Alexander Solschenizyn für eine neue Generation - Hanniel Strebel - E-Book

Alexander Solschenizyn für eine neue Generation E-Book

Hanniel Strebel

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Beschreibung

Alexander Solschenizyn (1918-2008), aufgewachsen als Kommunist, mit einzigartigem Flair für Literatur, ausgebildet in Mathematik und Physik, Frontkämpfer im Zweiten Weltkrieg, jahrelange Gefangenschaft im Archipel Gulag; Bekehrung zum christlichen Glauben während der Gefangenschaft, jahrelanges Schreiben im Untergrund; 1974 aus der Sowjetunion ausgewiesen, zwei Jahrzehnte im Westen, nachher Rückkehr in seine Heimat Russland. Das sind die Schlagzeilen zu seiner Lebensgeschichte. Manche betrachten ihn als Nachfolger der berühmten russischen Schriftsteller Leo Tolstoi und Fjodor Dostojewski. Solschenizyn schrieb wuchtige, mit autobiografischen Elementen durchsetzte Romane. Er hielt Reden wie z. B. eine an der Harvard University, die ohne Zögern in die Jahrhundert-Reden aufgenommen werden dürfen. Er kritisierte gleichzeitig schonungslos den Kommunismus und den Konsumismus des Westens. Er ist nicht nur wichtiger Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts, sondern gleichzeitig Vordenker und Prophet, dem wir in unserer Zeit Gehör schenken sollten. In 10.000 Worten erhältst du in diesem Buch eine Einführung in die Lebensgeschichte und das Werk sowie einige Impulse für das Leben im 21. Jahrhundert.

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Alexander Solschenizyn für eine neue Generation

Einführung in Leben und WerkChristliche Denker, Band 3

Hanniel Strebel

Impressum

© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Hanniel Strebel, www.hanniel.ch

Cover: Peter Voth, Kreuzau, www.dribbble.com/petervoth

ISBN: 978-3-95893-098-8

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

 

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Für Andreas. Einen solchen Vorgesetzten gibt es nur einmal.

Inhalt

Vorwort

Die Einstimmung: Gut und Böse verläuft quer durch jedes Menschenherz

Solschenizyns Leben

Solschenizyns Werk

Von Solschenizyn lernen

Solschenizyn lesen

Anmerkungen

Vorwort

„Man kann alle Katastrophen überleben, nicht aber geistige“

Der russische Dramatiker und mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten Schriftsteller Alexander Solschenizyn (1918 – 2008) hatte ein bewegtes Leben. Solschenizyn, war zuerst entschlossener Atheist und Anhänger des Kommunismus. Innerlich stark bewegt durch ein Gespräch mit ein vom Judentum zum Christentum konvertierten Arzt, Boris Kornfeld, und konfrontiert mit Leid in der Gulag, wandelt sich sein Denken und er wird Theist. Später bekennt er sich zum orthodoxen Christentum und wird zu einem der härtesten und konsequentesten Gegner des Stalinismus. Der im Dezember 1973 veröffentlichte Archipel Gulag gilt als sein Hauptwerk und als eines der einflussreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts. Doch nicht nur der Kommunismus, sondern auch die im Westen aufkommenden Ideologien wie der Individualismus und die 68er Bewegung werden von Solschenizyn abgehandelt. Was können wir heute von Alexander Solschenizyn lernen?

Hanniel Strebel fasst Solschenizyns umfangreiches Leben auf spannende und einprägsame Weise zusammen. Die Lektüre weist auf sorgfältige Recherche hin. Es werden bedeutende Zitate aus Büchern und Reden von Solschenizyn wiedergegen, mit hilfreichen Erklärungen beleuchtet und in den Kontext von Solschenizyns Leben gesetzt. Umfassende Informationen zu diversen Lebensabschnitten und Schwierigkeiten mit denen Solschenizyn konfrontiert wurde, werden ebenfalls verständlich dargelegt.

Besonders hilfreich sind die zum Schluss des Buches zusammengefassten Lebensweisheiten. Seine Einsichten sind untermauert von einer reichhaltigen Lebenserfahrung. Wir tun gut daran, auf sein immenses Wissen, seine tiefgreifende Erkenntnisse und erschöpfende Weisheit zu hören.

Mit dieser gut recherchierten Kurzbiographie gelingt es Hanniel Strebel, Alexander Solschenizyns Leben und Leitsätze einer neuen Generation von Leserinnen und Lesern bekannt zu machen.

Steve Oppliger, Theologe, Gymnasiallehrer und Doktorand der Religionswissenschaften

