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Alpendoktor Daniel Ingold – Band 18
von Anna Martach
Der Umfang dieses Buchs entspricht 107 Taschenbuchseiten.
Der alte Habermeier stirbt und hinterlässt ein umfangreiches Erbe, doch wo ist das Testament? Schon bald kommt es zu einem regelrechten Gerangel unter den Erbberechtigten, aber eine Person spielt falsch! Alpendoktor Daniel Ingold versucht nach Kräften zu helfen, allerdings gerät dabei er selbst in Gefahr für Leib und Leben. Und dann überschlagen sich die Ereignisse …
Cover: Steve Mayer
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Alpendoktor Daniel Ingold – Band 18
von Anna Martach
Der Umfang dieses Buchs entspricht 107 Taschenbuchseiten.
Der alte Habermeier stirbt und hinterlässt ein umfangreiches Erbe, doch wo ist das Testament? Schon bald kommt es zu einem regelrechten Gerangel unter den Erbberechtigten, aber eine Person spielt falsch! Alpendoktor Daniel Ingold versucht nach Kräften zu helfen, allerdings gerät dabei er selbst in Gefahr für Leib und Leben. Und dann überschlagen sich die Ereignisse …
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Ein wenig müde packte Doktor Daniel Ingold seine Utensilien in die Tasche. Eine Spritze, ein Stethoskop, Wattetupfer, Notfallmedikamente, das übliche Zubehör halt eben.
Vor ihm im Bett lag Xaver Habermeier, ein bisher sehr rüstiger und aktiver Mann. Allgemein war behauptet worden, der Großgrundbesitzer würde mindestens einhundert Jahre alt werden. Er hielt noch immer den Hof in Schuss, kümmerte sich um alles Mögliche, obwohl er einen guten Verwalter hatte und nahm am Gemeindeleben teil. Er brachte manchmal die Leute mit seinem Starrsinn schier zur Verzweiflung, und doch war er bei den meisten gut gelitten, denn er besaß auch ein großes Herz. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass er überhaupt mal sterben könnte. Aber dann war alles so unglaublich schnell gegangen.
Aus einer harmlosen Erkältung war eine Lungenentzündung geworden, die rasch den ganzen Körper angegriffen und geschwächt hatte. Innerhalb von drei Wochen war aus dem kraftstrotzenden fünfundachtzigjährigen agilen Mann ein schwacher Greis geworden, der sich selbst aufgegeben hatte.
Daniel Ingold hatte den „Goldenen Grund“, wie das Anwesen vom Habermeier schon seit Urgroßvaters Zeiten hieß, täglich aufgesucht. Der alte Xaver hatte sich beharrlich geweigert, sich ins Hospital einweisen zu lassen.
„Da werden die Leut’ erst richtig krank und sterben wie die Fliegen“, war seine harsche Antwort auf alle Vorhaltungen gewesen, die der Alpendoktor, aber auch Pfarrer Feininger als Geistlicher, ihm gemacht hatten.
Es hatte dem Habermeier denn aber doch nix genutzt.
Daniel machte dem Pfarrer, der auf der anderen Seite des Bettes stand, mit den Augen ein Zeichen. Als Arzt konnte er nichts mehr tun, das Ende war nah. Xaver schien seinen Frieden mit dem Herrgott schon längst gemacht zu haben, denn er wirkte ruhig und gefasst, als der Priester ihm die letzte Ölung gab. Die lateinischen Worte verwehten, ein letztes Mal schaute der Mann auf den Doktor, als wollte er sich verabschieden.
Dann war es vorbei. Daniel drückte ihm die Augen zu.
„Er hat ein langes gutes Leben gehabt, und ich denk’, der Herrgott wird all seine guten Taten wohl anerkennen“, murmelte Pfarrer Feininger. „Er war auf jeden Fall ein feiner Kerl mit einem guten Herzen.“
Draußen vor der Tür stand der Verwalter, Peter Hilker, und blickte unglücklich drein.
„Ist es – ich mein – kann ich ...“
„Er ist erlöst“, murmelte der Priester und legte dem Mann die Hand auf die Schulter. „Kannst dich ja noch von ihm verabschieden, dann solltest den Bestatter anrufen, damit die Beerdigung geregelt wird. Ist schon recht, wennst um ihn trauerst, darfst dabei aber net vergessen, dass das Leben net stehenbleibt. Gibt’s ein Testament? Muss ein Erbe benachrichtigt werden? Wie schaut das aus, bist doch immer der Freund und Vertraute vom Xaver gewesen, mehr noch als ich.“
Peter Hilker schluckte. Wie konnte der Herr Pfarrer so klar über das weitere Vorgehen sprechen, wo doch grad die Welt zusammengebrochen war? Aber natürlich hatte der Feininger recht. Der Tod gehörte zum Leben, es machte nicht viel Sinn, jetzt wie gelähmt stehenzubleiben und alles liegenzulassen. Bei der täglichen notwendigen Arbeit würde er auch am besten mit der Trauer fertig werden können, da sprach der Geistliche aus einer langen Erfahrung.
