Achtsamkeit und Schmerz - Claus Derra - E-Book

Achtsamkeit und Schmerz E-Book

Claus Derra

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Beschreibung

Beim E-Book stehen die Audio-Dateien als Download bereit. Mit Achtsamkeitsübungen richtig angewandt lassen sich (chronische) Schmerzen wirkungsvoll und nachhaltig behandeln. Das Buch mit der dazugehörigen CD liefert ein Repertoire an Hilfestellungen und einfachen Übungen, die Betroffenen ein gutes Leben trotz Schmerz ermöglichen. Zusatzmaterialien stehen als Download bereit (PDF). Wissenschaftliche Studien belegen, dass Achtsamkeitsübungen längerfristig wirksamer sind als Schmerzmittel. Darüber hinaus lindern und bessern sie Symptome, die oft mit Schmerzen einhergehen, wie Niedergeschlagenheit, Schlaflosigkeit, Erschöpfungszustände und Unkonzentriertheit. Alltagstaugliche Achtsamkeits- und Entspannungsübungen sind einfach anwendbar und beanspruchen wenig Zeit. Sie werden in den persönlichen Alltag integriert, beispielsweise könnte man sie an der Bushaltestelle oder morgens beim Zähneputzen durchführen, manche im Sitzen, andere im Stehen. Dem Buch zugrunde liegen ein neu entwickeltes biopsychosoziales Gesundheitsmodell sowie ein neues Konzept einer Verbindung von Achtsamkeit mit gezielten Imaginationen und Autosuggestionen. Gliederung: I. Achtsamkeit, Gesundheit und gutes Leben - Was bedeutet Gesundheit? - Körperliche Gesundheit (Bewegung, Stressabbau, Ernährung, Schlaf) - Psychosoziale Gesundheit (Bedeutung von Beziehungen, Umgang mit  Konflikten, Selbstwertgefühl) - Gutes Leben – was ist praktisch wichtig - Gutes Leben – 37 Minuten täglich - Tagebuch Gutes Leben – 15 Momente die zu beachten sind - Alltagsstrategien der Achtsamkeit (täglich, kleine Momente, integriert in ein Ritual)   II. Körperschmerz – Seelenschmerz - Stresskrankheit chronischer Schmerz - Warum Schmerz immer im Gehirn entsteht - Warum leiden Frauen 3x häufiger unter Schmerz als Männer - Wie Stress chronische Schmerzen macht (stressbedingte Hyperalgesie) - Was kann ich vom Arzt/Therapeuten erwarten – was muss ich selbst tun?   III. Gutes Leben und chronischer Schmerz - Was kann ich verbessern, wer kann helfen - Habe ich die Wirksamkeit meiner Schmerztherapie ausgeschöpft - Therapie alleine reicht nicht – gutes Leben bedeutet mehr - Wirksamer Stressabbau   Dieses Buch richtet sich an: - Betroffene und Angehörige - PsychologInnen und ÄrztInnen - Angehörige Medizinischer Fachberufe

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Seitenzahl: 175

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Cover for EPUB

Claus Derra

Corinna Schilling

Achtsamkeit und Schmerz

Stress, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Schmerz wirksam lindern

Buch und Hör-CD

Mit Zusatzmaterial zum Download

Klett-Cotta

Impressum

Die digitalen Zusatzmaterialien sowie die Audio-Dateien der Hör-CD haben wir zum Download auf www.klett-cotta.de bereitgestellt. Geben Sie im Suchfeld auf unserer Homepage den folgenden Such-Code ein: OM96099

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2017 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von © the cramped/photocase.de

Zeichnungen: berger design, Solingen

Datenkonvertierung: Eberl & Koesel Studio, Altusried-Krugzell

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96099-0

E-Book: ISBN 978-3-608-10766-1

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20350-9

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Einführung

1 Achtsamkeit, Gesundheit und Gutes Leben

Was bedeuten Achtsamkeit, Gesundheit und Gutes Leben?

Psychosoziale Aspekte des Krankseins – das Bio-Psycho-Soziale Modell

Von der Pathogenese zur Salutogenese

Das Bio-Psycho-Soziale Gesundheitsmodell: Was hält uns gesund?

Wie halte ich meinen Körper gesund?

