All die Worte zwischen uns - A. Kuralie - E-Book

All die Worte zwischen uns E-Book

A. Kuralie

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Beschreibung

GÜNSTIGER EINFÜHRUNGSPREIS NUR FÜR KURZE ZEIT! Worte, so scharf wie Papier: bittersüße Young Adult-Romance für Fans von Rainbow Rowells »Eleanor & Park« »Lukas hatte im Dunkeln nach meiner Hand gegriffen und ich würde seine nicht loslassen, bis am Ende auch seine Nacht vorüber war.« Sara kann ihren Nachbarn Lukas nicht ausstehen. Seit Jahren liefern sie sich einen erbitterten Streit, indem sie Zettel mit Beleidigungen in ihre Fenster hängen. Dumm nur, dass ihre Eltern gut befreundet sind und die beiden vor ein Ultimatum stellen:  Es dürfen nur noch ernst gemeinte Nettigkeiten ausgetauscht werden, ansonsten müssen beide mit in den gefürchteten Campingurlaub. Zum ersten Mal müssen die beiden sich mit dem Leben des anderen auseinandersetzen. Sara wehrt sich gegen die Gefühle, die dabei in ihr aufkommen ... bis zu jener Nacht, in der sie eine folgenschwere Entdeckung macht und ihr bewusst wird, dass es nicht nur ihr Herz ist, das auf dem Spiel steht. Denn Worte können töten. »Auch nach mehrmaligem Lesen und wundervollen Momenten zählt die Geschichte immer noch zu den schönsten, die ich jemals das Glück hatte zu lesen. Sie gibt mir so viele Botschaften, Gedanken und Emotionen.« – May auf Wattpad

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Bei »All die Worte zwischen uns« handelt es sich um eine überarbeitete Version des erstmals auf Wattpad.com von Kuralie ab 2016 unter dem Titel »Papierkrieg« veröffentlichten Textes.

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, schreiben Sie uns unter Nennung des Titels »All die Worte zwischen uns« an [email protected], und wir empfehlen Ihnen gerne vergleichbare Bücher.

© 2016 by A. Kuralie. The author is represented by Wattpad WEBTOON Studios.

© Piper Verlag GmbH, München 2024

Redaktion: Christiane Geldmacher

Korrektur: Uwe Raum-Deinzer

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Wir behalten uns eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Trigger Warnung

Kapitel 1 – Kacktusse

Kapitel 2 – Giftige Einigkeiten

Kapitel 3 – Schildkrötige Gedanken

Kapitel 4 – Aufziehende Wolken

Kapitel 5 – Gute Miene, böses Spiel

Kapitel 6 – Hinter dem Vorhang

Kapitel 7 – Wie man sich bettet

Kapitel 8 – Vermessenes vermisst

Kapitel 9 – Im Gegensatz zum Positiv

Kapitel 10 – Der Wahnsinn

Kapitel 11 – Steter Tropfen

Kapitel 12 – Fragen und Zeichen

Kapitel 13 – In der Not

Kapitel 14 – Finstere Gedanken

Kapitel 15 – Wenn der Vorhang fällt

Kapitel 16 – Eine bühnenreife Szene

Kapitel 17 – Ein kalter Wind

Kapitel 18 – Stille Wasser

Kapitel 19 – In die Traufe

Kapitel 20 – Nachtgeflüster

Kapitel 21 – Was sich neckt

Kapitel 22 – An der Oberfläche

Kapitel 23 – Kleine Fische

Kapitel 24 – Flüsternde Hände

Kapitel 25 – Herz zu Herz

Kapitel 26 – Wer sich überwindet

Kapitel 27 – Vielleicht morgen

Kapitel 28 – Das letzte Wort

Kapitel 29 – Ins Dunkel

Kapitel 30 – Monster im Kopf

Kapitel 31 – Todes Bruder

Kapitel 32 – Wie gewonnen

Kapitel 33 – Silber und Gold

Kapitel 34 – Lieber ein Ende

Kapitel 35 – Der Anfang vom Ende

Epilog

Triggerwarnung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Trigger Warnung

In diesem Buch sind Themen enthalten, die triggernd wirken können. Am Ende des Textes findet sich eine Aufzählung, die jedoch den Verlauf der Geschichte spoilern kann.

Wir wünschen ein bestmögliches Leseerlebnis.

Für den hellen Morgenstern.

Kapitel 1 –Kacktusse

»Ist das dein Ernst, Fräulein?!«

Meine Mutter schaute von dem Zettel auf, den sie mir aus der Hand gerissen hatte, und ihre Augen blitzten unheilverkündend. Sofort setzte ich ein zerknirschtes Gesicht auf und steckte die Kappe auf den dicken Filzstift, um ihn unauffällig über die Tischplatte zu meinem Federmäppchen zu schieben, gerade so, als wäre ich nicht eben auf frischer Tat ertappt worden.

»Ähm …«

Ihre Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst, während sie auf meine Erklärung wartete, und ihr Fuß wippte ungeduldig. Ich wusste, dass ich mich gerade auf einem Minenfeld befand, und seufzte ergeben. Egal, was ich jetzt sagte, es wäre ganz bestimmt das Falsche. Das war nämlich eines meiner seltenen Talente. Die falschen Worte zu wählen, meine ich. Genauso wie im falschen Moment irgendwo aufzutauchen oder loszulachen. Manchmal musste ich einfach im dümmsten Moment an einen Witz denken, und die Bilder in meinem Kopf waren so lebendig, dass ich nicht anders als losprusten konnte. Nur um dann zu merken, dass der Pfarrer aufgehört hatte zu reden und sämtliche Trauergäste mich anstarrten. Zugegeben, nicht der glorreichste Moment in meinem Leben.

Tante Missa hatte fast einen Herzinfarkt bekommen und verschluckte sich vor Schreck an den Oliven, die sie vom Buffet gemopst hatte, weil wir bei der langen Rede fast verhungerten. Sie gab krächzende Geräusche von sich, während sie mich mit Blicken erdolchte, und ich bekam fast einen Lachkrampf, weil dabei der Vogel auf ihrem monströsen Hut auf und ab wippte. Es war zum Schreien komisch gewesen, aber Cousine Ines sprach seit dem Vorfall kein Wort mehr mit mir.

Der Zettel, den meine Mutter mir nun also ins Gesicht hielt, war gewissermaßen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Aber meine Worte würden so was wie ein Roundhouse-Kick sein, der das Fass ins nächste Fettnäpfchen beförderte.

»Sara? Ich habe dir eine Frage gestellt!«

Ich lächelte gewinnbringend, aber ich sah schon, dass es seine Wirkung verfehlte.

»Na ja …« Ich zog es in die Länge. »… ich denke, das kommt darauf an.«

Die Augenbrauen meiner Mutter schossen in die Höhe. »Wie bitte?«

»Ähm, na ja, von was für einer Art Ernst hier die Rede ist zum Beispiel?« Noch während ich sprach, konnte ich die Ader in der Schläfe meiner Mutter anschwellen sehen, aber mein Mundwerk war bereits am Laufen, und es gab kein Halten mehr. »Ich meine ja nur«, sagte ich, »meinst du ernst im Sinne von Aufrichtigkeit oder eher als das Gegenteil von lustig? Ich meine, woher soll ich das denn wissen, wenn du –«

»Sara Elfriede Jensmann!«

Ich zuckte zusammen. Scheiße, musste sie denn schreien? Lukas’ Fenster war gekippt genau wie meines, und ich konnte nur hoffen, dass er nicht zu Hause wäre und uns hörte. Er würde mich bis an mein Lebensende nicht vergessen lassen, dass ich nach meiner Großmutter benannt war.

Meine Mutter stöhnte und lenkte damit meine Aufmerksamkeit zurück auf unser Gespräch. »Wieso musst du immer alles ins Lächerliche ziehen!«, rief sie. »Lukas ist ein lieber Junge, ich verstehe nicht, wieso du so feindselig bist.«

Ich schnaubte, aber sie überging es und schaute auf den Zettel. »Mal ehrlich, wie kannst du so etwas schreiben«, empörte sie sich, »Lukas ist doch keine … keine …« Sie konnte es kaum aussprechen, schaffte es dann aber doch: »Lukas ist keine lernbehinderte Amöbe!«

Ich konnte ein Grinsen nicht gänzlich unterdrücken.

Als sie das sah, warf sie die Hände in die Luft. »Was ist nur mit euch los! Könnt ihr euch nicht einfach vertragen? Ein einziges Mal?«

»Sag mal, hast du gesehen, wie er mich genannt hat?«, rief ich aus und zeigte anklagend ins Nachbarfenster, in dem ein Zettel hing, auf dem in dicken schwarzen Lettern Lukas’ Version davon hing, jemandem einen guten Morgen zu wünschen.

[Kacktusse]

Ich hob eine Augenbraue. Jeder wusste, dass Lukas eine Rechtschreibschwäche hatte, aber selbst meine Mutter musste einsehen, dass er nicht von Kakteen redete.

