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Dieses Buch gibt dem Interessenten auf der Ebene der aktuellen technischen Regeln eine Einführung in den Abwehrenden und Anlagentechnischen Brandschutz und versetzt ihn so in die Lage, die brandschutztechnischen Maßnahmen im Rahmen einer ganzheitlichen Gebäudeplanung sinnvoll einzubeziehen. Die Art und Tiefe der Darstellungen ist so gewählt, dass sich der Leser unschwer ein Verständnis für Inhalte und Zweck des Regelwerkes erarbeiten kann. Rezension >>Aufgrund der Beschreibungen, der Abbildungen, der Tabellen und - wo notwendig - auch Berechnungsbeispiele kann sich der Interessierte schnell in die Thematik einarbeiten. So eignet sich das Werk gut, um sich einen kompakten Überblick über Aspekte des anlagentechnischen Brandschutzes zu verschaffen.<< BRANDSCHUTZ - Deutsche Feuerwehr-Zeitung
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Seitenzahl: 1204
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Hans-Joachim Gressmann
Abwehrender und Anlagentechnischer Brandschutz
Maßnahmen für den Brandschutz und die Brandbekämpfung bei Planung, Errichtung und Betrieb von Bauwerken
Umschlagabbildungen (von links nach rechts): © Calanbau Brandschutzanlagen GmbH, © AA+W - stock.adobe.com, © studio v-zwoelf - stock.adobe.com
DOI: 10.24053/9783816985273
© 2022 • expert verlag GmbH Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Wiedergegeben mit Erlaubnis des DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Auszüge aus DIN VDE 0833-2 (VDE 0833 Teil 2):2004-02 sind für die angemeldete limitierte Auflage wiedergegeben mit Genehmigung 162.007 des DIN Deutsches Institut für Normung e. V. und des VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.. Für weitere Wiedergaben oder Auflagen ist eine gesonderte Genehmigung erforderlich. Maßgebend für das Anwenden der Normen sind deren Fassungen mit dem neuesten Ausgabedatum, die bei der Beuth Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin erhältlich sind.
Internet: www.expertverlag.deeMail: [email protected]
E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ISBN 978-3-8169-3527-8 (Print)
ISBN 978-3-8169-0054-2 (ePub)
Dieses Buch entstand aus einer Vorlesung zum Abwehrenden und Anlagentechnischen Brandschutz, die der Verfasser für Studenten des Bauingenieurwesens mit der Vertiefungsrichtung Brandschutz seit vielen Jahren an der Technischen Universität Carola Wilhelmina in Braunschweig hält. Daneben zeigte die ehemalige berufliche Tätigkeit des Autors als Leiter einer Feuerwehr, dass die am Bau planerisch und ausführend beteiligten Ingenieure nicht immer über die Möglichkeiten, die ihnen der Anlagentechnische Brandschutz für ihre ganz originären Aufgabengebiete eröffnet, ausreichend informiert sind. Von der Brandschutzbehörde geforderte anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen werden als lästige Pflichtübung zur Erlangung der Baugenehmigung verstanden, die darüber hinaus noch Kosten verursacht.
Dieses Buch gibt dem Interessierten auf der Ebene der technischen Regeln eine Einführung in den Abwehrenden und Anlagentechnischen Brandschutz und versetzt ihn so in die Lage, die brandschutztechnischen Maßnahmen im Rahmen einer ganzheitlichen Gebäudeplanung sinnvoll einzubeziehen. Die Art und Tiefe der Darstellungen ist – losgelöst von den Gestaltungsrichtlinien von Normen – so gewählt, dass sich der Leser unschwer ein Verständnis für Inhalte und Zweck des technischen Regelwerkes erarbeiten kann. Damit wird es auch für den nur gelegentlich mit Brandschutztechnik befassten Ingenieur möglich, die so ungeliebten brandschutztechnischen Forderungen nachzuvollziehen. Bei Bedarf kann dieses Buch nicht nur für Studierende, sondern auch berufsbegleitend für Feuerwehr- und Brandschutzingenieure als Nachschlagewerk seine Dienste leisten, ohne dass in jedem Fall auf das umfangreiche und komplexe Normenwerk zurückgegriffen werden muss.
Für die vorliegende sechste Auflage dieses Buches wurden alle Kapitel aktualisiert. Einige Punkte wurden aufgrund der Fortentwicklung der zu Grunde liegenden technischen Regeln und neuerer Entwicklungen vollständig überarbeitet und zum Teil wesentlich ergänzt, darunter Übertragungswege von Brandmeldeanlagen, Kleinlöschanlagen, Rauchschutz-Druckanlagen, Kühlungseinrichtungen, Objektfunkanlagen. Neu entstanden sind Abschnitte zur Wirksamkeit und Zuverlässigkeit abwehrender und anlagentechnischer Brandschutzmaßnahmen, zur Wartung und Instantsetzung der Anlagen, zu Brandwarnanlagen, Monitorlöschanlagen und Instantschaumlöschanlagen. Ergänzend wurden in das nunmehr vollständig farbig vorliegende Werk Fotografien verschiedener Anlagen und Anlagenkomponenten eingefügt.
Möge dieses Werk allen Lesern bei ihrer Arbeit von Nutzen sein. Für Anregungen und Wünsche, aber auch Kritik, ist der Autor stets dankbar.
Braunschweig, im Januar 2022
Hans-Joachim Gressmann
Seit der Mensch das Feuer für seine Zwecke einsetzt, hatte er sich immer auch mit dessen zerstörerischer Seite auseinanderzusetzen. Da der Einzelne dem zerstörerischen Wirken dieser Urgewalt in der Regel hilflos gegenüberstand, entstanden bereits früh in der Geschichte der zivilisierten Menschheit Vereinbarungen, sich bei derartigen existenzbedrohenden Ereignissen gegenseitig zu helfen. In der Weiterentwicklung wurden organisatorische Einheiten gegründet, deren Aufgabe es in erster Linie war, sich mit der Verteidigung des Lebens und des Hab und Gutes der Menschen vor Feuersgefahr zu befassen.
So ist nachgewiesen (siehe z.B. Biegel [1.1] und darin aufgeführte weiterführende Literatur), dass bereits um die Zeitenwende im antiken Rom Brandschutzin der AntikeVorschriften des Staates bestanden, die sich unter anderem auf die Bauweise von Häusern, das Bereithalten von Löschmitteln und die Aufstellung von Brandbekämpfungseinheiten bezogen. Im Rom des Jahres 21 v. u. Z. verfügte Kaiser Augustus die Aufstellung einer Löschmannschaft von 600 Mann, die im Jahre 6, nach einem verheerenden Brand auf 7000 Mann aufgestockt und straff organisiert wurde. Diese Brandbekämpfungseinheiten, die sog. „Vigiles“, sind aus heutiger Sicht als erste Berufs- und Freiwillige FeuerwehrFeuerwehrin der AntikeVorbeugender Brandschutzin der Antikeen zu klassifizieren (Biegel [1.1]), während die Bauvorschriften die Anfänge des heute so bezeichneten Vorbeugenden Brandschutz darstellten. Andere Autoren vermuten die Anfänge eines aus der Gesellschaft organisierten Brandschutzes noch viel früher, im antiken Babylon, und zitieren den Codex Hammurabi (entstanden um 1760 v. C.) als historische Quelle.
Wie kam es nun dazu, dass anscheinend parallel zum Aufkommen größerer menschlicher Ansiedlungen der organisierte Brandschutz an Bedeutung gewann? Man muss sich hierzu vergegenwärtigen, dass die Häuser selbst in den Metropolen der Antike im Wesentlichen aus, wie wir heute sagen würden, normal entflammbaren Baustoffen, nämlich Holz, bestanden und mit leicht entflammbaren Baustoffen wie Stroh, Reisig etc., gedeckt und ausgefacht waren. Selbst kleine Brände wuchsen sich daher nicht selten zu verheerenden Feuersbrünsten aus, die nicht nur die Häuser der Menschen, sondern auch häufig deren Lebensgrundlage, gelagerte Vorräte und Werkzeuge vernichteten. Diese existenzielle Bedrohung, die potenziell von jedem außer Kontrolle geratenen Feuer ausging, könnte einer der Gründe dafür gewesen sein, dass Brandschutz schon recht früh als ein Problem begriffen wurde, das die Grundlagen einer gesamten Lebensgemeinschaft bedrohte und dessen Abwehr die Lebensgemeinschaft daher einvernehmlich vorzubereiten und gemeinsam durchzuführen hatte.
