Aequipondium: Das Geheimnis der Hexe - Ima Ahorn - E-Book
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Aequipondium: Das Geheimnis der Hexe E-Book

Ima Ahorn

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Beschreibung

Ein dürrer Druide, der von einem Megalithen erschlagen wurde?

Hexe Theolinde kann nicht glauben, dass ihr Vater so sein Ende gefunden haben soll. Überhaupt hat die walkürenhafte Hexe Zweifel, an der Geschichte, die ihr ihre Mutter Walfriede über ihren angeblichen Vater auftischt.

Als Siegbald Sockenloch ihr einen Heiratsantrag macht, will Theolinde endlich die Wahrheit wissen. Sie erfährt, dass ihre Mutter einst wegen groben Unfugs ans Ende der Welt verbannt wurde. Von dort brachte sie später ihre kleine Tochter mit nach Hause. Doch um zu erfahren, wer tatsächlich ihr Vater ist, müssen sich Theolinde und ihr Verlobter auf die Spuren der lebenslustigen Junghexe begeben, die ihre Mutter einst war. Spuren, die seit dreißig Jahren kalt sind und sie schließlich bis ins Heim der vergessenen Götter führen.

Wird Theolinde ihren wahren Vater aufspüren können?

Ein humorvolles Fantasyabenteuer mit Entdecker Siegbald Sockenloch und Hexe Theolinde, mit skurrilen Charakteren und fremdartigen Göttern.

Dies ist Siegbalds fünftes Abenteuer, aber alle Bücher der Serie können auch einzeln gelesen werden.

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Ima Ahorn

Aequipondium

Das Geheimnis der Hexe

 

 

Buch

Entdecker Siegbald Sockenloch will heiraten. Doch obwohl seine Angebetete, die Hexe Theolinde, ja sagt, ergibt sich bald darauf ein Problem: Theolinde möchte ihren Vater dabei haben.

Theolindes Mutter hüllt sich in Schweigen, wenn die Sprache auf den Vater ihrer Tochter kommt. Als Junghexe wurde sie wegen eines Streichs ans Ende der Welt verbannt. Von dort brachte sie später ihre kleine Tochter mit. Allerdings ohne je zu verraten, wer der Vater war.

So bleibt dem Entdecker und der Hexe nur eins: Sie müssen den Spuren ihrer Mutter bis in die Welt jenseits der Berge folgen, um herauszufinden, wer Theolindes Vater ist. Zum Glück können sie sich auf die Hilfe ihrer Freunde Verlassen: Zwergin Birte und Dächsin Augusta begleiten die beiden auf eine Reise, die sie bis ins Heim der vergessenen Götter führt.

 

Autorin

Ima Ahorn begeistert sich für Reisen, fremde Kulturen und das Leben in der Natur. Schon als Kind verschlang sie Abenteuerromane, Märchen und Geschichten über Entdecker. Bereits damals bedauerte sie, dass die Zeit der großen Entdeckungen inzwischen vorüber ist. Ihre Liebe zur Fantasy und fantasievollen Welten kam später dazu.

Heute schreibt Ima Historische Fantasy. Ihre Helden leben in einer Zeit, als es auf unserem Globus noch unerforschte Gebiete und unentdeckte Wunder gab. Als es möglich war, dass sich irgendwo noch Drachen und Zauberer verbergen.

Ihre Inspiration findet Ima auf Reisen, in Romanen und den Berichten früher Entdecker.

Besuche Ima auf https://ima-ahorn.net/

 

 

 

Ima Ahorn

Aequipondium

Das Geheimnis der Hexe

 

 

 

 

 

Copyright © 2021 Andrea Kling

 

Alle Rechte vorbehalten.

 

ISBN: 9798588060981

 

Herausgegeben von:

Independently published

 

Andrea Kling,

Eisteichweg 12

2630 Ternitz,

Österreich

Email: [email protected]

 

Umschlaggestaltung:

Nika S. Daveron

 

Verwendete Bilder:

©canva.com

 

Umshlaggestaltung:

Andrea Kling

 

Verwendete Bilder:

©pixabay.com

 

Druck: Amazon

 

 

 

Für alle Hexen.

 

Ganz besonders für Lyset.

 

 

 

 

Inhalt

Vorwort für Neuankömmlinge

1      Konzentration!

2      Wie deine Mutter

3      Der Groschen fällt

4      Alles richtig machen

5      Jugendsünden

6      Riesenzwiebeln jäten

7      Alte Hexenkunst

8      Zaubern für Anfänger

9      Durch Raum und Zeit

10      Den Bergen entgegen

11      Der Flug der Hexe

12      Was der Adler sagte

13      Die Füße des Riesen

14      Manolo

15      Käsediebe!

16      Endlich raus

17      Lachen ist gesund

18      Elefantenphilosophie

19      Ratatwisker

20      Und nun?

21      Nacht der Erkenntnis

22      Apfeldieb

23      Obstvisionen

24      Das Gottesgeschenk

25      Neue Fragen

26      Späte Reue

27      Fünfohr

28      Aufbruch ins Ungewisse

29      Von Menschen und Vögeln

30      Rückkehrer

31      Die liebe Familie

Über das Buch

 

 

 

 

Vorwort für Neuankömmlinge

Hallo Reisender. Du bist gerade erst in Aequipondium angekommen? Keine Sorge. Du wirst dich bald auskennen. Das solltest du vielleicht trotzdem über Aequipondium wissen:

Wir schreiben etwa das Jahr 1770. Der große Entdecker James Cook ist irgendwo im Südpazifik unterwegs. Aber bis hierher nach Aequipondium, auf den sagenhaften Gegengewicht-Kontinent, der tief im Südpazifik versteckt liegt, hat er es noch nicht geschafft. Und er wird in diesem Buch auch keine Rolle spielen.