Was tue ich für meine Seele?

Wie gestalte ich meine Beziehungen?

Wie kann ich meine Konflikte gut lösen?

Wie bin ich im Leben verwurzelt? Wo gehöre ich hin?

Schutzfaktoren für gesundes Leben und Resilienz

Achtsamkeit in der Alternativmedizin

Traditionelle Chinesische Medizin (

TCM

) und Akupunktur

Wie wir uns beeinflussen können – Imagination und Autosuggestion

2 Körperschmerz – Seelenschmerz

Akuter Schmerz versus chronischer Schmerz

Warum Schmerz immer im Gehirn entsteht

Wie kommt es zu chronischen Schmerzen?

Schmerztagebuch und Achtsamkeit

Welchen Schmerz habe ich eigentlich – das bio-psycho-soziale Schmerzmodell

Warum leiden Frauen 3× häufiger unter Schmerz als Männer?

Was kann ich vom Arzt/Therapeuten erwarten – was muss ich selbst tun?

3 Stress, Burn-out, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen

Stress und Stressbewältigung, wirksamer Stressabbau

Strategien der Stressbewältigung

Zur Stressimmunisierung

Stress, Burn-out und Depression

Depression

Ängste und Angststörungen

Zusammenhang zwischen Angst und Schmerz

Schlafstörungen

Wenn Stress chronische Schmerzen macht

Zusammenarbeit bei der Behandlung

4 Täglich 37 achtsame Minuten gegen Stress und Schmerz

Warum 37 Minuten?

Bewegungsübungen

Der Schrankenwärter

Der Kirschenklauer

Der Stadtrat

Frau Müller – Frau Meier

Nein, Waldi, der Kühlschrank bleibt heute zu

Zeitrahmen und Wiederholungen der Bewegungsübungen

Die Entspannungsübungen – Aktive Entspannung

Achtsamkeit und Aufmerksamkeitslenkung

Das Schmerz-lass-nach-Ritual

Starker Schmerz, was hilft dann?

Autosuggestion – die Kraft unserer Gedanken

Entwickeln

Wiederholen

Verändern

Anwenden

5 Lebensstiländerungen beginnen morgens

Was Sie tun können, damit dieses Buch nicht im Bücherschrank landet

Bohnen und Rosinen für die Achtsamkeit

Alltagsstrategien der Achtsamkeit

Tagebuch Gutes Leben – 15 achtsame Momente, die zu beachten sind

Welche Erfahrungen und Werte sind mir wichtig?

Wie kann ich mit »Rückfällen« umgehen?

Wie kann nun die Idee einer Lebensstiländerung nachhaltig wirken?

Nachwort

Anhang

Hinweise zum Online-Material

Erklärung der verwendeten Symbole

Kopfkino zum Ausprobieren – Inhalt der

CD

Umgang mit der

CD

 – was gilt es zu beachten?

Nützliche Adressen von Selbsthilfegruppen

Literatur für Patientinnen und Patienten

Literatur für Therapeutinnen und Therapeuten

Literaturverzeichnis zum Buch

Einführung

Achtsamkeit und Schmerz – wie passt das eigentlich zusammen?

Viele wissenschaftliche Untersuchungen belegen ganz klar, wie wichtig Elemente aus dem Bereich der Achtsamkeit bei der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen sind. Achtsamkeit verbessert das innere Gleichgewicht von Denken, Fühlen, Körperwahrnehmung und Handeln.

In der Realität zeigt sich jedoch, dass die sehr wirksamen, achtsamkeitsbasierten Methoden kaum (mehr) angewendet werden, sobald der Symptomdruck hoch und anhaltend ist. Länger andauernder Schmerz, Tinnitus, Schwindel, Ängste, starke Stimmungsschwankungen, Stress, Burn-out und Schlaflosigkeit sind oft derart quälend, dass die Aufmerksamkeit wie ein Magnet darauf gelenkt wird. Wer unter hohem Symptomdruck steht, kann kaum mehr achtsam mit sich selbst und seinen Handlungen sein. In den vielen Jahren unserer Arbeit mit achtsamkeitsbasierten Elementen haben wir (die Autoren) immer wieder genau diese Erfahrung gemacht.

