Generation Mietwagen - Michael Adler - E-Book

Generation Mietwagen E-Book

Michael Adler

4,9

Beschreibung

Des Deutschen liebstes Kind – sein Auto? Aus und vorbei! Die junge, urbane Bevölkerung nutzt im fröhlichen Wechsel CarSharing und Bike-on-Demand, Mitfahrbörsen und die Bahn: Sie will sich nicht mit Reifenwechseln und Blicken unter die Motorhaube belasten; sie sucht Premium-Mobilität, nicht aber das Premium-Auto vor der Tür. Michael Adler spürt diesem Trend nach und schlägt einen Bogen zur Zukunft der Mobilität. Er zeigt, wie aus dem Lifestyle der jungen Großstädter eine umweltverträgliche Fortbewegung für alle werden kann – und was wir dafür tun müssen. Von der Planung des öffentlichen Nahverkehrs bis zur 'menschenfreundlichen Stadt' formuliert er eine konkrete Agenda für Gesellschaft und Politik. Damit aus dem schicken Trend eine nachhaltige Bewegung wird.

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Michael Adler

Generation Mietwagen

Die neue Lust an einer anderen Mobilität

ClimatePartnerO

Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter www.oekom.de.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2011 oekom verlag, München

Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH, Waltherstraße 29, 80337 München

Lektorat: Anke Oxenfarth, oekom verlag; Heike Tiller, München

Gestaltung + Satz: Heike Tiller, München

Umschlaggestaltung + Umschlagillustration: Torge Stoffers, Leipzig

Der Innenteil dieses Buches wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel.

Alle Rechte vorbehalten.

eISBN: 978-3-86581-371-8

Inhalt

Vorwort: Die Kerze brennt von zwei Enden her

Vision 2040: Das Millenniumskind

Das automobile Jahrhundert: Wie wir wurden, was wir sind

Peak Everything: Das Ende fossiler Brennstoffe

Die »Tortilla-Krise«: Alternativen mit begrenzter Reichweite

Die neue Mobilität ist bunt – und macht Spaß!

Vision 2040: 80 Prozent weniger CO2, 100 Prozent besseres Leben

Nachwort: Einfach, bequem und schnell – Luxus neu gedacht

Literatur

Vorwort: Die Kerze brennt von zwei Enden her

Die Kerze brennt von zwei Enden her. Das eine Ende: 2005 übergab der US-Wissenschaftler Robert Hirsch seinen Bericht an das amerikanische Energieministerium zur Frage des »Peak Oil«. Damit wird der Punkt bezeichnet, an dem das Fördermaximum erreicht ist. Da die Nachfrage nach Öl bisher nahezu ungebremst weiter steigt, führt das Erreichen dieses Punktes zu deutlichen Preissteigerungen. Schon in der Nähe dieses Punktes können unvorhersehbare Preissprünge die Weltwirtschaft aus dem Gleichgewicht bringen. Die Ergebnisse waren für die US-Regierung so erschreckend, dass sie zunächst den Bericht geheim halten wollte. Hirsch diagnostizierte, dass Peak Oil bereits erreicht sei, und verglich die Situation mit einem auf die Erde zurasenden Asteroiden. 60 Prozent des geförderten Öls werden in Motoren von Pkws, Lkws, Schiffen und Flugzeugen verbrannt – daher wirken sich Preissprünge direkt auf unsere Mobilität aus und entziehen so auch der verflochtenen Weltwirtschaft den Schmierstoff.

Das andere Ende der Kerze: 2006 kam der Film Eine unbequeme Wahrheit des Ex-Präsidentschaftskandidaten der USA, Al Gore, in die Kinos und erhielt ein Jahr später den Oscar. Im gleichen Jahr übergab Sir Nicholas Stern, der ehemalige Chefökonom der Weltbank, seine Studie an den britischen Premierminister Tony Blair mit der Botschaft: Der Klimawandel dokumentiert das größte Marktversagen in der Geschichte der Menschheit.