Aequipondium ist der letzte unentdeckte Kontinent. Wobei unentdeckt bedeutet, dass die hohen Herren in Europa nichts von seiner Existenz wissen. Hexen und Zauberer und diverse magische Kreaturen kennen ihn. Sie kamen auf der Flucht aus dem magielosen und überbevölkerten Europa hierher. Außerdem gibt es hier mehrere Generationen Schiffbrüchiger, Abenteurer und Entdecker. Leider haben die das Problem, dass der Kontinent fast vollständig von Riffen und Seeungeheuern umgeben ist. Seereisen sind daher sehr gefährlich. Doch der König von Aequipondium hat ihnen ohnehin die Abreise verboten. Zum Wohle des Kontinents, sagt er.

Siegbald Sockenloch ist ein Entdecker. Er ist bereits eine Weile hier. So lange, dass er Freunde gefunden und einige verrückte Abenteuer überstanden hat. Dies ist seine fünfte Geschichte.

1 Konzentration!

„Es ist ganz einfach. Du musst dich nur mehr konzentrieren.“

Siegbald hasste es, wenn Birte es so darstellte, als würde es nur an seiner mangelnden Fokussierung liegen. Natürlich war es für sie einfacher. Sie war eine Frau und als Zwergin auch viel leichter als Siegbald mit seinen beinahe zwei Metern Körpergröße. Von ihrem tieferen Körperschwerpunkt ganz zu schweigen.

Während Birte sich auf ihren Besen schwang, um ihm noch einmal ihre überlegene Flugkunst zu demonstrieren, rückte er unauffällig das Polster zurecht, das er sich in die Hose gestopft hatte. Es gab eindeutig einen Grund, warum Hexenbesen meistens Frauen vorbehalten waren.

Als die Zwergin elegant vor ihm landete, setzte er ein angestrengtes Lächeln auf.

„Jetzt du“, forderte Birte ihn auf.

Siegbald schwang gehorsam sein Bein über seinen extragroßen und extrastabilen Besen.

„Mir ist laaangweilig.“

Ferdinand Jr., der sich mitten ins Kohlrabibeet gelegt hatte, gähnte, sodass man tief in seinen gewaltigen Rachen schauen konnte. Es war nicht das erste Mal, dass sich der halbstarke Jungdrachen beklagte. Er war inzwischen so groß, wie ein ausgewachsenes Brauereipferd, aber seine Mutter Luna bestand trotzdem darauf, dass er nicht ohne Aufsicht in der Gegend herumflog. Es sei gefährlich. Immerhin war Ferdinands Vater, der ebenfalls Ferdinand hieß, von einem skrupellosen Drachentöter ermordet worden.

Jetzt, wo Ferdinands Schwestern alt genug waren, um die Geheimnisse weiblicher Drachen zu erlernen, fehlte Luna ihr Partner besonders. Es passierte immer häufiger, dass die Hexe Theolinde Taubenfuß oder, wie heute, Siegbald und Birte die Aufsicht über ihren ungestümen halbstarken Sohn übernehmen mussten.

Die Zwergin warf Siegbald einen vielsagenden Blick zu und verdrehte die Augen. Dann wandte sie sich dem Jungdrachen zu.

„Also gut. Aber nur noch einmal.“

Sie schwang sich auf ihren Besen und stieß ab. Rasch wurde sie schneller. Dabei erhob sie sich in einem weiten Bogen hoch über den Garten. Sofort war auch Ferdinand aufgesprungen. Mit heftigen Flügelschlägen und einem zahnreichen Grinsen im Gesicht nahm er die Verfolgung auf.

Siegbald beobachtete das Schauspiel ein paar Sekunden lang. Dann widmete er sich wieder seinem eigenen Problem. Mit dem Besen zwischen den Beinen hoppelte er über den Hof, den sie als Startbahn auserkoren hatten. Bei seiner zweiten Runde schaffte er es endlich, sich schwankend und taumelnd in die Lüfte zu erheben. Birte hätte vermutlich darüber referiert, dass er dem Besen seinen Willen aufzwingen müsse und dass Siegbalds zögerlicher Start auf seinen mangelnden Wunsch, den Boden zu verlassen, zurückzuführen sei.

Zum Glück war die Zwergin damit beschäftigt, mit Ferdinand einen Luftkampf auszutragen, denn natürlich hatte sie recht. Aber wie sollte er sich auf das Fliegen konzentrieren, wenn seine Gedanken bei den Schmerzen waren, die das Sitzen auf dem harten Besenstiel verursachte. Außerdem mochte er den Boden. Der war stabil und verlässlich.

Inzwischen hatte er seinen Besen unter Kontrolle. Gemächlich kurvte er auf Höhe des Hausdaches über Theolindes Gemüsegarten. Birtes Jubelschrei und Ferdinands frustriertes Aufbrüllen zeugten davon, dass es ihr ein weiteres Mal gelungen war, seine Nase mit einem der unreifen Äpfel zu treffen, die sie sich eigens für dieses Spiel in die Tasche gesteckt hatte. Siegbald ignorierte die beiden. Nicht nur weil er neidisch auf Birtes Flugkünste war, sondern auch weil er befürchtete, das Gleichgewicht zu verlieren, wenn er sich zu ihrer hoch in der Luft stattfindenden Jagd umdrehte.

Auf einmal sauste ein Feuerball an seinem Kopf vorbei.

