Adolf Hitler - Harald Steffahn - E-Book

Adolf Hitler E-Book

Harald Steffahn

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Beschreibung

Rowohlt E-Book Monographie Adolf Hitler (1889-1945) trug als Kanzler und «Führer» des Deutschen Reiches maßgebliche Verantwortung für den Beginn und Verlauf des Zweiten Weltkriegs und die systematische Vernichtung der europäischen Juden. Wie der Diktator an die Macht kam, mit welchen Mitteln er sie verteidigte und ausbaute und welche schrecklichen Folgen seine Herrschaft für die ganze Welt hatte, wird in dieser Monographie dargestellt. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

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Harald Steffahn

Adolf Hitler

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Über dieses Buch

Rowohlt E-Book Monographie

Adolf Hitler (1889-1945) trug als Kanzler und «Führer» des Deutschen Reiches maßgebliche Verantwortung für den Beginn und Verlauf des Zweiten Weltkriegs und die systematische Vernichtung der europäischen Juden. Wie der Diktator an die Macht kam, mit welchen Mitteln er sie verteidigte und ausbaute und welche schrecklichen Folgen seine Herrschaft für die ganze Welt hatte, wird in dieser Monographie dargestellt.

Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Über Harald Steffahn

Harald Steffahn wurde 1930 in Berlin geboren. 1949 bis 1951 Volontariat bei einer Hamburger Tageszeitung. 1951 bis 1959 Studium der Geschichte und Politischen Wissenschaften in Hamburg und Berlin. Promotion zum Dr. phil. Journalistische Berufsstationen «Spiegel»-Archiv, Deutsche Presse-Agentur, «Die Zeit». Seit 1975 selbständig als Journalist und Schriftsteller. 2017 erhielt er den Internationalen Albert Schweitzer Preis. Harald Steffahn starb Anfang April 2018 in Hamburg.

Zu den lieferbaren Titeln gehören die Rowohlt Monographien «Albert Schweitzer» (rm 50263, 19. Aufl. 2014); «Adolf Hitler» (rm 50316, 14. Aufl. 2010), auch übersetzt ins Norwegische, Tschechische, Chinesische, Japanische, Koreanische; «Die Weiße Rose» (rm 50498, 9. Aufl. 2011); «Stauffenberg» (rm 50520,5. Aufl. 2014); sowie «Das Albert Schweitzer Lesebuch» im Verlag Beck (5. Aufl. 2011).

Wandlungen im Hitler-Bild

In den Erinnerungen Albert Speers von 1969 ist ein Zukunftsmodell von Berlin abgebildet. Es wirkt wie eine Luftaufnahme auf dem Reißbrett und gibt anschaulich wieder, wie Adolf Hitler und sein Chefarchitekt sich die künftige Mitte des Tausendjährigen Reiches vorstellten. Sie sollte alles Dagewesene oder Vorhandene – und hierbei war vornehmlich an Paris gedacht – verkleinern und deklassieren. Herausragend, im Sinne des Wortes: ein Triumphbogen von 120 Metern Höhe, mit den Namen aller zwei Millionen deutschen Gefallenen des Weltkriegs 1914 bis 1918 sowie eine Kuppelhalle mit einer Höhe von 290 Metern und einem Durchmesser von 250 Metern, ausgelegt für 150000 bis 180000 Stehplätze. Auf der Spitze des Steingebirges thronte der Reichsadler, in den Fängen die Weltkugel … Der Innenraum der Peterskirche hätte siebzehnmal in den Koloss hineingepasst. Triumphbogen und Kuppelhalle, die «Höhepunkte» der Reichshauptstadt, erhoben sich am Beginn und Ende einer fünf Kilometer langen Nord-Süd-Achse, das Zweieinhalbfache der Champs-Élysées. Der gedachte neue Führerpalast verurteilte die ausländischen Diplomaten zu einem Anmarschweg von 500 Metern: Unterwerfung durch einschüchternde Raummaße. Zu erwähnen vielleicht noch der Staatsbahnhof mit vier Verkehrsebenen und das Stadion der Vierhunderttausend, geplant für olympische Spiele mit Dauersitz in Deutschland.

Vor den Entwürfen der Gigantomanie träumte Hitler 1937: Wir werden ein großes Reich schaffen. Alle germanischen Völker werden darin zusammengefaßt sein. Das fängt in Norwegen an und geht bis Norditalien. Ich selbst muß das noch durchführen. Wenn ich nur gesund bleibe![1] Als späteren neuen Namen der Metropole hatte er «Germania» im Sinn.