Mit der Fortentwicklung und dem Wachsen der Metropolen der Antike wurden die Notwendigkeit nach allgemein verbindlichen Bauvorschriften und einer schlagkräftigen Feuerabwehr in der oben geschilderten Weise als Grundlage des Zusammenlebens verstanden Brandschutzgesellschaftliche Aufgabeund die Vorschriften den sich weiter entwickelnden Erfordernissen angepasst. Bis zum Ende des Imperium Romanum 476 n. C. waren Brandschutzvorschriften und Feuerwehren fest etablierte Aufgaben des Staates geworden und sind es – mit einer gewissen Abflachung in der nachrömischen Zeit bis ca. 1.000 nach Christi – bis heute geblieben. Im Europa des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit wurden die obigen „FeuerordnungenFeuerordnungenEchtedingFeuerordnungenSachsenspiegel“, z.B. im Sachsenspiegel Anfang des 13. Jahrhunderts oder im Echteding Mitte des 14. Jahrhunderts (Nickel [1.2]), Vorbeugender Brandschutzim Mittelalterwieder aufgenommen.
Diese Verlagerung der Sicherung der Existenz vom Individuum auf die Gesellschaft kulminiert – aus der Sicht eines verantwortlichen Feuerwehroffiziers – darin, dass heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts, die meisten Menschen in den Industrienationen selbst kleineren Bränden im häuslichen oder betrieblichen Bereich nahezu hilflos gegenüberstehen. Man „ruft die Feuerwehr“, die als Helfer in der Not allein für die Bekämpfung von Bränden zuständig ist. Gleichzeitig haben die Länder in ihren Bauordnungen relativ detailliert Vorschriften über den Vorbeugenden Brandschutz erlassen.
Diese Bauvorschriften kollidieren heute nun häufig mit den Anforderungen von modernen Industriegesellschaften, die immer mehr Waren in immer größer und komplexer werdenden Funktionsstätten herstellt, lagert und vertreibt. Aus Kostengesichtspunkten sind die Eigner von Produktionsbetrieben, von Handel und Dienstleistungsbetrieben bemüht, die Kosten für Brandschutzmaßnahmen so gering wie möglich zu halten. Dies erfolgt aus rein wirtschaftlichen Überlegungen, denn die Kosten für Brandschutzmaßnahmen sind für einen Betrieb lediglich Kostenfaktoren, die über den Preis an den Kunden weitergegeben werden. Dies gilt für direkte Brandschutzmaßnahmen des Betriebes und die über die Gewerbesteuer mitfinanzierte öffentliche Feuerwehr gleichermaßen. Der Preis einer Ware aber bestimmt wesentlich ihre Absatzchancen und damit den ökonomischen Erfolg des Betriebes.
Die Dimension der Kosten von Brandschutzmaßnahmen für moderne Gesellschaften wird deutlich, wenn man sich einige statistische Zahlen des CTIFCTIF (Comité Technique International de Prévention et d’Extinction de Feu – Internationales Technisches Komitee für vorbeugenden Brandschutz und Feuerlöschwesen) vor Augen führt (CTIF [1.3]). In Tabelle 1-1 sind für einige Industriestaaten die Kosten des Brandschutzes dargestellt.
Kosten des Brandschutzes sind grundsätzlich die folgenden Kosten (nicht alle davon werden in allen Ländern vollständig erfasst):
die direkten Brandschäden
(durch Vernichtung von Immobilien, Ausstattung und Einrichtung und den Verlust von Menschenleben),
die indirekten Brandschäden
(für Produktionsausfall, Marktanteilsverluste, Kosten für Ausgleichsmaßnahmen, Gesundheitskosten für Brandverletzte),
die Kosten für den Unterhalt der Feuerwehren
(öffentliche Feuerwehren und nichtöffentliche Feuerwehren,
Löschwasserversorgung, siehe Kapitel 2 bis 4),
Kosten für den brandschutztechnischen Schutz von Gebäuden
(d.h. für den Vorbeugenden baulichen Brandschutz und den Anlagentechnischen Brandschutz, siehe Kapitel 5 bis 13),
die Kosten für die Feuerversicherungen und Betriebsausfallversicherungen,
die Kosten für Brandschutzforschung und Brandschutzdokumentation.
Land
Tote je 1 Million Einwohner und Jahr Ø 2011-20151)
Kosten des Brandschutzes Ø 2008-2010 in % des Bruttoinlandsproduktes (BIP)1) 3)
direkter Schaden
indirekter Schaden
Kosten der Feuerwehren
Vorbeugender Brandschutz
Feuerversicherung
Belgien
5,5
0,43
0,133
0,16
0,21
0,26
Dänemark
10
0,29
0,048
0,1
0,41
0,12
Schweiz
5,2
0,18
0,079
0,11
0,37
0,15
Norwegen
10
0,33
0,019
0,14
0,33
0,13
Großbritannien
5,8
0,13
0,008
0,20
0,29
0,10
Schweden
10
0,18
0,06
0,13
0,20
0,05
Niederlande
4,6
0,15
0,031
0,21
0,31
0,15
Italien
3
0,20
0,015
0,06
0,35
0,04
Frankreich
5,4
0,2
0,043
0,08
0,15
0,12
Finnland
13,3
0,17
0,011
0,19
-
0,03
Österreich
3,2
0,19
0,029
0,11
-
0,14
Deutschland4)
4,72)
0,12
0,014
0,07
-
0,08
USA
9,9
0,1
0,007
0,29
0,29
0,12
1) Kursiv: ältere Daten
2) Tote infolge von Bränden in Deutschland Ø 2011 bis 2015: 389 ([1.3], [1.4])
3) BIP = Wert aller in einem Jahr produzierten Waren und Dienstleistungen
4) BIP Deutschland 2020: ca. 3336 Mrd. € (nach [1.5]) Kostendes BrandschutzesBrandschutzKosten des ~es
Kosten des Brandschutzes in verschiedenen europäische Ländern und der Vereinigten Staaten (zusammengestellt nach [1.3])
Brandtotein EuropaSoweit eine generalisierte Aussage aufgrund der zitierten Statistiken möglich ist, betragen die Gesamtkosten des Brandschutzes (ohne Kapitalisierung von Menschenleben) durchschnittlich ca. 0,7 % des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes. Geht man davon aus, dass dieses in etwa auch für Deutschland zutrifft (hier sind leider keine Daten zum Vorbeugenden Brandschutz verfügbar), wären dies heute mindestens
22 Milliarden Euro pro Jahr. Dieser Betrag setzt sich in etwa aus folgenden Anteilen zusammen:
ca. 30 % direkter Brandschaden,
ca. 3 % indirekter Brandschaden,
ca. 16 % für die Unterhaltung von Feuerwehren,
(ca. 35 % für den brandschutztechnischen Schutz von Gebäuden und Anlagen – geschätzt),
ca. 16 % für Feuerschutzversicherungen.
Weitere Daten und Interpretationen der weltweiten Brandstatistiken findet man in [1.3] und [1.4] sowie bei Alekhin et al. [1.6].
Ein BrandBrandEntwicklung ist ein SchadenfeuerSchadenfeuer, d.h. ein Feuer, das den bestimmungsgemäßen Herd verlassen hat oder außerhalb eines solchen entstanden ist, sich unkontrolliert ausbreitet und an Personen oder Sachen Schaden verursacht. Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist ein Feuer eine schnell erfolgende exotherme Oxidation, die nach der Zündung selbständig und unter Lichterscheinung (Flammen, Glut) erfolgt und die allgemein als Verbrennung bezeichnet wird (weitere Erläuterungen zu dem Phänomen Feuer und den Voraussetzungen für sein Entstehen enthält der Anhang 1).
Schadenfeuer in Gebäuden, bei denen im Wesentlichen Feststoffe verbrennen, haben nach der ZündungZündung idealisiert den in Abbildung 1-1 dargestellten Verlauf (zur Theorie der Zündung siehe z.B. Busenius [1.6] oder Kanury [1.9]). Nach der Initialzündung entwickelt sich der zuerst kleine Brand zunächst mit Brandleistungen unter ca. 20 kW/m² relativ langsam (ZündphaseZündphase) und heizt dabei lediglich seine unmittelbare Umgebung auf. Die durchschnittlichen Temperaturen im Brandraum sind noch recht gering (ca. 50oC).
