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In diesem Buch wird angesprochen, dass es beim Erlernen der zahlreichen Verteidigungstechniken des Aikidos nicht ausschließlich darum geht, sich gegen waffenlose oder bewaffnete Angriffe wirksam verteidigen zu können. Vielmehr wird anschaulich erläutert, dass in dieser Kampfkunst das körperliche Training auch dazu dient, um die geistigen Fähigkeiten der Übenden zu erwecken und positiv zu stärken, damit sie sich im gleichen Maße zu geistig und körperlich stabilen Menschen entwickeln, bis Körper und Geist im harmonischen Einklang stehen. So sollen sie dabei zu positiv denkende und lebensbejahende Persönlichkeiten heranreifen, die mit einem "wachsamen Geist" aufmerksam und relativ unbeschwert ihren Alltag begehen können. Ausgestattet mit dieser Wachsamkeit werden fortgeschrittene Aikidoka befähigt, verbale oder körperliche Bedrohungen bereits in ihrem Entstehen zu erkennen, um dann im "richtigen Augenblick" reaktionsschnell zu reagieren und richtig zu handeln, so dass sie verbale oder körperliche Attacken weitgehend schadlos überstehen können. In diesen Buch wird ebenfalls darauf eingegangen, wie wir mit einer objektiven Selbsteinschätzung unserer Person und unsere Bewertung zu den Dingen des Lebens, den ständigen Erschwernissen des täglichen Lebens entgegentreten und relativ schadlos meistern können.
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Seitenzahl: 193
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Vorwort
1 Wachsamkeit nutzen
2 Die Kampfkunst Aikido
3 Die etwas andere Verteidigung
Friedvoll verteidigen?
4 Erfahrungen sammeln
Aus Fehlern lernen
5 Berühren können und lassen
Kontakt aufnehmen
6 Wachsamkeit aufbauen und stärken
7 Wachsam sein
Deeskalierend einwirken
Vor dem Angriff
Abwarten können
Wachsamkeit nutzen
8 Reize wahrnehmen
Randori
9 Schnell reagieren
Reaktionschnell agieren
Reaktionsschnelligkeit
Aktionsschnelligkeit
10 Richtig handeln
Situationen erkennen
Irimi/Tenkan
11 Für den Alltag wachsam sein
Sich selbst einschätzen
Elemente und Prinzipen des Aikidos
12 Körperlich verteidigen im Alltag
Wie verteidigen
Bujutsu - Budo
Körperlich verteidigen
Umsetzung der Techniken
Wann wie hart
Überzeugt sein
Nicht unterschätzen
Aufpassen
13 Verbal verteidigen im Alltag
Vorbeugend handeln
Bereit sein
Sich beruflich bewähren
14 Wachsam und vorbildlich handeln
Moralische Gebote
Tugendhaft sein
15 Wachsam bleiben
Wenn man nicht aufpasst
Zivilcourage zeigen
Vertrauen können
Medien
16 Anmerkungen
Biografie des Autors
Mit diesem Buch möchte ich bei den Lesern und Leserinnen das Interesse dahingehend wecken, wie wir uns vor vermeidbaren Erschwernissen und negativen Entwicklungen des Alltags besser schützen können. Denn dies ist weitgehend möglich, indem wir uns eine hinreichende, latente Wachsamkeit aneignen, die unsere Lebensgestaltung erleichtert und uns hilft, den alltäglichen „Stolperfallen” aus dem Weg zu gehen.
Dem griechischen Philosophen Aristoteles wird der Sinnspruch „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen” zugeordnet. Dies bedeutet ins täglich Leben übertragen, dass wir die wie Windströme auf uns zukommenden Erschwernisse, welche wir im Leben ständig begegnen, wachsam beobachten müssen, um uns vor deren Stärke zu schützen und richtig zu handeln.
Den Begriff Wachsamkeit können wir für Aikido durchaus etwas weiter auslegen, denn unter dieser Bezeichnung können neben dem Element „wachsam sein” auch die Eigenschaften „schnell reagieren” und „richtig handeln” eingeordnet werden. Diese Elemente kommen in der Regel eigenständig und nacheinander zur Anwendung. Es kann aber ebenso situationsbedingt zu fließenden Überschneidungen kommen, was für die wirkungsvolle Ausführung einer verbalen oder körperlichen Verteidigung nicht hinderlich ist.
