Alexei Nawalny - Schweigt nicht! -  - E-Book

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Beschreibung

Alexei Nawalny ist unerschütterlich in seinem Einsatz für die Menschenrechte: Dieses Buch enthält erstmals vier der wichtigsten Reden vom inhaftierten Kremlkritiker und größten Putin-Gegner, ausführlich kommentiert und erläutert. Der russische Dissident Alexei Nawalny ist die herausragende Stimme im Kampf gegen Korruption, staatliche Willkür und Menschenrechtsverletzungen. Seine Reden vor der Verurteilung zu mehrjähriger Lagerhaft legen Zeugnis ab von seinem unerschütterlichen Glauben an eine freie und gerechtere Welt. Die Reden aus dem Frühjahr 2021 zeigen eindrücklich, wie staatliche Repression in Russland funktioniert und demaskieren das System Putin – ein Dokument der Zeitgeschichte: - »Habt keine Angst – geht auf die Straße!« (18. Januar 2021) - »Wladimir der Unterhosenvergifter: So geht er in die Geschichte ein« (2. Februar 2021) - »Russland wird glücklich sein!« (20. Februar 2021) - »Ihr benutzt die Vergangenheit, weil ihr nicht über die Gegenwart reden wollt« (20. Februar 2021)  »Wer Wahrheit und Gerechtigkeit hinter sich hat, wird siegen.« Alexei Nawalny Mit einem Vorwort von Gerhart Baum. Niemand steht so sehr für ein anderes Russland wie Kreml-Kritiker und Anti-Korruptionsaktivist Alexei Nawalny. Spätestens seit dem überstandenen Giftanschlag von 2020 ist deutlich, wie groß wohl auch Präsident Putin die Gefahr einschätzt, die von seinem Hauptgegner Nawalny und dessen Unterstützer*innen ausgeht. Und dennoch: Nawalny kehrt im Januar 2021 in seine Heimat zurück, wird noch am Flughafen verhaftet und nach kurzem Prozess in einem Straflager interniert. In den hier auf Deutsch und Russisch veröffentlichten und ausführlich kommentierten vier Reden vor seiner Internierung legt er voller Mut, Besonnenheit und Entschlossenheit dar, warum er trotz Todesgefahr unermüdlich gegen Korruption und Machtmissbrauch kämpft. Denn bei aller Stärke Putins, bei aller Gewalt des russischen Geheimdienstapparates – Nawalny ist überzeugt, dass Russland nicht nur frei sein wird: Russland wird glücklich sein. »Man lese in diesem kleinen Buch die jüngsten Reden von Alexei Nawalny vor Gericht. Es sind Plädoyers für die Freiheit. Plädoyers dafür, nicht zu schweigen, wenn so eklatantes Unrecht geschieht. Die Gerichtsreden Nawalnys sind eindrucksvolle Freiheitsdokumente – auch für nachgeborene Generationen.« Aus dem Vorwort von Gerhart Baum Alexei Nawalny (Jg. 1976) ist ein russischer Politiker, Journalist und Anti-Korruptionsaktivist und die einflussreichste Figur der russischen Opposition gegen den Präsident Wladimir Putin. Obwohl er 2020 nur knapp einen Giftanschlag in Russland überlebte und in Berlin behandelt wurde, kehrte er im Januar 2021 in seine Heimat zurück und wurde noch am Flughafen Moskau verhaftet. Nach kurzem Prozess ist er seit Anfang Februar 2021 in einem Straflager unweit der Hauptstadt inhaftiert. Gerhart Baum (Jg. 1932) ist Politiker und Rechtsanwalt und engagiert sich seit Jahrzehnten für die Sicherung, Wahrung und Stärkung der Menschen- und Freiheitsrechte. Von 1972 bis 1994 saß er für die FDP im Deutschen Bundestag, von 1978 bis 1982 war er Bundesinnenminister. Für sein gesellschaftliches und politisches Engagement wurde er u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

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Alexei Nawalny

SCHWEIGT NICHT!