Soweit brennbare Stoffe in der unmittelbaren Umgebung vorhanden sind, werden diese durch den Initialbrand thermisch aufbereitet (siehe Anhang 1) und nehmen schließlich am Brandgeschehen teil. In dieser Phase des Entstehungsbrandes reicht zunächst die im Brandraum vorhandene Luft für die Verbrennung aus, da die Abbrandrate (gemessen in verbrannter Stoffmenge pro Sekunde: kg/s) und damit die Brandleistung weiterhin noch klein sind (ca. 20 kW/m² bis ca. 50 kW/m²). Diese Brandphase wird als GlimmbrandGlimmbrand- oder SchwelbrandSchwelbrandphase bezeichnet. Die Dauer dieser Phase hängt von einer Vielzahl von Randbedingungen ab. Dazu gehören die Größe und Temperatur der Zündquelle; Art, Menge, Zerteilungszustand und räumliche Verteilung, Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit der brennbaren Stoffe; Temperatur im Brandraum – auch vor der Zündung; Größe vorhandener Lüftungsöffnungen, Temperatur und Feuchte der zuströmenden Luft; Ausrichtung der Oberflächen in Relation zur Flamme, u.a.m. (siehe hierzu Bussenius et al. [1.6], Rempe/Rodewald [1.10], Schneider et al. [1.11], Ohlemiller [1.12], Hölemann [1.13]). Die Schwelbrandphase kann von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden dauern. Die Brandraumtemperaturen erreichen im Allgemeinen ca. 100oC bis 200oC.
Ablauf von Feststoffbränden in Gebäuden – schematisiert – Erläuterungen im Text (Hinweis: die Achse Brandleistung ist zwischen 200 kW und 5000 kW gestreckt)
Brandleistungvon FeststoffbrändenNachdem der Brand den im Raum vorhandenen Sauerstoff weitgehend aufgezehrt hat, hängt der weitere Brandverlauf entscheidend von der LuftzufuhrLuftzufuhr und der bis dahin erreichten Temperatur ab. Sofern der Raum weitgehend abgeschlossen ist, wie es z.B. in Wohngebäuden, Bürogebäuden etc. häufig der Fall ist, kann der Brand unter Umständen sogar erlöschen. Sofern dies nicht geschieht, wird der Raum durch die Brandwärme immer weiter aufgeheizt (ca. 300oC bis 500oC), so dass vorhandene brennbare Stoffe pyrolisiert werden und brennbare Gase freisetzen (siehe z.B. bei Beyler et al. [1.14]). Diese PyrolysePyrolysebrennbarer Stoffegase sammeln sich im Raum, können jedoch häufig auf Grund des bis dahin abgesunkenen Sauerstoffgehaltes der Luft im Brandraum nicht sofort am Brandgeschehen teilnehmen (sog. ventilationsgesteuerter Brandventilationsgesteuerter BrandBrandventilationsgesteuert). Diese Phase dauert je nach Raumgröße und Luftzufuhr etwa 10 Minuten bis 30 Minuten. Kommt es schließlich bei Temperaturen der Gase von 600oC oder mehr aufgrund der Temperaturunterschiede zum Zerplatzen von Verglasungen, oder durch Öffnen von Türen etc. zu einer verstärkten Luftzufuhr, zünden die Pyrolysegase innerhalb kurzer Zeit vollständig durch. Da der Brandraum aufgeheizt ist, kann sich der Brand sehr schnell auf alle übrigen brennbaren Stoffe ausbreiten, es kommt innerhalb von 1 bis 2 Minuten zum sog. Flashover (eine gute Darstellung dieses Vorganges findet man bei Widetscheck [1.15]), der Brand entwickelt sich zum VollbrandFlash-over. Der Flashover kann bei brandlastgesteuerten Bränden in Räumen nach ca. 10 Minuten, bei ventilationsgesteuerten Bränden bereits nach ca. 7 Minuten auftreten (Wilk et al. 2017 [1.68], [1.69]).
BrandphasenFeststoffbrand, AblaufZündphaseSchwelbrandFlash-overVollbrandAbklingender BrandDer Brand breitet sich nun schnell auf die gesamte im Brandraum vorhandene Brandlast aus, der Raum steht im Vollbrand. Die Brandleistungen erreichen in Wohn- und Bürogebäuden (die dort vorhandene BrandlastBrandlastin Wohngebäuden entspricht ca. 30 kg/m² bis 60 kg/m² Holz) im Allgemeinen bis ca. 300 kW/m², bei starker Luftzufuhr und einem hohen Kunststoffanteil an der Brandlast u.U. auch mehr ([1.11], [1.17]). So kann ein „normaler Zimmerbrand“ durchaus BrandleistungBrandleistungvon Zimmerbrändenen von 5MW bis 10MW erreichen. Die Temperaturen im Brandraum betragen in dieser Vollbrandphase ca. 800oC bis 1000oC, gelegentlich bis 1200oC. Die Dauer der Vollbrandphase ist abhängig von der vorhandenen Brandlast und der spezifischen Abbrandgeschwindigkeit der brennenden Stoffe. Wenn ein Luftüberschuss vorhanden ist (d.h., wenn die Zuluftöffnungen groß genug sind), liegt ein sog. brandlastgesteuerter Brand vor, sonst weiterhin ein ventilationsgesteuerter Brand. Sofern eine Brandausbreitung über den betroffenen Raum nicht möglich ist, weil der Raumabschluss des Baulichen Brandschutzes der Beanspruchung standhält, dauert bei Wohnräumen und Büros normaler Größe und Ausstattung die Vollbrandphase ca. 30 Minuten (vergl. bei Bechthold et al. [1.18]).
Selbst wenn keine Löschmaßnahmen erfolgen, wird der Brand, nachdem die erfassten Brandlasten im Wesentlichen aufgezehrt sind (ca. 70 % bis 80 %) und keine Möglichkeit der weiteren Ausbreitung besteht, langsam an Intensität verlieren (Abklingphase, [1.18]) und schließlich aus Mangel an Brennstoff erlöschen.
Für die brandschutztechnische Beurteilung von Bauteilen werden diese in einem Brandraum mit Temperaturkurven geprüft, die der oben geschilderten Vollbrandphase von Feststoffbränden nachgebildet sind, jedoch keine Abklingphase enthalten. Bekannt ist die in Deutschland für Bauteile angewandte Einheitstemperaturkurve TemperaturEinheits~kurvenach DIN 4102–2nach DIN4102-2 ([1.19] und Anhang 7), die zur Einstufung der Bauteile in eine Feuerwiderstandsklasse (REI30, REI90) angewandt wird.
Brände von Flüssigkeiten und Gasen verlaufen deutlich anders als oben schematisiert für FeststoffbrändeFlüssigkeitsbrände geschildert, die Brandausbreitungsgeschwindigkeit, Brandtemperaturen und die Brandleistung Brandleistungvon Füssigkeitsbrändensind im Allgemeinen (viel) höher. Bei diesen Bränden sind weitere Randbedingungen für den Ablauf ebenfalls von Bedeutung, auf die Fachliteratur wird hierzu verwiesen (Bussenius [1.7], Rempe/Rodewald [1.10], Kanury [1.20], Beyler [1.21]). Soweit bei bestimmten baulichen Anlagen Flüssigkeitsbrände in die Risikobetrachtung einbezogen werden müssen (z.B. bei Bränden in Tunneln) sind die Bauteile nach der sog. Hydrokarbonkurve zu prüfen, die dem Temperaturverlauf bei Kohlenwasserstoffbränden (z.B. Vergaserkraftstoff) nachgebildet ist (Anhang 7).