2008 war dominiert von Klimadebatten. Der weltgrößte Forscherzusammenschluss, das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), legte seinen neuen Bericht vor. Die Botschaft ist auch hier eindeutig: Wir haben nur noch wenig Zeit, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel erreichen wollen. Dieses Ziel definieren die führenden Klimaforscher als die Grenze, bis zu der die Menschen noch die Chance haben, die Auswirkungen der Klimaerwärmung halbwegs zu beherrschen.

Seitdem ist eine Weltwirtschaftskrise über uns hinweggegangen. Plötzlich stand die Rettung von Banken ganz oben auf der politischen Agenda. Auch dem US-Präsidenten und großen Hoffnungsträger Barack Obama war die kurzfristige Rettung des insolventen Autobauers General Motors wichtiger als die langwierige Rettung der Welt vor dem Klimakollaps. Arbeitsplätze in Detroit sowie bei Opel in Rüsselsheim sind wieder einmal wichtiger als die theoretisch längst erkannten Grenzen des Wachstums. Das geht nicht mehr lange gut. Klar ist auch: Wenn wir Peak Oil und Klimawandel ignorieren, leiden darunter auch die Arbeitsplätze der nahen Zukunft. Weil das immer mehr Menschen einsehen, brodelt es im gesellschaftlichen Mainstream. Die Regierenden können nicht mehr sicher sein, dass Plattitüden wie »Wachstum schafft Arbeit« kritiklos akzeptiert werden.

Die automobile Kultur zeigt Risse

In der Diskussion um die zeitliche Dimension des Klimawandels ist immer wieder von »Tipping Points«, »Umkipppunkten«, die Rede. Ein solcher Punkt bezeichnet den Zustand beziehungsweise Moment, an dem eine vorher lineare Entwicklung durch bestimmte Rückkopplungen abrupt abbricht, ihre Richtung wechselt oder stark beschleunigt wird. Was lange Zeit als undenkbar galt, wird plötzlich und unumkehrbar wahr. Ist ein Umkipppunkt erst einmal überschritten, sind die Auswirkungen fundamental, die Veränderungen stellen einen bisherigen Zustand buchstäblich auf den Kopf.

Im Hinblick auf den Klimawandel sind solche Umkipppunkte beispielsweise die Störung des Nordatlantikstroms, der als »Fernheizung« Europa mit warmem Wasser aus dem Golf von Mexiko und der Karibik aufheizt, sowie das rasche Abschmelzen großer Gletschermassen auf Grönland, was eine dramatisch schnelle Erhöhung des Meeresspiegels nach sich ziehen würde.

Um eine grundsätzliche Umwälzung gewohnter Verhaltensmuster und mächtiger Industrie-Oligopole zu erreichen, sind kulturelle, wirtschaftliche und politische Kehrtwenden erforderlich. Ich gehe davon aus, dass es – ähnlich den natürlichen Umkipppunkten beim Klimawandel – auch gesellschaftliche Kipppunkte geben wird. Die Bevölkerung scheint in ihrem Erkenntnisprozess weiter fortgeschritten zu sein als die Entscheider in Politik und Wirtschaft. Der Paradigmenwechsel bei der Jugend und im aufgeklärten Bürgertum geht einher mit Endlichkeitskrisen des bisherigen Wirtschaftsmodells. Allerdings werden die Platzhirsche der traditionellen Großindustrie nicht kampflos das Feld räumen, auf dem sie noch sehr gutes Geld verdienen.

