ALIEN: INVASION - Tim Lebbon - E-Book

ALIEN: INVASION E-Book

Tim Lebbon

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Beschreibung

Über Jahrhunderte versuchte die Weyland-Yutani-Cooperation, die Aliens als Waffe zu nutzen. Doch nun scheint ihnen jemand zuvorgekommen zu sein, der den Raum der Yautja durchkämmt und die Jäger zu Gejagten macht. Angesichts der überwältigenden Macht der Rage schmieden die Vertreter der Erde eine unerwartete Allianz mit den Predatoren. Doch selbst die vereinten Kräfte der beiden Rassen könnten am Ende nicht ausreichen, um das Massaker aufhalten, denn ein gnadenloser Schwarm der Xenomorphs überfällt einen Planeten nach dem anderen und dringt unaufhaltsam immer tiefer in die menschliche Heimatwelt vor. "Wer Fan von einem oder beiden Franchises ist, wird seine helle Freude daran haben, Menschen, Predators und Aliens wieder im Kampf um die jeweils eigene Existenz vereint zu erleben." [City of Films] ★★★★★ »Ein rasanter, knallharter Roman, der den Ursprüngen gerecht wird.« - Impedimenta Magazine ★★★★★ »Tim Lebbon hat die Spannung und das Grauen aus den Filmen genau getroffen, mit vielen Begegnungen mit beiden Rassen, bevor es wirklich schlimm wird …« - Geek Dad ★★★★★ »Dies ist das actiongeladene Sci-Fi-Abenteuer, das die Fans verdient haben, auf der großen Leinwand zu sehen. Echte Geheimnisse und Spannung, gepaart mit brutaler Kriegsführung in der schwarzen Leere des Weltraums machen Predator: Armada zu einem großartigen Eröffnungsbombardement im kommenden Krieg.« - Positiv Nerdy ★★★★★ »Dieser Roman besitzt einen großartigen Spannungsaufbau, eine durchweg interessante Besetzung von Charakteren und eine gut geschriebene Geschichte mit überraschender Komplexität.« - Hey Poor Player

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RAGE WAR BUCH 2

ALIEN™

INVASION

TIM LEBBON

ALIEN ™ : INVASION

ISBN (gebundene Ausgabe): 978-3-95835-218-6

eISBN (E-Book-Version): 978-3-95835-219-3

This edition of Alien: Invasion, originally published in 2016, is published by arrangement with Titan Publishing Group Ltd.

This is a work of fiction. Names, characters, places, and incidents either are used fictitiously, and any resemblance to actual persons, living or dead, business establishments, events, or locales is entirely coincidental.

™ & © 2018 Twentieth Century Fox Film Corporation.

All rights reserved.

No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means without the prior written permission of the publisher, nor be otherwise circulated in any form of binding or cover other than that in which it is published and without a similar condition being imposed on the subsequent purchaser.

Überarbeitete Ausgabe

Printed in Germany

Übersetzung: Peter Mehler

Lektorat: Johannes Laumann

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2022) lektoriert.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Lemmy.Born to lose, lived to win.

Inhalt

RAGE WAR – BAND 1 PREDATOR: ARMADA

1 JOHNNY MAINS

2 ROMMEL

3 OPFER

4 ISA PALANT

5 GERARD MARSHALL

6 BEATRIX MALONEY

7 JIANGO TANN

8 LILIYA

9 AKOKO HALLEY

10 JOHNNY MAINS

11 LILIYA

12 BEATRIX MALONEY

13 GERARD MARSHALL

14 JOHNNY MAINS

15 JIANGO TANN

16 ISA PALANT

17 JOHNNY MAINS

18 ISA PALANT

19 LILIYA

20 ISA PALANT

21 JOHNNY MAINS

22 GERARD MARSHALL

23 BEATRIX MALONEY

WAS BISHER GESCHAH …

RAGE WAR – BAND 1

PREDATOR: ARMADA

Als sich die Übergriffe der Yautja auf die Menschliche Sphäre häufen, werden die Colonial Marines in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Man fürchtet, dass eine Invasion unmittelbar bevorsteht.

In der Zwischenzeit flieht die Androidin Liliya vor den sogenannten Rage. Ursprünglich als »Die Gründer« bekannt, verbirgt sich hinter den Rage eine Gruppe von Menschen, die bereits vor Jahrhunderten aus der Menschlichen Sphäre flohen. Nun kehren sie zurück, angeführt von Beatrix Maloney und mit außerirdischer Technologie und Waffen ausgestattet, welche der Ausrüstung der Colonial Marines und dem Forschungsstand von Weyland-Yutani haushoch überlegen sind. Maloneys Ziel ist die Unterwerfung der menschlichen Rasse und die Herrschaft über die Sphäre.

Bei ihrer Flucht kann Liliya sich noch eine Probe der Technologie injizieren, die der Menschheit helfen könnte, sich gegen die Angreifer zu wehren. Maloney sendet daraufhin ihren besten General Alexander aus, um sie zu verfolgen.

Isa Palant ist eine Wissenschaftlerin und von den Yautja fasziniert. Sie kann erste Fortschritte im Verständnis der Sprache der Yautja verzeichnen, wird aber bei einem Terroranschlag auf die Forschungsbasis, auf der sie stationiert ist, beinahe getötet. Dieser gehört zu einer Reihe von Attacken quer durch die Menschliche Sphäre, welche die Rage durchführen, um so ihre Ankunft vorzubereiten.

Johnny Mains ist der Anführer einer Einheit der Excursionists, einem Ableger der Colonial Marines, die zur Beobachtung eines Yautja-Habitats außerhalb der Menschlichen Sphäre ausgesandt wurden. Als jemand – oder etwas – das Habitat angreift, sehen sich Mains und seine Crew gezwungen, auf dem Habitat notzulanden. Was sie dort entdecken, liegt jenseits ihrer Vorstellungskraft.

Die Yautja haben nicht vor, in der Menschlichen Sphäre einzufallen. Stattdessen fliehen sie vor Angriffen der Aliens – Xenomorphs, die jedoch als Waffen ferngesteuert werden.

Sie sind die Armee der Rage.

Am Ende des ersten Bandes gelingt es Isa Palant und Akoko Halley, einer Colonial Marine, die man zu ihrer Rettung aussandte, einen unsicheren Waffenstillstand mit Kalakta, dem Führer der Yautja, auszuhandeln.

Liliya, die an Bord eines Yautja-Schiffes gefangen gehalten und von der Kriegerin Hashori gefoltert wurde, entkommt mit ihrer Peinigerin in letzter Sekunde einem Angriff des Rage-Generals Alexander.

Lieutenant Johnny Mains und Lieder, die letzte Überlebende seiner Crew, sind auf dem Yautja-Habitat UMF 12 an Bord eines unbekannten Raumschiffes gefangen. Sie sind Zeugen der als Waffe umfunktionierten Aliens geworden und haben sie bekämpft. Ein General der Rage, Patton, befindet sich ebenfalls an Bord des Schiffes, wenn auch aufgrund eines früheren Kampfes schwer beschädigt. Mains und Lieder sind auf Hinweise gestoßen, dass sich uralte Kolonieschiffe menschlichen Ursprungs aus den Tiefen des unerforschten Weltraums der Menschlichen Sphäre nähern. Sie vermuten, dass diese als Brutstätten für Zehntausende Xenomorph-Soldaten fungieren.

Die Rage kommen …

1

JOHNNY MAINS

Yautja-Habitat UMF 12, jenseits des Outer Rim,September 2692

General Patton lachte, und Johnny Mains, der Anführer des kärglichen Rests der 5th Excursionists, genannt VoidLarks, wusste, dass er sterben würde.

Aber er weigerte sich, kampflos aufzugeben.

Die kratzenden, schabenden Geräusche der sich nähernden Xenomorphs wurden lauter. Sie näherten sich der Brücke dieses seltsamen Schiffes, vielleicht, weil sie der Androide, der sie befehligte, gerufen hatte. Vielleicht griffen sie aber auch aus eigenem Antrieb an. Doch warum auch immer, es würde ihr Ende bedeuten. Mains und Lieder, die letzten verbliebenen Excursionists, verfügten kaum noch über Munition. Die Energie ihrer Kampfanzüge war verbraucht. Sie hatten sich wacker geschlagen und auf ihrem Weg viele gute Freunde und Kameraden verloren, und dies würde nun ihr letztes Gefecht sein.

»Wir bleiben zusammen«, sagte Mains. »Konzentriertes Feuer. Versuche, sie an den Türen aufzuhalten – wenn sie erst einmal die Brücke erreicht haben, werden sie sich aufteilen und uns überwältigen. Munition?«

»Die Com-Rifle hat noch ein paar Nano-Schüsse, wenig Laser-Energie und eine Plasma-Ladung. Dann hab ich noch die Pistole. Und du?«

»Schrotflinte. Und ein paar Granaten.«

»Dann können wir auch gleich versuchen, sie anzuspucken.«

»Ein paar werden wir erwischen. Die letzte Granate spare ich für uns auf.«

Sie warf ihm einen starren Blick zu, als er zu ihr zurückwich, aber widersprach ihm nicht. Darüber war er froh. Sie hatten zu viele Menschen bei einem Angriff der Xenomorphs sterben gesehen, um die Absicht zu haben, auf die gleiche Weise zu enden. Wenn sie gemeinsam eine Granate umklammerten und sich umarmten, würden sie so zumindest sicherstellen, gemeinsam zu sterben.

