga Chupyra, Firusa Davlatova, Mirian Gamrekelaschwili, Kristina Gorbach, SergeyKatschur, Ekaterina Kolomijchenko, Anastasiia Konstantynova, Bernadette Labbate, Xue Li, Olha Luhova, Sylvia Müler, Nora Isabel Nogossek, Irina und Natalya Perevoznuk, Nadin Plaetke, Marite Maria Schumanajte, Isabel Wagonund Frederike Ziegler.

Einführung

Die vorliegende Dissertation vergleicht Grundzüge der deutschensowie der UdSSR- Heimkehrerliteratur am Beispiel der Nachkriegskurzgeschichten „Die Botschaft“ (1947) und „Wanderer, kommst du nach Spa...“ (1950) vonHeinrich Böll; „Bleib doch, Giraffe“ und „Die Küchenuhr“ (beide 1947) von WolfgangBorchertsowie derNachkriegserzählungen „Rückkehr“ (1946) von AndrejPlatonovund „Ein Menschenschicksal“ (1956–1957) von MichailŠolochov. Diejeweilsnach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Werke derdeutshen und der UdSSR-Schriftstellerwerden dabei auf ihre historischen Hintergründe, stilistischen Besonderheiten und pädagogischen Potenziale hin untersucht.Zielder Arbeit ist es, in einer vergleichenden Analysedas zentrale Nachkriegsmotiv des Kriegsheimkehrers zu analysieren. Dabei gilt es sowohlGemeinsamkeitenals auchUnterschiedeim Prozess der literarischen Aneignung von Nachkriegserfahrungen beider Nachkriegsgesellschaften zu identifizieren. Im Mittelpunkt meiner kulturwissenschaftlich ausgerichteten Textanalyse stehen somit weniger die vom Krieg beeinflussten Fremdbilder alsvielmehrdie Auseinandersetzung beider Gesellschaften mit der Nachkriegssituation, wie sie sich in den literarischen Werken der jeweiligen Kultur widerspiegeln.

Das Erkenntnisinteresseder vorliegenden Arbeit konzentriert sichentsprechendauf die Möglichkeiten des interkulturellen Vergleiches des Heimkehrermotivs in den einschlägigen Prosawerken nach dem Zweiten Weltkrieg zweier kulturell heterogener Staaten.Die Schwerpunkteder vorliegenden Promotionsarbeit liegen in dem Versuch einer interpretatorischen Neuperspektivierung des Heimkehrermotivs in derNachkriegsprosa derTri-/Bizone bzw. jungen BRDundderUdSSR in der Periode zwischen 1945 und 1957. Um eine detaillierte Textanalyse zu ermöglichen, wurden dabei statt vollständiger Durchsicht des gesamten literarischen Marktes in der jungen BRDund der UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg nur einige signifikante Texte genauer untersucht.

Die Behandlung der literarischen Texte erfolgt inder vorliegendenliteraturwissenschaftlich ausgerichteten Arbeitauf der Grundlage einer kulturwissenschaftlich orientierten Literaturtheorie, entwickelt aus der Tendenz der letzten Jahrzehnte des 20.Jahrhunderts zu einer zunehmenden Kontextualisierung wissenschaftlicher Literaturbetrachtung. Birgit Neumann und Ansgar Nünning (vgl. 2006, S. 11) weisen in diesem Zusammenhang auf das hieraus resultierende Verständnis von einem literarischen Text als „kulturellemText“ hin. Die vorliegende Arbeit orientiert sich an der weit gefassten Konzipierung des Begriffs „Kontext“ von Lutz Danneberger. Dabei gilt ein Kontext als „Menge der für die Erklärung eines Textes relevanten Bezüge“(vgl. 2000, S. 333).

