Aktivieren und Bewegen von älteren Menschen - Marianne Eisenburger - E-Book

Aktivieren und Bewegen von älteren Menschen E-Book

Marianne Eisenburger

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Beschreibung

Dieses Praxisbuch ist gedacht für alle diejenigen, die alte Menschen pflegen oder betreuen. Es richtet sich an Altenpflegekräfte, an therapeutische und sozial-pädagogische Berufsgruppen in Altenheimen sowie an Übungsleiter und Sport- und Gymnastiklehrer, die in der Altenarbeit tätig sind. Es will aufzeigen, dass eine ganzheitliche Aktivierung und psychosoziale Betreuung hochbetagter und pflegebedürftiger Menschen abwechslungsreiche, anregende und heitere Förderstunden beinhaltet. Es liefert eine Fülle von Anregungen für die praktische Gestaltung von Gruppenstunden mit Hochbetagten, die thematisch zugeordnet werden und an die Besonderheiten und Bedürfnisse dieser Zielgruppe angepasst sind. Dazu kommen organisatorische Hinweise und konkrete Vorschläge zur Stundenplanung und -durchführung sowie zum Einsatz von Materialien und Musik. Jedes Thema wird zunächst ausführlich vorgestellt und in seiner Bedeutung für den alten Menschen beschrieben, bevor viele praktische Beispiele deren Umsetzung zeigen. Die Themen sind: Sinnesübungen, Tanz und Rhythmisches Gestalten, Spielen, Beweglichkeit, Gedächtnisübungen, Alltagsmaterialien, Bewegungsgeschichten und lebenspraktische Fähigkeiten.

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Seitenzahl: 139

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Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autorin noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

Wo Sport Spaß macht

Marianne Eisenburger

Aktivieren und Bewegen

von älteren Menschen

Meyer & Meyer Verlag

Aktivieren und Bewegen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 1998 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

4. überarbeitete Auflage 2008

9. Auflage 2016

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

Member of the World

Sport Publishers’ Association (WSPA)