Sie rieb sich mit den Fingerspitzen über den Punkt zwischen Nase und Stirn, kurz davor, die Geduld zu verlieren. »Ich kann das einfach nicht glauben. Ihr seid doch praktisch zusammen aufgewachsen, wie kommt es, dass ihr euch so hasst? Ich verstehe nicht, was wir falsch gemacht haben.«

O Mann! Nicht das schon wieder. Diese Leier hatte ich schon unzählige Male gehört, und ich kannte die Geschichten in- und auswendig. Meine Eltern waren hier eingezogen, als meine Mutter mit mir im siebten Monat schwanger war, und da Rhonda zur gleichen Zeit ein Kind erwartete, hatte sich meine Mutter mit der Nachbarin angefreundet. Erst nur über den Gartenzaun hinweg bei fröhlichem Geplauder über Babysöckchen, Puder und Windeln. Aber sehr bald waren die beiden gute Freundinnen geworden. Sie gingen zusammen einkaufen, tauschten Rezepte für Babybrei aus und gingen völlig in ihrer Rolle als baldige Mütter auf. Ich war mir sicher, dass sie unerträglich gewesen waren für ihr Umfeld. Zwei strahlende Muttzillas, auf ihrem Weg durch die Babybettabteilung.

So war es auch nicht verwunderlich, dass bei meiner Mutter, nur wenige Stunden nachdem es bei Rhonda losgegangen war, ebenfalls die Wehen einsetzten und es Zeit wurde, ins Krankenhaus zu fahren. Mein Vater scherzte immer, dass ich schon damals mit Lukas im Wettstreit lag und ihm die Show stehlen wollte. Ich konnte darüber nur schwach grinsen, denn der Typ konnte mir ja mal echt nicht das Wasser reichen. Der einzige Grund, weshalb ich zwölf Stunden später geboren wurde als er, war, dass Rhonda nicht zum ersten Mal Mutter wurde und es deshalb schneller ging. Sonst hätte ich den Idioten garantiert überholt. Einen halben Tag nach Lukas erblickte ich also das Licht der Welt, und nachdem Rhonda und meine Mutter bereits die Vorbereitungskurse zusammen gemacht hatten, ging es nun ins Beckenbodentraining, und Lukas und ich bekamen zwei selbst gestrickte Mützchen; er blau, ich rosa, wie sich das gehörte.

Leider war es nicht das Einzige, was wir uns teilten. Wir feierten unsere ersten Geburtstage gezwungenermaßen zusammen, teilten uns unsere Bauklötzchen und wurden in jeder Hinsicht dazu gedrängt, miteinander zu spielen und uns zu vertragen. Wenn es nach unseren Müttern gegangen wäre, hätten wir wohl sogar denselben Schnuller benutzt. Bei dem Gedanken kam mir das Kotzen. Allerdings konnte ich die Empörung meiner Mutter wenigstens nachvollziehen. Als sich über die Jahre hinweg herausstellte, dass Lukas und ich uns nicht vertrugen, fiel nicht nur sie aus allen Wolken.

»Anderer Leute Kinder freunden sich ohne Probleme mit den Nachbarskindern an. Aber ausgerechnet ihr zwei mögt euch nicht, und das nach allem, was wir darangesetzt haben, dass ihr zwei wie Geschwister aufwachst.«

Ich seufzte. Vielleicht war es ja gerade deshalb? Vielleicht wehrten wir uns unterbewusst dagegen, von unseren Eltern aufgedrückt zu bekommen, mit wem wir uns abgeben sollten. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken daran, dass er mein Bruder sein sollte. Nie und nimmer!

Und wenn Lukas und ich auch sonst in jeder Angelegenheit verschiedene Meinungen hatten, waren wir uns darin wenigstens einig. Jahrelang waren wir uns tunlichst aus dem Weg gegangen. Er hatte seine Freunde und ich meine. Aber dann gab es da vor einem Jahr diesen Vorfall, als ich ihn dabei erwischte, wie er in mein Zimmer hinüberstarrte.

Ich glaube nicht, dass er es absichtlich tat, denn er wirkte genauso überrascht wie ich, als ich ihn bemerkte, als hätte er mich eben auch erst entdeckt. Aber weil ich zu dem Zeitpunkt nur meine pinke Rüschenunterwäsche trug, flippte ich aus.

»Sag mal, spinnst du?«, schrie ich rüber und zeigte ihm den Mittelfinger.

Er erwiderte die Geste, und dann hatte irgendwie alles begonnen.

[Nette Rüschchen]

[Spanner!]

[Als gäb’s bei dir was zu sehen, Flachland!]

Erst hatten wir uns nur ein einige wenige Nachrichten geschrieben, ein paar böse Worte hier, ein paar fiese Sprüche da. Aber mittlerweile folgte eine Beleidigung auf die nächste, und ich würde garantiert nicht die Erste sein, die den Schwanz einzog! Egal, wie sehr unsere Eltern sich aufregten.

Fast ein Jahr lang hatten wir unsere Dispute vor ihnen geheim halten können. Nicht, weil wir uns besonders viel Mühe gaben, sondern weil zwischen unseren Häusern eine alte Eiche stand, die unsere Gespräche gegen die Straße hin abschirmte. Ihr dichtes Blätterwerk hatte dafür gesorgt, dass mein Vater sie fällen wollte, als wir hier einzogen, aber der Protest meiner Großmutter hatte bewirkt, dass er schließlich nur ein paar Äste heraussägte, damit mehr Licht in mein Zimmer käme. Jetzt sah die Eiche aus wie ein Brokkoli, von dem jemand ein Stück abgebissen hatte. Und es drang auch wirklich mehr Licht in meinen Raum. Aber leider verschaffte mir diese Aktion auch direkte Sicht in Lukas’ Zimmer.

Als dann der Herbst gekommen war und der Baum all seine Blätter verlor, schlenderte mein Vater eines Tages die Straße hinunter, und als er zu meinem Fenster hochsah … Nun ja, man kann sich denken, was das für ein Donnerwetter gab, denn am Abend zuvor hatte Lukas mich eine Hexe genannt, woraufhin ich eine Bemerkung über die Länge seines besten Stücks machte. Nicht, dass ich darüber Bescheid gewusst hätte. Aber ich konnte mir einen Spruch darüber einfach nicht verkneifen. Ich fand meine Bemerkung unglaublich witzig. Mein Vater eher nicht.

Ich schaltete auf Durchzug und lauschte dem Gejammer meiner Mutter nur mit halbem Ohr. Schon seit Monaten gab es dieselben Gespräche, und ich war mir sicher, dass Lukas nicht halb so viele nervige Predigten über sich ergehen lassen musste wie ich.

Ich friemelte an meinem Shirt herum, nickte immer mal wieder, wenn meine Mutter mich besonders streng ansah und gab ihr den Stift, mit dem ich geschrieben hatte, als sie danach verlangte. Ich besaß ohnehin genug davon.

»… und deshalb haben wir uns entschlossen, dass ihr mit uns in den Campingurlaub kommt, wenn es sich nicht bessert.«

Warte, was? Mein Kopf ruckte hoch. Was hatte sie eben gesagt? Sie redete doch nicht etwa vom jährlichen Campingurlaub, den sie und mein Vater mit den Nachbarn planten? Und was meinte sie bitte damit, dass »wir« mitgehen würden?

»Lukas und du«, sagte sie ohne einen Kommentar zu meinem geschockten Gesichtsausdruck, »wie in alten Zeiten! Ich habe bereits mit Rhonda darüber geredet, und wir sind uns einig. Wenn ich noch eine einzige Beleidigung in deinem Fenster sehe, dann ist dein Urlaub hier zu Hause gestrichen. Dann fährst du mit!«

Nein, oder? Ich hatte Pläne für diesen Sommer! Ich wollte mit meiner besten Freundin durch die Läden ziehen, die Abende am See oder im Kino verbringen und auf alle möglichen Partys gehen. Ich wollte die sturmfreie Bude so richtig genießen. Doch im Gesicht meiner Mutter war kein Anzeichen für einen Scherz zu sehen. O nein! Nein, nein, nein!

Mit Schrecken dachte ich an die Zelturlaube in meiner frühen Kindheit zurück. Lukas und ich, eingepfercht in einem dieser Zweimannzelte, in dem man sich kaum umdrehen konnte, ohne den anderen platt zu walzen. Auf keinen Fall würde ich so etwas noch einmal mitmachen! Nicht nachdem ich so hart dafür gekämpft hatte, alleine zu Hause bleiben zu dürfen.

»Das ist so was von unfair!«, rief ich.

»Ganz und gar nicht«, sagte meine Mutter ungnädig. »Die Strafe gilt für euch beide, und ich hoffe, dass ihr auf diese Weise lernen werdet, euch zusammenzureißen.«

»Was meinst du damit?«, fragte ich, denn mir schwante Böses.

Sie lächelte. »Ganz einfach. Wenn einer von euch sich einen Fehltritt erlaubt, egal, wer es ist …« Sie machte eine Kunstpause. »… dann fahrt ihr beide mit.«

Mein Mund klappte auf. »Das kannst du mir nicht antun!«

»Und ob ich das kann.«

»Okay«, lenkte ich ein, denn mir ging der Hintern gerade gewaltig auf Grundeis. So ernst hatte ich meine Mutter schon lange nicht mehr gesehen, und etwas sagte mir, dass sie es diesmal wirklich durchziehen würde. »Ich schreibe nichts mehr, versprochen.«

Für einen kurzen Augenblick glaubte ich so etwas wie ein amüsiertes Funkeln in ihren Augen zu sehen.