Der Android Patton gluckste wieder. Ein feuchtes, mechanisches Geräusch, das an Mains' Nerven zerrte.

»Darf ich ihn erschießen?«, fragte Lieder. Aber sie kannte die Antwort. Es wäre reine Munitionsverschwendung gewesen.

Patton hing noch immer an der hinteren Wand, aufgespießt vom Speer eines Yautja. Zu seinen Füßen lagen die Leichen eines einzelnen Yautja sowie unzähliger Xenomorphs verteilt, deren glitschige Kadaver bei den Selbstzerstörungsprozessen während ihres Todes auseinandergeplatzt waren. Ihr säurehaltiges Blut war an vielen Stellen gegen Wände und auf den Boden gespritzt, hatte dort ätzende Spuren hinterlassen, und noch immer hing der giftige Geruch in der Luft.

Mains hatte noch nie zuvor gehört, dass die Xenomorphs so etwas tun würden. Selbstmord war eigentlich der große Trick der Yautja, überlegte er. Ein weiteres Mysterium.

»Sie sind nah«, sagte Lieder.

Das hätte man Mains nicht sagen müssen. Die Energiereserven seines Anzugs waren nach allem, was sie durchlitten hatten, beinahe aufgebraucht, und die Systeme spielten verrückt. Aber zumindest übermittelten sie noch die Scans der Bewegungsdetektoren an sein Visier. Die Anzeigen waren zahllos und direkt vor ihnen.

Patton stieß ein seltsames Geräusch hervor. Hinter seiner unmenschlichen Stimme ratterten angestrengte, ächzend elektrische Klicklaute. Mains verspürte den Drang, mit dem Androiden zu kommunizieren, um ein paar Antworten zu erhalten. Es bestand kein Zweifel, dass er die Xenomorphs befehligte – immerhin war sein Name in den Schädel jedes einzelnen Exemplars eingebrannt. Aber wie war das möglich? Was wollte er? Woher kam er? Und warum hatten sie dieses Habitat der Yautja angegriffen?

Mains hasste die Vorstellung, sterben zu müssen, ohne eine Antwort auf diese Fragen finden zu können.

»War mir eine Ehre, Johnny«, sagte Lieder und drückte seine Hand.

»Scheiß auf die Sentimentalitäten, Private«, erwiderte Mains, drückte aber auch die ihre.

»Da kommen sie.«

Der erste Xenomorph huschte durch die Türöffnung und auf die Brücke. Lieder schlitzte ihn vom Hals bis zum Unterbauch mit einem Laserschuss auf und er ging um sich schlagend zu Boden, rutschte gegen die Wand und zerstörte sich selbst in einem Schwall aus verspritzendem ätzenden Blut.

Zwei weitere folgten. Mains feuerte mit seiner antiken Schusswaffe dreimal auf den ersten Angreifer. Dieser stolperte und verschwand hinter einer der Kontrollkonsolen, dann sprang er wieder auf und kam direkt auf Mains zu. Das zersetzende Blut, das aus ihm heraustropfte, hinterließ Spuren am Boden. Doch ein weiterer Schuss streckte ihn schließlich nieder.

Lieder tötete die dritte Kreatur mit einem Nano-Schuss, und die flackernden Lichtblitze der abertausenden kleinen Explosionen hüllten den Eingang zur Brücke ein. Die Ladung erwischte noch zwei weitere Xenomorphs, die sich durch den Korridor näherten, und als der erste explodierte, musste er wohl den zweiten mit in den Tod gerissen haben, dessen Todesschrei durch das Schiff gellte.

Patton begann herumzuzappeln, wand sich, griff nach dem schweren Yautja-Speer, der ihn festhielt, und versuchte, ihn herauszuziehen. Doch es gelang ihm nicht. Funken stoben aus der Eintrittswunde in seiner Brust und kleine Lichtbögen flammten immer wieder zwischen ihm und der Waffe auf. Er krallte nach dem Schaft, dann versuchte er, seine Finger in seine Wunde zu stecken.

»Plasma!«, rief Lieder.

Drei weitere Xenomorphs stürmten durch den Eingang zur Brücke, zwei am Boden und einer an der Decke, wie eine monströse Spinne. Mains Visier verdunkelte sich automatisch, als Lieder ihre letzte verbliebene Plasma-Ladung auf sie abfeuerte. Der Schuss traf das Alien an der Decke und ließ es in einer grellen heißen Eruption zerplatzen, die geschmolzenes Fleisch und Sehnen auf seine Kameraden unter ihm herabregnen ließ. Sie kreischten vor Schmerzen, trippelten weiter auf die Brücke, brachen zusammen und explodierten.

Die Luft war erfüllt von dem Dunstschleier des extrem heißen Gases. Ihre Kampfanzüge filterten das meiste davon heraus, aber trotzdem schien es Mains, als würde sein Visier beschlagen.

Patton heulte auf. Ein grauenhafter, hochfrequenter Laut, der in eine Art Gelächter überging. Er war ein eigenartiger Android, mit ausdruckslosen und nur entfernt menschlich erscheinenden Zügen, bei denen man sich offensichtlich nicht die Mühe gemacht hatte, ihnen eine gewisse Persönlichkeit mit auf den Weg zu geben. Das ließ seine im Gegenzug sehr menschlich wirkenden frustrierten Schmerzenslaute nur noch unheimlicher erscheinen.

Vielleicht hätte ich ihm einen Schuss aus der Schrotflinte in den Kopf verpassen sollen, dachte Mains.

Die Plasma-Entladung hatte den Eingang in weißliches Feuer getaucht und damit für ein paar Sekunden die angreifenden Xenomorphs zurückgedrängt.

»Lange werden sie nicht warten«, sagte Mains.

»Sollen sie auch nicht«, antwortete Lieder. »Ich bin leer geschossen. Was zur Hölle macht er da nur?« Sie deutete mit einem Kopfnicken auf Patton. Der hatte mittlerweile seine beiden Hände in seine Brustwunde gegraben. Seine Finger steckten mehrere Glieder tief in den fleischigen äußeren Lagen seiner Haut und silberne Energiebögen tanzten zwischen seinen Fingerknöcheln umher.

»Spielt keine Rolle«, sagte Mains. »Unsere Yautja-Freunde haben sich schon um ihn gekümmert.«

Die Yautja waren alles andere als ihre Freunde. Seit mehr als einem Jahr hatte Mains' Einheit – die 5th Excursionists, Spitzname VoidLarks – das massive Yautja-Habitat mit der Bezeichnung UMF 12 beschattet und darauf geachtet, dass sie keine Schiffe in die Menschliche Sphäre aussandten. In jüngster Zeit hatte es eine Reihe von Yautja-Angriffen quer durch das Rim gegeben; Attacken, die die obligatorische Jagd und viele Tote zur Folge hatten. Die VoidLarks waren in einer dieser Attacken involviert gewesen, als man sie während einer Nachschublieferung zur Southgate Station 12 rief. Sie hatten zwei ihrer Leute verloren, um die Yautja dort auszuschalten, und das war ihnen zu der Zeit als großer Verlust erschienen.

Als sie zu UMF 12 zurückkehrten, wurden sie sehr schnell in weitere Kämpfe mit Yautja-Schiffen verwickelt, die auf die Menschliche Sphäre zuhielten. Mit schweren Schäden mussten sie ihr Arrow-Schiff Ochse auf dem riesigen Habitat notlanden und überlebten dort einen Monat mit nur gelegentlichen Zwischenfällen. Sie übten sich im Versteckspielen, doch erst die Entdeckung dieses großen, eigenartigen Schiffes führte zu ihrem blutigen Ende. Weder erkennbar menschlichen oder Yautja-Ursprungs war das Schiff zu ihrem Missionsziel und letztlich auch ihrer letzten Ruhestätte geworden.

Nun war ihr Ende nahe. Jetzt, wo nur noch zwei der ursprünglich acht VoidLarks übrig waren, kämpften sie auf verlorenem Posten.

Patton gluckste wieder, so als hätte er bemerkt, dass sie ihn beobachteten. Es war ein unheimliches Geräusch, angefüllt mit Humor, obwohl es aus einem völlig regungslosen Gesicht kam. Seine Augen waren tief eingesunken und dunkel, in ihnen ließ sich nichts erkennen. Sein Blut war mittlerweile viel zu weiß, seine Haut käsig und bleich.

»L-T!«, schrie Lieder.