eISBN: 9783840325014

www.dersportverlag.de

E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorbemerkung

1Einleitung

1.1 Das „vierte Lebensalter“

1.2 An wen wendet sich dieses Buch?

TEIL A VORÜBERLEGUNGEN

2Die Gestaltung der Praxis

2.1 Allgemeine Vorüberlegungen

3Organisatorische Bedingungen

3.1 Gruppengröße

3.2 Gruppenzusammensetzung

3.3 Gruppenraum

3.4 Zeitplanung

3.5 Kleidung

4Gestaltung der praktischen Arbeit

4.1 Verhalten der Gruppenleiterin

4.2 Biografische Orientierung

4.3 Gesprächsanteile

4.4 Geräte und Materialien

4.5 Musik

4.6 Stundenaufbau

5„Appellcharakter“ und „Struktur der Dinge“

5.1 Der Appellcharakter

5.2 Die äußere und die innere Struktur

TEIL B PRAXISTHEMEN

1Schulung der Sinne

1.1 Visuelle Anregung: Sehen

1.2 Akustische Anregung: Hören

1.3 Taktile Anregung: Fühlen und Tasten

1.4 Olfaktorische Anregung: Riechen

1.5 Gustatorische Anregung: Schmecken

2Rhythmus und Tanz

2.1 Zur Verwendung von Musik

2.2 Sitztanz

2.3 Bewegung mit Musik

2.4 Bekannte Volkstänze

2.5 Musikanalyse

2.6 Anregungen für Bewegungsmuster für Sitztänze

2.7 Umsetzen eines Liedes in Bewegung

2.8 Einsatz von Materialien

2.9 Rhythmische Gestaltung

2.10 Spielformen

2.11 Singen

3Spielen

3.1 Spielen in Gruppen

3.2 Einfache Spielideen

4Beweglichkeit: Gymnastik

4.1 Grundprinzipien

4.2 Koordination

4.3 Alltagsverhalten

4.4 Das Programm

4.5 Das Raster

5Gedächtnisschulung

6Alltagsmaterialien

6.1 Wäscheklammern

6.2 Bierdeckel

6.3 Partyteller

6.4 Korken

6.5 Joghurtbecher

6.6 Wattebäusche

6.7 Dosen

6.8 Luftballons

6.9 Zeitungen

6.10 Einmachringe

6.11 Bleistifte

6.12 Papierblatt

7Bewegungsgeschichten

7.1 Ein Wandertag

7.2 Ein Tag im Garten

8Lebenspraktische Fähigkeiten

8.1 Atemübungen

8.2 Allgemeine Grundregeln für die Praxis

8.3 Gehen

8.4 Gleichgewicht

TEIL C ANHANG

9Literatur und Weiterbildung

9.1 Literaturverzeichnis

9.2 Möglichkeiten der Weiterbildung

9.3 Adressen

Vorbemerkung

Die Idee zu diesem Buch entstand, als ich – aus dem Seniorensport und der Psychomotorik mit Seniorinnen kommend – eine Gruppe hochbetagter Menschen übernahm. Zunächst bedeutete es eine große Umstellung, sich von bewegungsgewohnten, mobilen, körperlich und geistig regen Seniorinnen auf reine Sitzgruppen einzustellen. Der freie Raum ist hier für viele Teilnehmerinnen nicht mehr nutzbar; sie bleiben meist auf ihrem Stuhl sitzen, was die Möglichkeiten der Stundengestaltung und der Mobilität erheblich einschränkt.

Schon sehr bald jedoch merkte ich, wie viele der Ideen und Anregungen aus dem Seniorensport und der Psychomotorik aufgegriffen werden können, wenn sie leicht abgewandelt werden. Durch genaues Beobachten der Teilnehmerinnen, durch Rückfragen und viele Gespräche entstanden vielfältige, auf die Bedürfnisse der Gruppe abgestimmte Aufgaben und Übungsvorschläge. Die Teilnehmerinnen nehmen am Geschehen mit Herzlichkeit und Freude teil. Das Entscheidende ist nicht die Perfektion, mit der die Aufgaben wahrgenommen werden, sondern der jeweilige Versuch, sie zu bewältigen. Und dieser ist immer beeindrukkend. Dieses Buch soll zeigen, wie abwechslungsreich und vielfältig die Arbeit in einer Aktivierungs- und Bewegungsgruppe mit Hochbetagten sein kann. Es wird viele Anregungen bieten, die Stunden vielseitig zu gestalten und Freude an der und mit der Bewegung vermitteln. Dieser Beitrag zur Erhaltung der Beweglichkeit, zur Gestaltung der alltäglichen Handlungsfähigkeit und zur Kommunikation trägt mit zur Sicherung von Lebensqualität bei.

Spiel- und Bewegungsangebote für ältere Menschen besitzen eine lange Tradition in den Turn- und Sportvereinen. Der Deutsche Turner-Bund hat schon vor einigen Jahren die Bedeutung der Bewegung für ältere Menschen erkannt und dies zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht. In diesem Zusammenhang sind unter dem Motto „50 PLUS“ eine Vielzahl von praxisorientierten Materialien entstanden und Maßnahmen u. a. zur Aus- und Weiterbildung von Übungsleitern durchgeführt worden. Für die Gruppe der Hochbetagten werden und wurden in letzter Zeit konkrete Programme und Weiterbildungsmaßnahmen erarbeitet. Letztlich ist diesem Engagement zu verdanken, dass das vorliegende Buch entstehen konnte.

Mein Dank gilt der Bewegungsgruppe im Alten- und Pflegeheim Stauzebach, Gladenbach-Weiterhausen, wo die Verfasserin als Bewegungstherapeutin arbeitet. Die Ideen sind hier entstanden und ausprobiert worden und die Teilnehmerinnen haben sich immer konzentriert und engagiert auf alle Ideen eingelassen.

Mittlerweile erscheint zu meiner Freude dieses Buch in der 4. Auflage. Die Inhalte sind unverändert beibehalten, die Fotos neu entstanden und nun im Vierfarbdruck abgebildet. Mein Dank gilt nun auch den Bewegungsgruppen der Wohngemeinschaft für Demenzkranke in Dreihausen und dem Altenzentrum in Marburg, die mit der gleichen Freude und Aufmerksamkeit an den Stunden teilnehmen wie die Gruppe, mit der die Ideen entstanden sind.