Reden vor Gericht

Transkribiert, aus dem Russischen übersetzt und kommentiert von Dr. Alexandra Berlina

Mit einem Vorwort von Gerhart Baum

Knaur e-books

Über dieses Buch

Alexei Nawalny ist die unbeugsame Stimme der Opposition gegen den russischen Machtapparat unter Wladimir Putin. 2020 überlebte er nur knapp einen Giftanschlag durch den russischen Geheimdienst und wurde in Deutschland behandelt. Obwohl ihm in seiner Heimat die Verhaftung drohte, kehrte er im Januar 2021 nach Moskau zurück, wurde noch am Flughafen festgenommen und im Anschluss vor Gericht gestellt. Dieses Buch versammelt jene vier Reden, die er vor seiner Verurteilung zu mehreren Jahren Straflager hielt. Sie sind ein flammender Appell für Gerechtigkeit, Menschenwürde und ein anderes, freies und glückliches Russland.

Inhaltsübersicht

Vorwort von Gerhart Baum»Habt keine Angst – geht auf die Straße!«»Wladimir der Unterhosenvergifter: So geht er in die Geschichte ein«»Russland wird glücklich sein!«»Ihr benutzt die Vergangenheit, weil ihr nicht über die Gegenwart reden wollt«NachbemerkungПредисловие Герхарта Баума«Не бойтесь — выходите на УЛИЦЫ!»«Владимир Отравитель Трусов. Именно так он войдет в историю»«Россия будет СЧАСТЛИВОЙ!»«Вы используете прошлое, потому что вам не хочется говорить про настоящее»Quellen (Auswahl)
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Vorwort von Gerhart Baum

Lange ist es her. Perestroika und Glasnost prägten Russland um 1990. Das Land konnte wieder frei atmen, die Sowjetdiktatur verschwand. Ich war oft im Lande, 1966 zum ersten Mal. Und dann in den 90er Jahren. Freiheit war wieder möglich, keine Bespitzelung, keine Zensur, freies Unternehmertum, Freiheit der Religion, Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit. Das Land fand zu sich selbst. Es blühte auf – demokratisch, kulturell, zunächst auch ökonomisch. Dann ging es allerdings unter Jelzin mit der Wirtschaft steil bergab.

Weltpolitisch überraschte Gorbatschow Reagan, den amerikanischen Präsidenten, mit weitreichenden atomaren Abrüstungsvorschlägen. Russland zog sich aus Afghanistan zurück. Es respektierte die internationale Ordnung des Systems der Vereinten Nationen. Die Sowjetunion, die vorher oft wegen Menschenrechtsverletzungen von den Vereinten Nationen kritisiert worden war, kritisierte nun gemeinsam mit uns die Menschenrechtsverletzungen anderer Staaten. In dieser Phase russischer Politik gelang die Befreiung der DDR und der osteuropäischen Staaten. 2001 redete Putin im Deutschen Bundestag, und der spendete ihm stehend Beifall. In der Charta von Paris verpflichteten sich 1990 alle Staaten der historischen Helsinki-Konferenz, also alle Staaten von Vancouver über Europa bis Wladiwostok, Frieden und Freiheitsrechte zu wahren und die Unverletzlichkeit der Grenzen zu respektieren.

Warum beschreibe ich das? Ich möchte widerlegen, dass Russland nicht zur Freiheit fähig ist. Die Menschen haben ihre Kultur, ihre Geschichte, ihren Nationalcharakter. Aber sie unterscheiden sich nicht von denen überall auf der Welt, die, wie Hannah Arendt sagt, »frei geboren sind, um frei zu sein«. Ich sage das auch als Sohn einer russischen Mutter, die mit ihrer Familie 1917 vor der Oktoberrevolution aus Moskau geflohen ist. Und diese freiheitsliebenden Menschen haben wir jetzt auch erlebt, bei den eindrucksvollen Demonstrationen, zu denen Nawalny aufgerufen hatte. Was für ein Mut gehörte dazu, frühmorgens zu einer Demonstration zu gehen – nicht wissend, ob man abends in einem Gefängnis gefoltert wird. Wie stark muss der Freiheitswille sein, der Kampf gegen Ungerechtigkeit, gegen Armut, Unterdrückung, die Missachtung des Bürgerwillens in freien Wahlen, gegen die unverschämte Anmaßung einer kleinen Clique, die das Land ausplündert und die Staatsorgane für ihre eigenen Zwecke instrumentalisiert – und dabei dreist behauptet, sie vertrete Russland.

