Alles wegen Atze - Michael Adler - E-Book

Alles wegen Atze E-Book

Michael Adler

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Beschreibung

In der norddeutschen Tiefebene zwischen Oldenburg und Ostfriesland liegt das Ammerland. Dort oben zwischen den großen Mooren, den Baumschulen und den Feldern der Bauern in der weiten Ebene liegt ein kleiner Bauernhof, besser gesagt ein Resthof. Meist sind es die Städter, die sich einen solchen Hof zurechtmachen, um auf die "andere Art" zu leben und dann von den Bauern im Umfeld mit viel Skepsis betrachtet werden. Auf unserem Hof lebt eine solche Familie, besser gesagt eine Restfamilie. Jannik, Hanna und Mama Stark und Beute der Schäferhund und sieben Hühner, vier Katzen, zwei Pferde, ach nein drei Pferde. Gelegentlich verliert Mama Stark die Übersicht und ein weiteres Tier ist ihr eigentlich zu viel, eigentlich. Eigentlich?! Es ist zu viel! Doch es ist da. Ein Maultier: Ein kleines, hässliches, unbeholfen tapsiges, unausstehlich brüllendes Maultier. Ein Maultier im Ammerland? Dort wo Pferdesport und Pferdezucht einen besonderen Stellenwert haben. Vorsichtig ausgedrückt: Wenn man in diesem Zusammenhang nicht das Wort "Majestätsbeleidigung" gleich daneben schreiben möchte, dann sollte man das Ganze besser verschweigen. Ja, das wäre vielleicht besser. Doch das ist kaum möglich, weil dieses Maultier Jannik Stark gehört und der möchte gar nichts verschweigen. Im Gegenteil der möchte beweisen, dass ein Maultier und sei es noch so hässlich und unmöglich, Gleiches leisten kann, wie ein großes Pferd. Mama Stark schwant das Schlimmste aber sie hat sich ja nun mal alles selber eingebrockt.

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Die Ereignisse und Personen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

„Wir müssen los!“ Frau Stark wartete am offenen Wagenschlag ihres kleinen Lieferwagens und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den oberen Rand der Autotür. „Kann ich nicht zu Hause bleiben?“ Hanna stand immer noch auf der Steinstufe, die zur Haustür des kleinen Bauernhauses hinaufführte und mühte sich, den Hausschlüssel herum zu drehen. „Mama, es klemmt wieder.“ „Du musst die Tür anziehen, kräftig, dann geht es auch.“ Mutter Stark wurde noch ungeduldiger, als sie ohnehin schon war. Es war spät und bis sie in Aurich auf dem Markt waren, würden die besten Sachen wieder weg sein.

Aber so war das eben, wenn man berufstätig, alleinstehend oder fast alleinstehend, mit zwei Kindern und einem kleinen Bauernhof dastand und Samstagmorgen der einzige Tag war, an dem man halbwegs in Ruhe einkaufen konnte. Aurich war zwar etwas weiter, aber es galt neben den Lebensmitteln für die Familie noch das ein oder andere für den Hof zu besorgen und in Aurich gab es auch die Angebote für Landwirte und Pferdehalter.

Hanna schien zu verzweifeln. Frau Stark ging kurz entschlossen zurück, gab der Tür den notwendigen Ruck und drehte den Schlüssel um. Dann zerrte sie Hanna mit zum Wagen. „Los jetzt, der Markt wartet nicht auf uns.“ Jannik saß schon auf der Vorderbank des klapperigen Pritschenbusses und drehte das Steuer nach links und nach rechts. „Brumm, Bruuumm.“ Er legte sich auf die rechte Seite und zog das Steuerrad herum. „Los Jannik, rück mal.“ Jannik wurde in die Mitte geschoben und Hanna kletterte in der Zwischenzeit von der anderen Seite ins Führerhaus. „Warum kann ich denn nicht beim Fohlen bleiben?“, quengelte Hanna noch einmal, wohl wissend, dass jede Diskussion inzwischen zwecklos war, denn der Motor lief und das Auto knirschte über den Feldweg auf die asphaltierte Straße zu.