Um den von Bränden verursachten Personen- und Sachschaden zu minimieren (vergl. Punkt 1.1, insbesondere Tabelle 1-1 ), muss eine BrandbekämpfungBrandbekämpfung erfolgen. Brandbekämpfung heißt, einen Brand zunächst auf den vorgefundenen Umfang zu beschränken und schließlich zu löschen. Hierzu muss mindestens eine der folgenden Grundbedingungen für ein Feuer FeuerGrundbedingungenbeseitigt werden (siehe hierzu Punkt 14.1.4 und bei Rempe et al. [1.10]):Grundbedingungeneines Feuers
der brennbare Stoffbrennbarer Stoff
der SauerstoffSauerstoffals Brandvoraussetzung
die ZündenergieZündenergie
das richtige MischungsverhältnisMischungsverhältnisrichtiges für Feuer
Als Löscheffekte werden angewendet (Anhang 2, Rempe/Rodewald [1.10]):
Kühlen (Entfernung der Zündenergie und/oder des brennbaren Stoffes)LöscheffektKühlen
Ersticken Fernhalten des Sauerstoffes vom brennbaren Stoff)LöscheffektErsticken
Antikatalyse (Unterbrechung der chemischen Reaktion in der Flamme)LöscheffektAntikatalyse
Den Feuerwehren stehen heute im Einsatz die folgenden LöschmittelLöschmittel zur Verfügung (zur weiteren Erläuterung siehe Punkt 14.3.1 und bei Rempe et al. [1.10] sowie bei Friedman [1.22]):
Wasser
Reines Wasser
Wasser mit Zusätzen
Wasser in feinzerteilter Form
Luftschaum
Schwerschaum (incl. Druckluftschaum)
Mittelschaum
Leichtschaum
Löschpulver
BC-Pulver
ABC-Pulver
Metallbrandpulver
Kohlendioxid CO2
CO2-Gas
CO2-Aerosol
CO2-Schnee
Die einsatztaktische Auswahl der für den jeweils vorgefundenen oder zu erwartenden Brand geeigneten LöschmitteLöschmittelgeignetesl und Löschverfahren wird beeinflusst durch:
die Art des brennbaren Stoffes (Brandklasse nach DINEN2 [1.23]),
die Verfügbarkeit der Löschmittel,
die Möglichkeit der tatsächlichen Anwendung (de Vries [1.24]),
die Art und Größe zu erwartender Nebeneffekte (Schädigungen).
In Löschanlagen und Feuerlöschern werden in Deutschland zusätzlich zu den oben genannten noch die folgenden Löschmittel verwandt (weitere Löschmittel, die in Deutschland noch nicht allgemein angewendet werden, sind unter Punkt 14.3 beschrieben):
Halogenierte
Kohlenwasserstoffe
FM-200®, Novec 1230®, Trigon®300
(Halone 1211 und 1301 nicht mehr zulässig)
Sonstige Gasförmige Löschmittel
Argon
Stickstoff
Mischgase
Sonderlöschmittel
Aerosol
Für den Brandschutzingenieur sind bei der Planung von Löschanlagen neben der geplanten Wirksamkeit auch die zu erwartenden Kosten von großer Bedeutung.
Eine etwas ausführlichere Darstellung der Phänomene Verbrennen und Löschen enthalten die Anhänge 1 und 2.
RauchWirkungRauchRauchEntstehungBei jedem Brand entstehen auch erhebliche Mengen Rauch (siehe hierzu auch Punkt 7.1). Rauch ist ein hochkomplexes System aus BrandgasenBrandgaseRauch, Aerosolen und festen Partikeln, dessen Zusammensetzung von sehr vielen Parametern abhängt; so spielen die Zusammensetzung des brennenden Stoffes, die Luftzufuhr, die Flammentemperatur, die Brandraumtemperatur, die Anwesenheit anderer Stoffe und vieles mehr eine Rolle (siehe z.B. Knetsch et al. [1.25], Gottuk et al. [1.26], Hoffmann-Böllinghaus et al. [1.27]). RauchBestandteileAbhängig von Verbrennungsphase und Ventilation können Brände hinsichtlich der Rauchproduktion in drei Kategorien eingeteilt werden:
Schwelbrände
brandlastgesteuerte offene Flammenbrände
ventilationsgesteuerte Flammenbrände
Schwelbrände Schwelbrandsind gekennzeichnet durch eine oxidative Zersetzung und PyrolysePyrolyse des brennenden Materials, die Rauchbestandteile mit hoher ToxizitätToxizitätvon Rauch relativ langsam freisetzt, die Rauchproduktion (gemessen in kg Rauch pro kg Brandmaterial) RauchProduktionist hoch. Der BrandrauchBrandrauchRauch enthält neben Kohlendioxid (CO2) hohe Anteile Kohlenmonoxid (CO, das Verhältnis von CO2 zu CO ist typischerweise etwa 1, Purser [1.28]) und KohlenwasserstoffeKohlenwasserstoffeals Rauchbestandteil (Alkane, Alkene und Alkine), daneben auch Aromaten, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), bei Brand von Naturprodukten (Holz, Papier Wolle) auch Blausäure (HCNHCNBlausäure),Blausäureals Rauchbestandteil und Schwefeldioxid (SO2SO2Schwefeldioxid).Schwefeldioxidals Rauchbestandteil Bei Realbränden in Wohnungen oder Arbeitsstätten, wo häufig Kunststoffe, die Chloratome enthalten, verbrennen (Elektrogeräte, Kabel, Schaumstoffe), ist auch ChlorwasserstoffChlorwasserstoff (HCl)als Rauchbestandteil (HClHClChlorwasserstoff (HCl), Salzsäure) als Verbrennungsprodukt wichtig. Detaillierte Ausführungen zu Art und Entstehung dieser Rauchbestandteile findet man bei Knetsch et al. [1.25], Mulholland [1.29] und Tewarson [1.30], eine mehr schematische, sehr übersichtliche Darstellung in der vfdb-Richtlinie 10/01 [1.31] sowie unter Punkt vfdb-Richtlinie10/0114.7. Weitergehende Informationen zum Entstehungspotential von Schadstoffen findet man bei Bansemer et al. [1.33] sowie bei Forell [1.34].
Bei brandlastgesteuerten offenen Flammenbränden Brandbrandlastgesteuert(Vollbrandphase) wird der größte Teil der Brandlast vollständig verbrannt. Die BrandprodukteBrandprodukted. vollständigenVerbrennung sind daher im Wesentlichen die der vollständigen Verbrennung: CO2 und Wasser. In geringem Umfang entstehen CO und Kohlenwasserstoffe, das Verhältnis von CO2CO2als Rauchbestandteil zu CO ist typischerweise > 100, Purser [1.28]. Die RauchproduktionRauchProduktion ist relativ gering. Aus toxikologischer Sicht ist daher die Vollbrandphase gut ventilierter Brände weniger wichtig.
Ventilationsgesteuerte Flammenbrände Brandventilationsgesteuertsind durch das Erreichen der Vollbrandphase (post-Flashoverpost-flash-over) aber gleichzeitig vermindertem Sauerstoffgehalt der Umgebungsluft gekennzeichnet. Wenn die Luftzufuhr in den Brandraum durch eine relativ kleine Öffnung – z.B. ein Fenster – erfolgt, wird nicht die maximal Abbrandgeschwindigkeit und Brandleistung erreicht. In bestimmten Bereichen der Flammen kommt es aufgrund fehlenden Sauerstoffs auch zu nur unvollständiger Verbrennung. Brandprodukted. unvollständigenVerbrennungAufgrund der sich einstellenden Temperatur, die typischerweise nur bei ca. 800oC liegt, erfolgt Umwandlung von CO in CO2 mit deutlich verminderter Effektivität, daher steigt der CO-Gehalt des Rauches deutlich an (auf bis zu 15 % [1.26], das Verhältnis von CO2 zu CO sinkt entsprechend auf Werte zwischen ca. 6 bis 20). COals RauchbestandteilDaneben entstehen auch die vom Schwelbrand bekannten SchadstoffeSchadstoffebei Bränden, insbesondere Aromaten, PAK und Aldehyde (insbesondere Formaldehyd HCHOHCHOFormaldehyd (HCHO)), allerdings mit geringeren Konzentrationen.
Schadstoffeim RauchDie Zusammensetzung von Brandrauch ist nach dem unter Punkt 1.3.1 ausgeführtem in hohem Maße abhängig vom Brandgut und vom Brandverlauf. Der Brandrauch enthält eine sehr große Anzahl (mehr als 5000) für den Menschen schädlicher Stoffe (zur Entstehung von Schadstoffen bei Zimmerbränden siehe z.B. bei Basmer et al. [1.32]). Aufgrund ihres häufigen Vorkommens und ihrer Konzentration in der Nähe des Brandherdes haben folgende Stoffe als sog. LeitsubstanzenLeitsubstanzenim Rauch für die Gefährdung des Menschen besondere Bedeutung (Otto et. al [1.33]):
KOHLENMONOXIDKohlenmonoxidCO (CO) führt nach Aufnahme über die Atmung zu einer Blockade des Sauerstofftransportes durch das Blut und nachfolgend zur sog. „Inneren Erstickung“ (vergl. hierzu auch Punkt 2.4). Charakteristische Symptome sind Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Erbrechen und Bewusstlosigkeit mit Todesfolge (vergl. bei Pleß et al. [1.36], zur letalen Expositionszeit bei Bränden in Räumen bei Wilk et al. 2019-2 [1.69]).