Schon im Bereich der präventiven Stressbewältigung, im Konfliktmanagement-Training oder in der Burn-out-Prophylaxe gelingt es Gruppenteilnehmern, die gerade in belastenden Lebenssituationen sind (und das ist heute in den Präventionskursen eher die Regel), kaum, die Möglichkeiten von Achtsamkeit für sich zu entdecken und zu nutzen.

In der Behandlung von Patienten scheitern achtsamkeitsbasierte Ansätze häufig dann, wenn der Therapeut nicht mehr anwesend ist und die Umsetzung in den Alltag dem Patienten allein nicht gelingt. Soweit eine erste ernüchternde Bilanz.

Was ist also zu tun?

Achtsamkeit ist wirksam. Inzwischen gibt es eine Fülle von guten Büchern mit Anleitungen zur Achtsamkeit. Ihnen gemeinsam sind unterschiedlichste Übungen mit meditativem Charakter. Patienten mit chronischen Schmerzen haben dabei oft das Problem, dass sie bei den überwiegend sehr langen Übungen entweder einschlafen oder mit einer Zunahme der Schmerzen reagieren. Nur ein kleinerer Teil der Schmerzpatienten profitiert von diesen sonst sehr guten und wirksamen Übungen.

Die Erkenntnis daraus ist, dass Menschen mit chronischen Schmerzen ein alltagsnahes Konzept von Achtsamkeit brauchen, d. h. einfache, kurze Übungen, bevorzugt im Sitzen oder Stehen, die sie alleine und ohne Außenhilfe durchführen können.

Wie kann man solche eigenen Strategien der Achtsamkeit entwickeln und sie einfach und positiv in den Alltag integrieren?

Wir haben im Laufe der Zeit festgestellt, dass folgende Kriterien wichtig sind:

die tägliche Anwendung (Wiederholung erhöht die Wirksamkeit),

das unmittelbare Erleben der Wirkung (nur was wirkt, wird verinnerlicht),

kurze Momente, die wenig Zeit beanspruchen (manchmal nur 10 Sekunden),

Achtsamkeit sollte etwas Besonderes sein (Unterbrechung des Alltagsgraus)

und Spaß machen (durch Freude und Humor lernen wir intensiver).

In der Praxis hat es sich als besonders günstig erwiesen, mit wenigen und einfachen Strategien zu beginnen, z. B. mit einer einfachen Bewegungsübung, die mehrfach am Tag durchgeführt wird (wir empfehlen dazu z. B. Track 4, »Der Schrankenwärter«, auf der diesem Buch beiliegenden CD).

Tägliche kleine Momente der Achtsamkeit werden sich im Verlauf zu einem wirksamen Ritual in den Tag integrieren. Schon der bekannte Salutogenese-Forscher Aaron Antonovsky hat festgestellt, dass ein gewisses Maß an regelmäßigen Gesundheitsritualen für das notwendig ist, was wir heute unter »gutes Leben« verstehen.

Alle diese Punkte haben sich in der Arbeit mit Schmerzpatienten als wichtig erwiesen. Dieses Buch fokussiert auf Achtsamkeit bei Stress- und Schmerzerkrankungen. Natürlich sind diese Überlegungen und Vorgehensweisen auch bei anderen Belastungen wirksam. Achtsamkeit kann somit eine Art Basistherapeutikum sein. Erweitern wir also die anfängliche Frage:

Achtsamkeit und gutes Leben trotz Schmerz und Stress, geht das eigentlich?

Das medizinische Verständnis von der Entstehung chronischer Schmerzen und ihrer Aufrechterhaltung hat sich in den letzten Jahren durch die Forschungsergebnisse weiterentwickelt. Dazu beigetragen haben Ergebnisse aus der Grundlagenforschung wie auch der therapeutischen Erfahrung. Zum Beispiel wissen wir heute, dass es enge Zusammenhänge gibt zwischen dem Auftreten chronischer Schmerzen und der Art, wie ein Mensch mit Stress umgehen kann (Stressinduzierte Hyperalgesie; Egle & Roth 2016).