Die Einstimmung: Gut und Böse verläuft quer durch jedes Menschenherz

„… Ich liege nach der Operation in der chirurgischen Abteilung des Lagerkrankenhauses. Ich kann mich nicht bewegen, heiße und kalte Schauer durchjagen mich, aber die Gedanken gleiten nicht in Fieberphantasien ab, und ich bin dem Arzt Boris Nikolajewitsch Kornfeld dankbar, dass er an meinem Bett sitzt und den ganzen Abend hindurch spricht. Das Licht ist ausgeschaltet, damit es die Augen nicht schmerzt. Nur er und ich sind im Zimmer, sonst niemand. Lange und leidenschaftlich erzählt er mir die Geschichte seiner Bekehrung vom jüdischen Glauben zum Christentum. Es war ein Zellengenosse, ein sanftmütiger Greis von der Art Platon Karatajews, der ihn, einen gebildeten Mann, bekehrte. Die Überzeugtheit des Neubekehrten, die Inbrunst seiner Worte erstaunen mich. Wir kennen uns nicht sehr gut, er ist nicht mein behandelnder Arzt, er hat hier einfach niemanden, dem er sich mitteilen könnte. Er ist ein weicher, umgänglicher Mensch. Es ist schon spät. In der Krankenbaracke schläft alles. Kornfeld beschließt seine Erzählung mit den Worten: »Und überhaupt, wissen Sie, habe ich mich überzeugt, dass keine Strafe in diesem irdischen Leben unverdient kommt. Es ist durchaus möglich, dass sie nicht für das kommt, was unsere offensichtliche Schuld ist. Aber wenn wir unser Leben durchforschen und uns tief hineinversenken, so werden wir immer jenes Verbrechen finden, für das wir jetzt büßen.« Ich sehe sein Gesicht nicht. Durch das Fenster dringt nur spärlich der Widerschein der Zone, und die Tür zum Gang ist nicht mehr als ein gelber Lichtfleck. Doch in seiner Stimme klingt ein solch mystisches Wissen, dass ich erschauere.

Das sind die letzten Worte Boris Kornfelds. Er geht lautlos durch den nächtlichen Korridor in eines der angrenzenden Zimmer und legt sich schlafen. Alle schlafen, ihm bleibt nichts mehr zu sagen. Ich schlafe auch ein. Am Morgen werde ich durch Laufen und schwere Tritte auf dem Gang geweckt: Es sind die Sanitäter, die Kornfeld zum Operationstisch tragen. Mit einem Verputzhammer wurden dem Schlafenden acht Schläge gegen den Schädel versetzt (es ist bei uns üblich, Morde gleich nach dem Wecken zu erledigen, wenn die Baracken aufgesperrt sind, aber noch niemand aufgestanden, noch niemand unterwegs ist). Er stirbt auf dem Operationstisch, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. So geschah es, dass die ahnungsschweren Worte Kornfelds seine letzten auf Erden waren und, an mich gerichtet, mir zum Vermächtnis wurden. Ein solches Vermächtnis schüttelt man nicht mit einem Schulterzucken ab. Aber ich war zu dieser Zeit bereits selbst zu einer ähnlichen Erkenntnis gereift. Ich wäre geneigt, seinen Worten die Bedeutung eines allgemeingültigen Lebensgesetzes zuzumessen. Dabei geriete man jedoch in die Irre. Menschen, die noch härter bestraft wurden als durch Gefängnis, die erschossen oder verbrannt wurden, müssten folglich Erzbösewichte gewesen sein. (Aber gerade die Unschuldigen werden mit besonderem Eifer zum Tode befördert.) Und was soll man dann von unseren offiziellen Peinigern sagen? Warum bestraft sie das Schicksal nicht? Warum ergeht es ihnen wohl? (Die Frage ließe sich nur damit beantworten, dass der Sinn des irdischen Daseins nicht im Wohlergehen liegt, wie wir gewohnt sind zu glauben, sondern in der Entfaltung der Seele. So betrachtet, sind unsere Peiniger am furchtbarsten bestraft: Sie vertieren, sinken aus der Menschheit ab. So betrachtet, trifft die Strafe jene, deren Entwicklung hoffen lässt.) Doch einen berechtigten Gedanken enthalten die letzten Worte Kornfelds, den ich für meine Person durchaus akzeptiere. Und viele andere werden ihn für sich akzeptieren.

Im siebenten Jahr meiner Haft hatte ich mein Leben so ziemlich durchforscht und bereits begriffen, wofür mir das alles bestimmt war, das Gefängnis und die bösartige Geschwulst als Draufgabe. Ich würde nicht murren, wäre nicht auch diese Strafe als zu gering befunden worden. Strafe? Aber von wem auferlegt? Also, lassen Sie sich etwas einfallen – von wem auferlegt? … In jenem Krankenzimmer, aus dem Kornfeld in den Tod gegangen war, lag ich viele Wochen, immer allein. In schlaflosen Nächten ließ ich mein Leben an mir vorüberziehen und staunte über seine Wendungen. Um meine Gedanken festzuhalten, griff ich zu einem Lagertrick und fasste sie in Verse. Dieser Augenblick ist wohl jetzt am ehesten dazu geeignet, sie wiederzugeben, so wie sie auf dem Krankenlager entstanden, als draußen nach der Revolte das Katorga-Lager bebte.“

Wann nur habe ich Deine gute SaatSo restlos in alle Winde zerstreut?

Hatte doch auch ich meine KnabenzeitIm Lichtgesang Deiner Tempel verbracht.

Dann blitzte die Bücherweisheit aufUnd durchdrang mein eitles Hirn,Der Welt Geheimnis schien mir fassbar,Das Schicksal schien formbar wie Wachs.

Es schäumte das Blut – die Welt Rings um mich schillerte buntUnd lautlos, ohne Bersten, zerfiel Das Gebäude meines Glaubens.

Nach Jahren zwischen Sein und Nichtsein,Zwischen Sturz und rettendem Halt,Blicke ich jetzt in dankbarem SchauderAuf mein vergangenes Leben zurück.

Nicht mein Wille, nicht mein Geist haben seine Pfade erhellt –

Des höchsten Sinnes mildes Licht,Das sich erst später mir geoffenbart.

Und nun, da ich lebendiges Geschöpf mit neugewonnenem Maß,