Dann sagte sie: »Oh, schreiben wirst du schon.«

Kapitel 2 –Giftige Einigkeiten

Etwas Nettes sollte ich schreiben. Den Teufel würde ich tun! Meine Eltern hatten ja wohl einen an der Klatsche.

Den ganzen Abend über hatte eine saure Stimmung geherrscht, nachdem ich meine Mutter mehrfach umzustimmen versucht hatte und auf taube Ohren gestoßen war. Sie und mein Vater hielten es anscheinend tatsächlich für eine gute Idee, mich auf diese Weise zur Raison zu bringen. »Lukas und du, ihr habt doch noch nie versucht, miteinander auszukommen. Wenn ihr es wenigstens ausprobieren würdet, dann wärt ihr wahrscheinlich erstaunt, wie viele Gemeinsamkeiten ihr habt.«

Ja, genau. Ich und der Zocker! Das Einzige, was wir beide wirklich gemein hatten, war die Abneigung, die wir einander entgegenbrachten. In jedem anderen Bereich waren wir grundverschieden. Und mit jedem Tag, der verstrich, schien der Graben zwischen uns noch größer zu werden. Als Kind zum Beispiel war er sehr viel aufgeweckter, fröhlicher und nicht halb so zynisch gewesen wie jetzt. Aber schon damals konnte ich ihn nicht ausstehen. Weshalb sollte ich ihn also jetzt leiden können, wo er ein richtiges Ekelpaket geworden war? Zugegeben, manchmal genoss ich den Schlagabtausch am Fenster mehr, als ich mir eingestehen wollte. Es gab nicht viele Leute, die mir Paroli bieten konnten, und Lukas war mir in dieser Hinsicht mehr als ebenbürtig. Das bedeutete allerdings noch lange nicht, dass ich mich mit ihm persönlich auseinandersetzen wollte, und dazu würde es zweifelsohne kommen, wenn man uns eine Woche auf zwei Quadratmetern zusammenpferchte.

Ich schaute hinaus in die beginnende Dämmerung. Ich wusste nicht mehr, wann wir das letzte Mal ein echtes Gespräch miteinander geführt hatten. Nicht mit Papier und Stift, sondern von Angesicht zu Angesicht. Es musste Jahre her sein.

Lukas kam nie zu uns herüber, und ich hielt mich ebenfalls tunlichst fern, wenn meine Eltern zu Rhonda und Bert gingen, was sie mindestens einmal die Woche zu tun pflegten. Unsere Mütter tranken dann Tee und sprachen über die Arbeit, die lieben Kinder, vegane Rezepte und das Leck in der Dachrinne, während mein Vater sich zusammen mit Bert ein kaltes Bierchen genehmigte und mit ihm über seine neueste Angelrute redete. Gelegentlich gingen sie alle zusammen bowlen oder grillten im Garten. Aber soweit ich mich zurückerinnern konnte, hatten Lukas und ich es immer geschafft, uns aus dem Weg zu gehen. Entweder war ich zufällig bei meiner besten Freundin Dina zu Hause gewesen, oder Lukas hatte irgendeinen Wettkampf mit seiner Schwimmmannschaft gehabt. Ich verdrehte die Augen. Ich erinnerte mich nicht gerne daran, wie meine Mutter mich als Kind dazu bewegen wollte, ebenfalls schwimmen zu gehen. Im Gegensatz zu meinem idiotischen Nachbarn war ich eine absolute Landratte. Natürlich konnte ich schwimmen, und ich liebte es, am Strand zu plantschen, aber ich ging nicht zum Vergnügen in irgendein Hallenbad. Wieso auch? Man musste nur ständig diesen Leuten ausweichen, die ihre Bahnen zogen, als hinge ihr Leben davon ab. Schon in der Grundschule hatte ich nicht verstanden, warum ich so etwas Bescheuertes lernen sollte wie den »Delfin«, und anstatt mich graziös durchs Wasser zu bewegen, hatte ich die Hände zusammengeklatscht und Seehundlaute von mir gegeben. Das Delfingackern hatte ich halt noch nicht drauf, aber meine Mitschüler fanden es zum Kreischen komisch. Mein Schwimmlehrer hingegen murmelte etwas von Sargnägeln und einer Rente mit sechzig.

Aufgegeben hatte Herr Bernhardt aber erst, als ich in der fünften Klasse behauptete, Penny hätte ins Wasser gepinkelt. Die dumme Kuh hatte mir in der Woche davor mein Minnie-Maus-Handtuch in eine Pfütze geworfen, weil ich etwas schneller unter der Dusche gewesen war als sie, und so etwas ließ ich nicht auf mir sitzen. Mit anderen konnte sie so etwas vielleicht machen, aber bei mir war sie eindeutig an die Falsche geraten. Mit gelber Lebensmittelfarbe bewaffnet und entschlossen zu allem, kam ich also in die nächste Stunde und wartete auf eine günstige Gelegenheit, die auch schon sehr bald kam. Sämtliche Kinder waren panisch aus dem Becken geflohen, und Penny war von da an bekannt als »Pinkelpenny«. Und das tat mir kein Stück leid, denn Pinkelpenny fuhr fort, andere zu terrorisieren, bis sie ein Jahr später die Schule wechselte. Mich hingegen traute sie sich nicht mal mehr anzusehen.

Ich schaute hinüber ins Nachbarfenster und schürzte die Lippen. Es brannte kein Licht, und es war auch sonst kein Anzeichen dafür zu sehen, dass Lukas zu Hause war. Vermutlich war er gerade jetzt wieder im Training. So etwas Blödes auch. Ich würde am Ende noch verpassen, wie Rhonda ihm die Hiobsbotschaft überbrachte, und dabei freute ich mich schon so über seinen entsetzten Gesichtsausdruck. Was würde er sagen, wenn er erführe, was unsere Eltern beschlossen hatten? Würde er ausrasten? Sich die Haare raufen? Irgendetwas gegen sein Fenster werfen, oder es mir heimzahlen wie das letzte Mal, als ich Rhonda eine Studie darüber zeigte, dass Mütter für ihre Söhne im Haushalt zu viel erledigten?

»Waschen, putzen, kochen! Je mehr Verantwortung Sie Ihrem Sohn übertragen, desto verantwortungsvoller wird er sich auch fühlen. Beginnen Sie heute damit, ihm eine Aufgabe im Haushalt zu überlassen!«

Als Lukas eine Stunde später den Rasen mähte und über das Kabelwirrwarr fluchte, lehnte ich mich aus dem Fenster und machte mir vor Lachen fast in die Hose. Ihm war natürlich gleich klar, wer ihn in die Scheiße geritten hatte, und hätte ich gewusst, was er tun würde, um sich zu rächen, hätte ich ihm angeboten, den Rasen für ihn fertig zu mähen. Aber so legte sich ein böses Lächeln auf seinen Mund, und erst viel zu spät sah ich, dass meine Mutter im Garten an ihren Blumenbeeten arbeitete. Die beiden begannen sich zu unterhalten, und ich schaute mit kugelrunden Augen hinunter.

»Das ist ja wirklich großzügig von Ihnen, dass Sie Ihre Tochter mit so ’nem Typen ausgehen lassen«, hörte ich ihn auf einmal sagen.

»Ausgehen? Sara? Davon weiß ich nichts«, antwortete meine Mutter verwundert.

Ich allerdings auch nicht!

»Ja, der nennt sich Skin, hat ’ne Glatze und so ’ne komische Jacke.«

Meine Mutter sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Lukas hingegen tat, als wäre nichts weiter, wandte sich ab, hob zum Gruß die Hand und rief über seine Schulter zurück: »Passt aber gut zu den Stiefeln!«

Die darauffolgende Woche war hier die Hölle los. Nach einem Riesenkrach mit meiner Mutter, in dem ich ihr flehend und händeringend versicherte, dass ich keinerlei Verbindungen in die rechte Szene hatte, fragte sie mich tagelang darüber aus, was wir in der Schule über das Dritte Reich gelernt hätten und stellte den Fernseher laut, als eine von den Grünen interviewt wurde. Zuletzt legte sie mir sogar den Film Die Welle aufs Bett. Insgesamt dauerte es fast einen Monat, bis sie sich wieder abgeregt hatte, und ich war Dutzende Male so kurz davor gewesen, zu Hellers rüberzumarschieren und Lukas den Hals umzudrehen. Er war echt ein solcher Arsch!

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als drüben plötzlich das Licht anging. Durch den dünnen Vorhang konnte ich sehen, wie Lukas das Zimmer betrat, die Kapuze seines ausgeleierten Pullis über dem Kopf. Er war größer als ich, aber nur einen halben Kopf, und das fiel meist nicht auf, weil er herumschlurfte wie ein Penner. Jetzt hingegen warf er gerade die Hände in die Luft, und ich erkannte Rhonda, die in der Tür stand.

Ein breites Grinsen formte sich auf meinem Gesicht. O welch Freude! Am liebsten hätte ich mir einen Eimer Popcorn geholt. Die beiden waren offensichtlich in eine hitzige Diskussion verwickelt. Lukas tippte sich gegen die Stirn, als wollte er ihr sagen, dass sie nicht alle Tassen im Schrank habe, und Rhonda hob drohend den Zeigefinger.