Der Vergleich der für die Dissertation ausgewählten literarischen Texte eröffnete einen zusätzlichen Horizont der Motivanalyse und erforderte die Anwendung der komparativen Arbeitsmethode.Die UntersuchungliterarischerMotiveals strukturbildenderund bedeutungstragenderTextelemente, welche intertextuelle sowie intermediale Bezüge zwischen den literarischen Texten bzw. zwischen dem Text und anderen kulturellen Medien erzeugen, zähltdabei zu den etablierten Arbeitsmethodender Komparatistik (vgl. Zymner/Hölter, 2013, S. 124). Die komparative Arbeitsmethode legitimiert demzufolge den Vergleich des Heimkehrermotivs in der deutschen Prosa nach 1945 mit demanderer europäischer Literaturen, etwa der UdSSR-Literatur, und dies unter Berücksichtigung der gesamteuropäischen Motivgeschichte. Neben der Darbietungsweise des Heimkehrermotivs untersucht das vorliegende Dissertationsprojekt komparatistisch ebenfalls diskursive Motive der Nachkriegszeit, und zwar in ihrer übergeordneten Rolle als Kulturartefakte und Reflexionsfolien für einen kulturellen Vergleich. Die komparatistische Methode der Textinterpretation soll zu einer übergeordneten literarisch-historischen Sinnbildung beitragen, indem die literarischen Texte in einem den Rahmen einer Kulturübergreifendenhistorischen Kontext betrachtet werden.

Darüber hinaus erfolgt in dervorliegenden Arbeit ein literarisch-typologischerGattungsvergleich. DieGattungen Kurzgeschichte und Erzählungwerdenin ihrer literarischen Ausformung und ihren Funktionen im Nachkriegsdeutschland und der UdSSR dargestellt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die gattungstheoretischen bzw. -geschichtlichen Fragen zu dem zentralen Bereich der Komparatistik gehören (vgl. ebd., S. 100). Literarische Gattungen werden aus der Sicht der komparatistischen Betrachtung nicht nur in ihren kategorisierten strukturellen Kriterien denen anderer Gattungen gegenübergestellt, sondern zudem wird auch komparatistisch auf die soziologische und historische Problematik wie bspw. die Funktionen verschiedener Gattungen sowie die kulturgeschichtlich bedingte Instabilität der jeweiligen Gattung in unterschiedlichen Literaturen eingegangen (vgl. ebd., S. 100, 102).

Den Beginn der Untersuchung markiert dieArbeitshypothese, dass die Darstellung der Kriegsheimkehrer in der deutschen und UdSSR-Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg trotz aller Differenzen der gesellschaftlichen und kulturellen Situation beider Länder bemerkenswerte Gemeinsamkeiten aufweist.DieHypothese bezüglich eventueller Gemeinsamkeiten in der Darstellung des Motivs des Kriegsheimkehrers in unterschiedlichen Kulturen wird durch die Transkulturalität des Motivs als solchem ermöglicht. Es handelt sich dabei um ein beständigesSituations- undGeschehensgefüge, welches in den Kunstwerken verschiedener Kulturen in mehr oder weniger abgewandelter Form vorkommt (vgl. Nürnberg/Sembritzki, 1984, S. 97).

Meine Arbeitshypothese rekurriert dabei auf die Vorstellung, dass die Darstellung der Heimkehr aus dem Krieg nicht ausschließlich auf den konkreten historischenEreignissen aufbaut, sondernvon der Spezifik des jeweiligen Kriegsausgangs unabhängige, für alle mit einer Kriegssituationund deren Folgenkonfrontierten Gesellschaften gemeinsameMustererkennen lässt.

Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel, in denen sowohl die Eigentümlichkeit der deutschen undderUdSSR-Nachkriegsliteratur herausgearbeitet als auch die Arbeitshypothese einer Prüfung unterzogen wird.

Auf vorliegendeEinleitung folgen einige theoretische Erläuterungen zur Begrifflichkeit. Diese richten sich auf die wissenschaftliche Methode der komparativen Literaturwissenschaft und die kulturwissenschaftliche Theorie, welchebeim Verfassen dieserArbeit Anwendung fanden. Der Schwerpunkt der Behandlung der Texte aus der Nachkriegszeit liegt in der Akzentuierung der historischen und kulturellen Kontexte, vor deren Hintergrund die Motivik der Nachkriegsdichtungen zu interpretieren ist. Nach einem Überblick über den Stand der Forschung in Bezug auf die Heimkehrerthematik der Nachkriegswerkeder deutschenTri-/Bizoneund der UdSSRwird abschließend die Geschichte des Heimkehrermotivs kurz vorgestellt.

