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Alpendoktor Daniel Ingold – Band 1
von Anna Martach
Der Umfang dieses Buchs entspricht 105 Taschenbuchseiten.
Wo das Herz spricht, hat der Verstand nicht mehr viel zu sagen … Alpendoktor Daniel Ingold muss sich nicht nur um zwei verliebte Burschen kümmern. Eine rätselhafte Krankheit breitet sich außerdem im Ort aus – was steckt dahinter? Und was sagt sein eigenes Herz?
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Veröffentlichungsjahr: 2018
Alpendoktor Daniel Ingold – Band 1
von Anna Martach
Der Umfang dieses Buchs entspricht 105 Taschenbuchseiten.
Wo das Herz spricht, hat der Verstand nicht mehr viel zu sagen … Alpendoktor Daniel Ingold muss sich nicht nur um zwei verliebte Burschen kümmern. Eine rätselhafte Krankheit breitet sich außerdem im Ort aus – was steckt dahinter? Und was sagt sein eigenes Herz?
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
„Tun S’ nimmer so viel, Frau Obermayr“, riet Daniel Ingold. Der sympathische Arzt mit den leuchtend blauen Augen und den lockigen blonden Haaren blickte die ältere Frau an, die vor seinem Schreibtisch saß und wegen Beschwerden in den Gelenken zu ihm gekommen war. „Da haben S’ doch Ihre Schwiegertochter, die Anna ist doch eine tüchtige junge Frau. Die kann Sie ein bisserl entlasten.“
Lena Obermayr schaute Daniel an, als zweifelte sie an seinem Verstand. „Die hat doch net genug Ahnung“, murrte sie dann. „Stellen S’ sich nur einmal vor, Herr Doktor, die Anna wollt mir doch tatsächlich einreden, man tät’ heutzutag nimmer mit der Sense das Gras für die Karnickel schneiden. Das hab ich aber mein Lebtag getan.“ Empörung flammte in den hellwachen Augen der Frau auf, und Daniel musste sich ein Lächeln verkneifen.
Es war auch heute noch nicht leicht für viele ältere Menschen, den Fortschritt zu akzeptieren. Sie hielten fest am Althergebrachten. In mancher Beziehung war das ja auch gar nicht verkehrt, nicht alles Neue musste auch unbedingt gut und richtig sein. Doch wenn durch eine solche Neuerung schwere körperliche Arbeit vermieden werden konnte, sollte man doch darüber nachdenken. Er wollte der alten Dame gerade behutsam erklären, dass sie ruhig ab und zu auf ihre Schwiegertochter hören sollte, die es ja nur gut mit ihr meinte, als er abrupt unterbrochen wurde.
Jemand stürmte in das Sprechzimmer, und gleich hintendrein lief Minchen, die gute Seele der Praxis, die schon beim alten Dr. Huber für Ordnung gesorgt hatte.
„Herr Doktor, bitte, es ist dringend. Mein Bub ist schrecklich krank, da müssen S’ auf der Stelle kommen.“
Daniel blickte auf Ursel Korbmacher, die mit allen Anzeichen von Aufregung dastand. Warum sie den Buben nicht gleich mitgebracht hatte, fragte er lieber nicht. Er wusste, dass die Frau fast abgöttisch an ihrem einzigen Kind hing, seit der Ehemann bei einem grässlichen Unfall ums Leben gekommen war.
Der Arzt bewahrte Ruhe, auch als Minchen, die eigentlich Hermine Walther hieß, mit einem beleidigten Gesichtsausdruck die Ursel nun endlich aus dem Raum schob.
„Nun geh schon, der Herr Doktor kommt bestimmt gleich mit, wenn er Zeit dafür hat. Aber ich sag’s dir, das war net der rechte Weg. Hättst mir ein gutes Wort gegeben, dann hätt’ ich ihn dir schon geholt, den Herrn Doktor.“
„Aber wenn der Basti doch ...“
„Hättst ihn auch gleich herbringen können, deinen Basti, es wär’ sicher schneller gegangen“, brummte Minchen und schloss nun endgültig die Tür.
Drinnen war die Lena aufgestanden.
„Schaun S’ mal zu, ob die Anna net doch vielleicht auch mal recht haben kann“, riet Daniel ihr zum Abschied. „Sie mögen das Madl doch, ich weiß das. Und tun S’ nimmer mehr so viel.“ Wahrscheinlich war dieser gute Ratschlag in den Wind gesprochen, doch den Versuch musste er machen. Daniel schenkte der Lena noch ein aufmunterndes Lächeln, und unwillkürlich verzog auch die Frau das Gesicht.
Ja, unser Herr Doktor, dachte sie bei sich. Wenn’s den net gäb’, müsst man ihn erfinden. Lena nahm sich vor, heute besonders nett zu ihrer Schwiegertochter zu sein. Es konnte ja nicht schaden, einfach mal auf dieses neumodische Zeugs zu hören – auch wenn es ganz bestimmt nicht richtig war.