Bis zur Beerdigung sollte allerdings alles etwas gemächlicher laufen, das war nun mal die Zeit zum Trauern.
„Ein Testament? Nein, der Xaver hat keines gemacht, soweit ich weiß, das hat er immer vor sich hergeschoben. Da tät’s aber einen Neffen von seiner verstorbenen Frau geben, und so wie’s ausschaut, ist das der einzige Blutsverwandte“, erklärte der Verwalter, der nur langsam seinen ersten Schmerz überwand.
„Dann solltest den benachrichtigen, damit der auch schon an der Beerdigung teilnehmen kann“, empfahl der Pfarrer.
Daniel Ingold hatte in der Zwischenzeit die entsprechenden Unterlagen für einen Todesfall ausgefüllt, selbst der Verlust eines Menschen verlangte Formalitäten.
„Wir sehen uns dann“, erklärte der Arzt, der ein wenig in Zeitnot war. Er hatte noch eine Reihe von Hausbesuchen vor sich, und in der Praxis würden auch wieder viele Patienten warten. Der Tag hatte nicht gerade gut begonnen, viel schlimmer konnte er eigentlich nicht werden.
„Herr Doktor, da drin wartet ...“ Minchen Walther, die gute Seele der Praxis, empfing den Doktor schon an der Tür. Sie hatte draußen den Wagen vorfahren sehen und war froh, dass die Warterei für die Patienten endlich ein Ende hatte. Was nutzte es, wenn sie und Maria, ihre junge Kollegin, die Termine vergaben, wenn der Doktor dann doch später kam, weil die Hausbesuche so viel Zeit kosteten. Erst vor einer kurzen Weile waren die Frauen dazu übergegangen versuchsweise feste Termine zu vergeben. Bisher hatten sie die Patienten immer der Reihe nach ins Sprechzimmer geschickt, was manchmal zu harscher Kritik geführt hatte, wenn ein ernstlicher Notfall dazwischengeschoben werden musste. Das war aber auch jetzt mit dem neuen System nicht anders, nur dass jetzt die Patienten – oder gewisse Patienten – einen Aufstand machten, wenn sie zu ihrem Termin nicht pünktlich an die Reihe kamen, weil Doktor Ingold noch nicht oder verspätet in die Praxis gekommen war.
Minchen, die eigentlich Hermine hieß, war eine ältere tüchtige und kluge Frau, sie hatte schon beim alten Doktor Huber das Regiment geführt. Alois Huber war der Vorgänger von Daniel und hatte dem jüngeren Arzt vor mehr als zehn Jahren die Praxis übergeben. Rasch war Doktor Ingold von den Leuten hier in Hindelfingen akzeptiert worden. Er gehörte nicht zu den Ärzten, die grundsätzlich alles besser wussten und nicht auf das eingingen, was die Menschen wirklich beschäftigte. Ganz im Gegenteil. Vom ersten Tag an hatte sich der Arzt auf die Leute hier eingestellt und die meisten der Ratschläge beherzigt, die Doktor Huber und auch Minchen ihm ans Herz gelegt hatten.
Mittlerweile galt Daniel als Einheimischer, niemand konnte sich vorstellen, wie es ohne ihn sein sollte.
Minchen kannte daher „ihren“ Doktor recht genau und konnte seine Stimmungen ablesen wie ein offenes Buch. Da sie natürlich auch seinen täglichen Plan kannte, ahnte sie genau, was an diesem Morgen Doktor Ingold die Laune verdorben hatte. Es war also zuende gegangen mit dem alten Xaver, Gott hab ihm selig. Ein feiner Mann, auch wenn er ziemlich stur sein konnte. Aber immer ein offenes Herz und eine offene Hand.
Nachdem die Frau sich mitten in Satz unterbrochen hatte, nahm sie Daniel die Tasche aus der Hand und schob ihn resolut in das Zimmer mit der Aufschrift „Privat“.
„Ich denk’, da brauchen S’ erst mal einen anständigen Kaffee“, bestimmte sie.
Daniel lächelte matt. „Haben S’ am Ende gar meine Gedanken gelesen, Minchen?“, machte er den schwachen Versuch zu scherzen.
„Da braucht’s net übersinnliche Fähigkeiten, um in Ihrem Gesicht was zu lesen. Der alte Xaver?“
Der Doktor nickte und trank dankbar den heißen Kaffee, der erst einmal seine Lebensgeister wieder weckte. Was täte er ohne Minchen?
Es war ihm nur eine kurze Pause vergönnt, Daniel hatte im Hereinkommen gesehen, dass das Wartezimmer aus allen Nähten platzte. Für ihn war das jedoch kein Grund, deswegen bei der Untersuchung oder Behandlung auch nur eines Patienten weniger Zeit oder Sorgfalt aufzuwenden. Wer sich nicht ausreichend Zeit nahm, konnte rasch etwas übersehen. Und wer nicht gut zuhörte, machte schnell einen Fehler. Die Leute, die hier in Hindelfingen lebten, brachten in der Regel eine Menge Geduld mit, nur die anderen, Touristen und Zugereiste, die glaubten immer, dass der Doktor den ganzen Tag nur auf sie wartete und sie deswegen auf der Stelle an die Reihe kommen müssten.