Um den Lesefluss nicht zu unterbrechen, wird im Text einheitlich die weibliche Form verwendet. Es sind aber immer Frauen und Männer gemeint.

Dr. Marianne Eisenburger

1Einleitung

1.1Das „vierte Lebensalter“

Im Augenblick erleben wir eine Differenzierung und Verschiebung von Altersvorstellungen und Altersleitbildern, wie sie in früheren Zeiten in diesem Maße nicht gegeben waren. Bei den jüngeren Seniorinnen kann man von einem Aufbruch sprechen, von einer Überwindung von traditionellen Altersrollen und Altersbilder. Die Lebensvorstellungen und die Lebensumstände von älteren Menschen in unserer Gesellschaft haben sich verändert, sie verfügen über Grundlagen wie keine Generation vor ihnen. Sie erwarten ein drittes Lebensalter in Sicherheit, Würde und Selbstbestimmung. Auch in Bezug auf Bewegungsangebote und Aktivierung hat sich sehr vieles verändert und insbesondere im Bereich des Seniorensports wurden vielseitige und ansprechende Angebote entwickelt. Fast jeder Sportverein hat die Zielgruppe Ältere fest mit in sein Programm aufgenommen.

Dagegen belegen neueste gerontologische Forschungsergebnisse, dass das hohe Alter keineswegs nur eine Fortsetzung des jungen Alters ist, sondern als eigenständige Phase des vierten Lebensalters gesehen werden kann. Das vierte Lebensalter zeigt Probleme auf, die neue Formen der Unterstützung brauchen. Kritische Ereignisse, die es im hohen Alter zu bewältigen gilt, sind das Absterben sozialer Bezüge, die Bedrohung selbst bestimmter Lebensführung und der drohende Verlust geistiger, körperlicher und psychischer Funktionen.

Das hohe Alter scheint das gerade abgeschüttelte Defizitbild vom Alter in erschreckender Weise wieder zu beleben. Hochbetagt sein bedeutet häufig, allein stehend zu sein, zunehmend von fremder Hilfe abhängig und von psychoorganischen Veränderungen betroffen zu werden. Es gehört schon fast zur Normalität des hohen Alters, mit körperlichen Einschränkungen, Abhängigkeiten und kognitiven Beeinträchtigungen rechnen bzw. leben zu müssen. Es verstärken sich zunehmend Zweifel, ob Abwehr und Zurückweisung negativer Behauptungen über das Alter nicht zu weit gegangen sind und geleitet sind durch unsere Neigung zum Verdrängen von Gebrechlichkeit, Leiden und Tod und getragen von der Hoffnung auf ein langes und gesundes Leben. Eine realistische Sichtweise dieser Lebensphase – und zwar der gesamten – scheint notwendig.

1.2An wen wendet sich das Buch?

In diesem Buch werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie mit Menschen, die vorrangig in diesem vierten Lebensalter leben, gearbeitet werden kann. Eine aktivierende Bewegungsarbeit kann fördernd, heiter und anregend sein. Es müssen Wege gefunden werden, um auch jene Bejahrten, deren Be-wegungsapparat schon gelitten hat, Behinderte in reduziertem Allgemeinzustand und andere alte Menschen in die Aktivierung und Bewegungsförderung mit einbeziehen zu können.

Zur Förderung und Aktivierung Hochbetagter haben sich besonders erlebniszentrierte Arbeitsweisen als geeigneter erwiesen als funktionell orientierte Ansätze. Sie regen insbesondere das Selbsterleben an und lassen einen individuellen, nicht sprachgebundenen Ausdruck zu. Die Menschen werden besser erreicht und auf der Grundlage von Musik und Bewegung angesprochen. Die Förderung von Bewegung und Sinneserfahrungen bedeutet, das Körpererleben zu aktivieren, das Gefühl der eigenen Identität zu festigen, soziale Beziehungen erfahrbar zu machen und alltägliche Situationen zu beherrschen.