BLAUSÄUREBlausäure (HCN, CyanwasserstoffCyanwasserstoffBlausäure) wird sehr schnell über den Atemtrakt aufgenommen und führt durch Blockade der Zellatmung (Abgabe von Sauerstoff an die Köperzellen) zu einer „Inneren ErstickungInneren Erstickung“. Typisch für akute Schädigungen Vergiftungd. Blausäuresind Reizungen der Atemwege, Übelkeit, Angstgefühle und Herzklopfen, schließlich Atemnot, Bewusstlosigkeit und Atemstillstand.
KOHLENDIOXID (CO2)CO2WirkungKohlendioxidCO2führt nach Aufnahme über die Atemwege in höherer Konzentration (> 0,5 %) zu einer Erhöhung der Atemfrequenz und damit zu einer verstärkten Schadstoffaufnahme. CO2 selbst wirkt ab Konzentrationen von > 5 % zu Bewusstlosigkeit und Atemstillstand (siehe auch Tabelle 14-10).Vergiftungd. CO2
SAUERSTOFFMANGEL (Minus O2, Hypoxie) als Folge von Schadenfeuern ist ebenfalls als für die Gefährdung des Menschen SauerstoffPersonengefährdungbei Mangel an ~wichtige Erscheinung zu bezeichnen (wenn natürlich im eigentlichen Sinne kein Schadstoff). Bei Bränden sind im Brandraum und angrenzenden Räumen Sauerstoffkonzentrationen deutlich unter 10 % bekannt (Lessing et al. [1.37]), bei dieser Konzentration verlieren Menschen innerhalb weniger Minuten das Bewusstsein (Purser [1.28]).
SALZSÄRUREDÄMPFE (HCl), ALDEHYDEAldehyde (insbesondere Formaldehyd HCHO und Acrolein C2H3CHO)Formaldehyd (HCHO) und Isocyanate sowie Stickoxide und Schwefeldioxid wirken auf den Menschen bereits in geringen Konzentrationen reizend bis ätzend, insbesondere auf die Augen und die Schleimhäute des Atemtraktes. SalzsäuredämpfeChlorwasserstoff (HCl)
PLOYZYKLISCHEAROMATISCHEKOHLENWASSERSTOFFE (PAKPAK) treten als hochmolekulare komplexe Gemische auf und enthalten in unterschiedlichen Anteilen krebserzeugende oder krebsfördernde Komponenten. PAK treten im Brand im Allgemeinen an Ruß gebunden auf und sind bei nahezu allen Bränden mit Rußbildung zu erwarten. Die Aufnahme in den menschlichen Körper erfolgt über die Atemwege, in geringem Umfang auch über die Haut. Vergiftungd. PAK
POLYCHLORIERTEDIBENZO-DIOXINE und -FURANE (PCDDPCDDDioxine, PCDFPCDFFurane) DioxineFuranetreten nur bei Bränden mit chlorhaltigen Stoffen unter Sauerstoffmangel und bei niedrigen Temperaturen (< 800oC) auf. Es gibt über 200 verschiedene Stoffe dieser Art, von denen das sog. „SevesogiftSevesogiftDioxine“ (TCDD, 2, 3, 7, 8-Tretrachlordibenzodioxin) das bekannteste ist. Wegen des hohen Dampfdruckes ist mit dem Auftreten nur in heißem Brandrauch und im Brandruß zu rechnen. Trotz des notorisch schlechten Rufes dieser sog. UltragifteUltragifteDioxine sind keine mit Bränden in Verbindung zu bringenden Vergiftungen nachgewiesen (vfdb [1.31], Weiß [1.39]).
Von den in Deutschland jährlich zu beklagenden ca. 220 bis 300 BrandtoteBrandtotein Deutschlandn (Kaiser [1.37] und DFV [1.4]) sind nach neuerer allgemeiner Auffassung mindestens ca. 70 % eigentlich Rauchtote (Lessing et al. [1.38], Wilk et al. [1.68], andere Autoren geben bis 90 % an, Basmer et al. [1.32]).
Die Gefährlichkeit von Brandrauch für den Menschen beruht auf folgenden Wirkungsmechanismen:
narkotisierende Wirkung
reizende Wirkung
Sichtbehinderung
thermische Wirkung
psychologische Wirkung
Im Folgenden werden die wichtigsten Merkmale dieser Wirkungsmechanismen des Brandrauches kurz erläutert. Eine vertiefte Darstellung mit neueren Erkenntnissen und Modellen zur Berechnung der Wirkung von Rauch- und Heißgasen haben Wilk et al. 2019 vorgelegt [1.68], [1.69].
Die narkotisierende Wirkung des Brandrauches – Rauchgasintoxikation – führt dazu, dass betroffene Personen – selbst, wenn sie zum Brandzeitpunkt wach sein sollten – teilnahmslos und danach bewusstlos werden, so dass eine Selbstrettung nicht mehr stattfindet. Die narkotisierende Wirkung Rauchnarkotisierende Wirkunggeht im Wesentlichen von den Komponenten Kohlenmonoxid (CO) und Blausäure aus (vergl. Punkt 1.3.2). Wie bei allen Giften hängt die Wirkung von der Konzentration der Stoffe und der Expositionszeit und damit von der aufgenommenen Dosis ab. Da in allen Realbränden stets ein Schadstoffgemisch entsteht, ist der Organismus einer Vielzahl von Stoffen ausgesetzt, die sich in ihrer Wirkung verstärken. Der grundlegenden Arbeit von Purser [1.28] ist zu entnehmen, dass als vielen Stoffen gemeinsames ToxizitätspotentialToxizitätspotential ein Wert von 500 g/m³ min gelten kann, der bei 50 % der exponierten Versuchstiere zum Tod führt.
In Wohn- und Arbeitsräumen ist im Allgemeinen von einer Mischbrandlast auszugehen, die zu etwa 50 % aus Holz, zu ca. 10 % aus anderer Cellulose (Papier etc.), zu ca. 10 % aus Gummi und Leder und zu ca. 30 % aus Kunststoffen besteht (vergl. auch [1.32]). Eine vollständige Verbrennung liegt überwiegend nicht vor. Der obige Wert der Toxizität nach Purser kann dann zugrunde gelegt werden. Ein Mensch hat danach bei Einatmen von Luft mit einer Brandrauchkonzentration von ca. 2 % nach 30 Minuten noch eine Überlebenschance von 50 %. Eine sehr interessante Analyse toxikologischer Todesursachen beim Brand eines Altenheimes enthält [1.40].
Auf der Grundlage der Arbeiten von Purser wurde die Abbildung 1-2 entwickelt, die die Zeit bis zur Handlungsunfähigkeit von Menschen (time-to-incapacitation) für Kohlenmonoxid und Blausäureexposition zeigt.
Die reizende Wirkung des Brandrauches beruht im Wesentlichen auf Salzsäure und Aldehyden, hauptsächlich Formaldehyd, daneben auf Stickoxiden und Schwefeldioxid. Leicht wasserlösliche Reizstoffe beeinflussen vor allem die Augen und die oberen Atemwege. Schwerer lösliche Stoffe (insbesondere HCl und NOx) gelangen bis in die Lunge und können dort nach einigen Stunden zum Lungenödem führen. Weitere Ausführungen zur Wirkung von Reizgasen findet man bei Purser [1.28], zur Auswirkung auf die Selbstrettung von Betroffen in [1.40].
Zeit bis zur Handlungsunfähigkeit für die Exposition mit Kohlenmonoxid und Blausäure (berechnet nach [1.28])
Handlungsunfähigkeitn. HCN- und CO-ExpositionToleranzzeitfür COToleranzzeitfür BlausäureBlausäureToleranzzeitDie Selbstrettung von Personen wird durch die akute Reizung der Augen und oberen Atemwege nachteilig beeinflusst. Dabei ist, anders als bei narkotisierenden Gasen, die Wirkung nicht von der aufgenommenen Dosis abhängig, sind Reizgase vorhanden, tritt die Wirkung sofort ein. Die Stärke der Irritation scheint in erster Linie von der Art des Brandgutes abzuhängen, so wird Rauch von Holzfeuern als deutlich weniger reizend eingestuft, als jener von Bränden von Plastikmaterialien. Der Schmerz kann durch Schließen der Augen oder starkes Augenzwinkern, durch Mundatmung oder Anhalten des Atems in seiner subjektiven Empfindung beeinflusst werden.