Das erste Kapitelbefasst sich mitden Nachkriegserzählungen dersowjetrussischenLiteratur. Dabei wird die Spezifik des in der damaligen UdSSR in allen Künsten dominierenden Stils des sozialistischen Realismus näher betrachtet. Das Ergebnis zeigt, wie Jutta Scherrer (vgl. Scherrer, 2004, S. 621f.) formuliert, dass die sowjetische Geschichte, unter anderem die Erinnerungsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, „wie kaum in einem anderen Lande“ instrumentalisiert wurde. Die Kriegstraumata der Heimkehrer wurden zugunsten des Konstruktes vom Siegermythos verschwiegen, Zeugnisse des Patriotismus der UdSSR-Soldaten während des Krieges als Kampf für das sowjetische soziale System uminterpretiert (vgl. ebd.). Der zweite Teil des Kapitels beinhaltet die detaillierte Betrachtung des Heimkehrermotivs in den Erzählungen „Rückkehr“ (1946) von AndrejPlatonovsowie „Ein Menschenschicksal“ (1956–1957) von MichailŠolochov.

Mit den Spezifika derwestdeutschen Heimkehrerliteraturnach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt sichdas zweite Kapitel. Hierzu wird der historische Hintergrund der Entstehung der Heimkehrerliteratur detailliert dargestellt undunter Berücksichtigung der besonderen historischen SituationderTri-/Bizoneverdeutlicht. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Kontinuitäts- und Diskontinuitätslinien in der Entwicklung der deutschen Literatur nach 1945. Das Kapitel stellt im Weiteren die durch die deutschen Literaten unternommene Unterscheidung zwischen den Autoren der „jungen Generation“ und den Autoren der „inneren Emigration“ vor. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei auf der Betrachtung der Herausbildung der „Kahlschlagliteratur“ mit ihren Manifesten für Spracherneuerung und wirklichkeitsgetreuer Darstellung. Der zweite Teil des Kapitels konzentriert sich auf die Besonderheiten der Darstellung des Heimkehrermotivs in den ausgewählten Kurzgeschichten von Heinrich Böll und Wolfgang Borchert als den bedeutendsten Kurzgeschichtenautoren im Nachkriegsdeutschland.

Im dritten Kapitelwird das Motiv des Kriegsheimkehrers in den ausgewählten Texten westdeutscher und UdSSR-Autoren vergleichend analysiert. In den Vordergrund der Motivbetrachtung rücken dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der literarischen Umsetzung des Heimkehrermotivs in beiden Nachkriegsgesellschaften. Dabei wird die Position der behandelten Texte im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext – Kanonisierung versus Ausschluss und Verbannung – berücksichtigt.

Abschließend folgt eine Zusammenfassung zur Aktualität der Heimkehrerliteratur und ihrer humanistischen Ausrichtung. Eine vergleichende Untersuchung der Nebenmotive und rhetorischen Mittel bei der literarischen Darstellung der Kriegsheimkehrerfiguren ermöglicht einerseits einen tieferen Einblick in die Nachkriegserfahrungen der betroffenen Gesellschaften.Zum anderen ermöglicht eine vergleichende Analyse die Identifizierungder in diesen Gesellschaften gemeinsam gültigen Schemata im Erinnerungsbild an die Heimkehr aus dem Krieg.

Im vierten Kapitelstehen die wichtigsten Elemente der stilistischen und strukturellen Gestaltung der Gattungen „Kurzgeschichte“ und „Erzählung“ zur Diskussion. Die komparative Analyse der Werke orientiert sich an folgenden Richtlinien: Besonderheiten der Erzählperspektive; strukturelle Merkmale der Texte, insbesondere kontrastive Gegenüberstellung der Besonderheiten des Textanfangs und Textendes in Kurzgeschichte und Erzählung; Raum- und Zeitgestaltung der jeweiligen Gattung, sowie diesprachliche Darstellung, unter anderem der Einsatz vonWiederholungen unddieVerwendungvonUmgangssprache. In Bezug auf die Figuren der Texte wird untersucht, wie durch deren Handeln, Sprache und äußere Merkmale ihre Charakterzüge explizit oder implizit beschrieben werden; ebenfalls ermittelt wird der Grad der Typisierung bzw. Profilierung der Charaktere.