Bei Speer findet der Leser zwei Skizzen Hitlers aus der Mitte der zwanziger Jahre: Triumphbogen und Große Halle, Vorläufer der ähnlich konzipierten neubarocken Ungeheuer, die ein Jahrzehnt danach die Welthauptstadt Berlin im Planungsbüro krönten. Bemerkenswert, wie Hitler mitten in der Kampfzeit, als Chef einer Splitterpartei mit geringen Aussichten, seine Herrschaftsträume von einem neogermanischen Großreich mit dem Zeichenstift festgehalten hat. Denn wozu eine raumsprengende Repräsentations-Architektur in einem Staat von europäischem Normalumfang? Der Parteiführer musste schon damals weit darüber hinausgedacht haben, allein nach seinem Skizzenblock geurteilt. Der bautechnische Weltmachtstil in Speers Entwürfen setzte lediglich um und führte aus, was der Bauherr lange mit sich herumgetragen hatte. Als Hitler eines Tages im Jahre 1935 die Skizze der Großen Halle, zehn Jahre alt, hervorholte und sie Speer schenkte, erläuterte er: Ich habe sie immer aufgehoben, da ich nie daran zweifelte, daß ich sie eines Tages bauen werde.[2]

Entwerfen und Bauen war für Hitler Weltanschauung in Stein. Zeitgleich mit den ersten Entwürfen für das monumentale Äußere des kommenden Reiches entwickelte der Parteiführer seine Vorstellungen von dessen räumlicher Ausdehnung und der inneren Gestalt: in der programmatischen Schrift Mein Kampf. Die Herrschaftsvision per Diktat ergänzte diejenige auf dem Zeichenblatt, oder umgekehrt. Darin lagen Logik und Konsequenz, ja, es war Prophetie in eigener Sache, denn derselbe Mann hat, nachdem er an die Macht gekommen war, seine Zukunftsbilder mit äußerster Entschlossenheit zu verwirklichen gesucht. Ist es schon höchst ungewöhnlich, dass ein Politiker im Voraus ein Kursbuch aggressiver Herrschaftsziele veröffentlicht, so kennt die Geschichte kein zweites Beispiel, dass er anschließend die Züge unbeirrbar nach dem ursprünglichen Fahrplan auf die Reise schickte.

Erstaunlicher nur als die Willenseinheit im Planen und Ausführen, hinweg über alle Wechselfälle des persönlichen Aufstiegs und der europäischen Allgemeinentwicklung von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, ist die Hartnäckigkeit, mit der die Forscher die zugrunde liegende Weltanschauung lange übersehen und bestritten haben. Obwohl zutage liegt, dass der Staatsmann und Feldherr Hitler den Demagogen und Programmatiker Hitler Punkt für Punkt erfüllt und bestätigt hat, wurde ihm jahrzehntelang jedes zusammenhängende Weltbild abgesprochen. Als prinzipienloser Machtmensch geistert er durch die älteren Bewertungen. Nicht wenig trug Mein Kampf dazu bei. Hass, Aggressionen, Pathos und irrtumstrotzende Halbbildung standen vorurteilsfreier Prüfung ebenso entgegen wie die unsystematische Anlage der Schrift und ihr propagandistischer, vom Redeton her gedachter Duktus. Die geschulten Denkapparate der Historiker wurden davon irritiert wie saubere technische Geräte durch ein nicht entstörtes altes Modell. Mein Kampf blieb der ungelesenste Bestseller der Weltliteratur.[3]

Überdies hatte ein beachteter Hitler-Kritiker die Interpretationen in die Fehlrichtung gelenkt. Hermann Rauschning, einstiger Danziger Senatspräsident von anfänglich nationalsozialistischer Couleur, hatte bis zum Abfall viele freimütige Äußerungen des Reichskanzlers vernommen, sich dabei vom opportunistischen Plauderton täuschen lassen und auf grundsätzliche Richtungslosigkeit geschlossen. Daraus entstand der Buchtitel «Revolution des Nihilismus», 1938. Der Nationalsozialismus, schrieb er, kenne kein wie immer geartetes Ziel, das er nicht um der Bewegung willen aufzustellen oder preiszugeben bereit sei. Totale Herrschaft um ihrer selbst willen bilde das alleinige Prinzip.

Die erste wissenschaftliche Biographie, Alan Bullocks allgemein gerühmte «Study in Tyranny» von 1952, brachte sich in der Kernaussage um ihren Wert, denn sie deckte sich darin fast wörtlich mit Rauschnings verfehlter Sicht. Und so ging es weiter bei allen sonstigen Fortschritten in der biographisch-historischen Durchdringung der Person und der Epoche. Die geschichtsrichterliche Zunft sträubte sich, den Hauptangeklagten zur Wahrheitsfindung ernsthaft zu befragen. Von einer einsamen, ungehörten englischen Stimme abgesehen (R.C.K. Ensor, Oxford 1939), fanden die Historiker sich erst in den fünfziger und sechziger Jahren bereit, die unerquickliche Grundschrift des großen Ruinierers ohne Zorn und Eifer zu lesen – oder überhaupt zu lesen –, Text und Taten nüchtern zu vergleichen.