»Du wirst das tun, Sohnemann!«, piepste ich in quietschender Stimme, um dem stummen Theater eine Stimme zu verleihen. Dann wechselte ich auf eine tiefe Stimme, um Lukas zu imitieren. »Auf keinen Fall, Mutter, ich bin zu blöd, um etwas Nettes zu schreiben.«

Rhonda warf die Hände in die Luft und massierte sich die Schläfen, als hätte sie plötzlich Kopfschmerzen. »Du dummer Junge, dann streng dich an! Oh, mein Kopf, mein Kopf!«

Lukas breitete die Hände aus. »Wo soll ich denn bloß anfangen? Saras blendende, überragende Schönheit ist zu viel für mich ehrlosen Wicht. Keines meiner Worte ist ihrer würdig, kein Kompliment kommt der Herrlichkeit ihrer Anwesenheit gleich, oh, im Vergleich zu ihr –«

Hinter mir erklang ein Räuspern.

Ich fuhr so heftig herum, dass ich mir den Ellbogen anschlug und zischte. Im Türrahmen stand mein Vater und hatte beide Augenbrauen gehoben, sodass seine Stirn in tiefen Falten lag. Sofort lief ich bis zu den Haarwurzeln tiefrot an.

»Blendende Schönheit?«

»Ähm.« Ich setzte ein unschuldiges Lächeln auf, bevor ich gespielt ratlos mit den Schultern zuckte. »Ich, äh, bin halt meines Vaters Tochter?«

Mein Vater strich sich über die Stirn und fuhr hinunter zu seinem Bart, um ein Schmunzeln zu verbergen. »Soso«, murmelte er dann und schaute hinüber zu unseren Nachbarn. »Amüsiere dich nicht mehr zu lange auf die Kosten dieses armen Jungen, klar? Morgen ist Schule, also ab ins Bett.«

Ich nickte brav, und er zog die Tür hinter sich zu. Aber kaum war er gegangen, wendete ich mich wieder dem Nachbarfenster zu. Zu meiner Überraschung war Rhonda jedoch gegangen, und Lukas war nirgends zu sehen. Ich kniff die Augen zusammen, aber nichts bewegte sich. Doch gerade als ich mich abwenden wollte, kam Lukas zurück, warf die Tür ins Schloss und trat mit geballten Händen gegen seine Sporttasche. Dann packte er diese und machte sich wütend daran, sie auszuräumen. Er kippte den Inhalt auf sein Bett und wühlte darin herum. Als er gefunden hatte, was er suchte, schaute er auf. Unsere Blicke begegneten sich. Oh, und wenn diese töten könnten! Sekunden vergingen, in denen wir uns anstarrten, dann hob sich eine seiner dunklen Augenbrauen in verächtlicher Geste, was seinem Gesicht einen arroganten Ausdruck verlieh. Er trat langsam näher und verschränkte dabei die Arme. Für einen kurzen Moment blieb mein Blick an seinen Unterarmen hängen.

Oh, wow, das Training geht echt nicht spurlos an ihm vorbei, dachte ich. Aber dann schüttelte ich den Kopf und konzentrierte mich. Ich fand Lukas nicht unbedingt attraktiv, selbst wenn ich anerkennen musste, dass er ganz gut aussah. Sein hellbraunes Haar hing ihm feucht und verwuschelt ins Gesicht und wirkte dunkler als sonst. Der Kontrast zu seiner hellen Haut war bemerkenswert, und ich wusste, dass so manches Mädchen für diese hohen Wangenknochen getötet hätte. Er musterte mich von oben bis unten, und seine grauen, schmalen Augen bohrten sich in meine. Ich war immer wieder erstaunt, wie eindringlich sein Blick sein konnte.

Als er zu einem Stift griff, pressten sich seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Gespannt wartete ich, und als er das Blatt hob, las ich mit zusammengekniffenen Augen.

[Das hast du ja mal wieder toll hingekriegt, du Schnepfe!]

Ich schnaubte und griff meinerseits zu einem Blatt Papier.

[Bitte? Was kann ich dafür?]

[Na, wer von uns beiden hat sich denn erwischen lassen?!]

Oh bitte, es gab nur einen einzigen Grund, weshalb er noch nicht entdeckt worden war, und der bestand darin, dass er ein absoluter Chaot war, dessen Zimmer niemals jemand freiwillig betreten würde. Dort drüben sah es aus wie auf einer Müllhalde. Mir war schleierhaft, wie man so leben konnte, und sollte ich jemals in sein Zimmer reinmüssen – und ich hoffte, das würde niemals der Fall sein –, würde ich vorher den Bergrettungsdienst informieren. Denn wenn man erst mal da drin war, dann würde man garantiert erst drei Tage später und von Lawinenhunden begleitet wieder rausgezogen werden.

Jedes Mal, wenn ich da rüberschaute, fühlte ich den Drang, den Staubsauger rauszuholen und meinen Teppich von den wenigen Flusen zu befreien, die es gewagt hatten, sich seit meinem letzten Reinigungsausbruch dort anzusammeln. Es kribbelte mir in den Fingerspitzen, meine Bücherregale zu sortieren oder die Kissen auf meinem kleinen Sofa gerade zu rücken. Nur ein Stinktier konnte sich dort drüben wohlfühlen. Was für ein Typ ließ sich bitte so gehen? Pubertierende Jungs waren so was von ekelhaft!

Gut, dass er sich durchs Schwimmtraining wenigstens regelmäßig waschen musste. Ich nahm eine meiner Locken zwischen die Finger und zog prüfend daran. Wenn ich meine Haare einmal einen Tag nicht wusch, dann sahen sie sofort aus, als hätte jemand mich mit einem Backspray attackiert.

[Ich geh auf keinen Fall mit dir zelten], schrieb er jetzt, und ich verdrehte die Augen.

[Ich etwa mit dir? Ich hab vom letzten Mal noch genug]

Als er meine Worte las, breitete sich ein hämisches Grinsen auf seinem Mund aus, das eine Reihe weißer Zähne entblößte. Ja, er hatte gut lachen, aber es gab einen Grund, weshalb ich mich vor fünf Jahren das letzte Mal hatte überreden lassen, mitzukommen.

Obwohl wir damals noch Kinder waren, hatte es keine Sekunde gegeben, in der wir uns nicht in die Wolle kriegten. Wir stritten uns beim Frühstück, beim Mittagessen und jeden Abend am Lagerfeuer. Er hatte mir ein Eis in die Haare geschmiert und behauptet, ein Vogel habe auf mich draufgeschissen, und als ich nicht aufpasste, steckte er mir einen Käfer in den Schlafsack, sodass ich den ganzen Abend damit verbrachte, ihn auszuschütteln. Aber ich fand trotzdem keine Ruhe, als ich dann schlafen wollte, denn bei jedem Kitzeln oder Jucken begann ich vor Angst zu schreien, weil ich dachte, das Vieh wäre noch da. Aber der Höhepunkt war ja erst die Sache mit der Lampe.

Lukas schien denselben Gedanken zu verfolgen wie ich, denn er schrieb:

[Oh, hat die kleine Sara etwa immer noch Angst im Dunkeln?]

Er machte ein übertrieben mitleidiges Gesicht, als würde er mit einem Kleinkind reden und zog einen Schmollmund.

Ich zeigte ihm den Mittelfinger und schrieb: [Ganz genau, deshalb hab ich auch nicht vor, dir in den nächsten drei Wochen in den Arsch zu kriechen]

Sein Grinsen fiel in sich zusammen, und er verzog angeekelt das Gesicht. Ja, genau, dachte ich, stell dir das nur schön bildlich vor, du Soziopath.

Seit ich klein war, hatte ich eine irrationale Angst vor der Dunkelheit. Ich wusste nicht genau, was sie auslöste und wovor ich mich eigentlich so sehr fürchtete, aber immer, wenn das Licht gelöscht wurde, fing ich an zu weinen, und deshalb hatte ich immer ein kleines Lämpchen neben meinem Bett, welches ich natürlich auch zum Zelten mitschleppte.

Lukas hatte daraufhin ein Theater gemacht und sich dauernd beschwert, dass es ihn blende und er so nicht einschlafen könne. Ich hatte sein Jammern einfach ignoriert und ihm die Zunge rausgestreckt. Aber eines Morgens wachte ich auf, und mein Lämpchen war weg.

»Ein Windstoß hat es erfasst«, behauptete Lukas, nachdem ich ihn fast eine halbe Stunde lang angeschrien und er schließlich zum Strommast hinaufgezeigt hatte. In den Kabeln, weit oben, hing tatsächlich ein kleines grünes Plastikteil, das verdächtige Ähnlichkeit mit meinem Bettlämpchen hatte.

»Ein Windstoß?«, entkam es mir ungläubig, und Lukas zuckte mit den Schultern.

»Ein Windstoß, ja.«

»Eine Lampe?!«

»Ja.« Ein maliziöses Lächeln lag dabei auf seinem Mund. »Wusch und weg.«

Konnte man so dreist lügen?