Mains kauerte sich hin und feuerte auf die Xenomorphs, die sich nun wieder durch das Plasmafeuer und die Überreste ihresgleichen drängten. Erst waren da sechs von ihnen, dann acht. Er entsicherte eine seiner zwei Granaten und warf sie in hohem Bogen in die untere Ebene der Brücke.

Lieder und er gingen in Deckung. Die Explosion zerriss Kontrollpulte und Panzer der Xenomorphs, dann richteten sie sich auf und feuerten wieder. Drei weitere Aliens platzten und zerfielen am Boden.

»Zurück«, rief Mains über die abscheulichen Geräusche hinweg. »Zurück an die hintere Wand.«

»Ich weiche nicht mehr zurück«, antwortete Lieder. Ihre Stimme wurde direkt über das Headset in ihren Kampfanzügen durch die Explosionen, das Kreischen und das allgemeine Chaos hindurch übertragen. Ihre Entschlossenheit und ihr Kampfeswille erfüllten ihn mit Stolz.

»Das ist kein Rückzug«, sagte er, und als sie ihn ansah, zeigte er ihr die letzte Granate. »Wir pressen die hier zwischen uns und die Außenhülle. Mit etwas Glück fegt es den gesamten Inhalt des Schiffes hinaus ins All.«

Das außerirdische Schiff hing an einem der aus der Oberfläche am Ende des Habitats herausragenden Andocktürme. Die Luft auf der Oberfläche war dünn, aber atembar, und das Habitat erzeugte zudem eine leichte künstliche Schwerkraft, die es ihnen ermöglicht hatte, von einem Ort zum anderen zu laufen.

Wenn man jedoch ein Loch in die Hülle des Schiffes schlug, würde es alles hinaus in die Leere fegen. Die Überreste ihrer Leichen, im Tod miteinander verschmolzen, zusammen mit den Leichen der Yautja, den in Fetzen gerissenen Körpern der Xenomorphs und allem, was sich noch an Bord befinden würde.

»Was für eine Art, draufzugehen«, meinte Lieder.

»Hinter dir!«, schrie Mains.

Lieder reagierte sofort und ihre Finger spannten sich um den Abzug, als sie sich duckte und gleichzeitig herumwirbelte. Sie hatte ihren Laser auf breiteste Streuung gestellt und erwischte so zwei Xenomorphs mit einem Schuss. Ein Dritter schoß auf sie zu, holte sie von den Füßen, stürzte sich auf sie und schlug ihr die Waffe aus der Hand, während sein Kopf zu ihr hinabschnellte.

Mains sah zu, wie sie vor Angst die Augen weit aufriss und seinen Blick suchte.

Er trat einen Schritt vor und feuerte seine letzte Schrotpatrone in die Seite des Alienschädels. Ätzendes Blut spritzte auf seine Hände und Unterarme und tropfte auf Lieders Brust. Ihre Anzüge begannen sofort, an den betroffenen Stellen auszuhärten, um die Säure abzuhalten, doch ihre Energiereserven waren so gut wie aufgebraucht, und es dauerte nicht lange, bis er spürte, wie sich die giftige Substanz durch das geschwächte Material fraß.

Mit einem gewissen Gefühl der Traurigkeit warf er die Schrotflinte beiseite. Die antike Waffe, die keineswegs zur Standardausrüstung gehörte, hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet. Nun hatte sie auch Lieder vor dem Tod bewahrt, gerade noch rechtzeitig, damit sie gemeinsam sterben konnten.

Sie rappelte sich auf. Mains schlang seinen Arm um sie, und gemeinsam zogen sie sich über die Brücke zurück. Ein Großteil der Technik hier blieb ein Mysterium, doch ein paar der Elemente ließen ihren Ursprung erkennen. Das Schiff machte den Eindruck, als wäre es ursprünglich von Menschen konstruiert und ausgesandt worden, um das große Yautja-Habitat mit zu Waffen umfunktionierten Xenomorphs anzugreifen, gelenkt von einem wahnsinnig gewordenen Androiden. Erneut bedauerte Mains, dass sie sterben würden, ohne hinter das Geheimnis des Schiffes zu kommen.

Weitere Xenomorphs erschienen und pirschten sich näher heran. Jetzt, wo sie ihre Beute wehrlos vor sich sahen, bewegten sie sich langsamer. Vielleicht konnten sie ja noch immer Pattons Befehle empfangen.

Der Android hing zuckend und sich windend an der Wand und versuchte weiterhin, in das Innere seiner durchbohrten Brust zu gelangen. Er suchte nach etwas. Möglicherweise versuchte er, etwas in sich zu reparieren.

Mains schob die Granate zwischen sich und die Wand und lehnte sich dagegen. Hinter ihm, nur eine Handbreit entfernt, befand sich die unerbittliche Kälte des Weltraums. Bald würde er ihr begegnen.

Lieder trat zu ihm, sah ihn an und presste ihren Körper an seinen. Auf die Art würde noch mehr der Sprengkraft gegen die Hülle gerichtet werden. Und außerdem konnten sie sich so küssen. Durch die durchsichtigen Visiere ihrer Helme würden sie sich nicht berühren, aber das dünne Material war biegsam, und Mains stellte sich vor, ihren Atem riechen und ihre Wärme spüren zu können.

»Private, Sie übertreten hier eine Linie«, murmelte er.

Lieder lächelte.

Sein Daumen strich über den Schalter, mit dem sich die Granate scharfmachen ließ. Noch eine Berührung, dann blieben ihnen nur noch fünf Sekunden.

Er berührte die Schaltfläche.

Sie konnte es ebenfalls spüren.

Fünf …

Aus seiner Funkeinheit drang ein Knistern und Knacken. »Johnny Mains, du alter Bastard, halt dich besser irgendwo fest!«

Vier …

»Was zur Hölle war das?«, flüsterte sie.

Drei …

Mains kam die Stimme bekannt vor.

Die Xenomorphs, die offenbar spürten, dass sich etwas verändert hatte, hielten auf sie zu. Sechs Exemplare, die mit klappernden und kratzenden Gliedmaßen auf die Kontrollkonsolen sprangen.

Zwei …

»Halt dich an mir fest, so sehr du kannst!«, rief Mains. Er warf die Granate durch den Raum und stieß sich seitwärts von der Wand ab. Mit Lieder, die sich an ihn klammerte, hechtete er so unter eines der Steuerpulte.

Eins …

»Wurfhaken und Gurte!« Für einen Sekundenbruchteil fürchtete er, dass sein Kampfanzug nicht mehr über genügend Energie verfügte, um den Befehl auszuführen. Doch dann hörte er das schwache Zischen, als der kleine Wurfhaken aus einer Tasche an seiner Hüfte gefeuert wurde. Er schlug gegen die schwere Wandpaneele hinter ihm, bohrte sich hinein, und kleine Widerhaken schnappten zusätzlich heraus und hielten ihn an Ort und Stelle.

Die Granate explodierte. Ein Xenomorph kreischte. Mains und Lieder hielten sich aneinander fest. Der Knall klingelte ihnen in den Ohren.

»Komm ja nicht auf die Idee, mich loszulassen«, sagte er.

»Johnny, was zur Hölle ist hier denn nur los?«

Der Schatten eines Aliens fiel auf sie herab. Seine Umrisse waren klar und gefährlich auszumachen. Giftiger Speichel troff von seinen Zähnen und mit einem siegesgewissen Zischen streckte es seine Klauen nach ihnen aus.

»Durante ist los«, antwortete er.

Die zweite Explosion war um einiges lauter als die erste. Der Boden bäumte sich unter ihnen auf, ein greller Lichtschein zuckte über die Brücke, dann schien alles um sie herum zu kreischen. Mains zwang sich, die Augen offenzuhalten, denn sein Anzug hatte sein Visier abgedunkelt, um sie vor dem blendenden Gleißen zu schützen. Etwas riss an ihm und Lieder, und er zog sie fester an sich, umklammerte sie, so fest er konnte, wild entschlossen, sie keinesfalls allein sterben zu lassen.

Es wird uns auseinanderreißen, dachte er bei sich. Es wird uns Arme und Beine abreißen, dann in unsere Körper eindringen und …

Aber es war kein Xenomorph, der an ihnen zog.

Die Luft wurde nach draußen gesogen. Etwas hatte irgendwo auf der Brücke ein Loch in die Außenhülle gesprengt, durch das tosend Luft ins All entwich und alles mit sich riss, was nicht befestigt war. Darunter auch die Leichen der Yautja und Aliens sowie die restlichen lebenden Xenomorphs, die trudelnd ins All hinausfegten.

Das Seil, das seinen Anzug mit dem Greifhaken in der Wand verband, war zum Zerreißen gespannt, aber es hielt.

Er hoffte nur, dass es lange genug halten würde.