Reizgas
Handlungsunfähigkeit
Behinderung der Flucht
HCI
900 ppm
200 ppm
HBr
900 ppm
200 ppm
HF
900 ppm
200 ppm
SO2
120 ppm
24 ppm
NO2
350 ppm
70 ppm
Akrolein
20 ppm
4 ppm
Formaldehyd
30 ppm
6 ppm
Konzentrationsgrenzwerte von Reizgasen (zusammengestellt nach [1.28])
Handlungsunfähigkeitdurch ReizgaseToleranzzeitfür ReizgaseReizgaseToleranzzeitWird der Schmerz zu groß, so kann die Selbstrettung extrem erschwert oder unmöglich werden. Die betroffenen Personen suchen dann häufig vermeintlich sichere Bereiche auf. Wenn sie dort weiterhin narkotisierenden Brandgasbestandteilen ausgesetzt sind, kann es zu den oben geschilderten Folgen kommen, obwohl die Person zunächst durchaus zur Selbstrettung in der Lage war. Hinsichtlich der Konzentration von Reizstoffen im Rauchgas, die zur Behinderung oder gar Handlungsunfähigkeit betroffener Personen führen, sind die in der Fachliteratur zu findenden Werte etwas uneinheitlich. In Tabelle 1-2 sind einige Werte aus [1.28] aufgeführt, die auf der sicheren Seite liegen, d.h. die Beeinträchtigung durch die Reizwirkung wird eher etwas überschätzt.
Dichter Rauch führt zu einer Beschränkung der SichtweiteSichtweiteBeschränkungRauchSichtweite, und damit der Wahrnehmung wichtiger Hinweise (z.B. Rettungswegbeschilderung, Punkt 13), die u.U. noch durch die oben beschriebene Reizwirkung der Rauchgase verschlechtert wird. Die lichttrübende Wirkung der Rauchgase beruht im Wesentlichen auf den enthaltenen Aerosolen und Feststoffen und wird durch die sog. Optische DichteOptische Dichtevon RauchRauchoptische Dichte pro Weglänge DL bzw. den ExtinktionskoeffizientExtinktionskoeffizientv. Rauchen RauchExtinktionskoeffizientRauchSchwächungskoeffizient(oder Schwächungskoeffizienten) k beschrieben (k = DL * ln 10). Eine optische Dichte pro Weglänge von 0,5/m heißt, dass die Sichtweite noch 2 m beträgt. Bei einer optischen Dichte pro Weglänge von ca. 0,05/m kann ein 25 m entferntes selbstleuchtendes Hinweisschild gerade noch erkannt werden. Detailliertere Ausführungen hierzu findet man bei Schneider [1.42] und Steinert [1.43] und unter Punkt 13.4.2.
Die durch Rauch reduzierte Sichtweite führt zu einer Verlangsamung flüchtender Personen sowie zu Schwierigkeiten bei der Orientierung, insbesondere in unvertrauten Gebäuden. Damit kann die Expositionszeit für Rauchgase entsprechend steigen, bekannt ist auch, dass sich Personen in unvertrauten verrauchten Gebäuden verirrt haben.
Die thermische Wirkung Rauchthermische Wirkungder Rauchgase, die auch außerhalb des Brandraumes durchaus Temperaturen zwischen 200oC und 300oC haben können, kann bei längerer Exposition zu einem Hitzeschock führen. Verbrennungen der Haut und der Atemwege sind zu erwarten, wenn die durch Konvektion oder Strahlung eingetragene Wärmestromdichte bestimmte Werte überschreitet.
Ein HitzeschockHitzeschock tritt ein, wenn Personen über längere Zeit erhöhten Temperaturen (80oC bis 120oC) ausgesetzt sind und dadurch die Körper-Kerntemperatur über 40oC ansteigt. Die Folge sind zunächst Übelkeit und Bewusstseinseintrübung, bei weiter ansteigender Körper-Kerntemperatur kann ab ca. 42oC innerhalb weniger Minuten der Tod eintreten. Werden Brandgase oder erhitzte Luft mit mehr als 180oC eingeatmet, kommt es unmittelbar zur Blockierung der Atemfunktion durch irreversible Schädigung der Luftröhre und Lunge. Der Tod tritt nach wenigen Minuten ein.
Das Auftreten von VerbrennungenVerbrennungen hängt stark von der Temperatur und der ExpositionszeitExpositionszeit ab und wird daneben von der vorhandenen Kleidung, der Luftfeuchtigkeit und Luftströmung beeinflusst. Die Art des Wärmetransportes in die Haut – Konvektion oder Wärmestrahlung – ist dabei sekundär. Bei Temperaturen der Luft um 100oC beträgt die Toleranzzeit ca. 15 Minuten bis 25 Minuten, diese sinkt jedoch bei Temperaturen um 200oC auf nur noch 3 Minuten bis 4 Minuten ab. Wärmestrahlung von unter ca. 2 kW/m² können relativ lange ertragen werden, bei BestrahlungsintensitätenStrahlungsintensitätkritische bei Menschen von mehr als 10 kW/m² Wärmestromdichtekritische durch Strahlungtreten schon nach wenigen Sekunden Verbrennungen 2. Grades (Blasenbildung) auf. Bei großflächigen Verbrennungen 2. Grades kann es neben dem unmittelbaren intensiven Schmerz zu einem Schock aufgrund des Flüssigkeitsverlustes kommen.
Die Zeit bis zum Eintritt der HandlungsunfähigkeitHandlungsunfähigkeitbei Wärmeexposition von Personen bei starker WärmeexpositionWärmeexpositionToleranzzeit ist nach dem oben ausgeführten nicht einfach festlegbar, daher verwundert es nicht, dass die publizierten Werte starke Streuungen aufweisen. In Abbildung 1-3 sind zwei empirisch ermittelte Zusammenhänge dargestellt.Toleranzzeitfür Wärmeexpostion
Toleranzzeiten für Wärmeexposition (nach [1.28] und [1.44])
Anmerkung:
Da in realen Brandfällen die physiologische Wirkung von Rauch immer auf einer Kombination der obigen Faktoren beruht, richten sich neuere Bemühungen auf die Erarbeitung einer integralen Beschreibung der Auswirkung von Rauch auf die Benutzbarkeit von Rettungswegen. Wilk et al. 2004 [1.45] haben erste Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorgestellt und kommen zum Ergebnis, dass sich bei Mischbrandlasten, wie sie in Wohnungen, Büros und Hotels vorliegen, die Verringerung der Sichtweite (= Erhöhung der optischen Dichte, vergl. Punkt 13.4.2) und die toxisch bzw. reizend wirkenden Anteile im Rauch in einem bestimmten Verhältnis zueinander entwickeln. Daher ist es grundsätzlich möglich über die sich bei einem Brand in den Rettungswegen einstellende optische Dichte Aussagen über die Auswirkung von Rauch auf die Selbstrettungsmöglichkeit von Menschen abzuleiten. Als Ergebnis wird eine optische Dichte von 0,21 als der Wert angesehen, der in Rettungswegen über die für ungeschützte Personen erwartete Nutzungszeit (= Räumungszeit des Gebäudes) nicht überschritten werden darf.
Auch die psychologische Wirkung von Brandrauch Rauchpsychologische Wirkungauf Personen, die im Verlaufe einer SelbstrettungSelbstrettungim Rauch mit verrauchten Räumen konfrontiert sind, ist nicht zu unterschätzen. Die Literatur berichtet von Gefühlen gesteigerter Beunruhigung und Sorge hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Situation, sowie emotionalem Stress,Stress durch Rauch der sich bis hin zur vollständigen Verwirrung mit der Folge irrationaler Handlungen steigern kann. HandlungsunfähigkeitPsychologieTatsache scheint zu sein, dass auch im Normalfall stabile Personen durch Rauch erheblich verunsichert werden können und u.U. sogar auf die Nutzung von nur mäßig verrauchten Rettungswegen verzichten. Das Verhalten von Personen in der Ausnahmesituation „Auftreten von Rauch“ wird stark durch die folgenden Faktoren beeinflusst: HandlungsunfähigkeitStress im Rauch
Entstehung, Farbe, Stärke und Ausbreitung des Rauches
Grad der Vertrautheit mit dem Gebäude
verfügbare zusätzliche Informationen
(z.B. durch akustische Anweisungen)
Rollenverständnis das Betroffene von sich selbst haben
(u.a. Geschlecht und Alter, „Macher“, „Macho“)
Verhalten anderer Menschen
Weitere Hinweise zum Verhalten von Menschen unter Stress infolge von Rauch findet man bei Bryan [1.46], der neben den Erkenntnissen kontrollierter Versuche auch die Ergebnisse von Befragungen betroffener Personen und sonstiger Auswertung von Realbränden präsentiert. Interessant ist insbesondere, dass das Eintreten von oftmals so bezeichneter „Panik“Panik infolge Rauch von Betroffenen – d.h. das irrationale, nicht situationsgerechte und antisoziale Flüchten, das die Überlebenschancen der Gruppe ebenso wie die des Individuums reduziert – anscheinend die Ausnahme ist. Dies wird durch Ergebnisse von Keating [1.47] sowie neuere Untersuchungen des Verhaltens von Menschen bei Großbränden – u. A. beim World Trade Center – unterstützt (Kuligowski [1.48], Künzel et al. [1.49]).
