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Der Umfang dieses Buchs entspricht 102 Taschenbuchseiten.
Die junge Diplomatentochter und der bärbeißige Bildhauer – eine Mesalliance? Es gibt so einige Menschen, die dieser Meinung sind. Vom pflichtbewussten freundlichen Arzt Daniel Ingold kommt jedoch Unterstützung – in mehrfacher Hinsicht. Als der Künstler einen folgenschweren Fehler begeht, steht sein Schicksal auf Messers Schneide. Kann Hindelfingens Doktor noch rechtzeitig eingreifen?
Titelbild: Steve Mayer
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Veröffentlichungsjahr: 2018
Alpendoktor Daniel Ingold – Band 30
von Anna Martach
Der Umfang dieses Buchs entspricht 102 Taschenbuchseiten.
Die junge Diplomatentochter und der bärbeißige Bildhauer – eine Mesalliance? Es gibt so einige Menschen, die dieser Meinung sind. Vom pflichtbewussten freundlichen Arzt Daniel Ingold kommt jedoch Unterstützung – in mehrfacher Hinsicht. Als der Künstler einen folgenschweren Fehler begeht, steht sein Schicksal auf Messers Schneide. Kann Hindelfingens Doktor noch rechtzeitig eingreifen?
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Maria Schwetzinger summte fröhlich vor sich hin. Eine lustige Melodie, die Petersburger Schlittenfahrt, machte der Kollegin Minchen, oder richtiger Hermine Walther, deutlich, dass die junge bildschöne Frau von Vorfreude erfüllt war. Noch sieben Wochen bis zum Christfest, und die ältere Frau wusste genau, dass der Freund von Maria endlich zu Besuch kommen würde.
Der junge Mann war ein vielgefragter Architekt und leitete gerade irgendwo in den arabischen Emiraten ein gigantisches Bauprojekt. So blieb der Kontakt auf Telefonate und Briefe beschränkt, denn Maria weigerte sich hartnäckig den Mann ihres Herzens zu begleiten. Sobald das große Projekt fertig war, wollte der Mann sich endgültig hier niederlassen, bis dahin jedoch fieberte die hübsche Arzthelferin jedem Besuch entgegen.
Die beiden Frauen, die kaum unterschiedlicher sein konnten, waren die guten Geister der Praxis von Doktor Daniel Ingold, dem allseits beliebten Alpendoktor. Sie betreuten die Patienten, vergaben Termine und waren oft genug auch eine Art Anlaufstelle für Sorgen und Nöte aller Art. Maria war noch recht jung mit ihren zwanzig Jahren, und doch eiferte sie der älteren Kollegin nach und besaß auch schon einen ebenso guten Ruf.
Dennoch wünschte sie sich, dass es bald soweit sein mochte, den geliebten Mann ans Herz drücken zu können. Es tat gut, auch selbst einmal sagen zu können, man konnte sich an jemanden anlehnen, musste nicht stets gespannte Aufmerksamkeit sein, durfte sich selbst mal vertrauensvoll in starke feste Arme schmiegen und die ganze Welt ringsumher vergessen.
Minchen betrachtete Maria ohne Neid. Sie selbst kannte seit einiger Zeit einen Mann in ihrem Alter, mit dem sie ab und an ausging, der ihr jedoch nicht genug bedeutete, um ihrem Herzen wirklich nahe zu stehen. Da war der alte Doktor Alois Huber, Daniels Vorgänger in der Praxis, doch aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Aber ihn und Minchen verband nur eine wunderbare Freundschaft, und so war es eigentlich auch gut.
Doch das junge Glück in Maria Augen rührte die ältere Frau, und sie hatte Verständnis dafür, dass sie etwas mit den Gedanken spazieren ging.
„Sag mal, hast eigentlich schon mal Arbeiten vom Leopold Gabblicher gesehen?“, fragte Maria plötzlich.
„So richtig in Natur noch net, nein. Wie kommst denn darauf?“
„Ach, nur so. Der hat vorhin hier angerufen wegen eines Termins. Und da hab ich mich so unwillkürlich gefragt, was der denn als Bildhauer wohl tut. Ich denk’ ja immer, solche Künstler müssen doch auch mal Ausstellungen veranstalten und in der Zeitung stehen, oder so was. Schließlich lebt so einer doch davon, dass seine Werke gekauft werden. Aber unsereins weiß über den Gabblicher eigentlich nix weiter, als dass er halt ein Bildhauer ist und aus Stein was herausklopft.“
Minchen lachte vergnügt auf. Maria hatte da gerade eine recht kuriose Beschreibung geliefert, auch wenn die tatsächlich nicht so ganz falsch war.