Als sein Visier wieder aufklarte, veränderte er seine Position und rollte sich auf die Seite, sodass er und Lieder unter dem Kontrollpult die Brücke überblicken konnten. Das Loch in der Hülle war so groß wie eine durchschnittliche Tür, aber es wurde mit jedem schweren Gegenstand, der dagegen prallte, immer größer. Zwei Xenomorphs wirbelten direkt hindurch, doch ein dritter bekam den Rand zu fassen und klammerte sich mit seinen spinnenartigen Klauen verzweifelt in das beschädigte Material. Mehrmals prallten Trümmerteile gegen ihn. Es ließ jedoch nicht los, und schaffte es sogar, ein wenig gegen den Sog anzukämpfen.

Dann schlug eine menschliche Leiche gegen das Alien, und gemeinsam verschwanden sie in der Dunkelheit. Faulkner war Mains bester Freund gewesen. Er war tapfer gestorben und würde nun für immer dort draußen durch die Unendlichkeit treiben.

Der starke Sog der entweichenden Luft ließ nach. Irgendwo auf dem seltsamen Schiff mussten sich Notfallschots geschlossen haben. Der Lärm ebbte ab, und nur ein paar Sekunden umgab sie eine beinahe quälende, bedrohliche Stille.

Lieder erhob sich als Erste und half Mains auf die Beine. Sie hatten ihre Pistolen gezückt, und Mains wusste, dass seine Laser-Pistole nur noch Energie für ein oder zwei Schüsse übrig hatte.

Zumindest aber war der Android tot. Was immer Patton in seinen letzten Minuten versucht hatte, war fehlgeschlagen, als die Explosion ihm einen faustgroßen Metallsplitter ins Gesicht getrieben hatte. Sein Kopf war nur noch ein blutiges Durcheinander aus Fleisch, seinem Titanschädel und zerstörten Innereien. Im Bruchteil einer Sekunde war sein unvorstellbar komplexes Computersystem zerstört worden. Er mochte eine künstliche Lebensform gewesen sein, doch in der Realität war er genauso zerbrechlich wie ein Mensch gewesen.

»Johnny!«, sagte Lieder. Sie klopfte ihm auf die Schulter und griff mit ihrer anderen Hand nach ihrer Pistole. Er drehte sich um und spähte in die Richtung, in die sie sah.

In dem gezackten Loch der Schiffshülle bewegte sich etwas. Und als er sah, was es war, glaubte er für einen Moment, zu träumen. Vielleicht war er ja bereits tot.

»Warte«, sagte er und hielt sie am Arm zurück.

»Heilige Scheiße«, presste Lieder hervor.

Zwei Schemen tauchten in dem Loch auf. Zwischen ihnen hing ein Sicherheitsseil, das in den Weltraum hinausführte. Sie waren schwer bewaffnet.

»Sauerstoffwerte kritisch«, meldete sein Anzug. Ihm blieb nur noch Luft für zehn Minuten.

»In was für eine Scheiße seid ihr denn gelatscht?«, fragte eine Stimme.

»Durante«, sagte Mains. »Eddie … bist du's wirklich?«

Der Mann, der nun die Brücke betrat, war über zwei Meter groß, breitschultrig und kräftig. Sein Kampfanzug spannte bereits an einigen Stellen, obwohl er speziell für ihn angefertigt war.

»Ich wusste schon immer, dass ich dir eines Tages den Arsch retten würde«, antwortete der Hüne. Dann grinste er Lieder an. »Und wen haben wir hier?«

»Du gräbst nicht etwa schon meine Kameradin an, oder?«, fragte Mains.

Durante zuckte mit den Schultern.

Mains musste lachen: »Solche wie dich verspeist sie zum Frühstück.«

Durante sah sich auf der zerstörten Brücke um, als sich ein weiterer Umriss durch das Loch hereinschob.

»Hier war ganz schön was los, was, Johnny?«

»Es waren ein paar harte Wochen.«

»Was du nicht sagst.«

»Was soll das heißen?«, fragte Mains.

Durante sah ihn verwirrt an.

»Wir waren hier abgeschnitten. Keine Kommunikation, weder rein noch raus, außer dem Signal, das wir vor ein paar Minuten absetzten.«

»Dann wisst ihr also nicht, was da draußen los ist?«

»Nein. Wieso?«

»Ich erzähle es euch an Bord der Navarro. Seid ihr die Einzigen, die übrig sind?«

»Leider. Wie habt ihr uns gefunden?«

»Wir haben ein Notsignal von der Ochse aufgeschnappt. Wo ist sie?«

Die Ochse war nur wenige Minuten nach ihrer Bruchlandung auf dem Habitat explodiert. Eine Folge schwerer Gefechte, die sie sich mit einigen Yautja-Schiffen geliefert hatten, die von UMF 12 gestartet waren. Frodo, der Schiffscomputer, musste das Notsignal nur wenigen Minuten vor seiner Zerstörung ausgesendet haben.

»Die ist hinüber«, sagte Mains. Frodo war ihm ans Herz gewachsen. Der Schiffscomputer hatte beinahe so etwas wie eine Persönlichkeit entwickelt und sie alle hatten ihn als vollwertiges Mitglied ihrer Crew angesehen.

Durante grunzte, und dann bedeutete er ihnen, ihm zu folgen.

»Es sei denn, ihr habt diesen Ort mittlerweile so lieb gewonnen, dass ihr …«

»Bringen Sie uns bloß weg von hier«, unterbrach ihn Lieder. »Und lassen Sie auf Ihrem Schiff eine Verbindung nach Tyszka Star vorbereiten.«

»Wie es aussieht, haben wir uns alle einiges zu erzählen«, sagte Durante, als sie sich auf den Weg machten.

Mains und Lieder hielt sich aneinander fest, während sie unter den wachsamen Blicken von Eddie Durante und seinen HellSparks die Brücke überquerten.

Mains hatte den Mann seit über sieben Jahren nicht mehr gesehen. Auch er war ein Excursionist und befehligte ein weiteres Arrow-Schiff, das den Auftrag hatte, entlang der Grenze des Outer Rim zu patrouillieren. Sie hatten gemeinsam auf Tyszka Star trainiert und zuvor im gleichen Regiment der Colonial Marines gedient. Damals waren sie bereits gute Freunde gewesen, aber nachdem sie beide für die Excursionists ausgewählt worden waren, war ihre Freundschaft noch gewachsen. Trotzdem hätte Mains nie gedacht, Durante jemals wiederzusehen. Denn das sah ein Leben als Excursionist eigentlich nicht vor.

»Danke, dass du vorbeigekommen bist«, sagte er, als sie sich dem rauchenden Loch in der Hülle näherten.

»Hatte grad nichts Besseres zu tun«, sagte Durante. Er und Mains starrten hinaus auf die riesige, gewölbte Oberfläche des Yautja-Habitats und die unpersönliche Weite des Alls um sie herum.

Mains glaubte nicht an Gott, und deshalb dankte er im Stillen nicht ihm, sondern Eddie Durante, als man ihn und Lieder hinüber auf die Navarro brachte.

So wie auf allen anderen Schiffe der Arrow-Klasse war auch das Innere der Navarro von der HellSparks-Crew den eigenen Bedürfnissen angepasst worden. Die Aufteilung entsprach zwar im Prinzip der auf der Ochse, aber das Schiff fühlte sich trotzdem seltsam fremdartig an.

Nachdem sie die Luftschleusen passiert hatten und ihre Kampfanzüge herunterfuhren, ließen sich Mains und Lieder in zwei Flugsitze sinken und Durantes Sanitäter unterzogen sie einer ersten flüchtigen Untersuchung.

Radcliffe, eine kleine, elfenhafte Frau, verschaffte sich Zugang zu den CSU's der Anzüge, um ihren aktuellen körperlichen Zustand und einen möglichen dringenden Bedarf an Medikamenten abzufragen.

»Meine Güte, was habt ihr beiden denn da unten getrieben?«, fragte sie, überprüfte noch einmal die Anzeigen auf dem schwebenden Holo-Schirm und sah Lieder dann staunend und voller Ehrfurcht an.

»Wir haben mal die Seele baumeln lassen«, sagte Lieder. »Abends ein paar Drinks, eine Runde Backgammon und Kuschelsex zum Einschlafen.«

»Verstehe«, antwortete Radcliffe. »Also, ich werde mal was zusammenrühren, dass ich euch beiden verabreiche. Damit sollte es euch ein wenig besser gehen.«

»Sehr viel schlechter ist auch kaum noch möglich«, warf Mains ein. »Aber danke.«

»Kein Problem.« Radcliffe rief eine medizinische Einheit heran und verband sie mit dem Holo-Schirm. Dann tippte sie auf ein paar Kontrollen und sah zu, wie eine Reihe von Medikamenten ausgewählt wurden. Während sie mit ihrer Arbeit beschäftigt war, ließ sich Durante in einen Sitz neben ihnen fallen.

»Wir verschwinden von hier«, sagte er. »Die Sensoren zeigen an, dass sich auf diesem seltsamen Schiff immer noch einige dieser Mistviecher hinter den Notfallschotts herumtreiben.«

»Sie werden durchbrechen und versuchen, auf dein Schiff zu gelangen«, erwiderte Mains.