„Hey!“

Siegbalds Protestruf ging in Ferdinands wütendem Brüllen unter. Dass er den Schrei seines Aufpassers gehört hatte, war zweifelhaft. Auch der Entdecker selbst hatte bald keine Zeit mehr, sich um den Jungdrachen zu kümmern, denn sein Besen begann plötzlich zu bocken. Siegbald versuchte, die Kontrolle über sein Fluggerät wiederzuerlangen, doch er verlor rasant an Höhe. Nur mit Mühe konnte er sich überhaupt auf dem Besen halten. Schließlich gelang es ihm, den Absturz knapp über dem Boden abzufangen. Doch seine Erleichterung währte nicht lange. Kurz nachdem er wieder aufgestiegen war, schien der Besen mit einem Schlag jegliche magischen Eigenschaften zu verlieren. Auf einmal war er nichts mehr, dem der Entdecker seinen Willen hätte aufzwingen können. Nur ein totes Stück Holz, das samt seinem Reiter auf den Komposthaufen stürzte.

Nachdem Siegbald sich aus der stinkenden Masse gammelnder Vegetation befreit hatte, beäugte er seinen Besen kritisch. Das Problem war schnell gefunden. Kein Wunder, dass der nicht mehr in der Luft bleiben wollte. Offenbar war er von Ferdinands Feuerball getroffen worden, denn die Borsten des Besens waren fast vollständig weggebrannt.

Kopfschüttelnd hob er seinen Blick zum Himmel, wo Birte und Ferdinand immer noch in ihr ungleiches Gefecht verstrickt waren. Ein weiterer Feuerball löste sich aus dem Maul des Jungdrachen, verfehlte die Zwergin und schlug im Dach von Theolindes Haus ein. Zum Glück hatte die Hexe sich schon vor Jahren ein teures Kupferdach geleistet, sonst wäre ihr Heim bald in Schutt und Asche gelegt.

„Keine Feuerbälle, Ferdinand! Du kennst die Regeln“, rief Siegbald.

Ein unverbindliches Brummen war die einzige Reaktion, die der Entdecker für seine Mühen erntete. Doch statt mit Feuerbällen versuchte der Jungdrache nun, Birtes Äpfel mit den Pranken abzuwehren. Gleichzeitig war er darum bemüht, die Zwergin mit einem geschickten Schlag seines Schwanzes vom Besen zu fegen.

Siegbald war froh, dass sie die dicke lederne Drachenschutzausrüstung trug. Obwohl Ferdinand sie nicht verletzen wollte, könnte ihr Spiel leicht lebensgefährlich für die kleine Hexe werden.

Während Birte sich für einen neuerlichen Angriff auf die Nase des Jungdrachen vorbereitete, schoss plötzlich wie aus dem Nichts eine winzige graubraune Gestalt zu Ferdinand empor. Ehe der Drache reagieren konnte, überholte sie ihn und gab ihm einen Klaps auf die Nase. Er brüllte frustriert. Der kleine Angreifer flog eine Schleife. Dann landete der Wolpertinger mit dem begeistert pfeifenden Auswanderlemming auf dem Rücken vor Siegbalds Füßen.

„Ihr wisst, dass Ferdinand es noch nicht einmal merken würde, wenn er euch versehentlich erwischt“, rügte Siegbald die beiden.

Doch Lars, der Lemming, gab nur eine Reihe unbekümmerter Pfeiflaute von sich.

„Sei froh, dass er nicht verstehen kann, wie du ihn nennst“, antwortete Siegbald. Doch die Sorglosigkeit seiner beiden kleinen Freunde brachte ihn zum Lächeln.

Jetzt landeten auch Birte und Ferdinand wieder in Theolindes Garten.

Die Zwergin grinste und zauberte ein paar Nüsse für den Auswanderlemming aus ihrer Tasche hervor. Sein fliegendes Reittier, der Wolpertinger, war eine seltsame Mischkreatur mit dem Körper eines Hasen, Entenflügeln und einem Paar kurzer Hörner auf dem Kopf. Für ihn holte die Zwergin einen Apfel hervor, den er geräuschvoll kauend verputzte.

Lautlos, wie eine Schlange, bewegte sich Ferdinands langer Drachenschwanz auf seine winzigen Kontrahenten zu. Birte hob ihren Besen und gab dem Drachen damit einen Klaps auf die Schnauze.

„Nicht grob werden, Ferdi. Sie haben regelkonform gewonnen. Da gibt’s nichts dran zu meckern“, ermahnte sie ihn.

Brummelnd ließ der Jungdrache seinen Schwanz auf den Boden sinken. Vermutlich würde er später, wenn seine beiden Aufpasser nicht dabei waren, versuchen, es Lars und Wolli heimzuzahlen.

Vorsichtshalber ließ Siegbald den hamstergroßen Lars über seinen Ärmel auf seine Schulter klettern. Den kaninchengroßen Wolpertinger klemmte er sich unter den Arm.

„Was gibt es? Ihr seid doch sicher nicht zufällig hier vorbeigekommen.“ Mit seiner freien Hand nestelte er an der kleinen Kuriertasche herum, die auf Wollis Rücken geschnallt war.

Damals, als Siegbald und der Auswanderlemming den Wolpertinger kennenlernten, war dieser ein trauriges Experiment, das sein Dasein in einem Käfig im Arbeitszimmer seines Erschaffers fristete. Aber seit dieser Zeit hatte der abenteuerlustige kleine Lars das geflügelte Wesen unter seine Fittiche genommen. Er hatte ihn dazu gebracht, seinen Mut zu finden und auf seine Fähigkeiten zu vertrauen.