„Da hast dann wohl doch was verpasst, oder hast net richtig zugehört bei der Vreni. Ist noch gar net so lang her, dass der Leopold seine Sachen ausgestellt hat in München. Aber natürlich ist’s net so leicht, was zu verkaufen. Wer stellt sich denn auch eine Statue ins Wohnzimmer, da fehlt es ja entweder an Platz oder am Geld? Und draußen im Garten hat man net so viel davon. Aber in der Zeitung hat’s dann auch gestanden. Damit er überhaupt leben kann, stellt er aber auch Grabmäler und so was her, allein von der Kunst hat er net genug zum Leben, da hast schon recht. Wenn er aber hierher kommt, kannst ihn ja mal fragen, ob er dir seine Skulpturen zeigt. Vielleicht kannst ihn ja auch mal besuchen, draußen auf dem alten Mühlbauer-Anwesen.“
Maria verzog das Gesicht. „Soweit wollt ich denn net gleich gehen, schließlich kenne ich den Mann ja gar net. Mich hat’s nur mal interessiert.“
„Musst doch net gleich einen Rückzieher machen. Der ist zwar ein bisserl ein Eigenbrötler, und er hat auch die Freundlichkeit net erfunden, aber sonst ist er schon recht – auch wenn er zum Lachen wahrscheinlich in den Keller geht. Na, wirst schon sehen. Nun schau aber zu, dass du deinen Apparat ans Laufen kriegst, wir haben noch eine Menge zu tun.“
Minchen stand auf Kriegsfuß mit dem Computer, und sie weigerte sich beharrlich, das Gerät zu benutzen. Also war Maria zuständig dafür, die nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem „Nummernkasten“ die Programme perfekt beherrschte.
„Guten Morgen, die Damen.“ Die warme sympathische Stimme von Doktor Ingold klang durch den Raum, als er aus seiner Wohnung kam und die Praxis betrat. Maria schickte ihm einen glühenden Blick. Insgeheim verehrte sie den Arzt noch immer, auch wenn sie schon in festen Händen war, so blieb Daniel doch der unerreichbare Märchenprinz. Sie und Minchen gaben den Gruß fröhlich zurück. Die ersten Patienten warteten schon, so dass auch aus dem Wartezimmer ein netter Gruß erklang. Alles nahm seinen geregelten Gang, bis die Eingangstür heftig aufgestoßen wurde.
Ein Mann stützte eine Frau, die sich offenbar verletzt hatte und nicht richtig auftreten konnte.
„Ja, da schau her, der Leopold“, wunderte sich Minchen. „Sammelst jetzt unsere Patienten für uns ein? Find’ ich aber sehr freundlich von dir.“
Der Mann mochte etwa Mitte dreißig sein, die Haare waren etwas zu lang und wirkten ungekämmt, die Kleidung bestand aus einer derben Hose und einem Hemd, die beide mit Steinstaub bedeckt waren. Es handelte sich in der Tat um Leopold Gabblicher, den Bildhauer.
„Hast sonst nix zu tun, als dumme Sprüche von dir zu geben“, knurrte er Minchen an, doch die lachte nur über seine grimmigen Worte. Er und ihr Neffe waren gemeinsam zur Schule gegangen, sie kannte den Mann schon seit seiner Kindheit und wusste ihn wohl zu nehmen.
„Wirst meine dummen Sprüche wohl ertragen können, die beißen wenigstens net. Kannst ja schließlich selbst welche herausgeben.“
„Dann schaust erst mal nach der jungen Dame hier. Die ist mir fast ins Atelier gefahren, da musst ich wohl was tun.“
Die schöne blonde Frau verzog das Gesicht und schaute hilfesuchend auf Minchen.
„Ist dieser Mensch immer so ungehobelt?“, stöhnte sie.
Leopold ließ sie abrupt los. „Sie werden meine Unhöflichkeit hoffentlich net länger ertragen müssen. Von hier kommen S’ ja wohl allein zurecht. Pfüat di, Minchen.”