Auch wenn die derzeitigen politischen Entscheidungen kaum Grund für Optimismus bieten, wird nach meiner Einschätzung in den kommenden 30 Jahren ein fundamentaler Wandel in unserem Denken und Handeln stattfinden, der unseren Lebensstil auf eine nachhaltige Grundlage stellt. Da eine wachsende Mehrheit der Bevölkerung in den europäischen Demokratien dies auch wünscht, gehe ich zudem davon aus, dass sich diese gesellschaftlichen Mehrheiten mittelfristig in politische übersetzen werden und der Wandel sich demokratisch vollziehen wird. Die Mehrheit in einem Volksentscheid für das Rauchverbot in Bayern und die Mobilisierung selbst konservativ-bürgerlicher Kreise gegen ein sinnloses Prestigeprojekt wie Stuttgart 21 machen Mut, dass der Souverän den in einer gesellschaftlichen Nische verharrenden Repräsentanten der Politik den Weg in einen nachhaltigen Mainstream weist.

Vielleicht wird der Klimagipfel von Kopenhagen im Dezember 2009 historisch als die Wendemarke erscheinen, an der die Zivilgesellschaft, lokale Autoritäten und Firmen das Zepter beim Klimaschutz übernahmen. Die Erwartung an die Regierungschefs der Welt, ein globales Konzept zur Eindämmung klimaschädlicher Emissionen zu verabschieden, wurde in Kopenhagen bitter enttäuscht. Bei einem parallel stattfindenden Gipfel zogen daher die Bürgermeister großer Städte den Schluss: Wir müssen nun unsere Geschicke selbst in die Hand nehmen, weil wir den nationalen Regierungen nicht mehr vertrauen können. Die Zukunft – auch von politischen Parteien – wird an der Frage entschieden, ob sie in der Lage sein werden, eine Programmatik zu entwickeln, die den Wandel zur Nachhaltigkeit gestaltet, oder ob sie Getriebene einer wachsenden Mehrheit werden, die der »großen Politik« auf ihrem »Weiter-so«-Kurs nicht mehr nachläuft.

Dieses Buch verfolgt zwei Absichten. Zum einen will es zeigen, dass ein schlichtes »Weiter-so« in der Gestaltung der Mobilität in die Sackgasse führt, dass aber auch die gepriesenen Heilsbringer wie »Biosprit«, Wasserstoff und Elektroauto entweder nicht oder eben nur in einer völlig anderen Mobilitätslandschaft funktionieren. Die zweite Absicht ist, klarzumachen, dass diese andere Mobilität kein Schreckgespenst ist – sondern dass vielmehr in einer Rückeroberung unserer Städte von der Dominanz des Autos und einer unmenschlichen Stadtplanung große Chancen für ein besseres Leben liegen. Wichtige Rollen dabei spielen schöne Plätze, angenehme Fußwege, perfekte Fahrradnetze, hochmoderne Busse und Bahnen, elektrisch unterstützte Fahrräder und leise surrende E-Roller und E-Autos. Deshalb ist es kaum verständlich, dass die Politik so wenig wagt. Eine nachhaltige Zukunft des Verkehrs ist durchaus mehrheitsfähig.

Lassen Sie uns nun zunächst einen kurzen Blick in die gar nicht so ferne Zukunft eines heute zehnjährigen Kindes werfen: So könnte das Jahr 2040 aussehen – wenn wir noch rechtzeitig die Kurve kriegen.

Vision 2040: Das Millenniumskind

Niklas Müller ist ein Millenniumskind. Geboren am 4. Januar 2000, hat er seine Kindheit in den »Nullerjahren« verbracht. iPod und iPhone wurden damals entwickelt. Die ersten Hybridautos fuhren zumindest auf kurzen Strecken lautlos elektrisch durch die Wohngebiete. Prius hieß der Pionier, produziert von dem japanischen Hersteller Toyota.

Vor einigen Wochen hat Niklas Müller seinen 40. Geburtstag gefeiert. Nun tritt er Mitte März um sieben Uhr morgens bei 15 Grad plus auf den breiten Gehweg vor sein Aktivhaus. So nennt man die ab den 2020er-Jahren gebauten Häuser, die mittels einer Kombination aus Geothermie, Solarthermie und Dünnschicht-Photovoltaikmodulen dauerhaft mehr Energie erzeugen können, als sie selbst verbrauchen.