In den letzten Monaten hatte Lars versucht, gemeinsam mit dem Wolpertinger eine Art fliegenden Nachrichtendienst einzurichten. Aber außer Theolinde, Siegbald und gelegentlich dem Oberkämmerer des neuen Königs schien keiner seine Dienste zu benötigen. Andererseits mochte es auch daran liegen, dass niemand die beiden ernst nahm. Obwohl die Bewohner Aequipondiums einiges gewohnt waren: ein fehlgeschlagenes Zauberexperiment mit einem rattengroßen Reiter war selbst hier ungewöhnlich.

Schließlich zog der Entdecker ein kleines Briefchen aus Wollis Tasche.

„Komme etwas später zum Abendessen, Theolinde“

Mehr stand nicht auf dem Zettel. Siegbald versuchte, einen fragenden Blick auf den Auswanderlemming auf seiner Schulter zu richten. Da ihm das nicht gelang, fragte er: „War das alles?“

Lars gab nur ein gleichgültiges Piepsen von sich. Das Kitzeln an Siegbalds Ohr bedeutete wohl, dass der Lemming sich ungerührt die Schnurrhaare putzte.

Der Entdecker seufzte. Ausgerechnet heute musste die Hexe sich verspäten. Aber so hatte er wenigstens noch Gelegenheit, den Geruch nach Kompost loszuwerden, der ihm seit seinem Absturz anhaftete.

„Kannst du Ferdinand seinen Torf geben, Birte?“, wandte er sich an die Zwergin. „Und dann wäre es nett, wenn du ihn nach Hause bringen könntest. Es macht dir doch nichts aus, heute bei Luna zu übernachten?“

„Ich mag keinen Torf“, brummelte der Jungdrache sofort. Auch die Zwergin schien keineswegs glücklich zu sein.

„Erwartest du wirklich von mir, dass ich in einer stinkenden Drachenhöhle schlafe?“

„Es ist doch nur für die eine Nacht. Außerdem ist die Höhle riesig. Du könntest sie erforschen.“ Er richtete einen flehenden Blick auf die Zwergin. Wenn er nicht einen halben Meter größer als sie wäre, hätte der bettelnde Hundeblick in seinem Gesicht um einiges überzeugender gewirkt.

Birte seufzte. „Also gut. Aber dass du es weißt: Ich hab Lunas Höhle schon vor Monaten erforscht. Es ist alles nur langweiliger Kalkstein. Dort gibt es nicht eine einzige abbaureife Ader mit Höhlenkäse.“

Erleichtert atmete Siegbald auf. „Danke Birte. Du bist die Größte.“

Die Zwergin zog die Augenbrauen zusammen und musterte das Gesicht des beinahe zwei Meter großen Menschen. Es war keinerlei Spott darin zu erkennen. Schließlich seufzte sie noch einmal, zog eine Karotte aus einer ihrer zahlreichen Taschen und warf sie dem brauereipferd-großen Jungdrachen zu.

„Komm, Kleiner. Suchen wir dir etwas zu essen.“

 

2 Wie deine Mutter

Siegbald hatte sich an der Pumpe im Hof gründlich gewaschen. Bevor er sein bestes Gewand anlegte, machte er im Salon ein Feuer, stellte ein paar Kerzen auf und deckte und dekorierte den Küchentisch. Er hoffte, Theolinde würde beeindruckt sein.

Für die Fischpastete hatte er sich die Unterstützung seines ehemaligen Leibdieners Johannes geholt. Er würde einen Monat lang Johannes Anteil beim Feuerholzhacken übernehmen müssen. Aber dafür brauchte er die Pastete jetzt nur noch eine Stunde backen und Theolinde und er hätten ein ganz besonderes Abendessen. Eines, das nicht nur dazu diente, den gröbsten Hunger zu stillen.

Für den Nachtisch hatte er den einbeinigen Wikinger Gunnar verpflichtet. Der bedrohte einst seine Frau mit der Axt, weil die ihm tagtäglich nur vegetarische Kost vorsetzte. Gunnar war deswegen von seiner Familie verstoßen worden. Aber er hatte sich seitdem selbst zu einem passablen Koch entwickelt. Seine besondere Vorliebe galt Süßspeisen.

Natürlich kannte auch Johannes ein hervorragendes Dessert-Rezept. Seine Großmutter, herzogliche Köchin in Österreich-Ungarn, hatte es ihm beigebracht. Nicht, dass es üblicherweise die Aufgabe eines Leibdieners war, für seine Herrschaft zu kochen. Doch dieses spezielle Dessert war eine seiner eigenen Leibspeisen. Dennoch, ein Gericht namens „Scheiterhaufen“ fand Siegbald unangebracht, wenn er bei seiner Hexe Eindruck machen wollte.

Also buk der alte Wikinger einen süßen Rehrücken für Siegbald. Auch wenn Gunnars persönliche Favoriten Bärentatzen und Schweineohren waren.

Als endlich alles vorbereitet war, schob Siegbald die Fischpastete in den Ofen und setzte sich an den Küchentisch. Er dachte daran, wie er Theolinde das erste Mal gesehen hatte. Sie trug eine lederne Drachenschutzausrüstung und ihr langer roter Zopf leuchtete im schwachen Licht der Kohlen des Drachennests. In der Dunkelheit von Lunas Höhle hielt er die zornige Gestalt mit der Schaufel zunächst für eine Riesin. Trotzdem war er froh, sie zu sehen, denn er hatte sich zuvor fast damit abgefunden, in der finsteren Höhle zu sterben.

Obwohl Theolinde anfangs nicht besonders begeistert war, nahm sie den verwahrlosten Entdecker mit zu ihrem Haus. Wie sich herausstellte, hatte die großgewachsene Frau nicht nur ein Herz für Drachen, sondern ein großes Herz für alle hilfebedürftigen Kreaturen – sogar für ungeschickte Entdecker. Während der Suche nach dem Drachenmörder waren sie einander näher gekommen.