Das Fohlen war erst wenige Wochen alt und wenn die Starks unterwegs waren, musste es natürlich bei seiner Mutter im Stall bleiben aber kaum durften sie auf die Weide hinter dem Haus, dann schien es als gäbe es nichts Schöneres für das Fohlen als sich mit der Mutterstute in Kraft und Schnelligkeit zu messen. Das war natürlich noch viel zu früh und es endete meist damit, dass es nach einigen aufgeregten Sprüngen ganz schnell das prall gefüllte Euter suchte, während Lisa es geduldig gewähren ließ.

Hanna war bei der Geburt dabei gewesen und die Familie hatte beschlossen, dass es Ronda heißen sollte und Hanna es pflegen durfte. Das Fohlen würde eine Schönheit werden auch wenn es noch etwas struppig war, konnte man es erahnen. Dunkles Kastanienbraun mündete in den Fesseln und in der Mähne in Schwarz und auf der Stirn leuchtete ein weißer Stern.

Der Markt in Aurich war bereits im vollen Gange, die ersten Bauern bauten schon wieder ab, sie hatten gut verkauft. Die Leute kamen aus ganz Ostfriesland nach Aurich zu Markt. Hanna half ihrer Mutter tragen. Einmal hatten sie schon die vollen Taschen in den kleinen Lieferwagen gepackt, den Sack Kartoffeln, das Gemüse, die Äpfel und inzwischen waren sie ein zweites Mal unterwegs. Hanna balancierte eine Stiege mit Eiern, Jannik hopste und sprang wie ein Kaninchen hinterher, obwohl ihn die Baumwolltasche mit dem Schweinebraten, den Mohrrüben und dem Käse eigentlich auf der Erde halten musste. „Ich brauche noch einen Striegel und der eine Hufkratzer ist auch verschwunden.“ Frau Stark steuerte dem Teil des Marktes zu, wo die Stände mit Ausrüstung und Futter für Tierhalter waren. Von weitem hörten sie ein Quäken und Blöken, als werde eine Herde Schafe durch den Markt getrieben, doch Fehlanzeige, kein Schaf weit und breit. Stattdessen wurde das Geräusch, das sich auch zeitweise wie das grobe Scheppern eines Blecheimers anhörte, immer lauter. „Das ist ja entsetzlich“, stieß Frau Stark hervor. Keine zehn Meter entfernt war an einen Stand ein junges Maultier angebunden und schrie sich die Seele aus dem Leib. Es war höchsten siebzig Zentimeter hoch, hatte den Hals nach vorne geschoben, bleckte den kleinen nach vorne stehenden Kiefer und wieherte und schrie in einer Tour. „Oh, Gott.“ Frau Stark blieb stehen, Hanna blieb stehen. Die Marktbesucher machten um den Stand einen großen Bogen.

Leder Bruns stand ungerührt daneben, kratzte sich den Kopf und schien zu überlegen, was zu tun sei. „Moin“, Mutter Stark dachte an ihren Hufkratzer. „Wo haben sie den denn her?“ Sie konnte eine gewisse Abneigung nicht verbergen. „Der kommt von Rüssmann sein Stall“, antwortete Leder Bruns und war etwas verlegen. „Soll ich aber nech sagen, wo er her ist, sonst erfährt noch alle Welt, wo das Unglück passiert is.“ Leder Bruns schaute bedeutungsvoll. „De Henning Rüssmann hat ´secht, dat er ihn wohl ersäufen lassen will, da han ick ihn ma besser mitgenommen.“ Er schaute Frau Stark vielsagend an.

Jannik hatte sich inzwischen vor dem kleinen Wesen aufgebaut und schaute es prüfend an. „Es ruft nach seiner Mama“, diagnostizierte er und mit vorwurfvollen Blick zu Leder Bruns „Und Hunger hat es auch.“ „Was wollen sie denn damit machen“, fragte Frau Stark. „Na, für sagen wir fofftig Talers, wär da schon wat to maken“, meinte Leder Bruns, „aber nur für jemanden, der wat davon versteht.“ „Nein, nein um Himmels Willen, ich will ihn nicht haben.“ Frau Stark trat unwillkürlich zwei Schritte zurück. „Warum nicht Mama, der braucht doch jemanden.“ Jannik war inzwischen auf das Tier zugegangen und hielt ihm eine Möhre hin, die er aus seinem Einkaufsbeutel gezogen hatte. Sofort suchten zwei dicke Lippen nach der dargereichten Köstlichkeit. Das Tier klappte die Ohren nach vorne, beruhigte sich und begann an der Mohrrübe zu lecken und zu kauen. Für einen Augenblick schien es das Unglück vergessen zu haben, dass es so herzerweichend oder doch eher knieerweichend hatte schreien lassen. „Wir könnten es gemeinsam mit dem Fohlen aufziehen“, schlug Jannik vor. Für seine elf Jahre machte er höchst pragmatische Vorschläge. „Das kommt gar nicht in die Tüte“, sprang Hanna dazwischen. „Lisa ist schließlich die Mama vom Fohlen, nicht von dem da.“ „Das ist ungerecht“, schrie Jannik plötzlich, „Ich will auch ein Fohlen und ich will den da.“