Schmerz ist nicht allein ein Phänomen der Wahrnehmung (z. B. in einem Körperteil). Er ist viel mehr geprägt davon, wie wir über unsere komplexen Eindrücke denken, welche Gedanken und welche Assoziationen wir dazu haben. Chronischer Schmerz ist daher eigentlich eine komplexe innere Bewertung einer Gesamtsituation von Körper, Emotion und Geist. Um diese Zusammenhänge verständlicher und greifbarer zu machen, werden uns durch das Buch einige fiktive Patienten begleiten.

Dieses Buch ist in 5 Kapitel gegliedert, die jeweils das Thema »Achtsamkeit und gutes Leben trotz Schmerz« unter verschiedenen Aspekten beleuchten. Als Leser haben Sie mehrere Möglichkeiten, dies zu nutzen:

Es gibt einfache und konkrete Anleitungen, Achtsamkeitsmomente im Alltag für sich zu entdecken und nutzbar zu machen. Dies kann auch in kurzen Übungen geschehen, von denen wir einige Beispiele auf der CD zusammengefasst haben.

Wenn Sie Vorerfahrungen mit Achtsamkeit haben, können Sie die Informationen und Anregungen dazu nutzen, die eigenen, schon bewährten Strategien weiterzuentwickeln.

Therapeuten können aus diesem Buch Impulse für ihre Arbeit mit Patienten gewinnen und die eher traditionellen Vorgehensweisen einer multimodalen Schmerztherapie kreativ erweitern.

Zu Gunsten der einfacheren Lesbarkeit wird sowohl für die männliche als auch für die weibliche Form die männliche Form verwendet.

Wir danken Herrn Dr. Heinz Beyer vom Klett-Cotta Verlag, der uns den Impuls zu diesem Buch gab. Unser besonderer Dank gilt auch Frau Ulrike Wollenberg und Herrn Oliver Eller sowie Herrn Andreas Nesic, dem Toningenieur.

Insbesondere danken wir aber unseren vielen Patienten, die uns immer wieder herausgefordert haben, uns weiterzuentwickeln.

Claus Derra

Bad Mergentheim

Corinna Schilling

Berlin

Im Oktober 2016

1 Achtsamkeit, Gesundheit und Gutes Leben

Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit. Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es.

Thich Nhat Hanh, Das Glück einen Baum zu umarmen

Bei unseren Überlegungen, wie Achtsamkeit, Gesundheit und Gutes Leben in Beziehung stehen, werden uns, wie in der Einführung erwähnt, Patienten begleiten.

Herr Wolfgang K., 47 Jahre alt, ist ein erfolgreicher, stressgeplagter Mensch der modernen Welt, der unter verschiedenen Beschwerden (anhaltende Rückenschmerzen, Bluthochdruck, inzwischen Übergewicht und Schlafstörungen) leidet und deswegen seine Ärzte immer wieder aufsucht.

Was bedeuten Achtsamkeit, Gesundheit und Gutes Leben?

Wir verstehen in unserer Arbeit Achtsamkeit nicht nur in der buddhistischen Tradition des Zen.

Zen heißt: im Augenblick zu leben ohne ihn zu beurteilen, den Geist zu beruhigen, konzentriert zu handeln, nichts erreichen zu wollen und unabhängig von allem zu sein. Achtsam sein heißt: innere und äußere Vorgänge mit entspannter Aufmerksamkeit zu beobachten und die Wahrnehmung in ihrer Gesamtheit aufzunehmen.

Die westliche Form der Achtsamkeit wurde besonders durch den amerikanischen Forscher und Therapeuten Jon Kabat-Zinn geprägt. Demnach ist Achtsamkeit eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit,

die absichtsvoll ist,

die sich ausschließlich auf den gegenwärtigen Moment bezieht (statt auf die Vergangenheit oder die Zukunft)

und die nicht wertend ist.

Kabat-Zinn systematisierte seine Vorgehensweise in der Achtsamkeit und entwickelte das Mindfulness-Based Stress Reduction Training (MBSR, im Original erschienen 1994 unter dem Titel »Wherever You Go, There You Are«), das auch in Deutschland sehr verbreitet und gut etabliert ist (Kabat-Zinn, 2007).