Diese Wachsamkeit benötigen wir nicht nur im direkten, persönlichen Umgang mit unseren Mitmenschen sondern auch für unsere Vorausschau auf sich oft wiederholende Anlässe oder für ein frühzeitiges Erkennen von neuen Entwicklungen und Geschehnissen.
So wird hier nachfolgend angesprochen, dass in vielen Fällen nicht immer die Anderen daran Schuld sind, wenn bei uns wieder einmal etwas „schief läuft”, sondern weil wir wegen fehlender Wachsamkeit zu oft den „richtigen Augenblick” verpassen, in welchem wir noch negative Entwicklungen hätten verhindern können.
Natürlich sind bei den hier angesprochenen Hemmnissen nicht die unvermeidlichen Schicksalsschläge gemeint, auf die wir tatsächlich nur sehr selten Einfluss nehmen können, wie z.B. schwere Erkrankungen.
Nein, gemeint sind hier die Erschwernisse, deren Entstehen wir aufgrund von falschem Handeln selbst einleiten, obwohl diese bei einer hinreichenden Wachsamkeit vermeidbar wären.
Es gibt unterschiedliche Optionen, um unsere Wachsamkeit zu stärken und derartige, ungewollte Belastungen in unserem Alltag gering zu halten.
Eine Möglichkeit sich hierin erfolgversprechend zu verbessern, ist das regelmäßige, partnerschaftliche und praxisnahe Trainieren der Selbstverteidigungstechniken der Kampfkunst Aikido und deren nicht alltäglichen Bewegungsformen.
Schon nach kurzer Zeit des ernsthaften Trainings erfahren Aikidoka (Übende), dass eine Verteidigung nur wirkungsvoll und erfolgreich verläuft, wenn sich bei ihnen ein „wachsamer Geist” entwickelt hat.
Aikido ist eine pazifistisch ausgerichtete Kampfkunst, in welcher Aikidoka zunächst bemüht sind, Konflikte ohne Kampf aufzulösen anstatt einen Konflikt mit Kampf zu beseitigen. So hat grundsätzlich die Konfliktvermeidung Vorrang vor der Konfliktbeseitigung.
Aus diesem Grund beginnt im Aikido die Selbstverteidigung bereits vor einer möglichen Kampfhandlung.
Aikidoka lernen hierzu ein vorausschauendes Wahrnehmen und Handeln, um auf aggressiv auftretende Personen frühzeitig deeskalierend einwirken zu können. Dabei ist wichtig den richtigen Augenblick zu erkennen, ob eine verbale Einflussnahme noch Erfolg versprechen kann oder eine körperliche Auseinandersetzung unausweichlich scheint. Die Fähigkeit in solch einer belastenden Konfliktsituation die richtigen Maßnahmen wählen zu können, erfordert von den Aikidoka eine außergewöhnliche Wachsamkeit.
Diese überdurchschnittliche Wachsamkeit können die Übenden sich mit dem erforderlichen Trainingsfleiß und der notwendigen Ernsthaftigkeit im Laufe der Zeit soweit aneignen, dass sie auch außerhalb ihres Dojo (Trainingshalle) diese zum ihrem geistigen und körperlichen Schutz und zur Stärkung ihrer Persönlichkeit gezielt eingesetzt können.
Hört sich doch spannend an, sich solche Fähigkeiten aus eigenem Willen anzueignen bzw. bewusst antrainieren zu können – oder?
So hoffe ich, dieses Buch verstärkt bei noch Unentschlossenen das Interesse an der Kampfkunst Aikido und sie entschließen sich zu einem Schnupper-Training in einer der zahlreichen Aikido-Gruppen bzw.-Vereine. Besonders in der heutigen Zeit, in der anscheinend viele Menschen - glaubt man den Medien - wieder verstärkt auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens und Handelns sind. Vor diesem Hintergrund bietet sich diese Kampfkunst als eine lebensbejahende und somit dem Leben zugewandte Alternative an. Sie eröffnet die Möglichkeit, sich nach eigenen Wünschen zu verwirklichen, eigenständig sinnvolle Ziele zu setzen und sich dabei mit zeitlos gültigen Themen und Inhalten zielführend auseinander zu setzen.