Frau Stark verschlug er für einen Augenblick den Atem. Nicht noch ein Tier, das wäre jetzt einfach zu viel. Der kleine Hof, der ja eigentlich kein ganzer Hof war, beherbergte inzwischen zwei Großpferde, das Fohlen, den Haflinger, Beute, den alten Schäferhund, Mia, die Hauskatze, daneben drei weitere Katzen, die gar nicht dazugehörten, aber inzwischen auch da wohnten, sieben Hühner, zwei Entenpaare auf die man ständig achten musste, denn der nahegelegene Weiher war auf der andere Seite der Landstraße und die Enten überquerten diese Straße, wann immer es ihnen beliebte, brav im Entenmarsch, eine hinter der anderen und es blieb nicht aus, dass Frau Stark von Zeit zu Zeit in ihrer Küche das verdächtige Quietschen von Autoreifen vernahm, ein paar freche Raben, die versuchten den Hühner das Futter zu stehlen und die wirklich nicht zum Hof gehörten und zu allem Überfluss musste im letzten Frühjahr Thomas auch noch mit einem schottischen Highland Rind ankommen, das er einfach toll fand, das wie ein Scheunendrescher fraß und zu nichts nutze war, außer man wollte es schlachten. Aber auf dem Hof wurde nichts geschlachtet. „ ... weil wir schließlich hier gemeinsam leben und nicht gemeinsam schlachten.“ In diesem Punkt kannte Frau Stark überhaupt keinen Spaß.

Die Kaninchen im Stall hinter dem Schuppen waren ihr für einen Augenblick in ihrer Aufzählung entfallen. ... und jetzt auch noch dieses schreiende, blökende kleine Teufelchen, dass so blöde aussah, dass man annehmen musste, es rennt vor den nächsten Baum glatt davor, wenn es losgebunden werden würde. Das kam nicht in Frage. Es reichte!

Jannik stellte sich vor seiner Mutter auf. Er stemmte seine kleinen Fäuste in die Hüften. „Ein richtiger kleiner Stark“, dachte Frau Stark für einen Augenblick, „Ganz wie sein Opa.“ Sie wusste was jetzt kam, der kleine Mann war fest entschlossen. Nun gut, Schlagabtausch. „Ich will dieses Maulpferd haben“, Jannik funkelte sie von unten an. „Das ist meines.“ „Es heißt nicht Maulpferd, Du Dummerchen es heißt Muli“, krähte Hanna dazwischen. „Ich will, ich will das gibt’s nicht“, antwortete Frau Stark. Der Konter war gut vorbereitet gewesen, leichte Übung. „Ich bleibe hier.“ Jannik hatte nach gelegt und brachte es noch fertig: „Außerdem ist es mir egal, wie es heißt: Muli oder Kuli oder sonst was.“ Seine Lippen pressten sich fest zusammen. „Jannik, hör zu.“ Zu spät, sie merkte, dass sie einen Millimeter zurück gewichen war. Hanna platzte dazwischen: „So ein hässliches Vieh, da lachen ja die Nachbarn.“ „Es ist mir egal, ob es hässlich ist. Ich hab es lieb“, stieß Jannik hervor. „Mama Du hat doch immer gesagt, wenn man etwas lieb hat, ist es egal ob es hübsch oder hässlich ist!“ Jannik hatte aus der Tiefe seiner Seele gesprochen. Das war ein Volltreffer. Frau Stark schaute ihren Sohn an. Sie seufzte tief. Die Zitadelle war gefallen, mit einem Streich.