Aber Siegbald wollte heim nach Europa. Obwohl es verboten war, den Kontinent zu verlassen, fand er einen französischen Kapitän, der bereit war, ihn mitzunehmen. Bis zu seiner Flucht aus Aequipondium fand der Entdecker nicht den Mut, Theolinde zu sagen, was er fühlte. Und was hätte es auch gebracht? Erst viel später, lange nachdem sein Fluchtversuch fehlgeschlagen war, hatten die Hexe und er sich wiedergesehen und sich ihre Liebe gestanden.

Mit dem Kopf in den Händen überlegte Siegbald, wie er das geplante Gespräch am besten anfangen sollte.

„Geliebte Theolinde …“ Nein. Das klang zu förmlich. „Meine liebe Theolinde, …“ Schon besser. Aber was, wenn sie nein sagte? Immerhin kannten der Entdecker und die Hexe sich erst seit ein paar Monaten. Auch, wenn es ihm viel länger vorkam. Hinzu kam, obwohl König Artus ihm einen Posten bei Hof versprochen hatte, lebte Siegbald als Schmarotzer in Theolindes Haus. Das war doch keine Basis für eine Beziehung.

Beunruhigt sprang Siegbald auf und lief ein paar Mal in der Küche auf und ab. Vielleicht sollte er das Gespräch doch noch ein wenig verschieben. Andererseits hatte er sich bei der Vorbereitung solche Mühe gegeben. Und wer wusste, was Johannes beim nächsten Mal für seine Hilfe verlangen würde? Vermutlich, dass Siegbald täglich den Nachttopf seines ehemaligen Dieners entleerte, so wie der es früher für ihn tun musste.

Der Entdecker trat ans Fenster und schaute in den Hof. War Theolinde endlich in Sicht?

Ganz ruhig. Es wird schon gut gehen, sagte er sich. Immerhin war Theolinde eine gute Seele. Solange man sie nicht zu sehr verärgerte. Und, wenn man nett zu Drachen war.

Ein himmlischer Duft nach Fisch und Pastete entströmte dem Ofen. Ob das Essen bereits gar war? Aber wo blieb Theolinde? Die Sonne war schon vor einer halben Stunde untergegangen.

Ein paar Minuten später holte Siegbald die bereits leicht angebrannte Fischpastete aus dem Ofen. Inzwischen hatte er aufgegeben, sich die passenden Worte für seine kleine Rede zurechtzulegen. Wichtiger war, dass die Hexe bald nach Hause kam, denn sonst waren alle Vorbereitungen umsonst.

 

Das Klappern von Besteck weckte Siegbald aus einem kurzen Schlummer. Die Kerzen waren heruntergebrannt, aber jemand hatte das Herdfeuer geschürt, sodass es die Küche mit einem schwachen rötlichen Licht erfüllte.

Theolinde saß ihm gegenüber am Küchentisch und schob sich gerade einen großen Bissen Fischpastete in den Mund. Von genau der Fischpastete, die Siegbald absichtlich nicht ohne die Hexe hatte anfangen wollen und in der nun bereits ein großes Loch klaffte, als habe ein Wolf oder eher ein Schwein seine Schnauze darin gehabt.

„Das ist köstlich“, bemerkte Theolinde kauend. „Aber du hättest nicht extra auf mich warten müssen.“

Die Hexe schaufelte gierig einen weiteren Bissen in ihren Mund und Siegbald fiel auf, dass bereits mehr als die Hälfte der köstlichen Pastete verschwunden war. So viel zu Eleganz und Romantik.

Hastig zog sich Siegbald noch ein kleines Stück Pastete auf den Teller. Es wäre schade, wenn er das gute Essen nicht wenigstens gekostet hätte, nachdem er Johannes dafür einen Monat lang Frondienst schuldete. Sein Gespräch mit Theolinde würde wohl ohnehin nicht mehr bei Pastete und Kerzenschein stattfinden.

Während Siegbald langsam kaute, erzählte ihm die Hexe, was geschehen war.

„Es tut mir leid, dass es so spät geworden ist, aber ich hatte eine lange Diskussion mit Alfred Ofenreiter. Du kennst ihn doch sicher. Der, der diese preisgekrönten Riesengurken anbaut?“

Siegbald schüttelte den Kopf. Er verabscheute Riesengurken. Alle Riesengemüsearten schmeckten fader als ihre kleineren Verwandten. Aber Riesengurken fand der Entdecker noch grauenhafter als alle anderen Gemüsesorten.

„Ist ja auch egal. Jedenfalls hat er schon wieder Fallen aufgestellt, wegen der Heckenschweine. Dabei sind die armen Tiere inzwischen beinahe ausgestorben. Wenn ich nur wüsste, woran es liegt.“

Der Entdecker nickte und machte ein besorgtes Gesicht. In Wahrheit wusste er ganz genau, was die Ursache für das Verschwinden der Heckenschweine war. Diese hasengroßen Tiere galten als Gartenschädlinge und durften somit laut Erlass des Königs gejagt werden. Da ihr Fleisch sehr schmackhaft war, hatte sich die Heckenschweinjagd in den letzten Monaten zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung unter den wenigen Fleischessern in Aequipondium entwickelt. Den meisten Gemüseessern war das egal. Hauptsache ihr Riesengemüse blieb unbeschadet. Doch die Hexe sah die Sache mal wieder anders.

Theolinde war aufgestanden und hatte ihren leeren Teller weggestellt. An den Küchenschrank gelehnt, verschränkte sie ihre Arme.

„Er hat mich beschimpft“, erzählte die Hexe. „Ich würde ihn seiner Rechte berauben und seine Riesengurkenzucht gefährden, wenn ich ihm die Jagd auf Heckenschweine verbiete. Und dann hat er noch gesagt, ich sei genauso herrisch wie meine Mutter.“

Siegbald kaute und nickte nachdenklich.