Für bereits fortgeschrittene Aikidoka ist das Buch sicher hilfreich, um sich noch intensiver mit den mentalen Anforderungen und Möglichkeiten zu beschäftigen, welche die Kampfkunst Aikido neben der Bewältigung ihrer rein technischen Aufgaben bereithält.
Denn ein langjähriges Training verhilft Aikidoka - neben einer überdurchschnittlichen Fitness - zu der notwendigen Sensibilität, um kleine und größere Erschwernisse des Alltags mit der nötigen Voraussicht und Wachsamkeit leichter zu bewältigen.
München, den 01.08.2022
Wolfgang Schwatke
Schon in frühen Zeiten war es notwendig „Wache zu halten” und somit wachsam zu sein, um äußere Gefahren für Einzelpersonen aber auch für Gruppen jeglicher Art frühzeitig zu erkennen, auf diese vorbereitet zu sein und diese eventuell auch körperlich abwehren zu können.
So fällt uns bei der Formulierung „Wache halten” schnell der Wachsoldat früherer Jahre ein, welcher vor seinem farbig bemalten „Schilderhaus” (Wachhäuschen) steht und das Ende seines Wachdienstes herbeisehnt. Auch denken wir vielleicht an die alte Bezeichnung „Polizeiwache”, in welcher der „Schutzmann” als der „Herr Wachmeister” die Rolle des Freundes und Helfers einnahm.
Nicht zu vergessen sind ebenfalls die „Nachtwächter”, die damals in den Kleinstädten nachts ihre Runden drehten und dafür sorgten, dass ihre Bürger und Bürgerinnen beruhigt zu Bett gehen und schlafen konnten.
Auch in der heutigen Zeit ist in so manchen Arbeitsbereichen das von alters her überlieferte und noch immer so bezeichnete „Wache gehen” als eine unverzichtbare Vorkehrung präsent.
Beispielhaft finden wir diese über Generationen weitergegebene Vorgehensweise bei der Seefahrt. Denn sobald größere Schiffe ihre Häfen verlassen und hinaus auf das Meer fahren, beginnt für das Personal auf der Brücke und im Maschinenraum ihre turnusmäßige „4-Stunden-Wache” rund um die Uhr. Auch hier dient der Wachdienst dazu, um eventuelle Gefahren, die der Schiffsverkehr mit sich bringt, frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zum Schutz des Schiffes, der Ladung und der Besatzung zu ergreifen.
Aber auch an Land werden heutzutage diverse Wachdienste in Anspruch genommen, die wie seit Jahrhunderten „Wache halten”, um Gegenstände und Gebäude - also alles was schutzwürdig erscheint - zu sichern. Selbst zum Schutz von Menschen werden „Bodyguards” engagiert, deren Schutz auf Einzelpersonen von besonderer Wichtigkeit oder Schutzbedürftigkeit ausgerichtet wird.
Doch jeder von uns kann sein eigener „Bodyguard” sein, in dem wir uns die Fähigkeit zur erhöhten Wachsamkeit aneignen oder diese stärken, um vorausschauend unseren Alltag zu begehen. Dazu gehört es, unser Handeln konzentriert auf zu erwartende Situationen auszurichten und in angemessener Weise darauf abzustimmen. Wir sollten befähigt sein, wichtige Augenblicke als solche wahrzunehmen und diese nicht aus Unachtsamkeit verpassen. Die Erfahrung zeigt, dass ein Übersehen wichtiger Augenblicke meist Nachteile nach sich ziehen, deren notwendige, nachherige Beseitigung wieder Energien erfordern, die wir uns bei einem „richtigen” Aufpassen hätten ersparen können.
Um uns eine unseren individuellen Lebensumständen angemessene Wachsamkeit anzutrainieren, müssen wir jedoch einiges dafür tun.
Natürlich gibt es immer Menschen, denen eine überdurchschnittliche Wachsamkeit angeboren zu sein scheint und die Zusammenhänge in kurzer Zeit sofort durchschauen. Ob diese aber ausreicht, um tatsächlich gegen die Wechselfälle des Lebens gewappnet zu sein, entscheidet sich in akuten Situationen des Alltags, in denen ggf. auch der körperliche Einsatz erforderlich ist.