Man lese in diesem kleinen Buch die jüngsten Reden von Alexei Nawalny vor Gericht. Es sind Plädoyers für die Freiheit. Plädoyers dafür, nicht zu schweigen, wenn so eklatantes Unrecht geschieht. Die Gerichtsreden Nawalnys sind eindrucksvolle Freiheitsdokumente – auch für nachgeborene Generationen, so wie die Reden Sacharows aus der Verbannung.

Wie konnte es dazu kommen, dass Putin-Russland immer autoritärer wurde nach innen und immer aggressiver nach außen? Wir im Westen, die wir angeblich nicht genug auf Moskaus Interessen eingegangen sind, wir sind wahrlich nicht der Grund. Auch wenn Putin sich zeitweise innenpolitisches Ansehen verschafft hat durch die völkerrechtliche Annexion der Krim: Das Regime steht auf tönernen Füßen. Es fürchtet das Volk. Die Regierenden sind nicht am Gemeinwohl orientiert, sondern bereichern sich. Das Land wird nicht entwickelt. Die Investitionen sind gering. Die Rüstungsausgaben und die Politik weltweiter Einmischung verschlingen Unsummen. Nawalny hat vor Gericht dargelegt, wie jämmerlich niedrig die Renten der Kriegsveteranen sind. Die junge Generation hat das Internet entdeckt, dadurch sind, trotz aller Abschottungsanstrengungen des Regimes, die Auswüchse der Korruption überall im Lande bekannt. Über 115 Millionen Mal ist der Film über Putins Palast am Schwarzen Meer bei Youtube aufgerufen worden. Nawalny hat den Mut, das alles offen anzusprechen und auch die dafür Verantwortlichen beim Namen zu nennen. Er fordert Putin persönlich heraus. Das Regime reagiert mit drakonischen Mitteln, um ihn, seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter sowie seine Organisation zu vernichten. Aber sie werden das Feuer nicht zum Erlöschen bringen. Der neueste Schlag im Juni 2021 richtet sich gegen die Organisationen Nawalnys, sie werden als extremistisch eingestuft, und damit wird jede Unterstützung für sie zu einem Terrorakt – mit hohen Strafandrohungen. Das Regime unternimmt alles, um jede Opposition im Keim zu ersticken.

Noch vor einem Jahr war es möglich, dass ich mit der »Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit« der deutschen Liberalen das Land bereiste und auf der Grundlage meines ins Russische übersetzten Buches Rettet die Grundrechte mit Vertretern der Putin-kritischen Zivilgesellschaft diskutierte, unter anderem auch mit Nawalny – allerdings wurde ich schon mit dem Makel eines »ausländischen Agenten« versehen.

Und dann hat dieser Nawalny auch noch den Mut gehabt, nach dem Mordanschlag ins Land zurückzukehren, in ein Land, das den Menschen normalerweise nur die Alternative lässt, sich unterzuordnen oder zu emigrieren. Beides tut er nicht, wie es auch die charismatische Ikone der belarussischen Freiheitsbewegung, Maria Kalesnikawa, nicht getan hat. Sie zerriss ihren Pass, um ihre Abschiebung aus Belarus zu verhindern. Nun ist sie seit September 2020 in Haft.