»Ein Windstoß hat meine Lampe in den Strommast geweht? Aus dem Zelt heraus?«

»Hey, ich schreib dem Wind nicht vor, wo er durchzuwehen hat.«

Bei diesem Satz wäre ich ihm fast an die Kehle gegangen, aber er setzte noch einen drauf: »Reg dich ab, sie ist jetzt an einem besseren Ort! Sie ist bei ihresgleichen. Der Strommast muss so was wie das Paradies für kleine Glühbirnchen sein, freu dich doch für sie.«

Der Urlaub hatte in einem Blutbad geendet, und ich hatte meine Ferien fortan bei meiner Großmutter verbracht. Und obwohl ihre Wohnung nach Katzenscheiße stank und diese von ihr geliebten Biester auf dem Küchentisch herumspazierten, wenn man frühstücken wollte, war das allemal besser, als noch so ein Desaster erleben zu müssen.

[Lampenmörder]

Hasserfüllt blickte ich ihn an, aber er verzog keine Miene.

[Scheint, als würdest du in den nächsten Wochen ganz besonders lieb zu mir sein, Goldlöckchen. Ein richtiges kleines Engelchen], schrieb er. [Denn diesmal entsorg ich die Scheißlampe bereits in der ersten Nacht]

Dazu würde es ganz bestimmt nicht kommen. Nicht, solange ich noch einen einzigen Finger bewegen konnte, um auf Google nach Komplimenten zu suchen. Ich würde es ihm schon noch zeigen. Ich schenkte ihm ein böses, breites Lächeln.

[Oh, glaub mir, ich werde ein Engelchen sein. Ich werde so zuckersüß sein, dass du Karies davon bekommst]

[Dann haben wir einen Deal?], fragte er und hob eine Augenbraue.

[Den haben wir]

[Kein Zelturlaub?], versicherte er sich.

Ich öffnete das Fenster, lehnte mich hinaus und hielt ihm mit einem Luftküsschen meine Antwort entgegen.

[Worauf du Gift nehmen kannst, Honigschnäuzchen]

Kapitel 3 –Schildkrötige Gedanken

Nachdem ich mich am Freitagmorgen aus dem Bett gequält und mir den Schlaf aus den Augen gerieben hatte, tigerte ich schlaftrunken hinunter in die Küche, um mir einen Kaffee zu holen. Meine Mutter rümpfte darüber zwar häufiger die Nase, aber ich war kein Kind mehr und hatte ihre Versuche, mir warme Milch anzudrehen, damit kommentiert, ob sie sie mir auch noch in ein Fläschchen füllen und mich damit füttern wolle.

Sie schüttelte nur den Kopf und murmelte etwas von Adoption, drückte mir dann jedoch einen Kuss auf die Stirn und verschwand zur Arbeit. Ich wusste, dass meine Eltern mich abgöttisch liebten und mir mehr durchgehen ließen, als manch andere ihren Kindern erlaubten. Das rechnete ich ihnen hoch an, weil ich häufiger in Schwierigkeiten geriet, als ihnen lieb sein konnte, und es ihr Leben bestimmt erleichtern würde, mich an einer kürzeren Leine zu halten.

Aber vermutlich wussten sie, dass eine kürzere Leine auch nicht so viel gebracht hätte. Ich zog Katastrophen an, als wäre ich der Honig und sie die Bienen. Aus diesem Grund war es mir auch nicht erlaubt, meiner Mutter beim Wäschewaschen zu helfen.

Ich hatte nicht gewusst, dass es so schäumen konnte, wenn man eine halbe Packung Pulver hineinwarf. Aber schlimmer war die Sache mit meinem neuen roten Shirt gewesen, das ich kurzerhand zu ihrem nächsten Waschgang gegeben hatte. Als der Waschgang durch gewesen war, hatte ich auf einmal einen spitzen Schrei aus der Waschküche gehört. Dabei wusste doch jeder, dass man Kleidung vor dem ersten Tragen waschen sollte. Nur eben nicht mit der Ladung Weißwäsche.

Ich verzog zerknirscht das Gesicht bei der Erinnerung und trottete zurück in mein Zimmer. Kein Wunder, dass Lukas über meine rosarote Bettwäsche lachte. Es war ja nicht einmal so, als würde ich die Farbe nicht mögen. Aber ich vermied es normalerweise, zu dick aufzutragen, was das anging, weil mich eh die meisten Menschen auf den ersten Blick für eine hohle Puppe hielten. Sie sahen meine sorgfältig lackierten Nägel, die blonden Locken und die vollgestopfte Einkaufstüte, wenn ich einmal wieder auf Shoppingtour war, und steckten mich automatisch in eine Schublade. Eine Schublade, die mit Glitzer, Federn und Pompons verziert war und keinen Platz für meine Bücher von Leo Tolstoi, Charles Dickens und Jane Austen ließ. Stattdessen fand sich darin eine Ecke für meine große Klappe, wenn die Leute feststellten, dass ich vorlaut war. Und vielleicht noch ein Plätzchen für meinen Dickkopf.

Ich packte meine Schultasche und stopfte ein paar Geschichtsbücher hinein. Dann warf ich sie aufs Bett und wollte mich in Richtung Bad davonmachen, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung im Nachbarfenster wahrnahm.

Ein Zettel, der da noch nicht gewesen war, hing im Fenster, und ich trat neugierig näher.

[Schönen Tag]

Ich starrte das Blatt an, als wäre es das erste Mal, dass ich Papier sah. Natürlich hatten wir ausgemacht, dass wir dem Wunsch unserer Eltern nachkommen würden, aber ich war es so gewöhnt, mich aufzuregen, wenn ich in Lukas’ Fenster schaute, dass mich das Ausbleiben dieses Gefühls richtiggehend überraschte.

Ich blinzelte und las die Nachricht noch einmal. Aber dann entkam mir ein Schnauben. Schönen Tag? Das war ja mal so etwas von plump! Einfacher konnte man es sich selbst wohl nicht machen. Die mir bereits bekannte Gereiztheit breitete sich nun doch noch in meinem Magen aus, und obwohl es kein richtiger Zorn war, beruhigte mich das Gefühl paradoxerweise ein bisschen. Konnte er sich nicht mal etwas Originelles ausdenken?

»Langweiler«, grummelte ich und riss meinerseits ein Blatt von meinem Schreibblock. Wenn er jetzt erwartete, dass ich ihm ebenfalls einen guten Tag wünschte, dann hatte er sich geschnitten. Ich riss ein Stück Tesafilm ab und pappte den Zettel an die Scheibe.

[Den werd ich haben]

Schönen Tag. Pfff!

Als ich den Schulhof betrat, waren die meisten Schüler bereits im Gebäude verschwunden, und der große Pausenplatz war verwaist. In den Pausen herrschte hier lauter Tumult. Überall standen Schüler in schwatzenden Grüppchen, lehnten sich an die Bäume auf der angrenzenden Wiese oder saßen auf den Bänkchen darunter. Aber so früh am Morgen waren die meisten noch nicht wach genug, um groß Lärm zu machen.

Ich hingegen hatte bereits beste Laune. Überhaupt konnte ich nicht verstehen, wieso die Leute im Bus so ein miesepetriges Gesicht ziehen mussten, und wieso ihre blutunterlaufenen Augen blicklos in die Ferne gingen, wenn so ein schöner Tag herrschte. Es war warm, und am blauen Himmel zwitscherten die Vögel. Der schwere Duft von Lavendel lag in der Luft und vermischte sich mit dem schwachen Geruch der Abgase von der Straße her. Ein paar Schüler hetzten an mir vorbei, wohl in der Angst, zu spät zum Unterricht zu kommen. Dabei hatten sie noch alle Zeit der Welt. Ich grinste in mich hinein und lief die Treppe zur Tür hoch.

Meine beste Freundin konnte über mein aufgedrehtes Wesen oft nur die Augen verdrehen, und ihr Freund nannte mich einmal »ekelhaft kommunikativ«, was er nicht böse meinte, aber das wusste man nur dann, wenn man Alexej ein wenig kannte.

Der Russe war groß und breitschultrig, mit stechend blauen Augen. Alles in allem war er eine beeindruckende Erscheinung, und die meisten wussten schon, ohne dass er den Mund auftat, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen war. Die Schüler machten einen großen Bogen um ihn, ganz besonders, weil er nicht gerade für seine Geduld oder Sanftmut bekannt war. In der Vergangenheit hatte er für so einige Gerüchte gesorgt, war als Schulschläger bekannt, und ich müsste lügen, wenn ich behauptete, dass ich nicht Respekt vor ihm gehabt hätte.

Aber das ist eine andere Geschichte. Seit er Dinas Freund war, hatte er sich jedenfalls ganz schön verändert. Er war noch immer kein sanftes Lamm, aber hatte ich mir am Anfang noch Sorgen um Dina gemacht, so wusste ich mittlerweile, dass er ihr rettungslos verfallen war. Man sah es daran, wie er sie anschaute, wenn er sie zum Mittagessen abholte, ihr die Tasche klaute, um diese zu tragen und andere Schüler mit Blicken erdolchte, wenn diese sie anrempelten. Mehr als nur einmal erwischte ich die beiden in irgendeiner Ecke der Schule, wo sie die Welt um sich herum völlig vergessen hatten und erst auseinanderschreckten, wenn die schrille Schulglocke erklang.