In jeder Förderung müssen die Lernziele, die Methoden und die Inhalte auf die jeweilige Gruppe abgestimmt werden. Und so muss denn auch die Arbeit mit Hochbetagten eine andere Ausrichtung haben als die Arbeit mit jungen Alten. Man muss sich deutlich machen, was dieser alte pädagogische Leitsatz für diese Gruppe bedeutet: Hochbetagte sind häufig in ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten eingeschränkt (psychische und physische Beeinträchtigungen, Schwerhörigkeit, Sehschwäche usw.); der überwiegende Anteil der hochbetagten Bewohner eines Altenheims beispielsweise gehört der Gruppe der Unterschicht oder unteren Mittelschicht an, die 40 Jahre oder länger keine körperbezogenen Veranstaltungen besucht haben.

Im öffentlichen Bereich finden sich Gruppen älterer Menschen aus eigenem Antrieb zusammen, mit der Absicht, sich fit zu halten. In diesen Gruppen erfolgt eine Aktivierung problemlos und es geht eher darum, ein abwechslungsreiches Angebot bereitzustellen, das Freude macht. Zu anderen Veranstaltungen der offenen Altenarbeit (z. B. Altennachmittage kirchlicher Träger, Seniorenklubs u. Ä.) kommen die Menschen oft vor allem aus geselligen Gründen und müssen von der Wichtigkeit der Bewegungsangebote erst überzeugt werden (und davon, dass sie auch Spaß machen!). In den Heimen sieht die Situation sogar noch anders aus. Hier müssen meist die Betreuerinnen die Initiative ergreifen, um die alten Menschen auf die Möglichkeiten, die Notwendigkeit und den Nutzen körperlicher Betätigung gerade im Alter hinzuweisen und sie zu einer regelmäßigen Teilnahme zu bewegen.

Spätestens die verschärfte Diskussion um die Pflegeversicherung macht deutlich, dass es in der Altenhilfe nicht allein um pflegerische Leistungen und die körperliche Betreuung der Bewohnerinnen gehen kann, sondern die psychosoziale Betreuung und Begleitung der Hochbetagten ebenso von Bedeutung ist. Das Schlagwort Lebensqualität beinhaltet auch, dass der Alltag im Leben der Bewohnerinnen wieder mehr Akzente bekommen muss, die nicht nur im Warten auf die Mahlzeiten, Arztoder Friseurbesuchen bestehen. Das allseits geläufige Wort von der Aktivierung sollte sich auf mehrere Bereiche erstrecken. Bewegung ist als Ziel und Methode für den Personenkreis der alten Menschen beliebter Inhalt. Der Begriff Bewegung suggeriert einen hohen Anteil an Aktivierungspotenzial, sodass Bewegung als Gegenbild von Apathie sehr positiv besetzt ist. Aktivitäten sollen ältere und alte Menschen auch aus einer dem Alter scheinbar eigenen Passivität herausführen. Wer aktiv bleibt, kann besser für sich selbst sorgen und sein Leben sinnvoller gestalten. Nichtsdestotrotz muss ein selbst bestimmter Rückzug aus dem sozialen Leben im Alter respektiert werden.

Bei der Sichtung von Fachliteratur lässt sich allerdings immer wieder feststellen, dass im Bereich Aktivierung mit sehr alten Menschen oder Hochbetagten nur sehr wenig Literatur vorhanden ist. Die theoretische Beschäftigung mit diesem Lebensabschnitt beschränkt sich häufig noch auf geriatrisches Fachwissen und die Sichtung von Krankheitsbildern u. Ä. So wichtig entsprechende Kenntnisse auch sind, die psychosoziale Situation Hochbetagter wird noch recht wenig beleuchtet und Vorschläge für eine Aktivierung sind nicht sehr zahlreich. Während es für die so genannten jungen Alten mittlerweile eine Vielzahl von Veröffentlichungen gibt und im Bereich des Seniorensports eine Fülle von Anregungen vorliegen, ist in diesem Bereich noch wesentlich weniger zu finden.

Das Arbeiten in Gruppen mit Hochbetagten erfordert oft enormes Umdenken und Ausprobieren von dem, was möglich ist. So sind denn auch viele Erwartungen viel zu hoch gesteckt, viele Anforderungen viel zu hoch, als dass sie die Teilnehmerinnen wirklich erreichen könnten. Der uralte pädagogische Leitsatz: „Die Teilnehmerinnen da abholen, wo sie stehen“, hat hier ein ganz eigenes Gewicht.