„Und noch einen drauf“, rief der Stefan Raddatz und ließ seine Faust auf den Tisch knallen, dass die Karten nur so tanzten. Resigniert warf der Matthias Schwetzinger sein Blatt ab. „Wenn ich’s net besser wissen tät’, würd’ ich glauben, du hättst die Karten gezinkt.“
Die beiden Burschen saßen in einer Runde mit anderen zusammen im Kreuzkrug beim Doppelkopf. Schon seit der Schulzeit herrschte Rivalität zwischen ihnen, damals schon nicht wegen besonders guter Noten, sondern eher darum, wer beim Raufhändel der Stärkere war. Und auch jetzt wetteiferten die zwei um alles Mögliche, selbst beim Kartenspiel.
Der Stefan warf jetzt bitterböse Blicke zu dem anderen hinüber, seine Augen funkelten, und unwillkürlich ballte er die Fäuste.
„Willst damit am End gar sagen, ich tät’ betrügen? Das muss ausgerechnet einer sagen, der zu dumm ist, um die Karten zu kennen. Wennst Bescheid wüsst’, dann könntst auch was draus machen.“
Nun, das konnte man so oder so sehen. Diese Bemerkung war jedoch nicht dazu angetan, die angespannte Stimmung etwas zu dämpfen.
„Das könnt man auch bei der Kathrin so sehen“, witzelte einer der anderen Burschen, und zwei Augenpaare richteten sich düster auf ihn.
„Ich mein ja nur“, murmelte er betreten.
„Die Kathrin, ja?“, grinste der Stefan. „Das ist ja mal ein sauberes Madl. Ich will ja wohl net glauben, dass du dir Hoffnungen auf sie machen tätst.“ Spott sprach aus seinen Worten, und Matthias musste an sich halten, um nicht aufzuspringen und dem anderen an die Kehle zu gehen.
„Die Kathrin – wirst in Ruhe lassen“, knurrte er. „Ich tät’ mich ja auch net drum kümmern, wie du die anderen Madln anmachen tätst. Aber die Kathrin ist was Besonderes, die wirst in Ruhe lassen.“ Vor dem geistigen Auge des Burschen entstand das liebliche Gesicht des Madls, mit den leuchtend blauen Augen, den zwei niedlichen Grübchen in den Wangen, wenn es lachte, und der fröhlichen Stimme, die im Leben wohl noch nie ein böses Wort gefunden hatte.
Der Stefan lachte auf. „Kannst es mir net verbieten, mich um sie zu bemühen. Gleiches Recht für alle.“
Dieser Spott traf tief, so tief, dass der Matthias nun doch aufsprang. „Willst net verstehen, die Kathrin gehört mir. Such dir eine andere. Ich will’s dir auch gern auf andere Weise einprägen, wennst net kapierst.“
Blitzschnell sprang auch Stefan auf, die beiden starrten sich unversöhnlich an, und die Fäuste öffneten und schlossen sich automatisch.
„He, ihr da, raus mit euch, wenn’s euch net benehmen könnt“, donnerte Franz Dernbacher, der Wirt vom Kreuzkrug und meist nur Franzl gerufen, dazwischen. „Hier gibt’s keine Prügelei. Wenn ihr glaubt, dass es net anders geht, müsst ihr das draußen unter euch ausmachen, net in meinem Hause.“
„Ich will mich gar net prügeln, ich will nur, dass der Stefan die Kathrin in Ruhe lässt“, brummte Matthias.
„Hat einer von euch Deppen das Madl schon mal gefragt, wen’s denn überhaupt haben möcht’?“
„Das spielt doch gar keine Rolle“, wehrte Stefan ab.
„Oh, das tät’ ich aber schon glauben. Meinst denn wirklich, die Madln müssten nur so vor euch hinsinken? Noch dazu eine wie die Kathrin? Die ist ein ganz besonders fesches Madl und net auf einen angewiesen, der nur mit dem Mundwerk was darstellen tät’. Da müsst’s aber auch schon was vorweisen.“
Beide Burschen starrten ihn verblüfft an.
„Bevor ihr euch die Köpfe einschlagen tätet, solltet ihr vielleicht erst mal klären, wer der Bessere ist. Und der sollte dann in aller Form um die Kathrin werben.“
Nur langsam sickerte den Burschen in den Kopf, dass an den Worten vom Dernbacher was Wahres dran war.
„Der Bessere, ja?“, grinste Matthias. „Das bin freilich ich.“
„Du Depp, du“, schimpfte Stefan. „Sagen können tät’ das ein jeder. Beweisen musst das erst mal.“
Die beiden setzten sich wieder, und der Wirt brachte eine neue Runde. „Wenn ihr euch net einig seid, dann müsst’s das halt eben erst feststellen“, gab der Dernbacher noch zu bedenken, und für einen Moment herrschte Stille. Etwas verwirrt schauten die beiden Burschen umher.
„Ja, dann täten wir halt eine Wette abschließen“, erklärte Stefan siegessicher.