Auch jetzt, als ich das Klassenzimmer betrat, sah ich die beiden schon von Weitem. Sie saßen ganz hinten, und Alexej hatte sich breitbeinig auf einen umgedrehten Stuhl gesetzt. Er lachte über irgendetwas, das Dina ihm erzählte. Ich blieb stehen und beobachtete, wie er ihr durch die Haare strich und an einer ihrer blonden Strähnen zog. Sie schlug nach ihm, und er fing ihre Hand ein, um diese zu einem Kuss an seinen Mund zu ziehen.

Ich seufzte still. Die zwei waren so süß zusammen, dass ich mir manchmal vorkam wie das fünfte Rad am Wagen. Aber ich freute mich aufrichtig für die beiden. Sie hatten einen steinigen Weg zurückgelegt, und obwohl ich nicht alles wusste, was so passiert war, verstand ich doch, dass Alexej einiges durchgemacht hatte, das ich mir nicht im Traum vorstellen konnte. Ihre Beziehung gab mir ein wenig Hoffnung, dass ich selbst kein so verlorener Fall war, wie ich dachte.

In meiner Zeit hier an der Schule hatte ich nur eine einzige, kurze Beziehung gehabt, aber diese war schon über drei Jahre her und hatte den ersten Monat nicht überlebt. Davor hatte ich nur in der Grundschule und im Kindergarten irgendwelche Schwärmereien gehabt, wie das halt so ist mit Kindern.

»Na, ihr zwei Turteltauben«, sagte ich, als ich mich auf den Tisch neben Alexej und Dina setzte und meine Tasche fallen ließ. »Wie läuft’s denn so im Paradies?«

Die beiden schauten gleichzeitig hoch, und Dinas Augen leuchteten auf, als sie mich erkannte. »Hey«, sagte sie und lächelte.

Alexej hingegen knurrte nur und erhob sich. Er schob den Stuhl mit einem Quietschen zurück, beugte sich hinunter, um Dina einen Kuss auf den Mund zu drücken, und schenkte mir ein knappes Nicken. Dann schulterte er seinen Rucksack und wendete sich ab, um in seine Klasse zu gehen. Ich schaute ihm nach, wie er durch die Tür verschwand, und wackelte dann anzüglich mit den Augenbrauen, als ich mich neben Dina auf den Stuhl fallen ließ. Sie wurde ein wenig rot, zuckte dann aber mit den Schultern und grinste breit. Ich grinste zurück, denn es gefiel mir, dass sie in den letzten Monaten so viel Selbstvertrauen dazugewonnen hatte.

Ich wollte ihr gerade von den neuesten Ideen meiner Eltern berichten, als die Englischlehrerin die Klasse betrat und mit einem lauten »Good morning!« für Ruhe sorgte. Also beschloss ich, es auf später zu verschieben, und konzentrierte mich auf die Stunde. Doch obwohl ich aufmerksam nach vorne schaute und mir die Vokabeln zu merken versuchte, die Frau Hinrich an die Tafel kritzelte, erwischte ich mich wenige Minuten später dabei, wie ich abdriftete und in meine eigenen Gedanken abtauchte.

Draußen wehte der Wind durch die Baumkronen, und durch die geöffneten Fenster drangen die Geräusche der Straße herein. Ich dachte darüber nach, was ich in meinen Ferien alles tun wollte und wie sehr ich mich darüber freute, sturmfreie Bude zu haben. Zwar würde Lukas ebenfalls da sein, aber ich war mir sicher, dass er sich die ganzen sechs Wochen nicht aus seiner Höhle bewegen würde, außer vielleicht, um zum Training zu gehen. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob das auch während der schulfreien Tage stattfand. Gehörte sein Verein überhaupt der Schule an, oder war es ein unabhängiges Schwimmteam? So genau wusste ich nicht darüber Bescheid.

Ich stützte mein Kinn auf meine Hände und verfolgte abwesend die Erklärung von Redewendungen.

Als ich sieben Jahre alt war, hatte meine Mutter mich einmal zu einem der Kinderschwimmturniere mitgenommen. Dort hatte ich Lukas das letzte Mal schwimmen sehen. Er hatte mit den anderen Kindern im Becken herumgetollt und mit einem seiner Freunde herumgeblödelt, als es an den Start ging. Natürlich hatte er nicht den ersten Platz belegt, dazu war er viel zu langsam gewesen, und es wirkte auch nicht so, als hätte er es besonders ernst genommen.

Ob er immer noch so eine Schildkröte war? Die Vorstellung, wie er hinter seinen Teamkollegen herkrebste, brachte mich zum Kichern. Ich stellte mir vor, wie Lukas in einem Panzer steckend auf dem Wasser dahinpaddelte, und immer wenn einer vorbeischwamm, den Kopf und alle viere einzog.

Ich grinste. Er war bestimmt ein Klotz am Bein der anderen. Aber vielleicht waren sie ja auch alle so schlecht wie er. Die Vereine der Nachbarstädte veranstalteten regelmäßig irgendwelche Wettkämpfe, aber ich hatte noch nie gehört, dass wir daran teilgenommen hätten. Schien ganz so, als wäre unser Schwimmclub der Loser unter den Vereinen. Wieder kicherte ich.

»Sara!«, zischte es neben mir, und Dina grub mir den Ellbogen in die Seite. Ich schaute auf und begegnete ihrem entgeisterten Blick.

»Was denn?«, zischelte ich zurück. Aber da fiel mir auch schon auf, dass meine Stimme ungewöhnlich laut klang. Die ganze Klasse war verstummt und starrte mich an.

»Wenn Sie dann fertig sind mit Ihren sicherlich sehr amüsanten inneren Monologen«, schalt Frau Hinrich und schob empört blinzelnd ihre Brille hoch, »dann wäre ich Ihnen äußerst verbunden, wenn Sie uns mit Ihrer geistigen Anwesenheit beehren würden.«

»Ähm«, entkam es mir.

Niemand bei rechtem Verstand würde es sich mit der pummeligen Lehrerin verscherzen wollen. Denn so zerstreut sie normalerweise auch war, ihre Strafen, wenn sie wirklich einmal wütend wurde, waren legendär. Und gemessen an ihrem Blick war heute einer dieser Tage, an dem man sie auf dem falschen Fuß erwischen konnte.

Sie tippte nur mit einem langen Finger auf die Seite des Buches, das sie in der Hand hielt und schnarrte: »Seite 43!«

Dina kicherte, als wir den Gang hinunterliefen und dem Mathematikzimmer zustrebten.

»Hör auf«, grummelte ich, aber sie kicherte nur noch mehr.

»Du sahst aus, als hättest du einen sehr interessanten Tagtraum.« Sie zwinkerte mir zu und fragte: »Worum ging es denn? Oder sollte ich eher fragen, um wen?«

Ich blieb stehen. Dina lief noch ein paar Schritte weiter, ehe sie bemerkte, dass ich zurückgeblieben war.

Ihre Augen verengten sich, als hätte ich sie mit meiner Reaktion erst recht neugierig gemacht. »Sag nicht, es ging wirklich um einen Typen?«, sagte sie. »Der Gesichtsausdruck hat jedenfalls gepasst, aber ich kann mich nicht erinnern, dass du auf irgendwen hier ein Auge geworfen hättest.«

»Hab ich auch nicht«, sagte ich und schaute sie empört an. Die Typen an dieser Schule gingen mir alle so ziemlich am Hintern vorbei. Die meisten davon waren nervige, spätpubertierende Pickelgesichter mit schlechtem Atem und Benehmen. Ganz besonders abstoßend fand ich diejenigen, die zu viel Aftershave benutzten, obwohl sie nicht mal genügend Haare im Gesicht hatten, um den Kauf einer Rasierklinge zu rechtfertigen.

Ich konnte diese Möchtegernmänner nicht leiden. Warum konnte ein Junge nicht einfach dazu stehen, dass er kein protziger Frauenschwarm war, der jede Woche eine andere hatte – was mal so etwas von gelogen war, wenn man die anschaute. Was war falsch daran, einfach nur ein Teenager zu sein, der zur Schule ging und sich einigermaßen anstrengte?

Dina räusperte sich, und ich stöhnte. »Ich habe an niemanden gedacht, den ich leiden kann.«

Meine Antwort war vage formuliert und ließ verschiedene Schlüsse zu, aber im Grunde stimmte es ja. Ich konnte Lukas nicht leiden. Er gehörte zwar nicht zu diesen Möchtegerns, aber er war auf seine ganz eigene Art unerträglich. Unerträglich still. Unerträglich giftig. Unerträglich … ach, unerträglich eben!

Ich winkte ab und wechselte das Thema. Zuerst wollte ich ihr von den Plänen meiner Eltern erzählen, um sie abzulenken, aber ich fürchtete, dass ich damit genau das Gegenteil erreichen würde und verriete, über wen ich eigentlich nachgedacht hatte. Also hakte ich mich bei ihr ein und sagte: »Hast du schon überlegt, ob du auf die Sommerparty gehst?«

Sie warf mir einen skeptischen Blick zu, entschied sich dann aber, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ihr musste klar sein, dass ich ihr früher oder später sowieso alles erzählen würde. Wir hatten selten Geheimnisse voreinander.

»Ich weiß nicht so recht«, sagte sie.