Wieder ging ein Oxford-Mann voran, Hugh Trevor-Roper, 1953 und 1959/60. Hitlers Weltanschauung habe seit 1923 festgestanden; im Osten ein großes deutsches Reich zu errichten, sei der Traum seines Lebens gewesen. Den Fachkollegen warf er vor, der Abscheu vor Hitlers Unmenschlichkeit habe sie für seine in sich geschlossene Vision der Weltgeschichte blind gemacht, sie gehindert, ihm Denkschärfe und zielbewusstes Handeln zuzutrauen.

In Deutschland setzte eine neue Historiker-Generation den bezeichneten Weg entschlossen fort. Martin Broszat dehnte die Betrachtung 1960 auf die von Trevor-Roper wenig berücksichtigte Judenpolitik aus und nannte Hitlers Antisemitismus die vielleicht einzige Überzeugung, die bei ihm nicht opportunistisch manipulierbar gewesen sei. Ernst Nolte erkannte eine weltanschauliche Folgerichtigkeit, die einem den Atem verschlage (1963). Die neuen Einsichten ließen auch Alan Bullock umdenken. In einer überarbeiteten Neuausgabe seiner Biographie räumte er zehn Jahre nach der Erstfassung ein, Hitler habe an den Zielsetzungen des Buches Mein Kampf bis zuletzt konsequent und mit erstaunlicher Willenskraft festgehalten.

Wichtige Gedankenschritte auf dem mühevollen Weg der Umorientierung leistete Eberhard Jäckel 1969: «Hitlers Weltanschauung – Entwurf einer Herrschaft». Er ordnete das verstreute, unzusammenhängend hinterlassene Material zum Welt- und Geschichtsbild wie in einem Puzzlespiel. Und da ergab oder bestätigte sich zweierlei. Hitlers Weltanschauung hatte in den zwanziger Jahren ihre Endgestalt gewonnen; ihre Kernmotive waren Rasse und Lebensraum.

Jäckel konnte für die erweiterte Neuausgabe seines Essays (1981) die mittlerweile vorliegenden «Sämtlichen Aufzeichnungen» Hitlers bis 1924 zusätzlich verwerten. Dieser Sammelband von 1980 (Jäckel und Kuhn), ein Glanzstück schürfender und nutzbar präsentierter Quellenkunde, vervollständigt die schon vorher bekannt gewesenen Selbstzeugnisse bis zum Ende der Landsberger Festungshaft und bildet nun die dritte Textgrundlage für Hitlers Werdezeit. Er selber hatte 1925 und 1927 in zwei Teilen Mein Kampf veröffentlicht. 1961 brachte Gerhard Weinberg «Hitlers Zweites Buch» von 1928 unter dieser nachträglichen Bezeichnung heraus.

Hatte Jäckel noch 1969 heftig gegen die älteren Ansichten vom reinen, ziellosen Machtstreben gestritten, so spricht er in der Neufassung nur noch von der «kaum glaublichen Geschichte der Unterschätzung Hitlers»[4] als von etwas Überwundenem, denn: «Inzwischen hat sich das Urteil gewandelt.»[5] Dass schon der Parteiführer lange vor der Berufung zum Kanzler entschlossen gewesen war, Russland zu erobern und die Juden zu entfernen (bis zu welchem Grade auch immer), bezweifelt kein Sachkenner mehr. Den Rezeptionsweg ungewohnter neuer Anschauungen hatte Gustav Freytag einmal ironisch so beschrieben: Zuerst heiße es, das sei nicht wahr, sodann: es schade der Kirche, zuletzt: das wisse doch jedes Kind.

Niemand kann allerdings bisher schlüssig beweisen, wann Hitlers Feindschaft gegen die Juden angefangen hat, und auf Grund welcher Einwirkungen. Entschieden ist nur, wann der Antisemit Hitler praktisch fertig dastand. Über Mutmaßungen und Assoziationen für die weltanschaulichen Ansätze dieser späteren einzigartigen Hassverdichtung kommen wir nicht hinaus, und allem Anschein nach wird es so bleiben. Martin Broszat fasste die Vergeblichkeit 1980 in dem Satz zusammen, «daß wir Sicheres … über die Entstehungsgeschichte des Hitlerschen Antisemitismus [nicht] wissen»[6].

Auf anderen Teilgebieten der Hitler-Forschung und -Deutung glückten Durchbrüche leichter oder gar kampflos, begünstigt durch teilweise gelassenere Betrachtung aus wachsendem Zeitabstand. Aber auch dort brauchte die Versachlichung Zeit und lange Wege.