Da waren sie allerdings bei Minchen und Maria schief gewickelt, die achteten schon darauf, dass es zu keinerlei Bevorzugung kam. Jetzt, da der Doktor endlich mit der Sprechstunde begonnen hatte, ging es auch zügig voran, und das Wartezimmer leerte sich zusehends. Gegen Mittag erst konnte das Personal ein bisschen aufatmen, und eigentlich war es jetzt an der Zeit die Praxis für eine Pause zu schließen.
Maria Schwetzinger, die junge Arzthelferin, die insgeheim unsterblich in Daniel Ingold verliebt war, hatte schon den Schlüssel im Schloss, als die Tür von außen mit einem heftigen Ruck aufgestoßen wurde.
Ein junger Mann stürmte herein und entschuldigte sich gleich darauf für sein Ungestüm. „Ich muss dringend den Doktor sprechen“, verlangte er.
„Waren S’ schon mal hier? Sind S’ schon Patient bei uns?“, fragte Minchen und sagte in Gedanken der Pause Lebewohl.
Der junge Mann wirkte verblüfft. „Ich bin kein Patient, ich bin auch net krank.“
„Ja, und was wollen S’ dann hier? Wie ein Pharmareferent schaun S’ nun auch net grad aus.“
„Ich bin Leonard Aschberger, der Neffe von Xaver Habermeier.“
„Ach, da schau her, so ist das“, staunte die Frau und machte Maria ein Zeichen endlich abzuschließen. „Ich hab ja net mal gewusst, dass der Xaver überhaupt noch lebende Verwandte hat. Wir alle hier haben uns schon gefragt, wer denn nun den ‚Goldenen Grund‘ und alles Drumherum bekommt.“
„Minchen, fangen S’ jetzt auch schon an wie die Vreni?“, rügte Daniel Ingold sanft, der aus einem der Sprechzimmer gekommen war und zugehört hatte.
„Also wirklich, Herr Doktor, was denken S’ da nur von mir?“, empörte sie sich und wurde nicht einmal verlegen ob ihrer Neugier.
„Na, darüber reden wir noch“, neckte der Arzt. „Jetzt schaut’s ihr zwei aber zu, dass ihr in die Pause kommt. Ich denk’, mit dem jungen Mann hier kann ich schon allein reden.“
Schade eigentlich, zu gern hätte Hermine gewusst, was die beiden Mannsbilder überhaupt zu bereden hatten. Nun gut, die Pause war kurz, es wurde Zeit etwas zu essen, nachher ging es weiter.
„Kann ich etwas für Sie tun, was im Zusammenhang mit dem Tod Ihres Onkels steht?“, erkundigte sich Daniel höflich. Er war nicht so ganz erfreut über diesen Besuch. Wie kam es, dass der junge Mann es offenbar all die Jahre hinweg nicht für nötig gehalten hatte Xaver Habermeier auch nur einmal aufzusuchen, jetzt aber wie der Blitz auftauchte, wo der alte Herr gerade erst am Morgen verstorben war?
Leonard Aschberger nahm auf dem angebotenen Stuhl Platz und blickte dem Arzt offen und unbefangen ins Gesicht.
„Ich seh’ schon, Herr Doktor, ich muss Ihnen erst was über mich erzählen, sonst gibt’s nämlich einen falschen Eindruck. Mein Onkel Xaver und meine Mutter Antonia waren net besonders gut aufeinander zu sprechen. Sie war die Schwester seiner Frau und hat ihn ganz einfach net gemocht. Irgendwann, ich muss noch ein kleiner Bub gewesen sein, gab’s dann mal einen schrecklichen Krach, und meine Mutter wurde für alle Zeiten aus dem Hause verbannt. Das betraf natürlich auch mich. Ich kann Ihnen net mal sagen, um was es bei dem Streit ging, ich war noch zu klein, um mich daran zu erinnern. Allerdings hab ich über mehrere Jahre hinweg versucht, neuen Kontakt zum Onkel aufzubauen, doch er hat net darauf reagiert, wenn ich geschrieben oder angerufen hab.“
Daniel hatte mit Erstaunen zugehört, da er jedoch die Sturheit des alten Mannes gekannt hatte, hielt er die ganze Geschichte für durchaus möglich.
„Ist ja alles ganz interessant, aber was kann ich jetzt für Sie tun?“, fragte er noch einmal und musste innerlich schmunzeln. Sollte die Kollmannberger Vreni jemals von diesem Drama erfahren – und sie würde es bestimmt erfahren – dann gab das für mindestens eine Woche Gesprächsstoff in Hindelfingen.