Oft wären Altenpflegerinnen wesentlich besser auf die Menschen vorbereitet, die sie hier antreffen, auch wenn sie nicht über das Fachwissen verfügen. Gerade Gymnastik- und Sportlehrerinnen, aber auch Übungsleiterinnen in einem Verein o. Ä. können sich oft nur schwer vorstellen, mit welchen Menschen sie in Berührung kommen.

Und da ist es immer wieder erfreulich und erstaunlich zu sehen, wie viel – hat man sich auf die andere Art des Lehrens und die andere Art der Lerngruppe eingelassen – dennoch möglich ist, wie viel Freude man wecken kann und mit welcher Herzlichkeit die Teilnehmerinnen reagieren.

Die Praxisangebote im vorliegenden Buch orientieren sich an sehr alten Menschen, die meisten von ihnen leiden an mehr oder weniger ausgeprägten Bewegungseinschränkungen. In die Gruppen können aber auch gehfähige Seniorinnen einbezogen werden und solche, die ganz oder zeitweise auf den Rollstuhl angewiesen sind. Neben Einschränkungen in der Bewegungsfähigkeit ist bei vielen alten Menschen auch eine verminderte Orientierungsfähigkeit zu berücksichtigen. Die hier gezeigten Vorschläge entsprechen dieser Zielgruppe und sind dementsprechend einfach und klar gehalten.

In Gruppen mit mobileren alten Menschen sind die Angebote durchaus anwendbar, allerdings notwendigerweise mit Veränderungen hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades. Oft lassen sich die Übungen schon durch leichte Variationen so gestalten, dass sie auch leistungsfähigere alte Menschen ansprechen und fordern.

A VORÜBERLEGUNGEN

2Die Gestaltung der Praxis

2.1Allgemeine Vorüberlegungen

Der veränderte körperlich-organische Leistungs- und Funktionszustand und das veränderte Bewegungs- und Leistungsvermögen alter Menschen schließt Bewegungsformen wie Laufen, Hüpfen und Springen, Kraft- und Schnellkraftübungen grundsätzlich aus.

Die Schulung des Bewegungsgefühls, des Gefühls für den eigenen Körper, die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Körpers und die Stabilisierung der Psyche sind vordringliche Aufgaben. Die richtige Einschätzung der eigenen körperlichen Fähigkeiten und das Erkennen der Grenzen der Beweglichkeit sind die Voraussetzungen, Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung zu lernen und kompensierende Verhaltensweisen anzunehmen.

Von der körperlichen Verfassung der Übenden hängt es ab, ob immer oder zeitweilig im Sitzen auf dem Stuhl geübt wird. Das ausschließliche Üben auf dem Stuhl bedeutet zwar eine Einschränkung der Übungsauswahl, aber der Schwerpunkt des vorliegenden Buches liegt darin, vielfältige Möglichkeiten aufzuzeigen, wie auch im Sitzen die Bewegungsangebote abwechslungsreich und freudvoll gestaltet werden können. Auch lassen sich die meisten der vorgestellten Ideen leicht für bewegliche Gruppen anpassen, sodass auch leistungsfähigere Senioren ganzheitlich gefördert werden können.

Im Unterschied zu einer krankengymnastischen Behandlung ist hier eine gezielte Behandlung von Krankheiten des Bewegungsapparats nicht möglich. Zwar werden auch hier (noch) vorhandene Funktionen erhalten und möglichst verbessert, aber in der Krankengymnastik werden auf Verordnung eines Arztes gesundheitliche Schäden durch medizinisch ausgebildete Therapeutinnen behandelt.

Die Teilnehmerinnen müssen selbst entscheiden, wann es ihnen zu viel wird, wann sie eine Pause einlegen. Die Leiterin bietet an und macht Vorschläge – die Teilnehmerinnen entscheiden, was und wie viel sie mitmachen (wobei die Leiterin immer wieder auf diese Eigenverantwortung hinweisen sollte, damit die Teilnehmerinnen sich nicht von der Gruppe anstecken lassen und zu viel machen).