Denn mit der „angeborenen”Wachsamkeit ist es wie mit dem angeborenen Talent. So zeigt die Erfahrung, dass Talent bei der Bewältigung einer relativ kurzzeitigen Aufgabe durchaus hilfreich sein kann. Erfordert die Bewältigung einer Aufgabe jedoch ein andauerndes Handeln, reicht das Talent alleine meist nicht mehr aus. Dann sind Erfahrungen, Ausdauer, Disziplin und Beharrlichkeit die entscheidenden Faktoren, um anstehende Aufgaben zu lösen oder Probleme zu überwinden.
Somit können auch wir nur über ein praktisches, körperliches Training - egal in welcher Sportart - zu einer überdurchschnittlichen Wachsamkeit gelangen, in dem wir uns bewusst geistigen und körperlichen Belastungen stellen und dabei bemühen, diese schadlos und kontrolliert zu bewältigen.
Dabei bemerken wir aufgrund eines länger dauernden, körperlichen Trainings, dass wir immer schneller reagieren und die anfangs als schwierig empfundenen Abläufe nun problemlos durchführen können. Intuitiv erkennen wir - ohne Nachzudenken - vorausschauend am Auftreten des Gegenüber, welche Absicht sich hinter seinem Verhalten (Gestik, Mimik etc.) verbirgt.
Wer aufmerksam trainiert erfährt sehr bald, dass sich ein guter Geist zumindest leichter in einem gesunden Körper entwickeln kann. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der über einen stabilen und somit widerstandsfähigen Körper verfügt, auch mit einer wohlwollenden geistigen Einstellung und einem humanem Handeln seinen Mitmenschen entgegentritt. Diese Menschen verhalten sich in der Regel so, weil sie in sich ruhen und Entwicklungen mit der nötigen Gelassenheit abwarten können.
Sie haben dabei nur geringe Bedenken vor etwaigen, kurzzeitigen Zurückweisungen oder Bloßstellungen ihrer Person in der Öffentlichkeit. Sie fürchten sich auch nicht davor in ein scheinbares Hintertreffen zu geraten, weil sie ihr Leben nicht ausschließlich nach den Maßstäben gestalten, welche der Zeitgeist als cool und erstrebenswert vorgibt. Ihnen wird bewusst, dass sie mit ihrer von guten Tugenden geprägten Geisteshaltung nie wirklich unterliegen können.
Menschen mit dieser stabilen und wachsamen Geisteshaltung waren in der Vergangenheit gefragt und werden auch noch heute in dieser modernen Zeit gesucht.
Denn beobachten wir den Umgang der Menschen im privaten oder beruflichen Umfeld, erkennen wir relativ bald, dass ein Großteil der täglichen Probleme von Personen ausgehen, denen es an einer natürlichen Präsenz mangelt.
Sich diesem Mangel durchaus bewusst, neigen sie dazu, ihre erkennbaren geistigen oder körperlichen Defizite mit unangemessenen Handlungen auszugleichen und dabei anderen das Leben schwer zu machen. Dies geschieht leider nicht selten mit psychischen oder physischen Druck. Es handelt sich hierbei um Vorgehensweisen, die menschenunwürdig und daher abzulehnen sind. Menschen mit einer positiven Persönlichkeit, basierend auf einer geistigen und körperlichen Stärke, tun so etwas nicht.
Wie wir im nächsten Kapitel erfahren, unterscheidet sich die Kampfkunst Aikido von den bekannten Kampfsportarten und Wettkampfsportarten wesentlich. So gibt es im Aikido keine Wettkämpfe als Leistungsmesser. Aikido ist eine reine Form der Selbstverteidigung.
Dies bedeutet, von Aikidoka (Übende) sollen weder körperliche Angriffe noch Aggressionen jeglicher Art ausgehen. Vielmehr warten sie den Angriff des Angreifers ab und beginnen erst dann mit dem Einsatz ihrer Verteidigungstechniken.
Um dieses hoch konzentrierte Verhalten zu beherrschen und dabei schadlos zu bleiben, wird von den Aikidoka eine hohe Wachsamkeit und ein vorausschauendes Handeln erwartet. Bei einem kurz bevorstehenden Angriff sollten erfahrende Aikidoka befähigt sein, den geplanten Angriffsbeginn bereits in der Phase mental zu spüren, in der ihr Gegenüber die Form des Angriffes geistig geplant.