Üblicherweise wird Achtsamkeit von den Begriffen Aufmerksamkeit und Konzentration abgegrenzt. Den Begriff der Achtsamkeit, wie wir ihn in diesem Buch verwenden, haben wir in einem allgemeinen Sinn erweitert und in praktischer Form auf unsere westlichen Bedürfnisse übertragen.

Die Möglichkeit von Aufmerksamkeitslenkung und die Fähigkeit zur Konzentration werden gezielt mit Achtsamkeit verbunden und zur Veränderung genutzt.

Wir nennen das Zusammenwirken dieser drei Faktoren das Dreieck der Veränderung (s. Abb. 4.13). Dabei haben wir auch eine Verbindung zur Autosuggestion und Imagination im Zusammenhang mit der Mehrfach-Codierungs-Theorie nach Bucci (1997) vorgenommen (siehe Abb. 1.10). Die Übungen auf der CD sind systematisch danach aufgebaut.

Achtsamkeit ist Herrn Wolfgang K. bislang fremd. Er könnte sich dieser annähern, indem er kleine Momente in seinem Alltag der Achtsamkeit widmet. Z. B. könnte er nach jeder E-Mail, die er liest und beantwortet, sich bewusst im Stuhl zurücklehnen, einen tiefen Atemzug nehmen und dadurch eine kleine Entspannungsreaktion einleiten (achtsame Zeitdauer inklusive Regeneration 10 – 15 Sekunden). Es wäre auch möglich, in bestimmten zeitlichen Abständen aufzustehen und eine Übung zur körperlichen Aktivierung zu machen. Durch solche einfachen, regelmäßigen, über den Tag verteilten Anwendungen der Achtsamkeit im Alltag könnte er seine Gesundheitsbilanz zumindest hinsichtlich seiner Rückenbeschwerden und seiner Schlafstörungen deutlich verbessern.

Was bedeutet Gesundheit?

Allgemein wird Gesundheit als ein Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens beschrieben. Damit ist für den Einzelnen ein inneres Gleichgewicht der physischen und psychischen Funktions- und Leistungsfähigkeit verbunden. Dieses Gleichgewicht ist immer Schwankungen durch äußere (Umwelt, Kälte, Bedrohungen, Konkurrenz) und innere Faktoren (Konflikte, Alterungsprozesse, Hunger) unterworfen.

Herr K. fühlt sich nach dieser Definition selten gesund. Er bewertet Beschwerden schnell als Krankheitssymptome und sucht deswegen seine Ärzte auf. Manche seiner Beschwerden könnte er eigentlich als normale Schwankungen der Gesundheit verstehen.

Gutes Leben bedeutet, dass ein Mensch seine körperlichen und seelischen Funktionen und seine persönlichen Fähigkeiten in seinen sozialen Bezügen positiv und kreativ einsetzen kann. Dies befriedigt wesentliche Grundbedürfnisse menschlichen Daseins (Neugier, Nähe zu anderen Menschen, Vergnügen, Anerkennung, Abgrenzung). Gutes Leben führt für die Persönlichkeit und für die Umwelt insgesamt zu Zufriedenheit.

Herr K. kann diese Auffassung von Gutem Leben nicht teilen. Er merkt, dass er in Teilbereichen von Familie, Arbeit und Freizeit Zufriedenheit herstellen kann. Dabei versteht er unter Zufriedenheit vornehmlich seine unmittelbare Bedürfnisbefriedigung. Die von Wissenschaftlern formulierten o. g. Grundbedürfnisse des menschlichen Daseins lehnt er als »Psychokram« ab. Er hat jedoch gehört, dass die Bundesregierung einen Bericht zum Thema »Lebensqualität und gut leben in Deutschland« veröffentlicht hat. Er hat den Bericht aus Neugier aus dem Internet heruntergeladen (www.gut-leben-in-deutschland.de) und folgende Abbildung ist ihm aufgefallen:

Abb. 1.1 12 Dimensionen der Lebensqualität

Die Abbildung 1.1 beinhaltet 12 Dimensionen der Lebensqualität. Diese wurden in umfänglichen Bürgerbefragungen von April bis Oktober 2015 mit 15 750 Teilnehmenden in Deutschland ermittelt. Es soll ein ganzheitliches Verständnis von Lebensqualität, Wohlstand und Fortschritt zugrunde liegen und eine bessere Messung und Erfassung von gutem Leben ermöglicht werden.