Wie der ideologische Umriss zunächst verfälscht worden war, so der biographische. Hatte auf jenem Gebiet Hermann Rauschning in die falsche Richtung gewiesen, so war es auf diesem Konrad Heiden gewesen, auch in den dreißiger Jahren. Seither vervielfältigte sich die Mär vom Wiener Vagabunden und herumlungernden Obdachlosen; glaubhafter noch dadurch, dass Hitler aus politisch-taktischen Gründen von sich selber das Zerrbild qualvoller Armut entworfen hatte.

Die Wahrheit kam schrittweise ans Licht. Die meiste quellenkundliche Kärrnerarbeit bewältigte Werner Maser mit wahren Zettelkasten-Orgien und ständig ergänzten Neufassungen seiner faktenüberhäuften Biographie von 1971. Unentwegt polemisierend, verschont er den Leser mit keiner Variante anderer, selbstredend irrender Autoren. Doch in aktendetektivischer Gründlichkeit ist er schwerlich zu übertreffen. Er entkräftet die Legenden vom ewigen Wiener Hungerleider, wobei er nur ins andere Extrem fällt und Hitler zu auskömmlich leben lässt.

Noch ehe die Materialschlachten mit lebenskundlichem Fundgut 1976 in John Tolands 1200 Seiten starkem «Adolf Hitler» wohl an ihre Grenzen gelangt waren, hatte Joachim Fest den Gegenstand unter anderer Blickrichtung und mit anderem Instrumentarium erschlossen. Nachdem die Lebenstatsachen, soweit überhaupt möglich, weitgehend ermittelt zu sein schienen, die Konturen des Zeitalters, soweit jener Name es beherrscht, feststanden, sah er mittlerweile die wichtigere Aufgabe des Historikers in Deutungen und Durchblicken statt in fußnotenseliger Detailkunst; kann doch das Literaturgebirge «Hitler» schon keiner mehr ersteigen. Bei aller biographischen Sorgfalt fragt er vor allem nach den Gründen des Erfolgs und der Wirkung dieses Mannes und seiner beispiellosen Energieentladung. Mit psychologisch-analytischem Scharfsinn legt er in immer wiederholten Anläufen wahrhaft erschöpfend dar, wie Hitler die untergründigen Ängste, Sehnsüchte, Ressentiments der Massen in medialer Wechselbeziehung auffing und zurückwarf. Ohne Hitler bliebe die Epoche unverständlich; er ist nicht als isoliertes, selbsttätiges Verhängnis von ihr abzulösen.

Dem Druckwerk von 1973, in der brillantesten Wissenschaftsprosa dieser Jahrzehnte, folgte 1977 sein Film über Hitlers Karriere. Alle Zuschauer, auch die es gern vergessen hatten, erlebten in beklemmender Leinwand-Unleugbarkeit lange Sequenzen frenetischen Jubels und taumelnder Selbstvergessenheit. Deutschland hatte diesen Mann umtobt wie keinen zuvor. Wenn Charisma und dessen Wirkung als geschichtliche Treibkräfte, als Anteilseigner des Weltganges studiert werden wollen, dann bieten sich solche Filmdokumente als lehrreich an. Beängstigend manche Szenen rauschhafter Verzückung und tranceartiger Vereinigungssehnsucht auf der einen Seite, berechnend hinausgezögerter Teilhingabe auf der anderen. Wer all das ignoriert oder als unerheblich abtut, kommt dem Charakter der Zeit nicht nahe.

Unbefohlener, willensfreier Personenkult wächst nicht auf dem Grunde bloßer irrationaler Gefühlsverbindungen. Da müssen Leistungen des Einen gegenüber den Vielen erbracht worden sein. Und wirklich hatte Hitler ja zunächst wichtige Versprechen erfüllt und sich gegen alle Voraussagen als fähiger Kanzler erwiesen. Diesen Tatbestand hebt Sebastian Haffner in seinen «Anmerkungen zu Hitler» von 1978 dadurch hervor, dass er den «Leistungen» und «Erfolgen» ein knappes Drittel des ganzen Textes einräumt – ein weiterer, besonders auffallender Schritt der Versachlichung. Man könne sich, ruft der Emigrant des Jahres 1938 als unverdächtiger Chronist in Erinnerung, «die dankbare Verblüffung», dass Hitler Millionen Menschen wieder Arbeit und Brot gegeben habe, «gar nicht groß genug vorstellen»[7].

Nach all den Kompendien des Fleißes stieß seine knappe, dabei essayistische Geschichtslektion in eine Bedarfslücke, obwohl die Frage, aus welchen Voraussetzungen Hitler möglich wurde, zur Macht gelangte, weithin offen bleibt. Elegant formulierend und ideenreich, erlöste Haffner jedenfalls in seiner ungehemmten Frische weitere unbequeme Wahrheiten aus der Tabuisierung oder rückte sie mehr in den Blick, ließ sie weniger leicht im Meer der Druckbuchstaben untergehen. Am Ende, wenn die Irrtümer, Fehler und Verbrechen vorübergezogen sind, ist Hitler auch bei ihm wieder im Lot – negativ.