3Organisatorische Bedingungen

3.1Gruppengröße

Die Gruppengröße wird mit von der Zielrichtung der Aktivität bestimmt. Wenn es um individuelle Förderung und ein Eingehen auf persönliche Vorlieben und Abneigungen geht, ist es notwendig, dass die Gruppen nicht zu groß sind. Hierbei ist eine Teilnehmerinnenzahl von 6-10 Teilnehmerinnen zu empfehlen. Größere Gruppen machen es schwieriger, alle Teilnehmerinnen zu beobachten und immer wieder einzubeziehen. Auch können die Teilnehmerinnen untereinander leichter ins Gespräch kommen und sich aktiv beteiligen.

Wenn es mehr darum geht, eine nette Abwechslung von der Eintönigkeit des Tagesablaufs zu gestalten, sind auch größere Gruppen (bis 20 Teilnehmerinnen) möglich. Als Leiterin müssen Sie dann davon ausgehen (ohne das Gefühl persönlicher Kränkung), dass manche Teilnehmerinnen sich zeitweilig (oder fast ganz) aus dem Geschehen zurückziehen und unbeteiligt wirkend auf ihren Stühlen sitzen. Aber trotzdem hat ihre Anwesenheit (sofern sie mehr oder weniger freiwillig ist) für sie selbst etwas Gutes.

3.2Gruppenzusammensetzung

Auch hier gibt es wieder verschiedene Möglichkeiten.

Die Teilnehmerinnen setzen sich aus den Besucherinnen (z. B.) eines Altenklubs, einer Altentagesstätte usw. zusammen. Keine, die Interesse hat, mitzumachen, sollte ausgeschlossen werden. Demnach werden die Gruppen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung sehr heterogen sein. Menschen mit unterschiedlicher sozialer Herkunft, unterschiedlichem Bildungsniveau und unterschiedlicher körperlicher und geistiger Verfassung kommen hier zusammen. Es ist die Aufgabe der Leiterin, ein breites Angebot auszuwählen, das möglichst vielen Freude macht.

In Institutionen der Altenhilfe, in denen die Leiterin nur als Honorarkraft und nur für einzelne Stunden angestellt ist, wird es lange dauern, bis sie alle Besucherinnen und Bewohnerinnen kennt. Hier ist sie im besonderen Maße auf die Mitarbeit des Pflegeteams angewiesen, das meist schon eine gewisse Voreinteilung vorgenommen hat, indem es verschiedene Bewohnerinnen in die Gruppen bringt oder nicht. Hier empfiehlt es sich, mit dem beteiligten Pflegeteam in einem Gespräch zu klären, welche Ziele mit der Gruppenaktivierung angestrebt werden und mit ihm gemeinsam die Auswahlkriterien festzulegen. Je nach Kapazität können auch verschiedene Gruppen angeboten werden, die entweder mehr auf die Besucherinnen und Bewohnerinnen abzielen, die fit sind oder mehr die Dementen berücksichtigen.

In Alten- und Pflegeheimen, in denen die Leiterin Teil des therapeutischen Teams ist, kann sie selbst durch die Auswahl und Einladung der Teilnehmerinnen die Gruppenzusammensetzung lenken. Auch hier bestimmt wieder die inhaltliche Zielrichtung die Zusammensetzung der Gruppen mit. Mit weit gehend homogenen Gruppen lässt sich effektiver arbeiten. Die Auswahl der Übungen, die Gestaltung der Gesprächsanteile oder die Bestimmung des Tempos ist abhängig davon, wie die Teilnehmerinnen sind. Je kleiner und homogener eine Gruppe ist, desto eher entsteht so etwas wie ein Gruppengeschehen – die leistungsfähigeren Teilnehmerinnen sind nicht gelangweilt und unterfordert, die leistungsschwächeren nicht überfordert. Wenn diese beispielsweise die wiederholte Aufforderung und Ansprache brauchen, um mitzumachen (weil sie sonst z. B. einschlafen), kann dies in kleinen Gruppen ohne störende Unterbrechung geschehen. Wenn dagegen der soziale Aspekt im Vordergrund steht und es darum geht, dass die Bewohnerinnen untereinander in Kontakt kommen oder die Teilnehmerinnen aus dem Gefühl der Einsamkeit heraus teilnehmen wollen, können heterogene Gruppen durchaus förderlich sein. Die gegenseitige Rücksichtnahme, gegenseitige Hilfe und Ansprache sind wertvolle (immer wieder zu thematisierende) Aspekte.

3.3Gruppenraum