Der Bericht gibt einen guten Überblick über die Rahmenbedingungen, in denen »gutes Leben« in Deutschland möglich ist. Er hat jedoch nicht den Anspruch, zu vermitteln, wie dies der Einzelne persönlich umsetzen kann.

Psychosoziale Aspekte des Krankseins – das Bio-Psycho-Soziale Modell

Wie wir erfahren haben, ist Herrn Wolfgang K.s Denken stark krankheitsorientiert. Wir nennen dies ein pathogenetisches Krankheitsverständnis.

Im Schulmedizinischen System spielen der Faktor »Krankheit« und die Ursachen, die krank machen, tragende Rollen. Der Arzt fragt üblicherweise Symptome ab und versucht, diese bestimmten Krankheiten zuzuordnen. Er warnt vor Risikofaktoren, die die Gesundheit gefährden könnten.

Wenn Herr K. beispielsweise mit Rückenschmerzen zum Arzt kommt, wird dieser nach der Anamnese der Schmerzen sicher eine körperliche Untersuchung, ggf. auch radiologische Untersuchungen, durchführen. Er wird eine Diagnose stellen und i. d. R. Möglichkeiten der Therapie (Medikamente, Spritzen, Krankschreibung oder Operationsüberlegungen) vorstellen.

Wenn der Arzt einem sogenannten »Bio-Psycho-Sozialen Krankheitsmodell« folgt, wird er auch auf seelische und soziale Faktoren bei Herrn K.s Rückenschmerzen achten und spezifisch danach fragen.

So wissen wir z. B. heute, dass anhaltende Arbeitsplatzunzufriedenheit ein wichtiger Faktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Rückenschmerzen ist.

Herr K. hat seit langer Zeit einen Streit mit einer Arbeitskollegin. Dies beschäftigt ihn in einem beträchtlichen Ausmaß. Trotzdem schafft er es nicht, mit jemandem darüber zu reden. Einen Zusammenhang zwischen seinem Konflikt und den verstärkten Rückenschmerzen kann er noch nicht herstellen.

Das Bio-Psycho-Soziale Krankheitsmodell wurde in den 1970er Jahren von dem amerikanischen Arzt George Engel entwickelt (Engel 1977). Es stellt eine Erweiterung der rein körperlich orientierten Sichtweise der Medizin dar. Dies entspricht auch dem Wunsch vieler Menschen, die sich eine ganzheitliche Sichtweise durch ihren Arzt wünschen.

Das Bio-Psycho-Soziale Modell (Abb. 1.2) gibt uns die Möglichkeit, die Ursachen von chronischen Krankheiten in drei verschiedenen Dimensionen differenzierter und besser zu verstehen.

Abb. 1.2 Bio-Psycho-Soziales Modell – Biopsychosoziale Aspekte des Krankseins

Für den Patienten ist es dabei ganz wichtig zu wissen, dass sich je nach Art der belastenden Faktoren in den drei Dimensionen ganz unterschiedliche therapeutische Ansätze für den Einzelnen ergeben. Im zweiten und dritten Kapitel dieses Buches wird darauf genauer eingegangen.

Bisher haben wir uns im pathogenetischen Krankheitsverständnis bewegt. Der Arzt muss sich in diesem Bereich gut auskennen, um Krankheiten zu erkennen und angemessen behandeln zu können.

Von der Pathogenese zur Salutogenese

Seit Mitte der 1980er Jahre gibt es eine Forschungsrichtung, die das Modell der Pathogenese erweitert und durch das Konzept der Salutogenese ergänzt. Diese beschäftigt sich mit der zentralen Frage:

Wie entsteht eigentlich Gesundheit?

Sicherlich entsteht Gesundheit nicht allein durch das Vermeiden von Risikofaktoren und die Behandlung von Krankheit, wie wir es von dem pathogenetischen Modell her kennen.