Die Wahrheitssuche der letzten Jahrzehnte, von der hier in gedrängter Kürze nur die große Linie nachgezogen werden kann, mit wenigen Hauptsachen, hinter denen sich Bibliotheken zäher Kleinarbeit türmen – sie hat Hitler nicht aufgewertet, nur zurechtgerückt. Aus den Geschichtstrümmern der Täuschungen, Lügen, gebrochenen Verträge, gigantischen Zerstörungen und Vernichtungstaten sind lediglich Erkenntnisse vom wirklichen Ereignisgang freigelegt worden, auch wenn sie unliebsam sind. Das ist des Historikers Handwerk und Pflicht.

Dazu gehört Jäckels Feststellung in einem Vortrag «Hitler und die Deutschen» (1979), dass das Volk ihn «eher geliebt als gefürchtet» habe und «daß die Herrschaft Hitlers über die Deutschen keineswegs allein und nicht einmal überwiegend auf Terror beruhte»[8]. Wie sich mit diesem Sachverhalt zugleich Vernichtungsprogramme vertrugen, wird zu zeigen sein.

Die rücksichtslosen Richtigstellungen lassen den Einbruch des Dritten Reiches eher als Kausalitätsprozeß begreifen; sie helfen, Hitler zu entdämonisieren. Der Führer des Nationalsozialismus ist aus der deutschen Geschichte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts hervorgegangen, wenngleich mit rätselvollen und vorbildlosen Zutaten, und muss aus ihr verstanden werden, muss vor allem von uns wieder hin- und angenommen werden. Er gehört uns leider. Eine Binsenwahrheit? Offensichtlich erst seit neuerem, sonst hätten die beiden Mitscherlichs nicht 1967 den Vorwurf der «Unfähigkeit zu trauern» erhoben.

In der Psychoanalyse ist «Trauerarbeit» ein schmerzhafter, selbstkritischer Loslösungsvorgang, schrittweise, von einem geliebten Objekt, ist das Hineinfinden in eine Verlustrealität. In diesem Falle heißt das: sich mit dem Verrat der Ideale durch einen Vergötterten auseinanderzusetzen und zugleich damit die Verbrechen, insonderheit den Millionenmord an den Juden, mitleidend zu verinnerlichen. Stattdessen hatten die Deutschen wie enttäuschte Liebende Hitler und alles damit zusammenhängende Geschehen affekthaft verdrängt, in kollektiver Gemütsabwehr aus dem Leben gelöscht, so gut es ging. Bei aller äußeren Bereitschaft «wiedergutzumachen», wie es in einer Traulichkeitsvokabel aus dem deutschen Märchenschatz heißt, blieb das Furchtbare im allgemeinen Bewusstsein doch unverarbeitet.

Das ist anders geworden. Die gedruckte Vergangenheitsschau hat dazu ebenso beigetragen wie, mit harten Denkanstößen, die filmische. Die Fernsehserie «Holocaust» aus Amerika erschütterte landesweit, obwohl man sie bei der Erstausstrahlung 1979 noch im Dritten Programm versteckt hatte. Auch bei der Serie «Ein Stück Himmel» 1982 – diesmal erlebt, nicht erfunden – bewies die Geschichte wieder ihr Überwältigungsvermögen, sobald sie sich in persönliche, nachzuerlebende Schicksale kleidet. Mit einem Mal wuchs aus dem anonymen Gesamtdrama Judentum, mit dem abstrakten Unmaß seiner Zahlen, eine Einzeltragödie heraus, in die sich jeder einfühlend hineindenken konnte. Das hatte schon der postume Erfolg der armen Anne Frank gezeigt; das wiederholte sich verstärkt bei Janina David mit der anderen Größenordnung des schon fast mythischen Symbolnamens Warschauer Ghetto.

Ein Kind mit fassungslosen Augen wurde zum Reiseführer in die junge Vergangenheit. Das Schicksal, das sich in ihnen spiegelte, ergriff Ungezählte. Sie warteten auf die nächste Folge, als spürten sie, das sei ihre eigene, vergessene Geschichte. Sind wir doch fähig geworden zu trauern?

Der Müßiggänger

Herkunft und Kindheit

In der nationalsozialistischen Wochenzeitschrift «Das Reich» steht in der Ausgabe vom 16. April 1944 ein Artikel von Herbert Hahn, «Die Ahnenheimat des Führers», mit dem Untertitel: «Wo die Hitler’schen her san». Darin stimmt er ein Loblied an auf das niederösterreichische Waldviertel, auf seine geschichtlichen, kulturellen und «volksbiologischen» Werte. «Vom 15. Jahrhundert ab sind die Sippen der Hitler (auch Hüttler, Hidler oder Hiedler) im nordwestlichen, ursprünglichen Teil des Waldviertels nachzuweisen», sie alle «aus festem Stoff, ein hartes Geschlecht: Gesammelte Kraft, treu im Beharren, kühn und kernig und dabei doch voll seelischer Glut» – und der Führer des Großdeutschen Reiches der genealogische Gipfel.