Die Rückfahrt verlief ebenso eigentümlich, wie sie auch einsilbig verlief. Jannik saß höchst befriedigt zwischen seiner Mutter und seiner großen Schwester in der Mitte auf der Sitzbank. Hanna war sauer und trat in Abständen von innen gegen das Autoblech des alten Pritschenwagens und sann darüber nach, wie sie es verhindern konnte, dass dieser grässliche „Kretin“ sich an Mama Liese heranmachte und Mutter Stark war der Verzweiflung nahe, denn sie ahnte ganz entfernt, dass ihr einer dieser Fälle ins Haus stand, den man nie gewollt hatte und den man nie mehr los werden würde. Hinten auf der Pritsche stand das kleine Maultier angebunden, blökte und versuchte während der gesamten Fahrt das Gleichgewicht zu halten, was ihm auch erstaunlich gut gelang.

So rollte der kleine Lieferwagen quer durchs halbe Ammerland, die Landstraße entlang, über die kleine Brücke, den Feldweg hinunter und wieder in den Hof hinein, auf dem sieben Hühner höchst verwundert die Ankunft eines neuen Hofbewohners mit aufgeregtem Gegacker kommentierten.

„Los Jannik, die Milch.“ Frau Stark hatte ihre Arme fest um das blökende, schreiende Wesen geschlossen, um es von der Ladefläche des Wagens zu heben. Jannik wusste was zu tun war und rannte zum Haus. Hanna nahm missmutig die Einkaufstasche mit dem Gemüse und schleifte sie demonstrativ auf der Erde hinterher. „Hanna!“ Frau Stark hatte den ersten Brüller losgelassen. „Die Tasche!“ Das fehlte jetzt noch, dass mit diesem komischen Kasper auch noch Streit ins Haus kam.

Hanna maulte etwas, was glücklicherweise niemand verstand und hob die Tasche an. Frau Stark band das kleine störrische Wesen kurzer Hand an den Pfosten des Vordaches über der Haustür und räumte erst einmal ihren Wagen aus. Zu ihrer Verwunderung trat jetzt eine Pause ein. Der kleine Kerl war offensichtlich froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Neugierig untersuchte er die Stäbe des Treppengeländers. Hanna schleppte die Kartoffeln in die Küche. „Lisa ist die Mama vom Fohlen, nur dass Du´s weißt“, warf sie dem Neuankömmling zu, doch ihre Stimme klang längst nicht mehr so entschlossen, wie sie es sich eigentlich gewünscht hatte, als sie in die großen Eselsaugen blickte. Irgendwie fand auch sie, dass dieser eigenartige Kauz eher erbärmlich und bemitleidenswert aussah.

Inzwischen war Beute der alte Schäferhund herausgekommen. Erst pirschte er sich geduckt die Treppe hinunter, doch dann wedelte er aufgeregt, als er den Geruch wahrnahm. „Der gehört jetzt zur Mannschaft.“ Frau Stark sah ihren alten Weggefährten eindringlich an. „Auf den müssen wir, glaube ich, aufpassen.“ Wie zur Bestätigung schlug der alte Hund seinen Schweif heftig hin und her, um gleich darauf mit der bei Hunden üblichen Geruchskontrolle den Neuankömmling erneut vollends in Panik zu versetzen. Das Quäken und Blöken ließ Beute hingegen völlig unbeeindruckt.

Jannik kam zurück. Er hatte angewärmte Milch in eine große Saugflasche gefüllt und hielt sie dem kleinen Maultier entgegen. Dieses hatte offensichtlich noch nie eine Saugflasche gesehen und brüllte unbeirrt in einer Tour weiter. „Nun mal los Jannik“, meinte Frau Stark. „Jetzt muss er mal langsam Ruhe geben, sonst bringe ich ihn gleich wieder dahin zurück, wo er hergekommen ist.“ Jannik wusste, dass sie es nicht ernst meinte. Seine Mutter wehrte sich zwar mit Händen und Füssen dagegen, dass weitere Tiere auf den Hof kamen, aber sie hätte niemals ein Tier abgegeben. Selbst als der Hahn im Frühjahr überfahren worden war, war sie todunglücklich gewesen, obwohl er jeden Morgen um halb fünf die ganze Familie nur genervt hatte und auch schon steinalt gewesen war.