Abschließenderfolgt eine Zusammenfassung der komparativen Untersuchung des Heimkehrermotivs in derNachkriegsliteraturder Tri-/Bizone bzw. jungen BRD nach dem sog. Dritten Reich und der spät- bzw. unmittelbar poststalinschen UdSSR nach dem sog. Großen Vaterländischen Krieg.

Begriffsbestimmungen und Untersuchungsschwerpunkte

In dervorliegendenStudieerfolgt die Behandlung von literarischen Texten auf der Grundlageder kulturwissenschaftlichen Literaturtheorie oder sogenannter cultural studies. Seit Ende der 1950er-Jahre kam es zum cultural turn, d.h. demZusammenschluss verschiedener Traditionen der Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Soziologie, Ethnologie sowieGeschichtswissenschaft(vgl. Kimmich, 2008, S. 494).

Diese Entwicklung führte zur Modifikation des literaturwissenschaftlichen Paradigmas, welches seit den letzten Jahrzehnten literarische Texte vermehrt im Rahmen des historisch-sozialen Kontextes ihrer Entstehung bzw. ihrer Rezeption betrachtet. Literarische Texte stellen folglich, so Baasner (vgl. 2001, S. 16), kulturgeschichtliche Quellen dar, welche „in ihrer zeitgenössischen Lebenswelt verankert“ sind, „das kollektive Wissen“ ihrer Zeit nicht nur widerspiegeln, sondern auch sichtbar machen und sogarmiterschaffen sowie Informationen über Habitus, Denkweisen und Lebensverhältnisse ihrer Epocheliefern(vgl. ebd., S. 29). Außerdem, so Michael Neumann, stellen fiktionale Werke der jeweiligen Epoche in einigen Fällen die dem öffentlichen Diskurs entgegengesetzten, unausgesprochenen oder unbewussten Einstellungen, Emotionen und Denkweisen dar und artikulieren damit unterschwellige Ängste und Hoffnungen der Zeitgenossen (vgl. Neumann, 2009, S. 236).

Unter Kultur versteht sich in der vorliegenden Arbeit

der von Menschen erzeugte Gesamtkomplex von Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Werten und Bedeutungen, […] der sich in Symbolsystemen materialisiert (Nünning/Sommer, 2004, S. 18).

Eine solche kontextualisierende Betrachtung der Kultur ist insofern von Bedeutung,alssie „die Kulturgüter“ einer Nation, in welchen sich ihre Kultur manifestiert, als materiell verdichtete Gesamtheit „kulturell geprägter Werte, Normen, Weltanschauungen und Kollektivvorstellungen“ interpretiert und die Kategorien der Mentalität und des kulturellen Gedächtnisses sowie die in der jeweiligen Nation dominanten „Deutungsschemata sozialer Wirklichkeit“ in die literarische Textanalyse miteinfließen lässt (vgl. ebd., S. 19)[1].

Die vorherrschenden Transfermodi zwischen literarischen Texten und ihrem kulturellen Kontext, so Neumann und Nünning (vgl. 2006, S. 15f.), sind „Formen von Intertextualität im weitesten Sinne, d. h. verschiedene Spielarten der Intermedialität und Interdiskursivität“, welche sich als Neuperspektivierungen von Zitaten, Gattungsmustern oderHandlungsstrukturen aus kulturellen Prätexten offenbaren.Bei demMotivhandelt esum eine Geschehenseinheit, welche in verschiedenen Kunstwerken in modifizierter, aber erkennbarer Form auftritt. Eben solche kulturspezifischen und kontextbezogenen Konfigurationen des Motivs des Kriegsheimkehrers in der deutschen und UdSSR-Nachkriegsliteraturnach 1945stehenim Mittelpunkt derfolgendenBetrachtungen.