„Aber das ist doch überhaupt nicht wahr!“, protestierte Theolinde.

Der Tonfall der Hexe rüttelte Siegbalds Überlebensinstinkt wach. Immerhin war er mit einer strengen Mutter und einer streitsüchtigen Schwester aufgewachsen. Er schluckte und blickte seiner Freundin gerade ins Gesicht. „Natürlich nicht!“, verkündete er im Brustton der Überzeugung. „Ich habe nur genickt, weil – weil du recht hast, es gibt wirklich viel weniger Heckenschweine als früher.“

Theolinde beruhigte sich.

„Er hat jedenfalls seine Fallen erstmal abgebaut“, fuhr sie fort. „Und als ich schon auf dem Heimweg war, bin ich Archie begegnet. Du erinnerst dich doch an Archie?“

Siegbald nickte. „Der Zentaur aus deiner „Das Pferd im Manne“-Identitätsrunde, nicht wahr?“

„Genau. Er hat mich um ein Mittel für seine Hufe gebeten. Schon wieder. Ich habe ihm deutlich gesagt, er soll sich endlich ein paar Hufeisen machen lassen, wenn er dauernd Probleme hat. Doch er will nicht. Die klappern so laut. Ich habe ihm natürlich trotzdem etwas gegen die Schmerzen gegeben. Aber es war das letzte Mal.“

Nachdenklich betrachtete der Entdecker seine Freundin. In gewisser Weise hatte der Riesengurkenzüchter wohl recht. Theolinde konnte wirklich ziemlich herrisch werden, wenn ihr eine Sache am Herzen lag. Trotzdem, sie mit ihrer Mutter, der gestrengen Oberhexe Walfriede Amalberga, zu vergleichen, war schon ziemlich hart. Theolinde hatte eindeutig ein viel größeres Herz. Und sie beurteilte niemanden nach der Sauberkeit seiner Kleidung und dem Zustand seines Gemüsegartens.

„Hast du aufgegessen?“, unterbrach die Hexe seine Gedanken.

Noch ehe er antworten konnte, zog sie ihm seinen Teller weg. Sie spülte ihn ab und stellte ihn ins Regal. Dann gähnte sie herzhaft.

„Ich bin furchtbar müde. Ich glaube, ich gehe gleich ins Bett.“

Einen Moment später war Siegbald in der nächtlichen Küche wieder allein.

3 Der Groschen fällt

Als Siegbald am nächsten Morgen in die Küche kam, war Theolinde dabei, den Kuchen für ihre Therapierunde „Gutes Ich, schlechtes Ich“ vorzubereiten. In diesem wöchentlich stattfindenden Treffen half die Hexe ihren Gästen, sich mit ihren positiven und ihren anderen Charaktereigenschaften auseinanderzusetzen. Auch Siegbald hatte ein paar Mal daran teilgenommen – oder eher teilnehmen müssen, solange die Hexe ihn noch für einen skrupellosen Drachentöter hielt. Um die weniger willigen unter ihren Gästen zum Mitmachen zu bewegen, gab es bei jeder Sitzung reichlich Tee und Kuchen. Für einige der Teilnehmer war das wohl der einzige Grund, die Hexe so oft zu besuchen.

Siegbald hatte sich mit einem Kräutertee an den Küchentisch gesetzt und beobachtete Theolinde dabei, wie sie den Teig für einen Riesenkarottenkuchen zusammenrührte. Plötzlich war aus dem Salon ein grässliches, keuchendes und würgendes Geräusch zu hören.

Sofort stellte Theolinde die Teigschüssel ab und eilte mit ihren teigverschmierten Händen in den Nachbarraum. Siegbald folgte ihr.

Im Halbdunkel des wenig benutzten Raumes war auf Anhieb nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Also trat die Hexe ans Fenster und riss die Vorhänge auf. Dann sahen sie es. Auf dem Boden, direkt neben dem kleinen Kaffeetisch, den Siegbald gestern beim offenen Kamin aufgestellt hatte, befand ein großes pelziges Ding in der Farbe des Teppichs. Die würgenden Geräusche kamen genau aus dieser Richtung. Wirklich gut erkennbar war das Wesen auch im nun einfallenden Licht nicht. Doch der Schatten, den es warf, zeigte den beiden Beobachtern die verräterischen katzenförmigen Umrisse des Tieres.

„Caesar? Was machst du denn schon hier?“, fragte Theolinde.

Caesar war ein Chameleopard. Eine besondere, nur in Aequipondium heimische Katzenart, deren Fell sich automatisch an ihre Umgebung anpasste. Dieses Fell machte Chameleoparden beinahe unsichtbar. Außerdem war der ziemlich beleibte Caesar ein regelmäßiger Besucher von Theolindes „Gutes Ich, schlechtes Ich“-Runden.

Noch zwei Mal keuchte der riesige Kater, dann spuckte er einen nassen braunen Haufen halb gegessenen Schokoladenkuchens auf den Boden.

„Hatte Hunger“, verkündete Caesar.

Kaum bekam er wieder Luft, richtete er einen interessierten Blick auf die Reste des Rehrückens, der immer noch auf dem Kaffeetisch stand. Von dem schönen, mit Mandelstücken gespickten Gebäck, das Gunnar gestern gebracht hatte, fehlte bereits ein großes Stück.