Die Tatsache, dass Brandgefahren allgegenwärtig sind und jederzeit Leib und Leben sowie Sachwerte bedrohen können, leuchtet – insbesondere unter Bezug auf die unter Punkt 1.3.3 erwähnten Brandtoten und die in Tabelle 1-1 dargestellten Vermögensschäden – zwar unmittelbar ein, dennoch wird dieses Risiko nicht selten unterschätzt. Veranlasst durch einen entsprechenden Fall hat das Oberverwaltungsgericht Münster schon 1987 zu den Risiken von Bränden und deren Folgen in einem in der Fachwelt viel beachteten Urteil klargestellt [1.50]: OVG MünsterBrandentstehungBrandentstehungOVG Münster 1987
„… Es entspricht der Lebenserfahrung, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss. Der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausbricht, beweist nicht, dass keine Gefahr besteht, sondern stellt für den Betroffenen einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muss. …“
Schutzzieledes BrandschutzesBrandschutzSchutzzieleZum Schutz der Menschen und – nachrangig – zur Verminderung von Sachschäden sind daher in den Landesbauordnungen Schutzziele definiert, die im Hinblick auf den Brandschutz folgende Formulierungen enthalten (§ 14MBO [1.51]):
„Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten zu ändern und in Stand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird, und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“
Eine bauliche Anlage muss daher nach der SicherheitsphilosophieSicherheitsphilosophiedes Baurechts des Baurechtes in brandschutztechnischer Hinsicht so geplant, ausgeführt und betrieben werden, dass
bei einem Brand die Standfestigkeit des tragenden Systems über eine bestimmte Zeit erhalten bleibt,
die Entstehung und Ausbreitung von Feuer und Rauch innerhalb des Gebäudes begrenzt wird,
die Ausbreitung von Bränden auf benachbarte Gebäude vermieden wird,
Bewohner die bauliche Anlage bei Bränden unverletzt verlassen oder durch andere Maßnahmen gerettet werden können,
wirksame Löschmaßnahmen möglich sind, ohne die Sicherheit der Löschmannschaften wesentlich zu gefährden.
Die Einhaltung dieser Schutzziele ist durch Maßnahmen des Brandschutzes sicherzustellen. Die Wichtigkeit, die Brandschutzmaßnahmen für die sichere Nutzbarkeit von baulichen Anlagen zukommt, wird durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen unterstrichen, die zur Verpflichtung der für die Planung Verantwortlichen (aber in der Folge auch der Eigentümer und Betreiber von baulichen Anlagen) die Schutzziele des Baurechtes sachgerecht umzusetzen, sinngemäß ausführt [1.52]: OVG NRWSchutzzieleSchutzzieleOVG NRW 2007
„… Die finanziellen Interessen des betroffenen Eigentümers … haben gegenüber dem Interesse an der Vermeidung von Schäden an Leib und Leben sowie an der Minderung der Brandrisiken grundsätzlich zurückzutreten. …“
Brandschutzals SystemBrandschutz wird heute allgemein verstanden als die Summe aller Maßnahmen, die geeignet sind, das Auftreten von Schadenfeuern zu verhindern und die Folgen von Bränden zu mindern. Nachdem historisch, wie oben unter Punkt 1.1 dargestellt, wesentlich Maßnahmen des Vorbeugenden Baulichen Brandschutzes, bzw. Maßnahmen des Abwehrenden Brandschutzes im Vordergrund standen, kam Anfang des 19. Jahrhunderts der heute so genannte Betriebliche BrandschutzBrandschutzBetrieblicher hinzu (gelegentlich auch Organisatorischer Brandschutz genannt, siehe aber Abbildung 1-4). Dieser umfasst betriebliche Maßnahmen, wie die Beauftragung von Einzelpersonen mit der Aufrechterhaltung und der Überwachung von Brandschutzmaßnahmen, der Erarbeitung von Notfallplanungen und der Ausbildung von Mitarbeitern über das Verhalten im Brandfall und das Bekämpfen von Bränden durch Mitarbeiter. Historisch hat der Betriebliche Brandschutz seine Wurzeln schon um 1830 in der Einrichtung von „Fabrikfeuerwehren“ aufgrund der gewachsenen Erkenntnis, dass der betriebliche Aufwand für die Unterweisung von Mitarbeitern über das Verhalten im Brandfall und zur Erstbekämpfung von Schadenfeuern sehr wohl auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist. Diese Fabrikfeuerwehren sind die Vorläufer der heutigen WerkfeuerwehrenWerkfeuerwehrenVorläufer der und Betriebsfeuerwehren BetriebsfeuerwehrenVorläufer der(siehe Kapitel 2). Erste betriebliche Brandschutzordnungen Brandschutzordnungbetriebliche– heute inhaltlich in DIN14096 beschrieben ([1.53]) – sind seit 1870 bekannt (Grönke [1.54], Lucke [1.55]).
Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind erste Maßnahmen des heute so genannten Anlagetechnischen Brandschutzes (siehe Punkte 1.6 und 1.8) bekannt. Diese Maßnahmen, die mittels technischer Einrichtungen in und an baulichen Anlagen dazu beitragen, die Auswirkung auftretender Schadensfeuer zu begrenzen, konnten erst auf der technischen Grundlage der rasanten industriellen Entwicklung im 19. Jahrhundert erdacht werden und wurden, umgekehrt, auch erst zu dieser Zeit zum Schutze der bis dahin so nicht bekannten Wertekonzentration in Form der Produktionsanlagen notwendig. Grönke [1.54] berichtet von ersten mit Dampfmaschinen betriebenen privaten Wasserversorgungsnetzen in Fabriken schon 1875, im Jahre 1879 wurde der erste Sprinkler und im Jahr 1894 ein erster Brandmelder (der allerdings noch biologische Grundlagen hatte) patentiert.
Brandschutz als ganzheitliches System
BrandschutzAbbildungVorbeugender BrandschutzheuteInsgesamt wird der BrandschutzBrandschutzganzheitlicher heute als ein ganzheitliches System aus den 4 Komponenten
Baulicher Brandschutz,
Anlagentechnischer Brandschutz,
Betrieblicher Brandschutz und
Abwehrender Brandschutz.
verstanden, wie es in Abbildung 1-4 dargestellt ist.
Die 4 Komponenten eines ganzheitlichen BrandschutzkonzeptesBrandschutzkonzeptganzheitliches können nun heute nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern es gibt eine Vielzahl von (teilweise gewollten) Interdependenzen und gegenseitigen Beeinflussungen. So findet man in den Bauordnungen der Länder folgende Formulierung (hier zitiert nach § 3 Musterbauordnung – MBO [1.51]):
„Für Nutzungseinheiten … müssen in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege vorhanden sein …“
„Für Nutzungseinheiten, die nicht zu ebener Erde liegen, muss der erste Rettungsweg über eine notwendige Treppe führen. Der zweite Rettungsweg kann eine weitere Treppe oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit sein …“
Diese Vorschrift erlaubt es also ausdrücklich, Maßnahmen des Vorbeugenden Baulichen Brandschutzes, nämlich die Verfügbarkeit eines zweiten baulichen Rettungsweges, durch Maßnahmen des Abwehrenden Brandschutzes, das Retten von Personen über Geräte der (öffentlichen) Feuerwehren, zu ersetzen.
In vielen Sonderbauordnungen wird den gegenüber reiner Wohnbebauung erhöhten Gefahren in Bauten besonderer Art oder Nutzung dadurch begegnet, dass bestimmte anlagentechnische Maßnahmen – wie z.B. Brandmeldeanlagen – gefordert werden. Sonderbauten sind u. A. Verkaufsstätten, Versammlungsstätten und Krankenhäuser, vergl. hierzu § 2 (4) MBO und hinsichtlich erlassener Sonderbauordnungen der Länder z.B. bei Löbbert et al. [1.56]). Das heißt, dass für viele Sonderbauten auch denkbare und verordnungskonforme, jedoch häufig kostenintensivere oder aus gestalterischer Sicht nicht erwünschte bauliche Brandschutzmaßnahmen durch anlagentechnische Maßnahmen ersetzt werden (zu den gegenseitigen Abhängigkeiten von baulichen und anlagentechnischen Brandschutzmaßnahmen bei gleichem Sicherheitsniveau siehe bei Dehne [1.57]).