Im Aikido-Training werden alle möglichen und daher unterschiedlichen Angriffssituationen ständig trainiert, so dass die notwendige Wachsamkeit, die Reaktionsfähigkeit und das wirksame Handeln „in Fleisch und Blut übergehen“. Diese nun verinnerlichten Eigenschaften prägen fortgeschrittene Aikidoka in einem Maße, dass diese schon unbewusst in den Alltag übernommen werden.
So wird auf diesem Wege eine überdurchschnittliche Wachsamkeit erarbeitet, um in den privaten und beruflichen Lebensbereichen anstehende Ereignisse relativ gelassen erwarten zu können.
Zu Beginn soll den interessierten Lesern und Leserinnen, die noch nicht viel über Aikido erfahren haben, einige typische Merkmale dieser Kampfkunst vorgestellt werden, um die nachfolgenden Themen und Erläuterungen besser einordnen zu können.
Insbesondere um verständlich zu machen, dass die im Training erzielten Erfahrungen und dabei gewonnenen Denkansätze dieser in Japan gegründeten Kampfkunst zeitlos und somit auch in der heutigen Zeit noch immer bedeutsam und beachtenswert sind.
Zunächst wird nochmals daran erinnert, dass es sich bei Aikido nicht um einen Kampfsport bzw. Wettkampfsport handelt sondern um eine „Kampfkunst”, in der u.a Wettkämpfe als Leistungsmesser nicht ausgeübt werden.
Japanische Kampfkünste basieren auf den in den frühen Jahrhunderten praktizierten Kriegskünsten (wie z.B. dem Schwertkampf), die sich unter den Einflüssen des Zen-Buddhismus, Shintoismus und Konfuzianismus zu Budo-Disziplinen entwickelten, in denen neben der körperlichen auch die geistige Entwicklung der Übenden im Mittelpunkt des Trainings steht, wie z.B. neben Aikido auch im Iaido (Weg des Schwertziehens) und im Kyudo (Weg des Bogenschießens).
Neben dem Erlernen der technischen Fertigkeiten zur Selbstverteidigung soll das intensive Training auch dazu dienen, Körper und Geist in einen harmonischen Einklang zu bringen.
DO- der Weg
Obwohl diese Darstellung für noch Außenstehende etwas „kopflastig” oder „vergeistigt” erscheint, sollten sie sich nicht täuschen lassen. Wer Aikido ernsthaft und somit konzentriert erlernen möchte, muss auf ein körperlich anspruchsvolles und schweißtreibendes Training vorbereitet sein. Lassen wir uns darauf ein und erfassen - nun als Aikidoka - die Philosophie der Wegfindung (Do) zumindest im Ansatz, werden wir unseren selbst bestimmten und als gut befundenen Weg nur selten wieder verlassen. Auch dann nicht, wenn das Studium einer Budo-Disziplin aus unterschiedlichen Gründen beendet werden muss. Denn die bei der Wegfindung gewonnenen Erkenntnisse sind für die persönliche Lebensgestaltung so positiv prägend, dass diese uns das weitere Leben in einer lebensbejahenden Weise begleiten.
Denn nach einigen Jahren des körperlichen Übens und der Überwindung so manch unvermeidlicher Hürden, bleibt den Aikidoka die Befriedigung, dass sie für sich eine Kampfkunst ausgewählt haben, welche ihrer friedvollen Wesensart entgegen kommt. Auch wenn sie dabei erkennen, dass sie das Ende des Weges (Do) und somit die „Erleuchtung” (Satori) wahrscheinlich nie erreichen werden.
Dennoch erfüllt es sie mit Freude, diese Möglichkeit des „Weggehens” überhaupt entdeckt zu haben und zur Erkenntnis gelangen konnten, dass - entsprechend eines oft zitierten Sinnspruchs - der Weg (Do) tatsächlich das Ziel ist.
Die nachfolgenden ergänzenden Erläuterungen sollen das Bild über die Kampfkunst Aikido noch etwas vervollständigen.