„Eine Wette?“ Der Matthias runzelte die Stirn, doch dann grinste er auf die gleiche Weise. „Ja, warum eigentlich net? Machen wir’s doch wie in alten Zeiten. Wer drei Aufgaben als bester löst, der bekommt die Kathrin.“
„Ihr seid’s ein bisserl verrückt“, stellte der Wirt fest. „So hab ich das eigentlich net gemeint. Aber ich denk’, das wär’ immer noch besser, als sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen.“
„Wirst schon sehen“, lachte Stefan. „Ich werd’ den Matthias schlagen, und dann ist das Madl mein.“
Dernbacher schüttelte den Kopf. War er in seiner Jugend ebenso verrückt gewesen? Er hörte jetzt mit halbem Ohr zu, wie die Burschen Vorschläge für ihre Aufgaben machten, einer verrückter als der andere.
„Na, mein Bub, was hast gegessen, dass du ausschaust wie ein Streuselkuchen?“, scherzte Daniel Ingold. Auf den ersten Blick machte Sebastian Korbmacher keinen lebensbedrohlich kranken Eindruck, auch wenn er lustlos und schwach wirkte. Der Bub hockte in seinem Bett, hatte Bücher und Spielzeug auf der Bettdecke liegen und war tief beschäftigt gewesen. Jetzt schaute er auf, und ein gespannter Ausdruck trat in die Augen des Doktors.
Die Haut des Kindes war über und über voll mit kleinen roten Punkten. Auf den ersten Blick wirkten die vertraut, und doch schien es sich um was anderes zu handeln, als der Doktor es eigentlich kannte.
„Mein Bub isst nix, was ihm schaden könnt“, erklärte jetzt Ursel Korbmacher auf die Frage Daniels. „Das hab ich ihm verboten.“
„Unsere Kinder tun leider net immer das, was wir erlauben oder verbieten. Und der Basti wär’ net der erste, der von verbotenen Früchten naschen tät’.“ Die Stimme des Mannes klang beruhigend, während sich in seinem Kopf die Gedanken überschlugen. Diese Art von Ausschlag kannte er so nicht. Oder er hatte eine andere Form davon kennengelernt. Besorgnis regte sich ihm, doch die sollte er besser nicht zeigen, die Mutter war schon aufgeregt genug.
Das Fieber war relativ hoch, doch der Junge schwitzte fast gar nicht. Die rätselhaften Flecken erstreckten sich über den ganzen Körper und wirkten in sich selbst etwas eigenartig. Die erste Diagnose, eine allergische Reaktion auf etwas, das der Junge gegessen oder getrunken hatte, geriet wieder ins Wanken.
„Ich hab nimmer nix gegessen“, beteuerte Basti und schaute seine Mutter an, als erwarte er jetzt von ihr Zustimmung, die auch prompt kam.
„Ja, ich glaub`s dir ja, mein Zuckerl“, erklärte sie, und Daniel seufzte innerlich. Das würde sicher ein ganz schweres Stück Arbeit geben. Fürs erste konnte und wollte er nur ein relativ leichtes Mittel geben; bevor er sich nicht weiter mit seinen Kollegen beraten hatte, konnte es ein Fehler sein. Allerdings hatte der Arzt das sichere Gefühl, dass es sich bei diesem Ausschlag um eine Art allergische Reaktion handelte. Ein Verdacht ging ihm im Kopf herum, da war mal etwas gewesen, was er vor langer Zeit gelernt hatte. Doch in dieser Form hatte er nie etwas damit zu tun gehabt. Er wollte seinen Verdacht später prüfen, jetzt war es erst mal wichtig, dass das Kind versorgt und die Mutter beruhigt wurde, und das tat er so gut, dass die Frau fast normal wurde und ihre anfängliche Hysterie schwand.
„Der Basti tät’ doch wieder ganz gesund werden?“, forschte Ursel, nachdem sie mit dem Doktor das Zimmer verlassen hatte. In ihren Augen schimmerte es verdächtig, und sie streckte wie flehend die Hände aus. Daniel griff danach.
„Das wird schon wieder“, beruhigte er sie. „Erst einmal tät’s wichtig sein, dass Sie selbst keine Unruhe verbreiten. Sonst denkt der Bub am End gar noch, es tät’ ihn wirklich schlecht gehen. In ein paar Tagen ist er wieder auf den Beinen.“
Zurück in seiner Praxis hatte er zunächst noch eine ganze Reihe von Patienten zu behandeln, die zum Glück jedoch alle Symptome zeigten, wie er sie kannte.
Viel später saß Daniel Ingold allein in seinem Sprechzimmer und wälzte eine Reihe von Büchern. Bisher hatte er jedoch nicht den kleinsten Hinweis darauf gefunden, wie diese rätselhafte Krankheit sich entwickelte, und was sie überhaupt auslöste. Es musste schon sehr lange her sein, dass solche Symptome zum letztenmal aufgetreten waren, denn in der aktuellen Fachliteratur konnte er nichts finden. Sobald es sich ergab, musste er mal den alten Huber, seinen Vorgänger fragen, der tät’ vielleicht mehr wissen.