»Durch das Vakuum?«, fragte Durante zweifelnd.

»Sie werden kontrolliert«, erklärte Lieder. »Der Android, den du gesehen hast … er ist jetzt tot, aber er nannte sich selbst Patton, und irgendwie war er in der Lage, ihnen Befehle zu geben.«

»Xenomorphs, die als Waffe eingesetzt werden?« Durante riss die Augen auf.

Mains nickte. Ihm wurde schwindelig und er spürte, wie die Übelkeit in ihm aufstieg. Er schluckte das Gefühl wieder herunter. Dafür war jetzt nicht der richtige Moment.

»Patton … Patton …«, sinnierte Durante stirnrunzelnd.

»Ein General aus dem zwanzigsten Jahrhundert«, half ihm Lieder aus.

»Aber was soll das Ganze?«, fragte Durante. »Und was hat das mit der Invasion der Yautja zu tun?«

»Der was?«

Durante brachte sie auf den neuesten Stand. Er berichtete von den verschiedenen Kontakten quer durch das Outer Rim, von den Kämpfen, von der Armada der Yautja, die immer tiefer in die Menschliche Sphäre eindrang, und von den verschiedenen Anschlägen gegen Basen von Weyland-Yutani und den Colonial Marines. Die Zahl der Toten war enorm. Man hatte die Excursionists von jenseits des Rim zurückbeordert, um an der Grenze entlang zu patrouillieren, und obwohl im Augenblick so eine Art Waffenstillstand vereinbart worden war, befand man sich weiterhin im Krieg.

»Die Yautja fallen nirgendwo ein«, sagte Lieder.

»Das ist es ja, was allen solche Sorge bereitet«, antwortete Durante.

»Das ist es nicht.« Mains schüttelte den Kopf. Seine Übelkeit stieg wieder in ihm auf, und dieses Mal konnte er nicht anders, als sich seitlich vornüberzubeugen und sich zu übergeben. Ihm war hundeelend zumute. Er würgte mehrere Male und sein Erbrochenes klatschte auf den Boden und gegen die Stuhlbeine. Dankbar nahm er zur Kenntnis, dass die künstliche Schwerkraft der Navarro aktiv war. Er wünschte sich, jede furchtbare Erinnerung an die letzten Wochen mit herauskotzen zu können – die Erinnerung an all seine Freunde, die er hatte sterben sehen müssen.

»Du hast mein Schiff vollgekotzt«, stellte Durante fest.

»Ja.« Mains wischte sich den Mund ab. »Tut mir leid. Aber Eddie, ich muss dringend eine Nachricht zurück nach Tyszka Star schicken. Denn es nicht das Ziel der Yautja, um das wir uns Sorgen machen müssen. Sondern vielmehr das, wovor sie fliehen.«

Mains wusste, dass es einige Zeit dauern würde, bis General Wendy Hetfield, die Führerin der Excursionists, seine Nachricht empfangen und eine Antwort absenden würde. Und er wusste auch, dass Durante ungeduldiger wurde, dass er UMF 12 verlassen und seine Reise zurück ins Outer Rim fortsetzen wollte.

Dennoch konnte er seinen alten Freund dazu überreden, in einem stabilen Orbit um das Habitat zu bleiben, während er das kurze Signal verschickte. Es sei wichtig, erklärte er ihm. Vielleicht die wichtigste Botschaft, die er je verschickt hatte. Als Durante fragte, worum es darin ging, schlug Mains ihm vor, sich zu setzen und zuzuhören.

Genaugenommen lud er dazu sogar die gesamte Crew ein. Alle acht HellSparks, Lieder und er selbst drängten sich auf der kleinen Brücke zusammen, die ursprünglich nur für acht Personen ausgelegt war – und Durante nahm allein genug Platz für zwei Personen ein.

Dank des Arznei-Cocktails, den Radcliffe ihnen verabreicht hatte, ging es Mains und Lieder schon wesentlich besser. Um ihre unzähligen Verletzungen würde man sich ebenfalls bald kümmern, doch es würde länger dauern, die Folgen des wochenlangen Kampfes, der Dehydrierung und des Hungers zu kompensieren. Die Medikamente dienten im Moment nur als Puffer.

Schweigend saß Mains einen Moment lang da und ging in Gedanken noch einmal seine Nachricht durch. Dabei beschlich ihn das ungute Gefühl, dass diese vielleicht ihr aller Schicksal bestimmen könnte. Dann begann er.

»Hier spricht Lieutenant Johnny Mains, Kommandeur der 5th Excursionists-Einheit VoidLarks. Nach dreißig Tagen an Bord des Yautja-Habitats UMF 12 wurden wir von Lieutenant Eddie Durante und seiner 19ten Excursionist-Division gerettet. Sechs Soldaten meines achtköpfigen Teams sind tot. Nur Private Lieder und ich haben überlebt. Unser Schiff, die Ochse, ist zerstört. Während unseres Aufenthalts auf UMF 12 haben wir einige beunruhigende Entdeckungen gemacht.

Sofort nach unserem Eintreffen waren wir Kämpfen mit den Yautja ausgesetzt. Wie bei dieser Spezies üblich, griffen sie uns hauptsächlich einzeln und unabhängig voneinander an. Wir unternahmen mehrere Versuche, an Bord eines der Yautja-Schiffe zu gelangen, mit der Absicht, eines davon für eine Flucht zu verwenden, aber es gelang uns nicht, diese zu fliegen. Dann entdeckten wir ein seltsames Raumschiff, welches am Ende des Habitats angedockt war. Dort stießen wir auf Yautja-Leichen, die aussahen, als wären sie auseinandergerissen worden. Wir vermuteten zuerst, dass es sich um eine Art von Rebellion handelte, aber wir wurden eines Besseren belehrt.

Auf dem Habitat befanden sich Xenomorphs. Sie waren mit dem eigentümlichen Schiff dort eingetroffen, und obwohl uns auf diesem Schiff vieles rätselhaft vorkam, schien es doch menschlichen Ursprungs zu sein. An Bord des Schiffes befand sich ein Android, der sich selbst Patton nannte, wie ein General aus dem zwanzigsten Jahrhundert, und es hatte den Anschein, als wäre Patton in der Lage, die Aliens zu kontrollieren. Irgendwem muss es gelungen sein, diese Spezies in eine Waffe zu verwandeln.

Wenn die Xenomorphs tödlich verwundet werden, zerstören sie sich selbst. Manchmal explodieren sie, manchmal schmelzen sie auseinander. Teile ihres Exoskeletts bleiben aber hin und wieder erhalten, und so konnten wir bei verschiedenen Exemplaren Pattons Namen finden, der am Hinterkopf der Kreaturen eingebrannt war.«

Mains ließ seinen Blick über die Crew der Navarro schweifen. Ein paar von ihnen wirkten schockiert, während andere ihn ansahen, als hätte er vollkommen den Verstand verloren. Er konnte ihre Skepsis verstehen. Er war ausgemergelt, schwach, erschöpft und hatte offensichtlich einiges durchgemacht. Wahrscheinlich dachten sie, er wäre weltraumkrank geworden.

Andererseits saß Lieder neben ihm und bestätigte schweigend seine Geschichte. Es war unmöglich, dass zwei Personen die gleichen Wahnvorstellungen teilten.

»Aber da ist noch mehr«, sagte er. »Wir erreichten die Brücke des Schiffes, und nur wenige Augenblicke, bevor die Xenomorphs zu ihrem letzten Angriff ansetzten und Lieutenant Durante und seine HellSparks uns zu Hilfe eilten, entdeckte Private Lieder einige seltsame Signale, die von den Tiefenraumscannern aufgezeichnet wurden. Ich denke, es ist das Beste, wenn Lieder ihre Entdeckung selbst erläutert.«

Mains nickte Lieder zu. Sie beugte sich nach vorn und sprach in den Holo-Schirm, der ihr Bild und ihre Worte aufzeichnen und dann über Lichtjahre hinweg durchs All schicken würde. Mains wusste, dass diese Worte ungeheure Auswirkungen haben würden, obwohl er das, was sie erlebt hatten, selbst kaum glauben konnte.

»Ich habe Signaturen von Schiffen entdecken können, die sich dem Outer Rim aus einer Region weit jenseits von UMF 12 nähern. Mein Kampfanzug verfügt über gewisse … Modifikationen. Ich habe Zugang zu einigen verbotenen Quantenspeichern, von denen die Company sicher nicht … wie auch immer, das spielt nun keine Rolle mehr. Was jedoch eine Rolle spielt, ist die Tatsache, dass wenigstens sieben dieser Signaturen auf menschlichen Ursprung schließen lassen. Es sind Fiennes-Schiffe.«

Ein Raunen ging durch die Crew. Durante sah Mains fragend an. Mains nickte.