Kritischere Ahnenforscher haben gefragt, wo namentlich die späten «Hitler’schen her san», seit zutage liegt, dass das Stammbaumgeäst in der großväterlichen Etage verschlungen ist. Hitler begnügt sich mit dem Hinweis, sein Vater Alois sei der Sohn eines armen, kleinen Häuslers[9] gewesen, gemeint: der Müllergeselle Johann Georg Hiedler im Dorf Spital bei Weitra. Als Großvater väterlicherseits kommt aber auch Hiedlers Bruder Johann Nepomuk, mit der Schreibweise Hüttler, in Betracht, ein Bauer in Spital.

Alois Hitler war 1837 unehelich geboren in Strones und trug lange den Namen seiner Mutter Maria Anna Schicklgruber, einer Bauerntochter aus demselben Ort. Bei seiner Geburt war sie 42 Jahre alt gewesen, hatte fünf Jahre danach den Hiedler geheiratet. Das Kind Alois wurde zu dem Zeitpunkt aus dem Haus gegeben und verbrachte seine weitere Kindheit bei Johann Nepomuk Hüttler, dem Schwager der Mutter. Der Junge lernte das Schuhmacherhandwerk, wanderte nach Wien und arbeitete als Geselle, trat aber bald in den hauptstädtischen Zolldienst ein. Mit Talent und Strebsamkeit diente sich der Volksschüler im Laufe der Jahrzehnte bis an die Karrieregrenze zwischen gehobenem und höherem Dienst hinauf («Zollamtsoberoffizial»).

Weit fortgeschritten auf diesem Weg und ohne Zwang äußerlicher Ansehensnachhilfe, legte er dennoch als fast Vierzigjähriger den mütterlichen Namen ab. Damals, 1876, begab sich Hüttler zum Pfarramt Döllersheim, wo Alois getauft war, und beantragte beim dortigen Geistlichen, ihn für ehelich auszuweisen; er sei der Sohn seines Bruders Johann Georg Hiedler – die drei beigebrachten Zeugen könnten es bestätigen. Das taten sie denn auch, mit jeweils drei Kreuzen als Unterschrift, da sie nicht schreiben konnten. Der Pfarrer änderte in der «Taufmatrik» den Vermerk «unehelich» in «ehelich» und versah den Alois mit dem Nachnamen «Hitler» – wohl weil er «Hiedler» in der Sprechweise des Hüttler als «Hitler» verstanden hatte.

Der ganze Vorgang war überdies illegal, weil das Gesetz für solche Legitimierung entweder die Anwesenheit des angeblichen Vaters oder eine rechtskräftige Urkunde von ihm verlangte. Hiedler war aber lange tot, die Mutter auch, und ein beweiskräftiges Dokument existierte nicht. Dennoch wurde die Amtshandlung des Pfarrers von den konsultierten Behörden des nachsichtigen Österreich gebilligt, und Alois Schicklgruber durfte sich fortan Alois Hitler nennen.

Nur: Hiedler hatte ihn nie als Sohn anerkannt, ihn wohl auch deshalb nicht bei sich wohnen lassen. Johann Nepomuk Hüttler dagegen hatte ihn aufgezogen, war stolz auf seinen Zögling, der höher gestiegen war als je einer zuvor in der Sippe im Waldviertel, im «Armenhaus» der Monarchie. Hüttler, relativ wohlhabend, vermachte ihm auch sein Barvermögen, bzw. es war, als er starb, wohl schon in dessen Hände übergegangen; die gesetzlichen Erben fanden nichts mehr vor. War also der Ziehvater auch der wirkliche? So viel dafür spricht: Warum aber ließ er den Alois seinem Bruder zuschreiben? Als Witwer brauchte er den einstigen Seitensprung doch nicht mehr aus häuslichen Rücksichten zu verbergen. Alois selber hielt sich für den Sohn des Hiedler. Hiedler oder Hüttler – das ist hier die Frage. Ein zweifelsfreier Nachweis für den einen oder anderen fehlt.