Aikido ist eine Kampfkunst, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Japan von O-Sensei Ueshiba Morihei (1883-1969) entwickelt wurde und deren Verteidigungstechniken sich über Jahrhunderte bis zu den Kampftechniken der frühen Krieger zurückverfolgen lassen.
Sie ist eine Form der zumeist waffenlosen Selbstverteidigung gegen unbewaffnete oder bewaffnete Angriffe.
Aikido ist eine einzigartige Kampfkunst, die eine friedvolle Auflösung von Konfliktsituationen anstrebt und nicht den Weg des Kampfes sucht.
Ueshiba Morihei
Daher gibt es im Aikido keine Wettkämpfe als Leistungsmesser und auch keine Anwendung von zerstörerischen Schlägen und Fußtritten zur Selbstverteidigung.
Aikido ist eine Form der dynamischen Meditation, welche ermöglicht Körper und Geist der Übenden in einen harmonischen Einklang zu bringen.
Wie bei allen Budo-Disziplinen dient auch Aikido dazu Menschen auszubilden, die sich auszeichnen mit einem widerstandsfähigen Körper, einem wachsamen Geist, einer positiven Lebenseinstellung und durch ein wohlwollendes Handeln.
Die Bezeichnung „Aikido” setzt sich aus drei Schriftzeichen zusammen, die in dieser Kampfkunst wie folgt erklärt werden:
AI - Harmonie, Ergänzung
KI - Willenskraft, kosmische Energie
DO - Weg, Wegfindung
Aikido ist der „Weg (DO) zur Harmonisierung (AI) der kosmischen Kraft (KI)”.
Aikido wird nicht selten als eine „friedvolle Kampfkunst” oder auch als „eine Form der dynamischen Meditation” umschrieben, so dass sich Außenstehende verständlicherweise fragen, wie diese Bezeichnungen mit dem Begriff Kampfkunst zusammenpassen.
Dieses Unverständnis wird eventuell noch verstärkt, wenn ergänzend erklärt wird, dass ein Erlernen der Budo-Künste - so auch Aikido - dazu dienen soll, Menschen auszubilden, die sich auszeichnen mit einem widerstandsfähigen Körper, einem wachsamen Geist, einer positiven Lebenseinstellung und durch ein wohlwollendes Handeln. Mit dieser Aussage wird die Wichtigkeit der geistigen und körperlichen Entwicklung der Übenden (Budoka) auf eine Stufe gestellt.
Diese Formulierung wird so manchen überraschen, denn sie vermuten eher, dass ein Training in den Kampfkünsten vorrangig dazu dient, einen relativ geschmeidigen, muskulösen und somit kräftigen Körper bei den Übenden hervorzubringen, damit sie sich in Auseinandersetzungen körperlich durchzusetzen und als Sieger bestehen.
Im Aikido sollen sich aber Körper und Geist gleichzeitig positiv entwickeln und auf demselben Niveau wiederfinden. Stark aber dumm oder klug aber schwach, ist im Aikido nicht erstrebenswert. Daher unterstützt das körperliche Aikido-Training die Entwicklung, Körper und Geist auf einem möglichst hohen Niveau in einen harmonischen Einklang zu bringen.
Skepsis bezüglich der Wirksamkeit des Aikidos tritt mitunter bei Außenstehenden auf, wenn weiter erläutert wird, dass die jahrhundertelange Entwicklung des Aikidos von einer Kriegskunst zu einer Kampfkunst sehr stark von den Lehren des Zen-Buddhismus geprägt wurde. In dem Zusammenhang fallen einigen dann meist die stillsitzenden, meditierenden Mönche in ihren Klöstern ein.
Ebenso die wenigen anderen noch verbliebenen, traditionellen Kampfkünsten Japans, wie Iaido (Kunst des Schwertziehens) und Kyudo (Kunst des Bogenschießens), in denen sich der meditative Hintergrund bei den Ausführungen der Techniken geradezu aufdrängt.
Obwohl die japanischen Kampfkünste Iaido, Kyudo und Aikido sich im gleichen Maße der Geisteshaltung des Budos verpflichtet fühlen, unterscheidet sich die Art der Wegfindung (Do) doch voneinander.