»Sie flogen mit unglaublich hohen Geschwindigkeiten«, fuhr Lieder fort. »Mit Sicherheit aber schneller, als es jedem Fiennes-Schiff möglich sein dürfte, und wahrscheinlich sogar noch schneller als unsere Arrow-Schiffe. Die CSU in meinem Anzug konnte zwei der Schiffe als die Susco-Foley und die Aaron-Percival identifizieren. Beide Schiffe verließen bereits vor Jahrhunderten das Sol-System. Keines dieser Schiffe war dafür konzipiert worden, jemals zurückzukehren, und auf jedem von ihnen befanden sich Zehntausende Kolonisten im Kälteschlaf. Nun, da ein Zusammenhang mit den Xenomorphs zu bestehen scheint, fürchten wir, dass …« Sie verstummte.

»Brutstätten«, sprang Mains für sie ein. »Wir befürchten, dass diejenigen, unter deren Kommando auch der Android stand, die Xenomorphs als Waffen missbrauchen und einen Angriff auf die Menschliche Sphäre planen, indem sie die alten Fiennes-Schiffe als Brutstätten für ihre neuen Waffen benutzen.«

Auf der Brücke wurde es still. Mains wusste, dass dieser Punkt reine Spekulation war, aber die Fakten sprachen für sich.

»Wir erwarten Ihre Befehle«, schloss er, dann nickte er Durantes Kommunikationsoffizier zu, der den Holo-Schirm abschaltete.

»Verdammt«, sagte jemand.

»Können Sie die Nachricht jetzt abschicken?«, fragte Mains. Der Kommunikationsoffizier nickte, dann sah er zu Durante, um sich von ihm die Erlaubnis abzuholen.

»Raus damit«, sagte Durante. »Und dann bringen wir unsere Freunde mal auf den neuesten Stand, was so alles passiert ist, während sie bei den Yautja Urlaub gemacht haben. Ich habe so das Gefühl, als würden uns interessante Zeiten bevorstehen.«

2

ROMMEL

Sprungtor Gamma 123, Outer Rim,Oktober 2692

Mistress Maloney,

Sie hatten es ursprünglich Sprungtor Gamma 123 genannt, aber zu Ehren der Rage werde ich es nach unserer Übernahme als Sprungtor Eins bezeichnen. Uns trennen nur noch Stunden von unserem Ziel, und nun kann unser Krieg erst so richtig beginnen.

Meine Truppen sind bereit. Zweitausend von ihnen sind bereits geschlüpft und mindestens zehnmal so viele stehen in Bereitschaft. Sie sind gnadenlos und ohne jede Furcht, tödlich und entbehrlich, und aus diesem Grund werden wir unschlagbar sein und niemand wird uns aufhalten können. Niemand befehligte jemals eine Armee wie diese.

Heute werden wir Geschichte schreiben, und ab morgen beginnt eine neue Ära.

Ihr General Rommel

Wieder war eines von ihnen fertig geworden.

Captain Nathan McBrain war Rekordhalter. Mit seinen siebenundsiebzig Jahren war er in einem Alter, in dem die meisten anderen Menschen es ruhiger angehen ließen und sich anderen Unternehmungen widmeten. Einige entschlossen sich sogar dazu, den Weltraum zu erkunden.

Eine dieser Gruppen nannte sich die One-Wayers. In die Jahre gekommene Weltraumreisende, die ihre gesamte Habe zu Geld gemacht hatten, um sich dafür ein eigenes kleines Schiff zu kaufen und damit in die Weiten des Alls hinauszufliegen. Man hatte für diese Menschen sogar eigens einen Schiffstyp entworfen. Diese Raumschiffe waren billig hergestellt, wenig robust und nicht für die Ewigkeit gebaut, überdauerten aber zumindest ihre Eigentümer. Am meisten wurde an den Antrieben gespart – einfache Treibstoff-Raketen ohne nennenswerte Kontrollsysteme.

Man wählte ein beliebiges Ziel im Orbit, setzte den Kurs, und dann zündete man den gesamten Treibstoff – der innerhalb eines Standard-Tages verbrannt war – und flog auf ewig mit dieser Geschwindigkeit dahin. Viele sahen das als eine Form von Selbstmord an, aber für jene One-Wayers, die dieses Leben wählten, war es die tapferste Art der Erkundung des Alls. Denn es gab keinen Weg zurück. Somit war es eine echte Entdeckungsreise.

Andere ließen sich irgendwo innerhalb der Sphäre nieder, kauften sich ein Appartement auf einer Station oder einer Siedlung und verbrachten ihre Zeit nicht selten damit, über ihre Abenteuer zu schreiben oder beim Blick auf die Sterne neue zu erfinden. Das war ihre Art, das Tempo aus dem Leben zu nehmen, zur Ruhe zu kommen, sich ein letztes Mal niederzulassen und darauf zu warten, dass der Tod einen schließlich einholte.

Ein paar wenige entschieden sich dazu, noch einmal an ihren Geburtsort zurückzukehren, aber McBrain war seit über sechzig Jahren nicht mehr auf der Erde gewesen und verspürte nun auch keinen Drang mehr dazu. Ihn interessierte vielmehr, weitere fünf Jahre jenseits des Outer Rim zu reisen, und – sofern die Company dafür grünes Licht gab – dort Sprungtor 124 aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.

Als Captain des Titanschiffes Gagarin war er für die Errichtung von Gamma 113 bis 123 verantwortlich gewesen. In seiner vierzigjährigen Karriere hatte er damit elf Sprungtore konstruiert. Aufgrund seiner Hingabe für seinen Beruf hatte er nie geheiratet oder Kinder gehabt, wenngleich er einige Beziehungen mit Crewmitgliedern pflegte, die kamen und gingen. Er hatte sein gesamtes Leben damit verbracht, die Grenzen des Outer Rim weiter auszudehnen und den menschlichen Forscherdrang voranzubringen. Dabei war es ihm jedoch nie um Ruhm oder Geld gegangen. McBrain war ein einfacher Mann, der es liebte, Neues zu entdecken, und ein Captain, der seinen Job liebte und stolz auf das von ihm Erreichte war.

»Die letzten Checks sollten in zwei Tagen beendet sein«, meldete Clintock. Er war sein Systemmanager, ein kleiner, emotionaler Mann, der nicht selten mit seinem messerscharfen Humor zu überraschen wusste. »Aber es sieht gut aus. Alle Systeme sind online. Die Eindämmungsfelder sind auf Maximum, die Treibstoff-Tanks gesichert und die Dunkle Materie stabil.«

»Gut, gut«, antwortete McBrain. Clintock sprach weiter und ratterte eine Vielzahl an Checks und Berichten herunter, die McBrain schon über tausend Male gehört hatte und deshalb seine Gedanken schweifen ließ. Hin und wieder erlaubte er sich das, und in diesem Moment glaubte er, es sich mehr denn je verdient zu haben. In den letzten zehn Jahren hatte er ein herausragendes Team um sich geschart, und dieses Sprungtor hier war das dritte, das sie gemeinsam fertigstellten. Obwohl er wusste, dass die Checks wichtig waren, wusste er auch, dass sie längst bemerkt hätten, wenn es an irgendeiner Stelle Schwierigkeiten gäbe.

Ach, zur Hölle, wenn dem so wäre, wären sie bereits alle längst tot.

Er lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück und genoss den Blick über die weitläufige Brücke hinaus auf das, was er und seine Crew erreicht hatten. Das Licht auf der Brücke war gedämpft und um ihn herum hörte er die leisen Unterhaltungen seiner Crew. Jeder Einzelne der vierzehnköpfigen Brückenbesatzung wurde von seinen eigenen Monitoren beleuchtet.

Wenn sie sich auf den Weg für interstellare Raumflüge machte, war die Gagarin ein riesiges Schiff aus einzelnen Komponenten, die ein Ganzes ergaben. Wenn sie aber an einem neuen Ort ankamen, dort wie in den vergangenen vier Monaten hier arbeiteten, dann waren die einzelnen Sektionen über mehr als zwanzig sphärische Meilen verstreut. Unter ihnen befand sich das Hauptkontrollzentrum der Gagarin – das aus der Brücke, dem Reparaturdock und den Hauptwohneinheiten für die meisten Wissenschaftler und Konstrukteure bestand – bis hin zu den vier kleinen Schiffen, die am Ende das fertige Sprungtor umkreisten. Außerdem gab es noch Frachteinheiten, Schlepper, ein Lazarett, Sozialstationen, ein Gewächshaus, in dem sie ihre eigene Nahrung anbauen konnten, zwei Freizeitmodule und eine ganze Reihe kleinerer Schiffe, die am Konstruktionsprozess beteiligt waren.

In diesem Moment befanden sich die größeren Schiffe auf ihrer Position zwischen der Gagarin und dem Sprungtor. Die kleineren Schiffe sausten zwischen ihnen hin und her und beförderten Crewmitglieder oder Versorgungsgüter von A nach B. Da das Sprungtor nun erfolgreich errichtet worden war und sie nur noch wenige Tage von dem ersten Sprung hindurch trennten, würde es bald an der Zeit sein, die Schiffe wieder zusammenzusetzen. Yuri, der Bordcomputer der Gagarin, würde mehr als vierzig Andockmanöver überwachen müssen, bevor das Schiff wieder zusammengefügt war.