Ein konstruktivistischer Kulturbegriff erlaubt es, literarische Motive als integrativen Teil des Kulturprogramms einer Gesellschaft in erster Linie als „menschliche Konstrukte“ aufzufassen und zu bewerten (vgl. Nünning/Sommer, 2004, S. 18). Für das hier untersuchte Motiv des Kriegsheimkehrers in der Nachkriegsprosader Tri-/Bizone bzw. jungen BRDund der UdSSR rückt dabei seine Funktionfür dieAneignung, Gestaltung und Inszenierung von kollektivem Gedächtnis und Erinnerung (vgl. Erll/Nünning, 2005, S. 190) in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg in den Vordergrund. Eine Zusammenstellung der Modi der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in den deutschen und UdSSR-Kulturen, welche in den literarischen Texten der jeweiligen Gesellschaft ihren Ausdruck fanden, bringt die kulturspezifischen Vergangenheitsversionen (vgl. Oesterle, 2009, S. 9) ans Licht. Das Narrativ über die unmittelbare Nachkriegszeit wird in vorliegender Arbeit als „Interpretationskonstrukt“, als eine bewusste Auswahl eines bestimmten Blickwinkels wahrgenommen (vgl. Wertgen, 2001, S. 135) und dementsprechend als solcheskontextuell behandelt.

Überdies offenbart das Motiv des Kriegsheimkehrers nach dem Zweiten Weltkrieginsofernein besonderes Interesse,alsmit seiner Hilfe das „Nicht-Artikulierte“ (vgl. Erll/Nünning, 2005, S. 188) einer Gesellschaft in Bezug auf die Situation einer Heimkehr aus dem Krieg erschlossen werden kann.Damitwerden „implizite,d. h. nicht-intentionale und nicht diskursiv verfasste Ausprägungen kultureller Erinnerung“ erleuchtet, welche durch ihre narrative Inszenierung erkennbar werden (vgl. ebd., S. 198).

Nebender zentralen Stellung der Kultur im Rahmen des vorliegenden Dissertationsprojektes ist an dieser Stelle auf die kulturübergreifenden universellen Kategorien in Bezug auf die Besonderheiten des Heimkehrermotivs einzugehen. Dabeigilt es auch, das Bild eines verletzbaren und verletzten Menschen, dargestellt in den Texten der Nachkriegsliteratur, zu thematisieren.Vor diesem Hintergrund müssen bei der vergleichenden Betrachtung des Heimkehrermotivs auch die Erkenntnispotenziale psychologischer Forschungen in Bezug auf die während des Krieges zugefügten physischen und psychischen Traumata berücksichtigt werden.

Es wirdalsoeine Erklärung nötig, welche den Begriff des „psychischen Traumas[2]“in Bezug zu dem literarischen Heimkehrermotiv setzt. Zum einen stellen die physischen, aber auch psychischen Traumata eine Quintessenz der Kriegserfahrungen der unmittelbar oder auch mittelbar Betroffenen[3]dar. Zum anderen sind kulturelle Artefakte, unteranderem literarische Texte, geeignete abgrenzbare Mittelzur Benennung, Deutung oder Konvertierung destruktiver Erfahrungen (vgl. Wertgen, 2001, S. 136), darunter der des Krieges. Eine zusätzliche Perspektive auf die in dieser Arbeit behandelten Nachkriegstexte ist darüber hinaus durch die Tatsache bedingt, dass die hier behandelten Nachkriegsautoren selbst zu denunmittelbaren Opfern bzw. Teilnehmerndes Krieges zählten. Ihre narrativ verfassten Darstellungen unmittelbarer Nachkriegszeit machen dabei die Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung und Konstruktion der Nachkriegswirklichkeit durch ehemalige Kriegsteilnehmer bzw. -zeugen beider Kulturen und die dafür prägende Rolle der vorangehenden Kriegserfahrungen entzifferbar. Mit Ulrich Müller (vgl. 2001, S. 95)istanzumerken, dass die Geschichte eine wechselseitige Bestimmung von individuellem und kollektivem Gedächtnis ist. Aus dieser Perspektive kanndie Hypothese formuliert werden, dassdie Bedeutung traumatischer Kriegserfahrungen jedes Einzelnen für die Kollektivgeschichte erkannt und exponiert werdenkann.