Während im Iaido und Kyudo die Techniken nach genau festgelegten Abläufen ausgeführt werden müssen, gibt es dagegen im Aikido viele erprobte Grundtechniken und zahlreiche Technik-Varianten, um sich im Körperkontakt variabel und der Situation angemessen gegen waffenlose aber auch bewaffnete Angriffe dynamisch und robust verteidigen zu können.
Wie bereits anfangs erwähnt, werden im Aikido Schläge oder Fußtritte zur Selbstverteidigung grundsätzlich nicht gelehrt, weil deren Anwendung für eine Bereitschaft zur körperlichen Zerstörung des Gegners steht. Diese Bereitschaft widerspricht der Geisteshaltung des Aikidos elementar.
Entsprechend der Philosophie des Aikidos soll sich die Selbstverteidigung gegen den Angriff richten und nicht gegen den Angreifer. Daher sind die Techniken des Aikidos so angelegt, dass sich bestenfalls die Möglichkeit ergibt, einem bereits kontrollierten Angreifer sein nutzloses Tun aufzuzeigen.
Praktisch bedeutet dies, ihn mit kurz ausgeführten und durchaus schmerzhaften Hebeln „zur Vernunft zu bringen”. Ihm wird während der Fixierung am Boden die Möglichkeit gegeben, sich von seiner aggressiven Grundeinstellung zu lösen und sich künftig für einen friedlichen und somit rechten Weg zu entscheiden.
Denn in dieser Phase der Verhebelung ist der Angreifer dem Aikidoka schutzlos ausgeliefert. Dabei erkennt der Angreifer, dass der Aikidoka sich ihm gegenüber - trotz seiner eigenen, bösen Angriffsabsicht - dennoch anständig verhält, obwohl er ihn körperlich zerstören könnte (z.B. Handkantenschlag ins ungeschützte Genick).
Dieses beispielhafte und aus einer körperlichen Stärke heraus gezeigte pazifistische Verhalten des Aikidokas, führt den ursprünglichen Angreifer möglicherweise auf einen friedvollen Weg.
Die Verteidigung des Aikidos zielt darauf ab, die Angriffskraft „ins Leere” laufen zu lassen und so zu neutralisieren, dass dabei dem Angreifer das Gleichgewicht genommen wird. Befindet sich der Angreifer nun kurzzeitig in einer geistigen und körperlichen Instabilität, setzt der Aikidoka seine Wurf-Techniken(Nage-Waza) oder Hebel-Techniken(Katamae-waza) ein, um den Angreifer zu überwinden und die körperliche Auseinandersetzung so schnell wie möglich zu beenden.
Hierbei soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein wenig geübter Angreifer bei einem dynamisch ausgeführten Wurf oder - wenn er uneinsichtig ist - bei einer dominanten Verhebelung am Boden sich durchaus ernsthaft verletzten kann. Diese Gefahr ist unvermeidbar, weil er im Vorwärts- und Rückwärtsrollen selten ausreichend geübt ist und seine Gelenke für extreme Überdehnungen nicht trainiert sind. Daher liegt es immer in der Eigenverantwortung des Angreifers, worauf er sich bei seinem Angriff gegen einen fortgeschrittenen Aikidoka einlässt.
Nage-waza- Diesen dynamisch ausgeführten Wurf kann ein Angreifer nur schadlos überstehen, wenn er die Fallschule des Aikidos sicher beherrscht, wie hier vom Uke (angreifender Trainingspartner) fehlerfrei praktiziert.
Katamae-waza- Diesen Hebel am Boden kann der Angreifer nur unverletzt überstehen, wenn er frühzeitig und deutlich erkennbar seine Aufgabe signalisiert, z.B. Schlagen mit dem freien Arm auf dem Boden.
Von einem gewissenhaften Aikidoka kann erwarten werden, dass von ihm nie ein Angriff in geistiger oder körperlicher Form erfolgt. Über ein langjähriges, intensives Training erlangt er die Fähigkeit, offen und somit ohne Aggressionen anderen Menschen gegenüberzutreten und sich auch nicht von ihnen zu einem Angriff verleiten zu lassen.
Diese Fähigkeit zu erlangen, ist allein schon für sich eine bemerkenswerte geistige Entwicklung und zeugt von einer moralisch geprägten, geistigen Stärke.