„Hast du etwa einen Kuchen hier stehen lassen?“, wandte sich Theolinde in vorwurfsvollem Ton an Siegbald. „Du weißt doch, dass Caesar sich nicht beherrschen kann. Außerdem hätte ich mir die Mühe mit dem Riesenkarottenkuchen gespart, wenn ich gewusst hätte, dass du bereits Etwas für die heutige Runde gebacken hast.“

„Also ich…“, druckste Siegbald. Wie hatte aus dem geplanten romantischen Abend ein derartiges Verhör werden können? Er hatte es doch nur gut gemeint, und auf einmal war alles seine Schuld. Außerdem sollte Theolinde wissen, dass er nichts vom Kuchenbacken verstand.

„Der Kuchen steht schon seit gestern Abend hier“, verkündete Caesar kauend.

Siegbald warf einen Blick auf den Rehrücken, der inzwischen schon wieder ein bisschen kleiner geworden war.

„Woher weißt du das?“, fragte er.

Caesar legte den Kopf schief. „Woher wohl? Ich hab dich beobachtet. Ich hätte ja auch gern ein Stück von der herrlichen Fischpastete gemopst. Aber die hast du ja leider den ganzen Abend nicht aus den Augen gelassen.“ Der Chameleopard ließ bei dem Gedanken an diese Enttäuschung seine Schnurrhaare hängen. „Da hab ich mich eben bei dem Kuchen bedient. Der war eh zu viel für euch beide. Und Theolinde hatte ja auch gar keinen Hunger mehr darauf.“

„Euch beide?“, echote Theolinde. „Was war denn mit Birte? Hatte sie keinen Hunger?“

„Äh…“

Ehe Siegbald antworten konnte, warf die Hexe wieder einen Blick auf die ekelhafte Masse, die der Chameleopard ausgespuckt hatte.

„Was ist denn das?“, fragte sie und griff mit ihren teigverklebten Fingern hinein.

Siegbald musste sich zusammenreißen, um sich nicht zu übergeben.

Caesar plapperte unterdessen ungehindert weiter. „Es hat wirklich Spaß gemacht, dir zuzuschauen, wie du hier alles dekoriert hast. Mit den ganzen Kerzen und den Blumen und so. Obwohl ich ja auch noch ein paar Blumen in die Küche gestellt hätte.“

Während der Chameleopard weiterredete, begann sich Theolinde das erste Mal, seit sie in den Salon gekommen war, richtig umzuschauen. Tatsächlich waren überall Blumen und neben dem inzwischen fast aufgegessenen Rehrücken standen zwei kleine Porzellanteller, auf denen silberne Dessertgabeln lagen. Ein Krug mit Cidre und Gläser standen auch dabei. Stirnrunzelnd blickte sie auf das glänzende Objekt, das sie immer noch in den Fingern hielt.

Als Caesar fortfuhr mit „Die arme Birte war ganz schön sauer, dass sie in der Drachenhöhle übernachten sollte“, hätte Siegbald ihm am liebsten das Maul zugehalten. Seine bösen Blicke prallten an dem Kater wie gewöhnlich wirkungslos ab.

Während in Theolinde eine Erkenntnis dämmerte, wünschte sich Siegbald ganz weit fort. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, um mit der Hexe allein zu sein. Warum nur musste so früh am Morgen schon ein kotzender Chameleopard in ihrem Wohnzimmer lauern, der außerdem gerade alles verdarb.

Caesar fuhr unterdessen ungerührt fort. „Andererseits konnte sie durchaus verstehen, dass du mit Theolinde allein sein wolltest, wenn du ihr endlich den Antrag machst. Wie ist es eigentlich gelaufen?“ Er blickte zwischen den beiden Menschen hin und her.

Siegbald war inzwischen tiefrot angelaufen, während Theolinde blass geworden war.

„Wolltest du mir wirklich …?“, begann sie. Doch der schmutzige Ring in ihren Fingern war im Grunde Antwort genug.

„Es tut mir leid“, stammelte Siegbald. „Ich wollte nicht, dass du es so erfährst. Und wenn du nein sagst, kann ich es verstehen. Ich habe ja noch nicht einmal ein richtiges Einkommen und ein Mann sollte schließlich seine Frau ernähren können.“

„Ups“, sagte Caesar. „Habe ich gerade etwas ausgeplaudert?“

Trotzdem blieb er zwischen den beiden Menschen sitzen und beobachtete interessiert, wie es weiterging.

Theolinde lächelte schwach. „Du weißt doch, dass mir so etwas nichts bedeutet.“

„Aber mir“, sagte Siegbald fest. „Ich habe auch schon mit König Artus geredet. Er ist bereit, mir einen Posten im Schloss zu geben. Und ich hätte auch deinen Vater um deine Hand gebeten, wenn ich wüsste, wer er ist und ob er noch lebt. Mit deiner Mutter verstehe ich mich ja nicht so gut, wie du weißt.“

Halb hoffnungsvoll, halb besorgt blickte Siegbald zu Theolinde auf. Es war ein seltsames Gefühl. Natürlich hätte er sich normalerweise für den Heiratsantrag vor sie gekniet, aber auch jetzt im Stehen war die rothaarige Hexe eine gute Handbreit größer als er.

Theolinde blickte ihn traurig lächelnd an, bis der Entdecker schließlich unruhig wurde.

„Heißt das, du willst mich nicht heiraten?“, fragte er leise. Die Enttäuschung war ihm deutlich anzusehen.

„Natürlich will ich das. Aber bist du dir auch wirklich sicher, dass du das willst?“

Siegbald runzelte verwirrt die Stirn. „Selbstverständlich. Warum sollte ich dich nicht heiraten wollen?“

Die Hexe schlug die Augen nieder und eine zarte Röte stieg von ihrem Hals in ihr Gesicht auf. Zu ihren roten Haaren passte diese Gesichtsfarbe ganz und gar nicht.