Jannik nahm den kleinen Schreihals entschlossen fest in den Arm und schob ihm die Saugflasche einfach in das Maul. Der merkte sofort, dass da etwas Warmes und angenehm Süßes auf seine Zunge träufelte und begann gierig zu saugen. Nach wenigen Minuten konnte man das laute Geräusch vernehmen, das entsteht, wenn eine Flasche leer ist und nur noch der schaumige Rest durch den Sauger gesogen wird.

Jannik war zufrieden. „Jetzt bring ich ihn zum Haffi“, verkündete er. „Er will bestimmt heute Nacht nicht alleine schlafen.“ Er band das Maultier los, das sich nun willig an der Leine führen ließ, während die kleine Schnauze immer wieder versuchte, den Sauger der Milchflasche zu erreichen, die Jannik in seine Hosentasche geschoben hatte.

Hanna und Frau Stark hatten inzwischen den kleinen Transporter ausgeräumt und dachten daran, sich erst einmal um das Mittagessen zu kümmern, als von draußen wieder das jämmerliche Geschrei zu hören war. „Hoffentlich geht das nicht so weiter“, Frau Stark war sichtlich erschöpft. Nur gut dass Hanna nicht wieder von dem Fohlen und seiner Mama anfing.

Das Gatter zur Weide stand halb geöffnet und Jannik versuchte seinen kleinen struppigen Schützling mit den riesigen Ohren an der Leine hineinzuziehen, während der sich nach Eselsmanier fest in den Erdboden verbockt hatte. Hinter dem Gatter stand der Haffi und schnaubte verächtlich. Von weitem beobachtete die Mutterstute das Schauspiel, während das Fohlen sich neugierig herangemacht hatte. „Ich glaube der Haffi hat ihn erschreckt“, Jannik mühte sich nach Kräften, aber er hätte das Maultier eher umgeworfen, als es auf die Weide zu ziehen.

Der Haffi war ein kräftiger Haflinger Wallach, der für seine Rasse ziemlich groß geraten war und zurzeit war er Frau Starks bevorzugtes Reitpferd. Lisa, ihre Oldenburger Stute hatte sie geschont, schon lange vor der Niederkunft und sie hatte angefangen mit dem Haflinger zu trainieren. Das war eine ganz neue Erfahrung gewesen. Der Haffi erwies sich als ausgesprochen gelehrig und diese Bewegungen unter Anleitung seiner Reiterin schienen im Spaß zu machen.

Das dritte Pferd war Jette. Jette war eigentlich mehr ein Geist, als ein Pferd. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt und die ganze Familie wartete täglich darauf, dass sie von einer Sekunde auf die andere tot umfiel. Meistens stand sie am Zaun und döste. Immer blickte Sie in dieselbe Richtung und man hatte das Gefühl, als müsse sie sich den ganzen Tag vom morgendlichen Weg vom Stall auf die Weide ausruhen. Nur wenn Besuch kam, war sie immer die erste am Zaun, um irgendeine Nascherei zu ergattern. Ihre dicken Pferdelippen waren gefürchtet, und es war schon vorgekommen, dass sie die Brusttasche einer Arbeitsjoppe zu fassen kriegte, um sie mit einem kurzen Ruck zu entfernen, nur weil ihr der Duft des Tabaks aus dieser Tasche einfach zu Kopf gestiegen war.

Diesmal jedoch war es der Haffi, der in einiger Entfernung tänzelnd vor dem offenen Gatter stand und das kleine Maultier offenbar so beeindruckt hatte, dass dieses fest entschlossen war keinen Hufbreit mehr weiter zu gehen. Frau Stark rief das kräftige Pferd mit der hellen Mähne und dem hellbraunen Rücken. Die Mohrrübenstückchen bedeuteten Freundschaft und das Zeichen, dass er hier die Nummer eins war. Er war ein etwas ungestümer temperamentvoller Kerl, der keinen Schabernack ausließ. Manchmal hatte Frau Stark den Verdacht, dass bei seiner Kastration etwas schiefgegangen sein musste. Auch jetzt glaubte er sich zunächst am Hosenträger der blauen Latzhose von Jannik gütlich tun zu müssen.