Man könnte dies getrost auf sich beruhen lassen, hätte nicht die Unsicherheit der Abkunft, von der Hitler wusste, außerordentliche Folgen gehabt. Es spukte nämlich noch eine ganz andere Version, angeregt nicht zuletzt durch ein Foto von einem Grabstein auf dem jüdischen Friedhof von Bukarest, wo unter hebräischen Schriftzeichen der lateinisch geschriebene Name Adolf Hittler steht, sechzigjährig gestorben 1892. Spekulationen über eine mögliche jüdische Blutmischung bei Adolf Hitler («Vierteljude») nährten sich aus der Behauptung, die Großmutter Schicklgruber sei in dem «kritischen» Zeitabschnitt in einem jüdischen Haushalt in Graz angestellt gewesen. Sogar von langjährigen Alimenten eines mysteriösen Juden Frankenberger war die Rede. Diese Mutmaßungen sind entkräftet.[10] Sie waren es aber nicht während der Jahrzehnte, in denen der Enkel der Maria Anna Schicklgruber-Hiedler politisch vorn stand – in einem rassistisch nicht erst durch ihn erhitzten Klima. Der Parteiführer der antisemitischen NSDAP, der leitende Staatsmann Deutschlands möglicherweise «jüdisch versippt»? Das durfte nicht sein. Aus der ungeklärten Vergangenheit folgte das psychologisch leicht nachzuvollziehende Bestreben, rassische Hygiene von anderen umso rigoroser zu verlangen, je weniger sie persönlich gewährleistet war. Es nimmt sich aus wie ein Wiederholungszwang eigener nagender Zweifel, dass nun Millionen Deutsche im «Ariernachweis» ihre nicht jüdischen Großväter vorweisen mussten.

Die Hebelwirkung traumatischer Rückstände tritt in Hitlers Lebensgeschichte noch weit schwererwiegend hervor. Seinen Handlungen als Staatsmann liegen zum Teil seelische Verheerungen der Frühzeit zugrunde. Die Selbstzeugnisse verraten wenig davon; wesentlichere Auskünfte müssen woanders eingeholt werden. Im stilisierten Werdegang fällt nur kontrolliertes Licht auf bruchstückhafte Mitteilungen. Dazu gehört nicht einmal das Geburtsdatum des «k.k. Zollamts-Offizialkindes» in Braunau am Inn: 20. April 1889. Wichtiger ist dem Demagogen von 1924, dass er wie symbolhaft in dem Grenzstädtchen zwischen Deutschland und Österreich zur Welt gekommen war: weil er deren Wiedervereinigung als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe[11] ansah. Auch einen zeitlich und räumlich verstehbaren Überblick über die vielen Wohn- und Schulorte kann der Leser von einer vorwiegend weltanschaulich-pädagogischen Kampfschrift nicht erwarten.[12] Passau, Lambach an der Traun, Linz werden immerhin genannt.

Das Bild von den Eltern und dem frühen Zuhause soll so gesehen werden: … der Vater ein pflichtgetreuer Staatsbeamter, die Mutter im Haushalt aufgehend und vor allem uns Kindern in ewig gleicher liebevoller Sorge zugetan[13]. Den Vater habe er verehrt, die Mutter jedoch geliebt[14]. An anderer Stelle: Wenn mir heute (1924) durch meine politischen Gegner in liebevoller Aufmerksamkeit mein Leben durchgeprüft wird bis in die Zeit meiner damaligen Jugend, um endlich mit Erleichterung feststellen zu können, welch unerträgliche Streiche dieser «Hitler» schon in seiner Jugend verübt hatte, so danke ich dem Himmel, daß er mir so auch jetzt noch etwas abgibt aus den Erinnerungen dieser glückseligen Zeit.[15]

Hinter der polierten biographischen Fassade brütete Kinderelend. Der Vater, stattlich, selbstbewusst, mit blitzenden Uniformknöpfen, war ein Herrschertyp schon vom Gesicht her. Widerspruch im Kreise seiner Abhängigen duldete er nicht, seinen Willen setzte er mit drakonischer Strenge durch. Die Mutter Klara, geborene Pölzl, aus Spital, des Alois dritte Frau, 23 Jahre jünger, seine Nichte zweiten Grades, falls die Hiedler-Abfolge in Frage kommt, seine Halbnichte dagegen nach der Hüttler-Version: Klara bot das Gegenporträt der demütig-ergebenen Ehe-Untertanin, eine Frau mit hübschem Aussehen, weichen Zügen und ängstlichen Augen. Am «offiziellen» Lebenslauf stimmt nur, dass Hitler zu ihr starke Bindungen hatte, wie auch umgekehrt. Er war ihr viertes Kind, das erste, das am Leben blieb. Ihm folgten noch Edmund (gestorben 1900) und Paula (gestorben 1960).