Alle anderen Menschen hier im Raum schienen für den Leopold gar nicht zu existieren. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss, und Maria schaute entgeistert hinterher.
„Das war Leopold Gabblicher?“, fragte sie fassungslos.
„Haben Sie ihn bisher nicht gekannt? Dann haben Sie auch nicht viel verpasst, glaube ich“, erklärte die verletzte Frau.
Gut eine Stunde vorher war Valentina von Windeck noch mit dem Auto unterwegs. Die hübsche Tochter des Diplomaten Henning von Windeck wollte einen Ausflug in die Umgehung unternehmen. Sie wohnte noch immer daheim bei ihren Eltern, und der Vater war wieder einmal versetzt worden. In ihren gerade mal 26 Jahren hatte die junge Frau bereits in sechs Ländern gelebt, aber jetzt schien es so, als sollte dies der letzte größere Umzug gewesen sein. Man hatte den Grafen als Attaché auf vielen wichtigen Posten gebraucht, doch nun war der Mann in die Jahre gekommen, hatte keine große Lust mehr, in der Welt herumzureisen, und war nun als Mann für besondere Aufgaben im Auswärtigen Amt tätig. Dieser Titel sagte nicht viel darüber aus, dass es sich um einen besonders verantwortungsvollen Posten handelte.
Valentina arbeitete als Fotografin und war deswegen nicht darauf angewiesen, fest an einem Ort zu leben. Sie hatte bisher noch nicht den Wunsch verspürt, das Elternhaus zu verlassen, und jetzt freute sie sich darüber, dass auf längere Zeit ein fester Wohnsitz in Aussicht war. Jedenfalls waren die Eltern auf der Suche nach einem passenden Haus, in dem auch Valentina ein Atelier einrichten konnte.
Die Gegend hier um Hindelfingen hatte es ihr angetan. Der majestätische Grimsteig überragte und beschützte das malerische Tal, in dem der stille Fluss durch eine Schlucht gezwungen wurde und sich plötzlich in einen reißenden Strom verwandelte, der mit Wildwasser aus den Felsen heraustrat.
Zu dieser Zeit lag schon der erste Schnee, auf den Straßen gab es hier und da tückische Stellen, an denen sich Glatteis gebildet hatte. Valentina war eine gute Fahrerin, und sie ging kein Risiko ein. Bei diesen Wetterbedingungen musste man eben vorsichtig fahren. Die Straße, auf der sie sich befand, war eng und kurvenreich, vereinzelt standen Häuser wie verstreut in der Landschaft und bildeten einen malerischen Hintergrund. Eine ganze Reihe von ansprechenden Motiven, die Valentina in ihrem Hinterkopf vermerkte. Sie würde zurückkommen, mit der Kamera, und sie würde all das auffangen, was ihr jetzt nur kurz ins Auge viel. Vielleicht sollte sie sogar eine ganze Serie schießen, quer durch den Wandel der Jahreszeiten. Eine gute Idee.
All diese erfreulichen Gedanken lenkten die junge Frau aber doch etwas zu sehr ab, die Konzentration auf die Straße ließ nach, und von einem Augenblick auf den anderen begann der Wagen zu schleudern. Valentina kurbelte, handelte instinktiv, machte auch nicht den Fehler, wild auf die Bremse zu treten, denn dadurch wäre das Auto völlig ausgebrochen, hatte jedoch keine große Chance gegen die Eigendynamik eines schleudernden Autos.
Ein Haus stand in der Nähe, vielleicht gelang es ihr auf der Zufahrt, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen, wenn es dort nicht mehr glatt war. Das war jedoch das Problem. Gerade als die junge Frau glaubte, die gefährliche Situation hinter sich zu haben, geriet sie erneut auf eine Eisplatte. Das Auto wirbelte auf das Gebäude mit den großen, hell beleuchteten Fenstern zu.
Valentina schrie auf. Nahm das denn gar kein Ende? Würde sie womöglich in das Haus hineinfahren? Das grässliche Kreischen der Räder und der Bremsen klang nervenzerfetzend in den Ohren, und sie wusste auch gar nicht mehr, was sie noch tun sollte.
Intuitiv trat sie wieder auf die Bremse, dann erneut die Kupplung – ein stechender Schmerz fuhr von ihrem Knöchel hoch durch das ganze Bein, augenblicklich schossen ihr die Tränen in die Augen. Dann war plötzlich alles vorbei.