Ähnliches gilt für die behördliche Anordnung der Aufstellung einer Werkfeuerwehr in baulichen Anlagen besonderer Art oder Nutzung nach § 2 (4) MBO. Werkfeuerwehren (siehe hierzu Kapitel 2) werden auf Kosten des Betreibers eingerichtet, um auf eigentlich erforderliche bauliche Brandschutzmaßnahmen verzichten zu können, den Abwehrenden Brandschutz durch die öffentlichen Feuerwehren zu verstärken bzw. dessen Schlagkraft zu erhöhen und/oder Anlagentechnische Brandschutzeinrichtungen zu bedienen (Tschöpe [1.58]).
Es bestehen heute, wie oben unter Punkt 1.5 dargelegt, eine Vielzahl von gegenseitigen Abhängigkeiten, aber auch Kompensationsmöglichkeiten zwischen den 4 Komponenten eines Brandschutzganzheitlicherganzheitlichen Brandschutzes, etwa wie es in Abbildung 1-5 für die wichtigsten InterdependenzenInterdependenzenim Brandschutz angedeutet ist.
Aufgabe von BrandschutzingenieurenBrandschutzingenieur ist es nunmehr, bei der Planung von baulichen Anlagen durch eine möglichst optimale Abstimmung der einzelnen Komponenten eines ganzheitlichen Brandschutzes im Rahmen eines Brandschutzkonzeptes (z.B. nach Brandschutzkonzeptn. vfdb 01/01vfdb-Richtlinie 01/01 [1.59]) vfdb-Richtlinie01/01eine den Sicherheitsanforderungen der Gesellschaft einerseits und den ökonomischen Vorgaben des Betreibers andererseits entsprechende Lösung zu finden. Dabei sind u.a. die folgenden Einzelfragen zu beantworten und die sich ergebenden Maßnahmen aufeinander abzustimmen und sinnvoll zu integrieren:
Wie ist die Zugänglichkeit der baulichen Anlagen vom öffentlichen Straßenraum? (Zugänge, Zufahrten)
Gibt es einen zentralen Feuerwehr-Anlaufpunkt?
Sind die Rettungswege nach Anzahl, Länge und Ausbildung ausreichend?
Sind rauchdichte Türen und/oder Rauchabzüge erforderlich?
Entsprechen die Brandabschnitte und anderen brandschutz-technischen Unterteilungen und die Ausführung der trennenden Bauteile den Anforderungen?
Wie sind Öffnungen in abschnittsbildenden Bauteilen abgeschlossen? Sind anlagentechnische/steuerungstechnische Maßnahmen erforderlich?
Wie sind Rauchabschnitte angeordnet und entsprechen die Bauteile (Rauchschürzen, Rauchschutztüren) den Anforderungen?
Sind die Bauteile hinsichtlich des Feuerwiderstandes (Standsicherheit, Raumabschluss, Isolierung usw.) ausreichend dimensioniert?
Sind brennbare der Baustoffe vorhanden und ggf. ausreichend geschützt?
Sind aufgrund des Gefahrenpotentials Brandmeldeanlagen erforderlich? Welche Brandkenngrößen sollen überwacht werden? Welche Bereiche sollen überwacht werden und zu welcher Stelle erfolgt die Aufschaltung?
Welche Alarmierungseinrichtungen für die Mitarbeiter sind erforderlich und wer löst die Alarmierung aus?
Wo sind welche automatischen Löschanlagen vorhanden? Wie werden diese ausgelöst? Sind Maßnahmen durch Mitarbeiter oder die Feuerwehr erforderlich oder vorgesehen?
Welche sonstigen brandschutztechnischen Einrichtungen, wie Steigleitungen, Wandhydranten, Druckerhöhungsanlagen, halbstationäre Löschanlagen und Einspeisestellen für die Feuerwehr, werden benötigt und wo sind diese anzuordnen?
Welche Bereiche sind gegen Raucheintritt abzusichern bzw. zu entrauchen? Welche Anlagenart ist erforderlich? Wann und wie wird diese ausgelöst? Welchen Einfluss hat dies auf die Rettungswegsituation?
Wo sind zum Schutz von Bauteilen oder Einrichtungen Wärmeabzugsanlagen erforderlich und wie wirken sich diese auf die Rettungswegsituation oder automatische Löschanlagen aus?
Berührt das Lüftungskonzept den Brandschutz (z.B. durch erforderliche Umsteuerung der Lüftungsanlagen von Um- auf Abluftbetrieb) oder sind seitens des Brandschutzes Anforderungen an das Lüftungskonzept zu stellen?
Wie ist der Funktionserhalt der sicherheitsrelevanten Anlagen über die erforderliche Zeit sichergestellt? (Netzersatzversorgung, Ausführung der Zuleitungen, Sicherheits- und Notbeleuchtung)
Haben Aufzüge eine Brandfallsteuerung? Wo wird die Notrufabfrage aufgeschaltet? Sind Feuerwehraufzüge erforderlich?
Ist die einwandfreie Kommunikation von Einsatzkräften im Objekt sichergestellt? Sind Gebäudefunkanlagen erforderlich und wie sind diese ggf. auszuführen und in Betrieb zu nehmen?
Einige Interdependenzen im System Brandschutz
Sind eine Brandschutzordnung nach DIN14096, eine Evakuierungsplanung und Rettungswegpläne erforderlich?
Werden die Mitarbeiter ausreichend über die Brandschutzordnung informiert?
Ist ein Brandschutzbeauftragter zu bestellen? Welche Befugnisse sollte dieser haben?
Werden Kennzeichnung der Rettungswege und Sicherheitseinrichtungen regelmäßig überprüft?
Sind in ausreichendem Umfang Kleinlöschgeräte (Feuerlöscher, Löschdecken) vorhanden und die Mitarbeiter ausreichend in die Handhabung eingewiesen? Erfolgen regelmäßige Nachschulungen/Unterweisungen?
Ist die Einrichtung einer Werkfeuerwehr erforderlich? Welche Aufgaben soll/muss diese eigenverantwortlich übernehmen?
Wie ist die Leistungsfähigkeit der zuständigen Feuerwehren? Ist diese Leistungsfähigkeit tageszeitabhängig?
Wie lang ist die Hilfsfrist? Wie kann diese beeinflusst werden?
Ist die Löschwasserversorgung ausreichend? Welche Maßnahmen zur Verbesserung sind unter Berücksichtigung des Wasserbedarfes von automatischen Löschanlagen ggf. erforderlich?
Sind Sonderlöschmittel erforderlich? Hält der Betrieb diese in ausreichender Menge vor?
Sind Anlagen zur Löschwasserrückhaltung erforderlich?
Ist ein Feuerwehrplan nach DIN14095 erforderlich bzw. vorhanden?
Welche Flächen für die Feuerwehr (Aufstell- und Bewegungsflächen) sind erforderlich?
Sollten Feuerwehr-Schlüsseldepots (Feuerwehrschlüsselkästen) eingerichtet werden, um den Zugang zu ermöglichen oder zu erleichtern?
Gibt es Bereiche die vorrangig oder nicht durch die Feuerwehr zu begehen sind?
Auf internationaler Ebene werden im System der ISO-Normen 13387 „Fire Safety EngineeringFire safety engineering“ [1.60] realistische Annahmen über die Entstehung, Ausbreitung und die mögliche Auswirkung von Bränden erarbeitet, die WirksamkeitWirksamkeitaktiver Brandschutzmaßnahmen aktiver Brandschutzmaßnahmen, wie automatischer Brandmelde- und Löschanlagen und der Feuerwehren, beschrieben und Hinweise zur Integration in moderne Brandschutzkonzepte für Gebäude gegeben. Einen ähnlichen Ansatz hat auf nationaler Ebene ein Projekt der TU Braunschweig zum Aufbau von Expertensystemen für die brandschutztechnische Beurteilung von Gebäuden verfolgt (siehe hierzu bei Kiel [1.61]) und den Leitfaden Ingenieurmethoden des Brandschutzes [1.62] vorgelegt.