Abschließend möchte ich die Aussage von Theodor W. Adorno aus seinem Werk „Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben“ zitieren, welche das übergeordnete Ziel der vorliegenden Arbeit illustriert:

Sowenig der Krieg Kontinuität, Geschichte, das ‚epische‘ Element enthält, sondern gewissermaßen in jeder Phase von vorn anfängt, sowenig wird er ein stetiges und unbewusst aufbewahrtes Erinnerungsbild hinterlassen. (Adorno [1951], hier 1962, S. 63)

Das Anliegen dieser Arbeit besteht somit in der Aktualisierung des „Erinnerungsbildes“ (vgl. ebd.) an die unmittelbaren und mittelbaren Opfer des Zweiten Weltkrieges, das einen Beitrag zum besseren Verständnis beider Kulturen und derenspezifischer und gleichzeitiggeteilter Geschichte leistet.

Begründung der Textauswahl der deutschen und UdSSR-Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg

Die vorliegende Arbeit will keinen Überblick über die Literatur der Nachkriegszeit in Deutschland und der UdSSR bieten, sondern beschränkt sich auf den Vergleich des Heimkehrermotivs in den genannten signifikantenliterarischenTexten, in welchen die verschiedenen Facetten des Zurückkehrens aus dem Krieg gestaltet sind. DiefolgendeBegründung der Textauswahl der vorliegenden Arbeit soll die Besonderheiten in der Darstellung des Heimkehrermotivs bei denausgewählten Autoren vor der Kontrastfolie des gesamten literarischen Kontexts in Westdeutschland und der UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg nachvollziehbarmachen. Demzufolge wird auf einige exemplarische literarische Texte der deutschen und UdSSR-Literatur nach 1945 hingewiesen.

In Westdeutschland erfuhr das Heimkehrermotiv nach dem Zweiten Weltkrieg einen bedeutsamen Wandel.Im westdeutschen Raum wurde nach 1945 der antiheroische Kriegsdiskurs infolge des Bewusstwerdens der geschehenen Katastrophe hervorgehoben.Dies betrifft in erster Linie die deutschen Kriegsheimkehrer,denn geradedie deutschen Soldatenwarenvon der Desillusionierung und Entmystifizierung des Krieges betroffen. Die literarische Manifestation des Motivs war bei vielen Autoren der Nachkriegszeit durch die Schilderung des Außenseitertumsin der Nachkriegsgesellschaftund der innerlichen Verwüstung der Kriegsheimkehrer gekennzeichnet.Die Besonderheit des sozialhistorischen Kontextes im Nachkriegsdeutschland zeigt sich in einem zeitspezifischen Heimkehrerbild, welches sich bspw. in der Darstellung der posttraumatischen Erschöpfung und sozialen Isolation der Kriegsheimkehrer offenbart.

In der UdSSR verdrängte das Konzept des heilig-patriotischen und heroisch konnotierten Großen Vaterländischen Krieges die Auffassung des Zweiten Weltkrieges als globale postheroische Katastrophe sowie die persönlichen Geschichten der Verluste und Bestürzungen, obwohl die damalige UdSSR, eine der Siegermächte im Zweiten Weltkrieg, besonders hohe Verluste an Menschen, ca. 27 Millionen, erlitten hatte(vgl. Filippov, 2007, S. 20f.).Ein solchespatriotisch heroischesDenkkonzept entwickelte sichdabeimithilfe vonmassiverPropaganda in denzentral gesteuertensowjetischen Medien sowie durch dieBildungsinstitutionen.Dielatenten Auswirkungendieses Uniformitätsgebotessind zum Teil weiterhin im postsowjetischen Raum zu spüren.

Die sowjetischen Nachkriegsautoren sowie die Autoren der UdSSR-Einflusszonen wurdendurch den sowjetischen autoritären Staatsapparatin hohem Ausmaßindoktriniert und bevormundet. Andererseits gewannen die Texte sowjetischer Schriftsteller jener Zeit mangels gedruckter Soldatenmemoiren auf dem Territorium der UdSSRzusätzlichan Autorität und Plausibilität.Insbesondereführte dieverschärfte Kontrolleliterarischer Texte durch die staatliche Zensur in der unmittelbaren Nac

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