Aufgrund der angenehmen Temperatur und des wolkenlosen Himmels entscheidet sich Müller für ein Pedelec des großen Mobilitätsdienstleisters Bonn-mobil. Pedelecs sind Fahrräder, die den Radler mit einem kleinen Elektromotor beim Tritt in die Pedale unterstützen. Die ersten Exemplare dieser zweirädrigen Elektromobilität waren um 2010 aufgetaucht.

An der Mobilstation in seinem Viertel hat Müller die Wahl zwischen der E-Tram – einer hochmodernen Straßenbahn, leise und komfortabel ausgestattet –, dem E-Bike – mit 500 Watt Rückenwind auf perfekt vernetzten Fahrradwegen in die Innenstadt – und einem E-Car – für Fahrten in den dünner besiedelten Westerwald. E-Cars kamen erst in den 2030er-Jahren richtig ins Spiel. Die offensive Energieeffizienzpolitik des 2022 neu geschaffenen Klimaschutzminis teriums verfolgte das Ziel, innerhalb von zehn Jahren in allen relevanten Feldern den Energieverbrauch auf unter 50 Prozent im Vergleich zu 1990 zu drücken. Im Verkehrsbereich war diese Aufgabe am größten, mussten doch zunächst die Versäumnisse der vorherigen 30 Jahre aufgearbeitet werden. So unterstützte die Regierung massiv die Städte, die in vernetzte Förderung des Fuß- und Radverkehrs investierten. Als Vorbilder galten immer noch Kopenhagen und Amsterdam, inzwischen aber auch New York, Paris und London. In Deutschland hatten sich Tübingen, Kiel und Karlsruhe zu solchen Vorbildstädten entwickelt: Bereits in den Nullerjahren hatten sie erkannt, dass der Schlüssel für eine zukunftsfähige Stadt in der nicht motorisierten Mobilität liegt.

Swiss-mobil als weltweites Vorbild

Hinzu kam der rasante Aufstieg der Leihmobilität. Stadtwerke und neu gegründete Mobilitätsdienstleister boten nicht mehr nur Busse und Bahnen mit muffeligen Fahrern und 20 Jahre alten Gefährten an. Ein Innovationsruck ging durch die Branche, ausgelöst durch Beispiele in der Schweiz, wo der landesweite Carsharing-Anbieter Mobility, der Pionier der Pedelec-Revolution Flyer, die Schweizerische Bundesbahnen, örtliche Anbieter des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie die Supermarkt- und Einzelhandelsgenossenschaft Migros bereits 2015 ein Konsortium mit dem Namen Swiss-mobil gegründet hatten. Nie zuvor konnte man alle Mobilität von einer Firma »kaufen« und alles mit seinem Handy oder einer einzigen SmartCard leihen und bezahlen. Swiss-mobil ist seitdem das weltweite Vorbild, nicht zuletzt wegen der Schweizer Präzision und Sicherheit, mit der alles funktioniert.

Niklas Müller war 2030 sofort Kunde des neu gegründeten Dienstleisters Bonn-mobil geworden. Seitdem bekommt er monatlich zwei Abrechnungen seiner Mobilitätskosten – eine ins Büro für seine dienstlichen Touren und eine nach Hause für seine privaten Reisen. Beim Leihen oder Besteigen der öffentlichen Verkehrsmittel genügt die Eingabe einer Codenummer, die Zuordnung erfolgt automatisch. Auch das hervorragende Bioessen in den Fernzügen wird so abgerechnet. Der Internetbreitbandzugang in sämtlichen Bussen, Bahnen und E-Cars, der keine Wünsche offen lässt, ist für alle Kunden inklusive.