Der Zusammenhang zwischen Krankheit (Pathogenese) und Gesundheit (Salutogenese) lässt sich durch folgendes Kontinuum darstellen:

Abb. 1.3 Pathogenese

Der israelische Soziologe Aaron Antonovsky (1923 – 1994) hat sich in einzigartigen Verlaufsuntersuchungen mit der Gesundheitsentwicklung von Überlebenden der Konzentrationslager aus dem Dritten Reich beschäftigt. Er konnte feststellen, dass die Menschen bei gleicher äußerer Belastung und Bedrohung die Zeit in den Konzentrationslagern sehr unterschiedlich überstanden haben. Im Verlauf der Jahre kam er daher immer mehr weg von der Frage: »Was macht Menschen krank?« zu der Frage: »Was hält Menschen gesund?«

Antonovsky stellte fest, dass eine widerstandsfähige Persönlichkeit u. a. folgende Merkmale aufweist (Antonovsky 1987):

Engagement – Glaube an die Wichtigkeit und den Wert der eigenen Person und dessen, was man tut

Gefühl der Kontrolle – Überzeugung, den Verlauf der Ereignisse durch eigenes Zutun angemessen beeinflussen zu können

Herausforderung – Überzeugung, dass Veränderung das Leben kennzeichnet, und nicht momentane Stabilität

Selbstwirksamkeit und Selbstaufmerksamkeit – Wahrnehmung der eigenen Wirksamkeit und bewusstes Begleiten von Körper und Geist

Dieser letzte Begriff macht die enge Verbindung von Gesundheit und Achtsamkeit deutlich.

Abb. 1.4 Kohärenzgefühl

Antonovsky beschreibt diese o. g. Grundeinstellungen zusammenfassend als Kohärenzgefühl (Abb. 1.4). Dieser zentrale Aspekt bezeichnet die Art, wie ein Mensch sich in seiner Welt erlebt und fühlt. Sieht er einen Sinn in seiner Existenz? Hat er ein grundlegendes Verständnis für die Zusammenhänge seines Lebens? Sieht er sich selbst als Handelnden und das eigene Leben gestaltend?

Wenn Herr Wolfgang K. salutogenetische Vorstellungen auf sein Leben übertragen würde, könnte er sich folgende Fragen stellen:

Ist meine Welt für mich verständlich und kann ich meine Belastungen in einem größeren Zusammenhang sehen?

Kann ich die Aufgaben, die mir das Leben stellt, lösen? Welche individuellen Eigenschaften habe ich dazu mitgebracht oder welche kann ich entwickeln?

Welche Ziele und Projekte verfolge ich in meinem Leben? Wofür lohnt sich mein Einsatz? Bin ich bereit, die Sinnhaftigkeit meiner Existenz mit allen Mitteln zu verteidigen?

Die Ergebnisse von Antonovsky sind durch viele weitere Forschungen bestätigt worden und werden stetig weiter beforscht und entwickelt (Übersichten bei Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 1996, Grawe 2004, Petzold 2010 und Lorenz 2016).

Überträgt man das Konzept der Salutogenese auf die medizinische Sicht, so geht es um die Stärkung von Gesundheitsfaktoren und Widerstandsfähigkeit statt lediglich um die Warnung vor Risikofaktoren und Behandlung von Krankheiten.

In der Realität ist sicherlich beides notwendig: die Stärkung von Gesundheitsfaktoren und die Warnung vor Risikofaktoren. Dies haben wir in Form einer Waage dargestellt, bei der die Gesundheitsgewichte rechts verstärkt und die Krankheitsgewichte links vermindert werden (Abb. 1.5).

Abb. 1.5 Die Gesundheitswaage

Dieses Bild ist zwar plausibel, aber im Grunde sehr mechanisch gedacht. Unser Organismus ist wesentlich komplexer und dynamischer zu verstehen. Der Kohärenzsinn eines Menschen beinhaltet u. a. die Fähigkeit, sich körperlich wie seelisch gesund zu halten. Unter psychologischen Aspekten gehört dazu nicht nur das Wissen um Gesundheitsfaktoren. Erst die Motivation zur Umsetzung in die tägliche Anwendung beinhaltet eine nachhaltige Entwicklungsmöglichkeit. Wir erweitern daher die o. g. Überlegungen und entwerfen im Folgenden ein Bio-Psycho-Soziales Gesundheitsmodell, erweitert um eine spirituelle Dimension.

Das Bio-Psycho-Soziale Gesundheitsmodell: Was hält uns gesund?