Aikidoka möchten im harmonischen Einklang mit ihren Mitmenschen und ihrer Umwelt den von ihnen gewählten Weg (Do) - wenn immer möglich - unbeschwert gehen.
Dies gelingt jedoch nur, wenn sie sich über ein jahrelanges Training die notwendige körperliche und geistige Stärke angeeignet haben, die sich nach außen in ihrer wohlwollenden Persönlichkeit und ihrem positiven Handeln widerspiegelt.
Mit ihrem unaufdringlichen Auftreten demonstrieren Aikidoka, dass sie nicht kämpfen wollen aber dies jederzeit tun können, wenn es die Situation erfordert.
Die oben für die Kampfkunst Aikido aufgeführten Attribute können unbedarften Lesern und Leserinnen leicht zu dem Eindruck verführen, Aikido als etwas „abgehoben” und für die Selbstverteidigung außerhalb der Trainingshalle als weniger geeignet einzuordnen. Mit dieser oberflächlichen Bewertung mussten Aikidoka schon leben, bevor ihre Kampfkunst den heutigen Bekanntheitsgrad - zumindest in der Welt der Kampfsportarten - erreicht hatte. So bezweifelten damals nicht wenige Sportler anderer bereits etablierter, asiatischer Wettkampfdisziplinen die Wirksamkeit der Verteidigungstechniken des Aikidos.
Diese Vorurteile ließen sich relativ schnell beseitigen, wenn diese Sportler aus Interesse an Aikido-Trainings teilnahmen und dabei die Strenge und Wirksamkeit der Techniken am eigenen Körper spürten. Dabei lernten sie hautnah, dass weiche, geschmeidige Körperbewegungen nicht gleich Weichheit bei den Ausführungen der Techniken bedeutet. So ist der nicht selten zitierte Ausspruch „Aikido ist wie Tanzen” irreführend und weckt falsche Erwartungen. Die interessierten Kampfsportler erfuhren schnell, dass fortgeschrittene Aikidoka u.a. über eine antrainierte, stabile Griffsicherheit verfügen und so Angreifer - falls erforderlich - auch unter Hinzufügen von Druckschmerzen an den Körpergelenken wirkungsvoll überwinden können.
Daher gilt, wer Aikido ernsthaft und somit konzentriert erlernen möchte, muss sich auf ein körperlich anspruchsvolles und schweißtreibendes Training vorbereiten. Im Training werden die Selbstverteidigungstechniken im Rahmen von vorgegebenen Konfliktsituationen (Angriff/Verteidigung) so intensiv und möglichst realitätsnah trainiert, dass diese bei unausweichlichen, körperlichen Auseinandersetzungen auch außerhalb des Dojos (Trainingshalle) wirkungsvoll eingesetzt werden können und in beeindruckender Weise in Erinnerung bleiben.
Wie schon angesprochen, unterscheiden sich die Verteidigungstechniken des Aikidos wesentlich von den allgemein bekannten Verteidigungsformen, wie Schläge, Stöße oder Tritte. Daher verlangt das Erlernen der Techniken von den Aikidoka neben der grundsätzlich erforderlichen Fitness und Beweglichkeit auch eine überdurchschnittliche Konzentrationsfähigkeit und Wachsamkeit, die im Laufe der Zeit verinnerlicht und dann außerhalb der Dojos in das tägliche Leben übernommen werden.
Um beschwerliche Geschehnisse und Entwicklungen relativ schadlos überstehen zu können, müssen wir diese frühzeitig erkennen und ihrer Bedeutung nach richtig einordnen. Das kann gelingen, wenn wir in unserem Lebens schon früh dazu angeleitet wurden, uns wachsam zu verhalten.
Wie sich noch alle erinnern, wurden wir bereits in unserer Kindheit ständig dahingehend ermahnt, uns achtsam zu verhalten und bei unserem Handeln aufzupassen. Dies geschah mit dem Ziel, dass wir Kinder nicht fahrlässig zu Schaden kommen. Manchmal haben uns die als nervig empfundenen aber dennoch meist gutgemeinten Ermahnungen geschützt. Aber oft auch nicht, weil wir mit unseren Gedanken wieder einmal wo anders waren und dabei die notwendige Konzentration bei unserem Tun vermissen ließen oder den Ermahnungen nur wenig Glauben schenkten.