Mit diesem Opfermut gewinnen beide zusätzliche Glaubwürdigkeit. Nawalny ist ein Symbol für den Freiheitswillen der Russen. Aber er und Maria Kalesnikawa sind mehr. Sie sind Menschenrechtsverteidiger – in einer Reihe mit vielen mutigen Menschen überall auf der Welt, die das persönliche Risiko, ihre Freiheit und gar ihr Leben zu verlieren, auf sich nehmen, wenn sie sich gegen die Verletzung der Menschenrechte wehren. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat zu ihrem 50. Jubiläum 1998 feierlich eine »Deklaration zum Schutze der Menschenrechtsverteidiger« einstimmig verabschiedet. Diese wird von den Menschenrechtsverächtern mit Füßen getreten.

Was können wir tun, was müssen wir tun? Das Schlimmste auch im Fall Nawalny ist das Vergessen, dass also die freie Welt sein Schicksal nicht mehr wahrnimmt. Das darf nicht passieren. Wir müssen mahnen und fordern. Die Forderung nach seiner bedingungslosen Freilassung muss aufrechterhalten und immer wieder laut artikuliert werden – bei jeder Gelegenheit, in jedem Gespräch mit Putin. Der Druck darf nicht weichen. Auch nicht der Druck auf Russland wegen seines völkerrechtswidrigen Verhaltens in der Welt – mit eklatanten Verstößen gegen das internationale Recht, wie zuletzt bei der Flugzeugentführung in Belarus mit Billigung des Kremls, um einen oppositionellen Journalisten festnehmen zu können, der sogleich gefoltert wurde.

Wir sollten alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, Verantwortliche strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen. Das Völkerstrafrecht gibt uns und anderen Staaten das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen Befehlsempfänger, also Richter, Staatsanwälte, Gefängnis- und Polizeipersonal, in Rechtsstaaten vor Gericht zu bringen. Davon sollte mehr Gebrauch gemacht werden. Wo es sinnvoll erscheint, auch von nationaler Strafverfolgung jenseits des Völkerstrafrechts. Internationale Haftbefehle gegen Befehlsempfänger sind opportun, wo Diktatoren die Begehung schwerer und schwerster Straftaten befehlen – wie im Fall der Flugzeugentführung in Belarus.

Diplomatische und politische Beziehungen sind unverzichtbar, aber nur, wenn die Situation offen zum Thema gemacht wird, wie Biden das tut. Die Verbesserung der Beziehungen bleibt ein Ziel. Sogenannte Russland-Versteher verharmlosen das Putin-Regime. Wir sollten das Regime so verstehen, wie Nawalny es versteht. Und nicht schweigen. Das sind wir ihm und den vielen Freiheitswilligen in Russland schuldig.

Köln, Juni 2021

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»Habt keine Angst – geht auf die Straße!«

Verhandlung gegen Alexei Nawalny wegen des Vorwurfs von Verstößen gegen Bewährungsauflagen im Fall Yves Rocher – Verhandlung über die Sicherungshaft, abgehalten in der Polizeiabteilung des Innenministeriums in Chimki, 18. Januar 2021

 

Am 20. August 2020 fühlte sich Alexei Nawalny während eines Fluges von der sibirischen Stadt Tomsk nach Moskau auf einmal unwohl. Als sich sein Zustand dramatisch verschlechterte, wurde das Flugzeug zwecks Notlandung nach Omsk umgeleitet, wo Nawalny in einem Krankenhaus das Bewusstsein verlor. Nach einigem Hin und Her erlaubten die Behörden den Transport des Komapatienten per Spezialflugzeug nach Deutschland (Nawalnys späterer Aussage zufolge hatte die russische Regierung gehofft, dass zu dem Zeitpunkt die Spuren in seinem Körper nicht mehr nachweisbar sein würden). Er wurde in der Charité in Berlin behandelt.

Am 2. September 2020 gab die deutsche Bundesregierung bekannt, es sei toxikologisch eindeutig nachgewiesen worden, dass Nawalny mit Nowitschok vergiftet wurde – einem in der Sowjetunion entwickelten Nervenkampfstoff, der auch schon gegen andere Regimegegner eingesetzt wurde. Dies bestätigte auch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen OPCW mit Sitz in Den Haag. Am 14. Dezember 2020 veröffentlichten The Insider, Bellingcat, CNN und Der Spiegel eine gemeinsame Recherche, die zu dem Ergebnis kam, dass Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB hinter dem Attentat steckten.