Der ältere Stiefbruder Alois junior hatte bezeugt, dass der Vater ihn selber wie auch Adolf brutal züchtigte; Alois verließ deshalb mit vierzehn Jahren das Haus, 1896. Auch Schwester Paula, in jenem Jahr geboren, bestätigte die Gewalttätigkeit des inzwischen pensionierten Vaters: «Es war vor allem mein Bruder Adolf, der meinen Vater zu extremer Härte provozierte und jeden Tag sein gehöriges Maß an Prügel bekam. Er war ein etwas unflätiger kleiner Lausbub, und alle Versuche seines Vaters, ihm die Frechheit auszuprügeln und ihn dazu zu bringen, den Beruf eines Staatsbeamten zu wählen, waren vergeblich.»[16] Einmal soll er den Jungen derart mit der Peitsche traktiert haben, dass er hinterher gefürchtet habe, er überlebe nicht.[17]

Dass ein bedeutender Streitpunkt in der Berufsfrage lag, bestätigt Mein Kampf. Der Vater wollte den erfolgreichen Weg, den er aus eigener Kraft gemeistert hatte, im Sohn auf geebneten Pfaden vielleicht noch erfolgreicher wiederholt sehen, ein begreiflicher Wunsch. Dessen Bockigkeit rührte ebenso verständlich aus der Abwehrhaltung eines ohnehin Gedrückten. Das nun ergab eine Spirale aus Druck und Widerstand.

Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich, als damals noch kaum Elfjähriger, in Opposition gedrängt. So hart und entschlossen auch der Vater sein mochte in der Durchsetzung einmal ins Auge gefaßter Pläne und Absichten, so verbohrt und widerspenstig war aber auch sein Junge in der Ablehnung eines ihm nicht oder nur wenig zusagenden Gedankens.

… Schwerer wurde die Frage, wenn dem Plane des Vaters ein eigener gegenübertrat. Schon mit zwölf Jahren traf dies ein … eines Tages war es mir klar, daß ich Maler werden würde, Kunstmaler … Er zweifelte an meiner Vernunft … Nachdem er allerdings darüber aufgeklärt war und besonders die Ernsthaftigkeit meiner Absicht fühlte, warf er sich denn auch mit der ganzen Entschlossenheit seines Wesens dagegen … «Kunstmaler, nein, solange ich lebe, niemals.»[18]

Konflikte sind hier immerhin angesprochen, und das Wort von der herrisch gewordenen Natur des Vaters schlüpft durch.[19]

Hitler fand, als er mächtig geworden war, in den Juden sein Racheobjekt. Er drückte sie herab zum «gedemütigten, geschlagenen Teil des kindlichen Selbst, den er mit allen Mitteln aus der Welt zu schaffen suchte»; er unternahm «die Ausrottung der eigenen geistigen Ohnmacht» von damals.[20] Der jetzige Vater der Nation drängte die anderen in die gleiche Rolle, in welcher einst er unentrinnbar durch seinen eigenen Vater gefangen gewesen war.

Über die viel frühere Entstehung des Antisemitismus bei Hitler ist damit nichts gesagt, nur über den machtausspielenden Vollzug. Es erleichtert nämlich die Erklärungsversuche nicht, dass Hitler 1919 gegen die Juden zu einem Zeitpunkt zu agitieren begonnen hatte, als sie keine hilflose, sondern eine vollintegrierte Volksgruppe mit allen Rechten und großem Einfluss gewesen waren. Zu beachten bleibt ferner, dass selbst der unbeschränkt Mächtige diese seine Feinde nicht im Alleinverfahren erniedrigen und zuletzt umbringen konnte. Er benötigte ein «Klima» dafür und zahllose Gleichgesinnte.

Es besteht Grund zu der Annahme, dass auch seine Eroberungen nicht nur weltanschaulich begründet waren, sondern, als er die Macht dazu besaß, zusätzlich vom Zwang zu heroischen Taten vorangetrieben wurden. Wie Alexander Mitscherlich von Friedrich dem Großen sagt: «Die Triebfeder der Ruhmsucht war die Wiederherstellung der in tiefsten Demütigungen verlorenen Würde»[21], so brauchte Hitler Triumphe, um die im verborgenen Selbst eingesperrten Niederlagen seines frühen Lebens wettzumachen. Die Betäubung hielt immer nur kurze Zeit vor, dann verlangte er nach einem neuen Erfolgsnarkotikum.[22]

Der Preußenkönig und der deutsche Führer hatten beide im Jugendalter unter einem dominierenden, tyrannischen Vater gelitten. Mitscherlich weiter[23]: «Rechthaberei, Selbstbezogenheit so extremer Art, wie sie Friedrich darbot, sind keine Naturtalente. Die Möglichkeit, sich so und nicht anders zu verhalten, ist Ausdruck einer unzureichenden und festgefahrenen Konfliktlösung … Die Angst der Ohnmacht, die dauernde Wut [bewirken] die realitätsfremde Selbstüberhöhung. Das Kind zieht sich in den Traum seiner Allmacht zurück … Die unduldsame Alleswisserei, auch auf Gebieten, von denen er nichts verstand … sind Anzeichen einer ins dritte und vierte Lebensjahr zurückreichenden traumatischen Störung der Triebentwicklung …» Diese Ausdeutungen könnten ebenso auf Hitler gemünzt sein.