Alexej und Dina waren gemeinsam eingeladen worden, und obwohl sie normalerweise alles, was nach Party aussah, mieden wie die Pest, konnten sie sich diesmal nicht drücken. Die Einladung war nämlich von Vanessa gekommen, einer Freundin der beiden, die aufs Nachbargymnasium ging, an dem auch Lukas war. Es gab einen Schüler dort, der jedes Jahr eine riesige Fete veranstaltete, auf die sämtliche Schüler eingeladen waren, die zum näheren Bekanntenkreis gehörten. Und in diesem Jahr hatten wir alle dank der temperamentvollen Spanierin eine Eintrittskarte bekommen.

»Ach komm schon«, sagte ich, »du wirst sehen, das macht Spaß!«

»Ja?«, fragte sie und schnalzte mit der Zunge. »Das hast du damals mit dem Cocktailkleid auch gesagt, und hattest du damit recht? Nein.«

»Hey«, wandte ich beleidigt ein, »du kannst dich über den Tag, als wir einkaufen waren, echt nicht beschweren, wenn man bedenkt, wie er geendet hat.«

Dina rollte mit den Augen, aber ich sah, wie sie rot anlief. Als ich daran dachte, wie sie Alexej kennengelernt hatte, musste ich automatisch seufzen. Manchmal wünschte ich mir, dass ich ebenfalls jemanden kennenlernen würde, mit dem ich mich so streiten und den ich so lieben könnte, wie die beiden es taten. Aber stattdessen gab es nur einen Idioten in meinem Leben, über den ich mich auch noch dann ärgerte, wenn ich eigentlich die Pause genießen sollte. Ich schnaubte und verdrängte sämtliche Gedanken an diesen Hinterwäldler aus meinem Kopf.

»Na ja«, seufzte Dina neben mir, »wir kommen eh nicht drum herum. Wetten, Vanessa zwingt uns dazu, Ja zu sagen, noch ehe wir einen Kaffee bestellt haben?«

»Einen Kaffee bestellt?« Ich verstand nicht, was sie meinte.

Dina schnalzte wieder mit der Zunge. »Sag nicht, dass du es vergessen hast.«

»Was vergessen?«

»Wir treffen uns heute nach der Schule mit ihr. Sie und ein paar Freunde ihrer Schule. In dem kleinen Café an der Ecke, klingelt da was?«

Oh! Das hatte ich tatsächlich völlig vergessen. Aber wenn ich mich recht erinnerte, dann hatte Vanessa von Freunden nie etwas gesagt. Aber egal. Ich zuckte mit den Schultern. Je mehr, desto besser, oder?

Kapitel 4 –Aufziehende Wolken

Die Glöckchen über der Tür bimmelten, als ich sie aufstieß.

Dina seufzte auf. Bis Mittag waren die Temperaturen auf ein Höchstmaß geklettert, und der Wind hatte nachgelassen, sodass es schön war, der Hitze zu entkommen und von wohltuender Kühle umfangen zu werden. In den Schulzimmern staute sich immer alles, selbst wenn man die Fenster aufriss, und das machte den Unterricht doppelt unangenehm.

Ich zupfte an meinem Shirt, das an meiner Haut klebte, und blickte suchend über die Gäste hinweg. Der leckere Geruch von frisch gebrühtem Kaffee und Apfelkuchen hing in der Luft, und obwohl es erst früher Nachmittag war, gab es kaum freie Tische. Lautes Stimmengewirr schlug uns entgegen, als die Tür sich schloss und den Lärm der Straße dämpfte. Die Kellnerin flitzte hin und her und balancierte dabei ein Tablett mit Getränken auf einer Hand. Die Frau hinter der Theke warf uns ein freundliches Lächeln zu und fuhr dann fort, die Auslagen zu sortieren.

Offenbar waren wir nicht die einzigen Schüler, die auf die Idee gekommen waren, hier einen Zwischenstopp einzulegen. Ich entdeckte einige Leute aus unseren Parallelklassen und der Stufe unter mir, aber Vanessa war nirgends zu sehen.

Erst als wir den Raum durchquert hatten, erklang Vanessas Stimme plötzlich aus der hintersten Ecke: »Hier hinten, wir haben euch Plätze frei gehalten!«

Einige Leute drehten die Köpfe nach ihr um, als sie aufsprang und winkte. Vanessa war ebenso wenig auf den Mund gefallen wie ich. Allerdings fügte sie der explosiven Mischung eine Art Eleganz hinzu, die mir gänzlich abging. Die Spanierin hatte glatte dunkle Haare, als wäre sie eben einer Shampoowerbung entsprungen, und sorgfältig gezupfte Augenbrauen. Ihre Haut hatte einen olivfarbenen Unterton, und ihre mandelförmigen Augen verliehen ihrem Gesicht einen hochmütigen Zug, besonders, da sie diese stark betonte. Erst wenn man sich ein wenig mit ihr unterhielt, wurde klar, dass sie nicht halb so arrogant war, wie sie in den Designerklamotten wirkte.

Ein breites Grinsen formte sich auf ihrem Mund, als wir an ihren Tisch kamen, und sie gestikulierte in die Runde. »Leute, das sind Dina und Sara!«

Ich ließ meinen Blick über die Leute am Tisch schweifen und zählte drei Jungs und zwei weitere Mädchen. Eines davon, eine Asiatin, hatte auffällig gefärbte Haare und einen Ring in der Nase, das andere war eine Rothaarige, die schüchtern lächelte und sich an ihren Freund lehnte. Dieser nickte freundlich, wandte sich dann aber wieder seinen Kumpels zu, die gerade lange genug aufschauten, um uns auf der Eckbank Platz zu machen.

Mein besorgter Blick huschte kurz zu Dina, die sich normalerweise unter Fremden nicht so wohlfühlte, aber Vanessa hatte sie bereits in Beschlag genommen, und so entspannte ich mich. In Hye, das Mädchen mit dem Piercing, und Bianca, die sich nun doch noch von ihrem Freund löste, um Dina zu begrüßen, beteiligten sich bald an dem Gespräch, und ich wandte mich lächelnd den Jungs mir gegenüber zu. Die beiden beugten sich über ein Handy und schrien unisono auf, als auf einmal ein lautes Gelächter und unterdrückte Flüche aus den Lautsprechern erklangen.

»Ich hab dir gesagt, er hat ihn voll in die Eier bekommen!«, lachte einer von ihnen. »Er lag da mindestens zehn Minuten, wir haben uns echt nicht mehr eingekriegt! Guck, das Gesicht!« Er tippte auf den Bildschirm und begann wieder zu lachen. »Echt Scheiße, dass du gefehlt hast«, fuhr er dann aber fort und wurde wieder ernst.

Erst jetzt fiel mir auf, dass der Junge neben ihm ein paar Krücken gegen die Sitzfläche gelehnt hatte. Als er aufschaute, sah ich, dass er tiefblaue Augen hatte. Seine rötlichen Haare waren kurz geschnitten und mit Gel in Form gebracht. Er sah ganz gut aus und schien es auch zu wissen, denn als er bemerkte, dass ich ihn musterte, zwinkerte er nonchalant.

»Hey du«, sagte er, »Sandra, oder?«

»Sara«, korrigierte ich ihn und hob herausfordernd eine Augenbraue.

»Oh, okay«, sagte er, lächelte dann aber wieder und nickte. »Sara, alles klar. Ich bin Raphael. « Als ich nichts weiter sagte, fuhr er fort: »Und, Sara, was machst du hier so?«

Ich versuchte nicht zu zeigen, wie platt ich diese Frage fand, sondern lächelte zurück und sah darüber hinweg. Schon sehr bald waren wir in ein Gespräch vertieft, und ich stellte überrascht fest, dass Raphael keineswegs plump daherredete oder hohle Sprüche klopfte, wie ich das zuerst vermutet hatte. Als ich nach dem Video fragte, trat ein begeistertes Funkeln in seine Augen.

»Fußball«, sagte er. »Wir spielen in einem Verein an unserer Schule, und beim letzten Spiel hat Freddie, der Torwart, den Ball ziemlich übel abbekommen.«

»Und ihr habt das gefilmt?«, fragte ich skeptisch.

»Nicht absichtlich. Torben hier filmt fast bei jedem Spiel, aber er kann sich das auch leisten, er sitzt eh immer auf der Ersatzbank«, sagte er grinsend und bekam dafür einen Ellbogen in die Seite. »Er glaubt, dass wir uns verbessern können, wenn wir uns selbst spielen sehen.«

»Ist ja auch so«, brummte Torben abwesend und wandte sich dann wieder seinem Handy zu, ohne uns weiter zu beachten.

In diesem Moment tauchte die Kellnerin auf, zückte ihren Block und nahm die Bestellungen entgegen.

Als sie wieder weg war, sagte Raphael: »Leider kann ich seit letztem Mal nicht mehr mitspielen, bis mein Fuß wieder in Ordnung ist.« Er klopfte missmutig auf die Krücken und deutete unter den Tisch.

Ich brauchte einen Moment, bis ich kapierte, was er wollte, aber dann warf ich einen Blick darunter und sah, dass er eine Schiene trug, die bis zur Mitte seines Unterschenkels ging.

»Angerissene Bänder«, erklärte er und verzog das Gesicht. »Bin beim Training vor zwei Wochen doof umgeknickt. Dabei haben wir uns gerade erst eingespielt, und dann konnte ich nur noch rumsitzen. Dumm gelaufen, würd ich sagen.«

Ja, das hätte man wohl so sagen können. Man konnte ihm allerdings ansehen, wie sehr es ihn ärgerte.