„Es ist nur so. Mich hat noch nie ein Mann gebeten, seine Frau zu werden.“

„Aber ich will dich“, sagte Siegbald fest.

Trotzdem wunderte er sich ein wenig, warum eine so schöne, kluge und durchaus auch reiche Frau noch nie einen Heiratsantrag bekommen haben sollte. Doch er fand, dass er später noch genug Zeit hatte, sich über diese Frage Gedanken zu machen.

Sanft zog er Theolinde den schleimigen Ring aus den Fingern. Dann ließ er sich auf ein Knie nieder und blickte zu ihr auf.

„Theolinde Taubenfuß, willst du meine Frau werden?“, fragte förmlich.

Ein strahlendes Lächeln stahl sich auf das Gesicht der Hexe. „Ja. Ja, das will ich.“

Siegbald grinste. Dann säuberte er den schleimigen Verlobungsring notdürftig an seiner Hose und nahm Theolindes Hand. Er versuchte, ihr den Ring auf den Finger zu schieben, aber Theolindes teigverschmierte Hand war wohl für diese Geste ungeeignet. Nach ein paar Versuchen gab er auf und drückte ihr den Ring einfach in die Hand. Er stand auf und gab seiner Theolinde einen langen, innigen Kuss.

4 Alles richtig machen

Eine halbe Stunde später saßen die strahlende Theolinde und der glücklich lächelnde Siegbald gemeinsam in der Küche. Der inzwischen gesäuberte Ring steckte an Theolindes inzwischen gesäubertem Finger. Der halbfertige Riesenkarottenkuchen war vergessen.

„Wenn wir heiraten, heißt das, dass du für immer hier in Aequipondium bleiben willst?“, fragte Theolinde.

Siegbald kratzte sich am Kinn. „Hm. Ja. Ich denke schon. – Es sei denn, ich finde einen Weg, nach Hause zu fahren.“

Theolindes strahlendes Lächeln wurde etwas schwächer. Siegbald griff über den Tisch und streichelte ihre Hand.

„Aber natürlich nur, wenn du mitkommst.“

Die Hexe grinste erleichtert.

„Ich habe mir etwas überlegt“, sagte Theolinde kurz darauf. „Wenn wir heiraten, dann will ich, dass alles perfekt wird. Ich will Blumenregen und die Glückwünsche der anderen Hexen und ich will, dass mein Vater dabei ist.“

Siegbald legte den Kopf schief. „War das nicht irgendein Druide? Ich dachte, der ist tot.“

Theolinde lachte unsicher. „Das war doch nur eine Erfindung von mir. Ich hatte es irgendwann satt, dass mich immer alle nach meinem Vater gefragt haben. Also habe ich Calvin, den Druiden, erfunden. – Hast du wirklich geglaubt, mein Vater war ein spindeldürrer Nachthemdträger, der bei einem furchtbaren Unfall umgekommen ist, bei dem er von einem Megalithen erschlagen wurde? Du kennst doch Neidhart. Kein Druide, der etwas auf sich hält, macht sich beim Aufstellen eines Steinkreises selbst die Hände schmutzig. Das überlassen sie den Bauern. Auch wenn ich immer Spaß daran hatte, zu beschreiben, wie Calvin dort unter dem riesigen Stein lag und nur noch die Sandalen und ein Zipfel seines Druidengewandes hervorschaute. – Außerdem kennst du doch meine Mutter. Kannst du dir wirklich vorstellen, dass Oberhexe Walfriede Amalberga mal eine Beziehung mit einem Druiden hatte?“

„Und wer ist wirklich dein Vater?“

Theolinde runzelte die Stirn. „Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Mutter hat sich immer geweigert, mit mir über dieses Thema zu reden. – Aber jetzt, wo ich heiraten werde, muss sie es mir einfach sagen. Ich werde gleich morgen zu ihr gehen und es ihr erzählen. Du willst doch sicher mitkommen, oder?“

Siegbalds glückliche Miene gefror bei dem Gedanken daran, was die gestrenge Oberhexe dazu sagen würde, dass ihre Tochter einen dahergelaufenen Entdecker heiraten wollte. Aber er nickte tapfer.

 

Das Häuschen von Walfriede Amalberga sah genauso aus wie die Hexe selbst. Statt eines üppigen, geblümten Kleides, wie die Oberhexe sie gern trug, war es von einem gepflegten Blumengarten umgeben, der Siegbald in eine dichte Wolke aus Duft und Farben hüllte. Ebenfalls wie die Hexe war das Haus klein und kompakt und das mit Stroh gedeckte Dach hatte sicher schon bessere Zeiten gesehen. Die unzähligen, nur handtellergroßen Fensterscheiben glänzten und schienen Siegbald aus hundert kleinen Augen zu beobachten. Der Entdecker schluckte. Theolinde klopfte an der niedrigen, grün gestrichenen Tür.

Amalberga wirkte überrascht, ihre Tochter zu sehen. Siegbald würdigte sie kaum eines Blickes, bis Theolinde ihr eröffnete, was sie hergeführt hatte.

„Du willst wirklich diesen dahergelaufenen Abenteurer und Hühnermörder heiraten?“

Obwohl die pummelige Oberhexe zwei Köpfe kleiner als Siegbald war, schaffte sie es, bei diesen Worten missbilligend auf ihn herabzusehen. Es war mehr eine Sache der inneren Einstellung, als der äußeren Größe, vermutete der Entdecker. Außerdem half es sicher, dass Amalberga ihre Gäste auf einem niedrigen Sofa im selten benutzten Salon platziert hatte, während sie selbst, ein silbernes Teegeschirr in der Hand, vor dem frisch verlobten Paar stand.

---ENDE DER LESEPROBE---