McBrain spürte das beruhigende Gefühl der Befriedigung, wieder einen Job erfolgreich abgeschlossen zu haben, aber gleichzeitig das nervöse Flattern in seinem Magen beim Gedanken an die nächsten Jahre, in denen sie zu ihrem nächsten Einsatzort fliegen würden.

In einiger Entfernung und in verschiedenen Positionen um die Station herum, trieben die Schiffe der Colonial Marines. Bei zahllosen Gelegenheiten hatte man McBrain darin erinnert, dass ihre Unternehmung einen Wert darstellte, der in die Milliarden ging, und deshalb hatte er die Gegenwart des Militärs stets als angenehm empfunden.

Die Marines und die Crew der Titanschiffe liefen sich nur selten über den Weg.

Es hatte in den letzten Jahrzehnten vereinzelte Fälle gegeben, in denen Titanschiffe von Piraten, Yautja oder Elementen der Red Four angegriffen worden waren, als diese gegen Weyland-Yutani gerichtete Terrorgruppe noch im Outer Rim aktiv gewesen war, aber die Gagarin selbst war nie Ziel eines Angriffs oder anderer Probleme gewesen, die militärische Unterstützung nötig gemacht hätten. Um interne Probleme kümmerten sich McBrain und seine Offiziere selbst.

Er wusste, dass er mit seiner Karriere gesegnet war. Er hatte von anderen Titanschiffen gehört, die zerstört wurden, als sie bei ihrer Inbetriebnahme eine Kernschmelze auslösten, durch verheerende Schäden, die Asteroideneinschläge angerichtet hatten, die von exotischen Schädlingen befallen wurden oder sogar als Schauplatz für Jagdausflüge der Yautja auserkoren wurden.

Es hatte auch diesen einen Fall gegeben, die Peake, die von einer besonders ehrgeizigen Bande von Piraten quer durch das Rim gejagt wurde, und deren Schiffe es durchaus mit denen der Colonial Marines aufnehmen konnten. Das Schiff wurde schließlich geteilt, um die einzelnen Komponenten als Waffen gegen die Aggressoren zu verwenden.

McBrain hatte aufmerksam »Ein Jahr in der Hölle« gelesen, den berühmten Bericht des Captains der Peake, und obwohl er sie und ihre Crew für das bewunderte, was sie durchmachen mussten, stand ihm nicht der Sinn nach derartigen Abenteuern. Die Peake hatte während dieses Jahres die Hälfte ihrer achthundert Personen umfassenden Crew verloren, und viele von denen, die es überlebten, waren von den Geschehnissen auf ewig gezeichnet. Sie waren Wissenschaftler und Weltraumreisende gewesen, keine Soldaten.

Daher patrouillierten also sechs Schiffe der Colonial Marines um die Gagarin und um Sprungtor Gamma 123. In den letzten Monaten hatten sich die Berichte über Yautja-Übergriffe in diesem Teil des Outer Rim gehäuft, und die Marines waren in ständiger Gefechtsbereitschaft. Auch in der Menschlichen Sphäre selbst hatte es eine Reihe von Sabotageakten gegeben, die in grauenhaften Unglücken endeten und vielen Menschen das Leben kosteten. Diese Berichte bereiteten ihm Sorge, aber die zusätzlichen Sicherheitskräfte, die man gesandt hatte, beruhigten ihn wieder. Die Schiffe umkreisten Gamma 123 in einem Abstand von etwa zehntausend Meilen, was genügte, um sich um jeden Angreifer zu kümmern, der in die Region eindrang, bevor er der Gagarin gefährlich werden konnte.

Abgesehen von der Vielzahl an Schiffen bot das Sprungtor selbst einen atemberaubenden Anblick.

McBrain wurde es nie leid, das Endprodukt ihrer Mammutaufgabe zu bestaunen.

Das Sprungtor war eine komplett kreisförmige Konstruktion mit einem Durchmesser von mehr als zwei Meilen, das aus fünfzigtausend Tonnen einer Diamantfaser-Verbindungbestand. Die Fabrik, in der diese Verbindung hergestellt wurde, gehörte zu den größten Modulen der Gagarin, und in diesem Moment konnte er das klobige Schiff sieben Meilen an Steuerbord sehen, wo die letzten Arbeiten ihrer Stilllegung im Gange waren. Bei vollem Betrieb war die Produktionsleistung dieser Anlage enorm. Eintausend Tonnen des superharten Materials verließen täglich die Austrittsöffnungen des Schiffes. Die Diamantfaser-Verbindung wurde von Fangschiffen eingesammelt, die sie zu dem Sprungtor transportierten und dort mit dem Rest der Konstruktion verschweißten.

Das Sprungtor schimmerte im Licht der Sterne. Man benutzte für ihre Errichtung Diamantfasern, weil diese neben Trimonit das härteste dem Menschen bekannte Baumaterial darstellten. Als angenehmen Nebeneffekt konnte man ihre reflektierenden Eigenschaften verbuchen, die das Sternenlicht einfingen und wieder abstrahlten. Bei seltenen Gelegenheiten, wenn man sich im richtigen Winkel zu der Anlage befand, konnte man ein Sprungtor in allen Regenbogenfarben funkeln sehen.

An fünf Punkten über den kreisrunden Rahmen des Sprungtores verteilt befanden sich die etwas klobigeren Reaktorblöcke. In ihnen verbargen sich die Eindämmungsfelder, in denen Wissenschaft und Mysterium aufeinandertrafen. McBrain hatte nie vorgegeben, genau zu verstehen, wie die Sprungtore funktionierten. Er hatte sogar einmal irgendwo aufgeschnappt, dass wohl nur ein Dutzend Menschen in der gesamten Sphäre auch nur annähernd in der Lage waren, diese Technik zu verstehen. Was er aber wusste, war der Umstand, dass die Reaktorblöcke den wichtigsten Aspekt der gesamten Sprungtor-Konstruktion darstellten.

Wenn diese ausfielen, traf Antimaterie auf Materie, und das zog eine verheerende Explosion nach sich.

Seit den Anfangstagen dieser geheimnisvollen Technologie waren mehr als eintausend Sprungtore gebaut und in Betrieb genommen worden. Etwa einhundert davon ließen sich gar nicht erst starten, obwohl die Gründe dafür stets unklar blieben. Viele andere endeten in einer Tragödie. Im Zuge der immer schnelleren Expansion und der immer größer werdenden Menschlichen Sphäre waren allein im letzten Jahrhundert zwölf Titanschiffe verloren gegangen, als die von ihnen gebauten Sprungtore fehlerhaft arbeiteten.

Es war ein riskantes Unterfangen.

McBrain tröstete sich mit dem Gedanken, dass in dem unwahrscheinlichen Fall, dass ein Eindämmungsfeld an einem der von ihm überwachten Projekte versagte, er davon nichts mitbekommen würde. Er und seine gesamte Crew würden verdampft sein, noch bevor irgendjemand merken würde, dass etwas nicht stimmte.

»Boss?«

»Äh, ja?«

»Tut mir leid, Boss«, witzelte Clintock, »ich hatte vergessen, dass schon wieder Zeit für ein Nachmittags-Nickerchen ist.«

»Klugscheißer.«

Clintock lächelte. »Ich sagte, wir sind bereit für den ersten Sprung.« Er spähte durch das breite Panoramafenster hinaus. »Auf ein Neues, was, Nathan?«

»Ja. Neuer Tag, neue Baustelle.«

Gemeinsam starrten sie auf das kreisförmige Bauwerk hinaus. In diesem Augenblick war dessen Inneres leer und sie konnten die Sterne dahinter sehen.

Wenn es aber eingeschaltet wurde, würde sich das Innere schwarz färben – so schwarz wie die Unendlichkeit – und ein Sprung hindurch würde sie Lichtjahre weit transportieren.

»Hat man uns schon mitgeteilt, welches Schiff zuerst hindurchfliegen soll?«, fragte McBrain.

»Noch nicht«, erwiderte Clintock. »Aber wahrscheinlich ein Schiff der Colonial Marines, so wie immer.«

»Wieso auch nicht«, sagte McBrain. »Schließlich sind sie hier, um derartige Risiken einzugehen.«

»Außerdem verdienen sie auch verdammt viel mehr Geld als wir.«

»Sparst du immer noch deine Credits?«

»Aber sicher doch. Wenn ich mal so alt bin wie du, Boss, will nicht mehr am Arsch der Welt festsitzen.« Er lächelte McBrain schief an. »Sollte keine Beleidigung sein.«

»Hab ich auch nicht als solche verstanden.« McBrain richtete sich auf und stöhnte, als seine steifen Knie knackten. Dann leuchteten plötzlich überall auf der Brücke sanftblaue Warnlichter auf.