Nach einigen Wochen in Berlin verbesserte sich Nawalnys Zustand; er erwachte aus dem Koma, lernte wieder laufen und sprechen und wurde am 22. September 2020 aus dem Krankenhaus entlassen. Noch in Deutschland, während seiner medizinischen Rehabilitation, rief er einen der mutmaßlich in seine Vergiftung verwickelten Agenten an. Nawalny stellte sich als Mitarbeiter eines Mitglieds des russischen Sicherheitsrates und Putin-Vertrauten vor und brachte den Mann am Telefon dazu, die Tat zu bestätigen. Im gleichen Zeitraum produzierten Nawalny und seine Stiftung einen Videobericht über einen Palastkomplex an der russischen Schwarzmeerküste nahe der Stadt Gelendschik: komplett mit Arboretum, Amphitheater, Kunsteisarena, Kapelle, Tankstelle, einer achtzig Meter langen Brücke, diversen unterirdischen Anlagen und jeder Menge Vergoldung. Laut den Recherchen von Nawalny und seinem Team wurde der Palast für Putins persönliche Nutzung gebaut; zu demselben Ergebnis waren zuvor auch schon andere investigative Journalist*innen gekommen. Von offizieller Seite gibt es dazu keinerlei Informationen. Nawalny ließ das entlarvende Video erst zwei Tage nach seiner Rückkehr nach Russland veröffentlichen, um zu zeigen, dass er die Konfrontation mit dem Präsidenten nicht scheute. Das Gespräch mit dem Agenten, der ihn hatte töten wollen, und der Bericht über Putins Palast sind online mit englischen oder deutschen Untertiteln verfügbar.[1] Zwischen Januar und Ende Mai 2021 hatte das erste Video beinahe 117 Millionen Zuschauer*innen, das zweite fast 29 Millionen.

Am 17. Januar 2021 flog Nawalny nach Russland zurück und wurde gleich bei der Passkontrolle festgenommen. Nach Mitternacht fanden seine Mitstreiter*innen heraus, wohin er vom Flughafen aus gebracht worden war: in die Polizeiabteilung des Innenministeriums in Chimki, einer Stadt unmittelbar vor der nordwestlichen Stadtgrenze Moskaus. Seiner Anwältin Olga Michailowa wurde es verwehrt, den in Gewahrsam Genommenen zu sehen.

Am 18. Januar 2021 fiel der Beschluss über die Verhängung einer Sicherungshaft für die Dauer von 30 Tagen – und zwar wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen, die sich auf eine frühere Verurteilung wegen angeblichen Betrugs und Geldwäsche bezogen. Und das, obwohl diese Verurteilung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte längst für willkürlich erklärt worden war. Amnesty International, viele andere Menschenrechtsorganisationen sowie mehrere Staaten forderten vergeblich Nawalnys Freilassung.

In der Pause der Hauptverhandlung hat Alexei Nawalny folgende Rede aufgezeichnet. Wie bei allen Reden in diesem Buch handelt es sich auch hier um die übersetzte Transkription eines Videos. Das Video wird auf YouTube von Nawalny selbst schriftlich kommentiert; der vorletzte Satz ist ein nicht gekennzeichnetes Zitat von Edmund Burke:

»Wenn Sie sich dieses Video ansehen, habe ich es tatsächlich geschafft, etwas bei dem erstaunlichsten ›Prozess‹ aufzunehmen, den ich je erlebt habe. Und ich habe eine Menge erlebt. Was ich vor allem sagen will, ist dies: Wenn wir etwas zu befürchten haben, dann sind es zwei Dinge:

1. unsere eigene Angst,

2. die Aussicht, unser ganzes Leben unter der Herrschaft der Diebe und Schurken zu verbringen, die sich unser Land unter den Nagel gerissen haben.