»Tut mir leid«, sagte ich, aber er winkte ab.

»Ist halt doof jetzt im Sommer.«

Ich verstand genau, was er meinte. Ich wollte mir die brütende Hitze unter einem solchen Verband gar nicht vorstellen.

»Und das Rumgehampel an den Krücken geht mir auch auf die Nerven. Aber da muss ich jetzt durch«, sagte er.

»Wie lange dauert das denn, bis du wieder spielen kannst?«, fragte ich, und Raphael, der sich anscheinend darüber freute, dass ich mehr wissen wollte, begann von seinem letzten Arzttermin zu reden.

Schon sehr bald ging unser Gespräch aber wieder Richtung Sport, und er erzählte mir von verschiedenen Taktiken und Trainingsmethoden. Er geriet richtig ins Schwärmen. Bald bekam ich kaum mehr ein Wort dazwischen, aber er hatte eine lebhafte Art zu erzählen, mit bewegter Mimik und ausladender Gestik, und so lauschte ich seinen Ausführungen mit einem Lächeln, obwohl ich die Hälfte davon nicht verstand. Ihn schien es eher noch anzuspornen, dass ich so ahnungslos war, und so lernte ich in der nächsten halben Stunde alles über Strafräume, Freistöße und Spielerpositionen, bis mir der Kopf schwirrte. Er zählte mir die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Spielers in seiner Mannschaft auf und ging dann irgendwie zum FC Bayern München über. Wie genau er den Sprung gemacht hatte, wusste ich nicht mehr, denn ich hatte längst den Faden verloren. Als Raphael zu den Fouls kam, nickte ich nur noch und beobachtete, wie sich sein Mund bewegte und seine Hände durch die Luft fuchtelten. Der Staub tanzte in der Sonne, die nun schon beträchtlich tiefer stand, und ich überlegte, ob Lukas vielleicht schon zu Hause war oder ob er auch heute wieder ins Training gehen würde.

Selbst das summende Geräusch an Stimmen um mich herum trat langsam in den Hintergrund. Unsere eigene Schule hatte mit Sport ziemlich wenig am Hut. Aber am Nachbargymnasium sah das wohl anders aus. Ob das einer der Gründe war, weshalb Lukas dort hingegangen war? Eigentlich hätte er ja auch auf meine Schule gehen können, sie war nämlich um einiges näher und sehr viel besser mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.

Wären wir dann vielleicht sogar in einer Klasse? Die Vorstellung war ziemlich komisch. Wenn ich ihn nicht nur zu Hause sehen müsste, sondern auch im Unterricht. Ich konnte mir vorstellen, wie das laufen würde. Wir wären ständig am Streiten und vermutlich der Schrecken der Lehrer. Wahrscheinlich hätte man uns bald in zwei verschiedene Klassen gesteckt. Aber wir hätten auch auf dem Flur genügend Gelegenheiten gefunden, einander böse Worte an den Kopf zu werfen. Wie das wohl abgelaufen wäre? Ich war so an die Zettel gewöhnt, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie ein tatsächlicher Streit zwischen uns ausgesehen hätte. Ich konnte mich nicht mal genau an Lukas’ Stimme erinnern. War sie tief? Lispelte er? Wahrscheinlich zischelte er wie eine Schlange.

Ich grinste. Ich musste aufhören, ihn mit Reptilien zu vergleichen. Aber er wirkte immer so kalt. Ein Kaltblüter. Genau.

Obwohl, hatten wir in Biologie nicht gelernt, dass es »wechselwarm« hieß? Tiere, deren Körpertemperatur sich je nach Umgebung veränderte. Wenn sie in einer kühlen Höhle oder im Schatten auf einem Stein lagen, dann sank diese, und wenn sie zu niedrig war, legten sie sich in die Sonne. Oder sie schmiegten sich dicht aneinander und überwinterten in dichten Knäueln, um sich gegenseitig zu wärmen. Ein seltsames Gefühl breitete sich in meinem Magen aus.

»Sara? Hey? Hörst du mir zu?«

Ich blickte auf und begegnete Raphaels fragendem Ausdruck.

»Äh, klar«, sagte ich schnell, »klar hör ich dir zu.«

Hoffentlich fragte er nicht danach, was er als Letztes gesagt hatte. Aber Raphael schien zufrieden mit meiner Antwort. Oder er nahm es mir ganz einfach nicht übel, denn er lächelte mich an und nahm den Faden nahtlos wieder auf. »Also auf jeden Fall hat Amir von links angetäuscht und –«

Ich runzelte die Stirn. »Sag mal, habt ihr einen Schwimmclub?«

Raphael stutzte, offensichtlich aus dem Konzept gebracht. Allerdings war er nicht der Einzige, der sich über meine Frage wunderte. Für einen Moment war ich mir sicher, dass ich ihn mindestens ebenso überrascht anschaute wie er mich. Hatte ich das wirklich gerade gefragt?

»Ähm«, sagte er und kratzte sich am Hinterkopf. »Wie meinst du das?«

Sein Gehirn hatte offenbar Schwierigkeiten, vom Thema Fußball wegzukommen. Also entschied ich mich, ihm auf die Sprünge zu helfen. »An eurer Schule. Gibt’s da einen Schwimmclub?«

Raphael zuckte mit den Schultern und sagte: »Keine Ahnung, aber ich glaube nicht. Hab zumindest noch nie davon gehört. Wieso?«

Ja, wieso eigentlich?

»Ach, nur so. Ich kenne da jemanden, der in einem solchen Verein ist, und der geht an eure Schule.«

»Echt?«, sagte er. »Wer denn? Vielleicht kenn ich ihn.«

»Lukas«, sagte ich. Es fühlte sich seltsam an, seinen Namen auszusprechen. Ich redete nie über ihn. Zumindest nicht mit jemand anderem als Dina oder zu Hause mit meinen Eltern. Fast fühlte es sich verboten an, ihn jemand anderem gegenüber zu erwähnen. Als würde ich meine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen.

»Lukas«, wiederholte Raphael langsam, und er musterte mich ein wenig scheu. Als er wieder sprach, wurde mir auch klar warum. »Dein Freund?«

»Lukas und ich? Nein, o Gott. Sicher nicht.«

Ich schüttelte den Kopf bei dieser abstrusen Idee, und Raphael fand sein Lächeln wieder. Die Erleichterung, die sich in seinem Gesicht spiegelte, schmeichelte mir mehr, als ich zugeben wollte.

»Hm.« Er lehnte sich zurück. »Wie heißt er denn noch?«

»Heller«, grummelte ich und rührte in meiner Kaffeetasse. »Lukas Heller.«

Der Löffel kratzte über den Grund der Tasse und machte dabei ein Geräusch, das mir unangenehme Schauder über den Rücken jagte. Ich mochte es nicht, wenn etwas so kratzend klang, als ob jemand seine Fingernägel über eine alte Wandtafel zöge.

Eklig. Brrr!

Ich hob den Löffel, um ihn abzulecken, als ich auf einmal merkte, dass es am Tisch still geworden war. Raphael starrte mich an. Sekunden vergingen, in denen keiner etwas sagte. Nur Dina und Vanessa plapperten fröhlich weiter und lachten. In Hye und Bianca hingegen waren ebenfalls verstummt. In ihren Gesichtern konnte ich nicht lesen, was sie dachten. Aber In Hye senkte die Augen, als ich sie fixierte, und stupste Bianca an, die mir daraufhin ebenfalls auswich. Als ich mich Raphael wieder zuwandte, erwischte ich ihn dabei, wie er Torben einen warnenden Blick zuwarf.

»Ähm, okay«, sagte ich.

Doch noch ehe ich nachhaken konnte, tauchte die Kellnerin auf und fragte, ob wir noch etwas wollten. Die meisten verneinten, und so bezahlten wir, und sie wünschte uns noch einen schönen Abend.

Als sie wieder ging, war die seltsame Atmosphäre verschwunden, als hätte es sie nie gegeben, und als Torben und Raphael sich wieder über Fußball unterhielten und der Rest der Gruppe sich entschied, dass sie langsam nach Hause wollten, fragte ich mich, ob ich mir das alles gerade nicht nur eingebildet hatte.

Wenig später verließen wir das Café, und Vanessa hakte sich bei mir ein. »Und wie sieht’s bei dir aus?«, fragte sie fröhlich. »Du musst einfach kommen! Die Sommerparty ist die beste im ganzen Jahr! Die haben einen Pool, einen umwerfenden Garten, und die Nachbarn sind super drauf! Wir können Krach machen, solange wir wollen!«

Ihr Enthusiasmus belustigte mich, und das komische Gefühl, das ich eben noch gehabt hatte, verschwand gänzlich. »Klar komm ich«, sagte ich, und Raphael drehte sich interessiert zu uns um.

»Wirklich?« Seine Augen funkelten. »Ich geh auch hin. Vielleicht sehen wir uns dort?«

Vanessa lachte und zog eine Grimasse, die nur ich sehen konnte. »Da hat wohl jemand einen Verehrer«, wisperte sie, gerade so laut, dass ich hoffen konnte, er hätte es nicht gehört.