Einige andere Crewmitglieder setzten sich auf, nahmen die Füße von den Armaturen, stellten ihre Trinkbecher ab und starrten aufmerksam auf ihre Bildschirme.

Ein Holo-Schirm sank von der Decke herab und faltete sich vor McBrains Kontrolleinheit auseinander. Das breite Aussichtsfenster verdunkelte sich.

»Was haben wir da?«, fragte McBrain.

»Gerade ist ein Schiff unter Warp gegangen, in unmittelbarer Nähe«, erklärte Ellis. Sie war die Kommunikationsoffizierin, eine hoch aufgeschossene, schroffe Frau, die einen unbezahlbaren Teil der Mannschaft bildete.

McBrain stützte sich auf der Rückenlehne seines Sessels ab. Clintock schaltete die Warnsignale aus und auf der gesamten Brücke wurde es still. Auf dem Holo-Schirm vor ihnen erschien eine schematische Darstellung des Areals im Weltraum, in dem sie sich befanden. Zuerst leuchteten die Gagarin, das Sprungtor und die ergänzenden Schiffe auf dem Schirm auf, bevor die Ansicht zusammenschrumpfte, um den sie umgebenden Raum darzustellen. Die Gagarin verblieb als grünlich pulsierender Punkt im Zentrum der Ansicht.

Dann erschienen blaue Punkte, welche die Standorte der sechs Schiffe der Colonial Marines darstellten. Zwei von ihnen beschleunigten bereits auf die obere rechte Ecke des Holo-Schirms zu, danach leuchtete dort ein roter Punkt auf.

»Ellis?«

»Kleinen Moment, Boss«, gab sie zurück. »Ich bekomme hier gerade ein paar Infos rein, aber die … äh …«

»Spuck's schon aus«, sagte er, aber er kannte die Antwort bereits. Der Rest der Brückenbesatzung sah sie gespannt an. McBrain wusste, was in ihren Köpfen vorging.

Yautja? Hier?

Die Marines, die Gamma 123 bewachten, hatten ihn über den Waffenstillstand informiert, der vor ein paar Wochen geschlossen worden war, aber das war keine Garantie dafür, dass die Angriffe damit beendet sein würden. Über die Yautja wusste er nicht viel, außer den Informationen, die die Company ihnen bereitstellte. Und das waren nur sehr wenige. Als Spezies waren sie unvorhersehbar, gewalttätig und selbst nach all der Zeit noch immer ein Mysterium.

»Okay«, begann Ellis und unterbrach damit das angespannte Schweigen. »Also, es ist ein großes Schiff und in weniger als einer Million Meilen unter Warp gegangen. Der Computer hat seine Triebwerkssignatur identifiziert, aber … das ergibt keinen Sinn.«

»Wieso nicht?«, fragte McBrain, dessen Stimme ein gewisses Maß an Frustration anzumerken war.

»Das Schiff trägt den Namen Susco-Foley.«

»Nie davon gehört.«

»Das haben wohl die wenigsten. Es ist ein Fiennes-Schiff, dass den Sol-Orbit bereits 2216 verlassen hat.«

»Ein Fiennes-Schiff?«, wiederholte Clintock. »Was zur Hölle macht das denn hier?«

»Diese Schiffe besaßen überhaupt keine Warp-Antriebe«, meldete sich jemand anderes zu Wort.

»Das muss ein Irrtum sein«, mutmaßte McBrain. »Yuri, kannst du das bestätigen?«

Der Schiffscomputer hüstelte, so als müsse er sich räuspern, eine Eigenheit, die McBrain zumeist recht amüsant fand, die ihm jetzt aber auf die Nerven ging.

»Ja, Nathan«, antwortete Yuri. »Alles deutet darauf hin, dass es sich bei dem Schiff tatsächlich um die Susco-Foley handelt, obwohl sie größer als das ursprüngliche Schiff ist und Verschönerungen vorgenommen wurden.«

»Verschönerungen?«

»Das Warpfeld, das ihrer Ankunft vorausging, lässt die Vermutung zu, dass sie mit Warp 30 flogen.«

Ein Raunen ging durch die Brücke.

»Nun, dann muss es sich um ein Versehen handeln«, sagte McBrain. »Kein Erdenschiff kann so schnell fliegen, und schon gar keines, das vor viereinhalb Jahrhunderten konstruiert wurde.«

Selbst die Arrow-Klasse der Excursionists brachte es nur auf Warp 15.

Er starrte auf den Holo-Schirm vor ihm, dessen Ansicht nun auch auf andere Bildschirme der Brücke übertragen wurde. Vier der sechs Colonial-Marines-Schiffe hielten in einem Abfangkurs auf den pulsierenden roten Punkt zu, der sich der Gagarin mit jedem Atemzug weiter näherte.

»Gibt es Funkverkehr zwischen ihnen und den Schiffen der Marines?«, fragte er.

»Nur in eine Richtung«, sagte Ellis. »Die Marines rufen sie, bekommen aber keine Antwort.«

Die vier Kriegsschiffe in der Nähe der Gagarin formierten sich zu einem Schutzschild um das Titanschiff herum, bereit, im Notfall ihre Angreifer mit einer überwältigenden Feuerkraft zu empfangen.

»Was zur Hölle ist das?«, murmelte McBrain.

»Zumindest sind es keine Yautja«, stellte Clintock fest. »Man hat sie noch nie in Schiffen dieser Größe gesichtet.«

»Aber stehlen und modifizieren sie nicht auch fremde Technologien neben ihrer eigenen?«, fragte Ellis.

»Keine Ahnung«, erwiderte McBrain. »Aber wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Die Marines werden sich darum kümmern.« Er hoffte nur, dass er damit recht behalten würde. Stirnrunzelnd beobachtete er weiter, wie sich die blauen Punkte dem mysteriösen Neuankömmling näherten.

Dann knisterte eine Übertragung in den Lautsprechern.

»Gagarin, hier spricht Blue One. McBrain, können Sie mich hören?«

»Ich höre Sie, Vicar.« Die Blue One war das Führungsschiff der Marines, ein Zerstörer, der von einer Frau kommandiert wurde, die er noch nie persönlich getroffen hatte. Bei ihrer Ankunft hatte Lieutenant Vicar ihn wissen lassen, dass er und seine Crew dank ihrer Anwesenheit nichts mehr zu befürchten hatten, und seither hatte es wenig Kontakt zu ihr gegeben. Das war vor mehr als vier Monaten gewesen.

»Sie haben sicher schon unseren Besucher bemerkt«, fuhr die Stimme fort. »Wir nähern uns und versuchen, Kontakt zu ihm aufzunehmen.«

»Verstanden«, antwortete er. »Zeigen Ihre Sensoren ebenfalls an, dass das Schiff beinahe fünfhundert Jahre alt ist?«

Vicar ließ sich mit ihrer Antwort ein paar Sekunden lang Zeit.

»Das muss ein Fehler in unseren Computern sein.«

»In allen gleichzeitig?«

Wieder folgte Schweigen, vermischt mit dem weißen Rauschen des Weltraums.

»Bleiben Sie auf Empfang«, sagte Vicar. »Stellen Sie sicher, dass …«

Dann brach ohne jede Vorwarnung die Verbindung zu ihr ab. Gleichzeitig verschwand einer der blauen Punkte auf dem Holo-Schirm.

»Was war das?«, fragte McBrain und wurde ungewollt laut dabei. »Was ist passiert?« Sein Herz schlug nun schneller, nicht etwa aus Angst, sondern aus Ungewissheit. Er musste wissen, was vorgefallen war. Er war gern Herr der Lage. »Hallo? Lieutenant Vicar?«

»Die Verbindung zu ihr ist abgebrochen«, sagte Ellis. Dann deutete sie auf den Schirm. »Da, siehst du?«

Der zweite blaue Punkt drehte von dem neu eingetroffenen Schiff ab. McBrain und alle anderen auf der Brücke sahen zu, wie sich ein Dutzend kleinerer roter Punkte von dem Eindringling entfernten und die Verfolgung aufnahmen.

»Noch mehr Schiffe?«, fragte er.

»Scheint so«, sagte Clintock. »Nathan, was geht hier vor?«

»Ich denke, wir werden gerade Zeugen einer Schlacht«, sagte er. Sein Herz raste, und sein Magen zog sich zusammen. »Schick ein Signal an alle Module der Gagarin«, sagte er. »Sag ihnen, sie sollen sich verteilen.«

»Im Ernst?«

»Ja, im Ernst! Siehst du das da?« Er deutete auf den Holo-Schirm. Das Marine-Schiff flog eine kleine Schleife und drei der es verfolgenden roten Lichter verblassten. Die anderen Marine-Schiffe formierten sich um das Sprungtor und die Gagarin herum, doch er wusste, dass deren Crews das Gleiche mitangesehen hatten wie sie. Sie hatten soeben ihre befehlshabende Kommandeurin verloren, zusammen mit einer kompletten Crew.

»Sie sind jetzt kaum mehr als eine halbe Million Meilen entfernt und kommen schnell näher«, meldete Ellis.