Müller wählt das offene E-Bike. Aufgrund deutlich verbesserter Wege und in das Pedelec eingebauter aktiver Sicherheitssysteme wie Abstandsregulierer und Notbremssysteme ist damit Tempo 40 erlaubt. Lächelnd tritt Müller in die Pedale und beschleunigt zügig mithilfe des elektrischen Rückenwinds. Der zweispurige Radweg führt ihn auf einem geschlossenen Wegenetz in die zehn Kilometer entfernte Innenstadt. In der Dunkelheit wird der Radweg durch dezente LED-Strahler erhellt, teilweise ist er sogar überdacht. Keine 200 Meter von Müllers Arbeitsplatz in der Bonner Südstadt entfernt befindet sich eine »Docking Station« mit Platz für ungefähr 20 E-Bikes und 20 normale Räder: Anschließen, mit einem kurzen Schwenk des Handys über den Bonn-mobil-Scanner fahren – und in Sekundenschnelle ist das Rad zurückgegeben. Der Platz für dieses Radwegenetz de luxe wurde dadurch frei, dass man Mitte der 2020er-Jahre systematisch mit dem Rückbau der Autofahrspuren begonnen hat. Wo früher noch vier Spuren für den Autoverkehr zur Verfügung standen, waren es jetzt nur noch zwei, aus zwei wurde häufig nur noch eine. Der gewonnene Platz wurde mit Bäumen bepflanzt sowie für breite Fuß- und Radwege genutzt. In Wohngebieten entstanden flächendeckend Quartiersgaragen für private Räder und Pedelecs. Und natürlich wurde der Platz gebraucht für die Installation der Verleihstationen für Räder, Scooter und E-Cars.

Der Kulturwandel der 2020er-Jahre

Um sich das Ausmaß der Veränderung vorstellen zu können, muss man den großen Kulturwandel der 2020er-Jahre begreifen. Dabei hilft vielleicht ein Vergleich mit der Entwicklung des Rauchverhaltens. Hatte in den 1960er- und 1970er-Jahren noch jeder in allen Situationen, beispielsweise auch im Fernsehen oder bei Politikerinterviews, geraucht, änderte sich die Kultur diesbezüglich scheinbar schlagartig gegen Ende der Nullerjahre. Wer sich nach diesem Paradigmenwechsel im Restaurant oder sogar in der Diskothek noch eine Kippe in den Mund steckte, konnte sich der deutlichen Missbilligung durch seine Mitmenschen sicher sein. – Ebenso erging es Rasern und Verkehrsrowdys gegen Ende der 2020er-Jahre.

Niklas Müller ist in einem Reihenhaus am Stadtrand von Bonn groß geworden. Wendehammer und Spielstraßen wurden damals noch als Errungenschaft der kindgerechten Verkehrsberuhigung gefeiert. Außer Wohnen und Schlafen spielte sich aber in der Siedlung wenig ab. Einkaufsmöglichkeiten, Arbeit, Schule, Sportverein, Kneipe und Disko lagen ohne Auto in einer unerreichbar fernen Welt. Häuser in solchen Gegenden waren ab dem Jahr 2030 nahezu unverkäuflich, weil Autofahren schlicht zu teuer, noch viel mehr aber auch unmodern geworden war.

Das Klimaschutzministerium greift durch

Der demografische Wandel hatte Schneisen der Entvölkerung geschlagen. Aufgrund einer fehlenden durchdachten Zuwanderungspolitik sowie einer latent zunehmenden Kinderfeindlichkeit war die deutsche Bevölkerung im Jahr 2040 auf 70 Millionen gesunken und wies dabei einen deutlich erhöhten Anteil an über 65-Jährigen auf. Stadtrandsiedlungen aus den 1960er- und 1970er-Jahren waren einfach abgerissen worden: Die miserable Bausubstanz machte die Umsetzung der neuen Emissionsanforderungen des Klimaschutzministeriums unbezahlbar. Renaturierung und Rebuilding stellten das