Die Schulmedizin hat heute die Nachteile des pathogenetischen Modells mit seiner Sichtweise ausschließlich auf die Entstehung von Krankheiten erkannt. In Deutschland sind vor allem Hausärzte und Frauenärzte in der sogenannten Psychosomatischen Grundversorgung ausgebildet und haben das Bio-Psycho-Soziale Krankheitsmodell kennen gelernt. Behandlungen werden zunehmend auf der Basis dieser ganzheitlichen Vorstellung geplant. Die Psychosomatische Grundversorgung bietet Ansätze zur Veränderung auch bei komplexen Erkrankungen in belastenden psychosozialen Zusammenhängen. Wünschenswert wäre eine weitere Entwicklung von diesem Krankheitsmodell zu einem Bio-Psycho-Sozialen Gesundheitsmodell.

Abb. 1.6 Das BPSS Gesundheitsmodell

Im Bio-Psycho-Sozialen Gesundheitsmodell würden daher folgende Fragen gestellt:

Wie halte ich meinen Körper gesund?

Was tue ich für meine Seele?

Wie gestalte ich meine Beziehungen?

Wie kann ich meine Konflikte gut lösen?

Wie bin ich im Leben verwurzelt? Wo gehöre ich hin?

Wie halte ich meinen Körper gesund?

Für die Körperliche Gesundheit ist es wichtig, die allgemein bekannten Risikofaktoren (z. B. Rauchen, Übergewicht, regelmäßiger Alkoholkonsum) zu vermeiden. Darüber hinaus finden Sie in Tabelle 1.1 eine Übersicht über wesentliche Faktoren, die die körperliche Gesundheit positiv beeinflussen (Ernährung, Bewegung, Schlaf, Genuss). Dabei bedeutet »Grundlage« die wissenschaftliche Studienlage und »Empfehlung« vermittelt die Umsetzung in den Alltag.

Tab. 1.1 Körperliche Gesundheit

Grundlage

Empfehlung

Tägliche körperliche Aktivität

Mindestens 150 Minuten intensive körperliche Aktivität/Woche

Pflanzliche Kost als Basis

5 Portionen Obst/Gemüse täglich

Angepasste Energiezufuhr, gesundes Körpergewicht

Body-Mass-Index 18 – 25 (mittleres Alter)

Alkohol moderat, nicht täglich

Grenzwert der WHO: Äquivalent zu 2 Gläsern Wein/Tag (Männer), zu 1 Glas Wein/Tag (Frauen)

Kein Nikotin

Kein Nikotin

Erholungszeiten einhalten

Gute Schlafhygiene mit 6 – 8 Stunden Schlaf täglich

Einer der zentralen Gesundheitsfaktoren ist die regelmäßige körperliche Bewegung.

Besonders günstig sind rhythmische Bewegungseinheiten, die den ganzen Körper einbeziehen (Laufen, Nordic Walking, Schwimmen, Fahrradfahren, Bewegung an Fitnessgeräten).

Umfängliche Untersuchungen haben gezeigt, dass 5 × 30 Minuten Ausdauertraining pro Woche die wichtigsten schädlichen Zivilisationserscheinungen deutlich verringern und die Gesundheit verbessern kann.

Außer dem Herz-Kreislauf-Ausdauertraining sollten gerade auch Menschen mit chronischen Schmerzen Übungen zur Erhaltung der Beweglichkeit mehrfach täglich durchführen (s. Kap. 4). Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass das Ganze auch Spaß machen soll. So haben sich auch Bewegungsabläufe von spontanen Tänzen oder Bewegung zu Musik als wirksam erwiesen. Auch die Kombination von Bewegung und Körperrhythmen, wie z. B. Atmung im Yoga, entfalten eine tiefe und nachhaltige Wirkung.

Bevor Sie jetzt schon die Laufschuhe anziehen: Bitte vergewissern Sie sich kurz, ob Sie sich körperlich in der Lage fühlen, direkt loszulegen. Falls Sie lange keinen Sport ausgeübt haben oder an einer chronischen Erkrankung leiden, lassen Sie sich bitte zuvor von Ihrem Arzt beim schrittweisen Aufbau eines Trainingsprogrammes beraten.

Zur Frage der gesündesten Ernährung