Alpengold 376 - Sabine Holler - E-Book

Alpengold 376 E-Book

Sabine Holler

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Beschreibung

Als die Bäuerin vom Lehner-Hof stirbt, nimmt sie ein Geheimnis mit ins Grab. Ein Geheimnis, das die Herkunft ihrer beiden erwachsenen Kinder betrifft, die in dieser unseligen Nacht nicht nur ihre über alles geliebte Mutter verloren haben, sondern auch ihre Heimat.
Diese schweren Schicksalsschläge sind auch der Grund dafür, dass sich Maximilian und seine Schwester Leonie immer fester aneinander binden. Ihr Gefühl der Zuneigung wird dabei immer inniger, sodass sie sich schließlich kaum noch gegen das zärtliche Sehnen in ihren einsamen Herzen wehren können.
Als sie die Qual der jungen Leute nicht mehr mit ansehen kann, macht die alte Magd vom Lehner-Hof ein folgenschweres Geständnis ...


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Seitenzahl: 121

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Gestohlene Stunden

Vorschau

Impressum

Gestohlene Stunden

Warum sie ihre Liebe geheim halten mussten

Von Sabine Holler

Als die Bäuerin vom Lehner-Hof stirbt, nimmt sie ein Geheimnis mit ins Grab. Ein Geheimnis, das die Herkunft ihrer beiden erwachsenen Kinder betrifft, die in dieser unseligen Nacht nicht nur ihre über alles geliebte Mutter verloren haben, sondern auch ihre Heimat.

Diese schweren Schicksalsschläge sind auch der Grund dafür, dass sich Maximilian und seine Schwester Leonie immer fester aneinander binden. Ihr Gefühl der Zuneigung wird dabei immer inniger, sodass sie sich schließlich kaum noch gegen das zärtliche Sehnen in ihren einsamen Herzen wehren können.

Als sie die Qual der jungen Leute nicht mehr mit ansehen kann, macht die alte Magd vom Lehner-Hof ein folgenschweres Geständnis ...

»Pankraz! Pankraz! Jessas, wo steckt der Kerl denn wieder?«

Die jammernde Stimme der alten Zenzi hallte im Flur des Bauernhauses wider.

»Sakra, hast du mich erschreckt, Zenzi!«, murmelte der Knecht, der soeben durch die Waschküche vom Stall herüberkam. »Wir sprechen seit Wochen wegen der schweren Krankheit der Bäuerin nur noch im Flüsterton, und jetzt machst du ein solches Gezeter!«

»Wo bleibst du denn, Pankraz? Du musst sofort ins Dorf laufen! Die Telefonverbindung ist durch den Sturm gestört, wie es scheint.«

»Geht es der Bäuerin schlechter?«

»Ach, sehr schlecht! Sie verlangt nach dem Pfarrer. Es eilt, Pankraz!«

Das Gesicht des Knechts wurde einen Schein blasser.

»Es geht doch net etwa zu End', Zenzi?«

»Red net, Pankraz! Geh lieber!«, verlangte die alte Magd energisch.

Der Knecht nickte stumm und verschwand mit eiligen Schritten.

Langsam stieg die Zenzi die Treppe zum Obergeschoss empor, wo sich die Schlafkammern befanden. Dabei liefen der treuen Seele die Tränen über das faltige Gesicht.

Zenzi öffnete oben die erste Tür. Sie trat in die Kammer der Bäuerin. Die Gemeindeschwester kam ihr entgegen. Sie war seit einer Stunde im Hause und hatte der Kranken eine Spritze verabreicht. Jetzt wollte sie ins Badezimmer, um sich die Hände zu waschen.

Auch der Doktor war da. Der Landarzt stand zur Rechten des Bettes und hielt das magere Handgelenk der Kranken zwischen den Fingern. Schwach und unregelmäßig war der Puls. Jetzt legte er die abgezehrte Hand der Kranken behutsam auf die Bettdecke.

»Die Injektion wird dir guttun, Lehner-Bäuerin«, sagte er. »Danach hab ich nix mehr gegen einen Besuch der Kinder an deinem Bett einzuwenden.«

»Geben Sie sich keine Müh', mich zu täuschen, Doktor«, murmelte die Kranke. »Ich – ich weiß, dass meine Zeit auf Erden um ist. Den Pfarrer brauch' ich. Es ist sehr wichtig.«

»So darfst du net sprechen, Marie. Du wirst gesund werden und noch viel Zeit haben«, widersprach der Arzt.

Doch alle, die in der Schlafkammer waren, wussten, dass er nicht die Wahrheit sagte, und die Kranke wusste es am besten.

Als sich eine leichte Röte in dem wachsbleichen Gesicht der Bäuerin zeigte, sagte er: »Ich glaub', jetzt können wir es wagen. Hol die jungen Leute herein, Zenzi!«

Die alte Magd hatte schon fast die Tür erreicht, da rief die Kranke leise: »Der Pfarrer – wo bleibt er denn? Ich muss mit ihm sprechen. Es könnt' sonst zu spät sein!«

Die Zenzi nickte. »Er muss gleich da sein«, sagte sie. Dann hastete sie hinaus.

Während sie draußen den Flur entlangging, rang sie wie in geheimer Qual die Hände. Nur zu gut wusste sie, was die Lehner-Marie dem Pfarrer mitteilen wollte. Niemand außer ihr kannte das Geheimnis, von dem die Sterbende sprechen wollte.

Aber war es nicht besser, die Dinge totzuschweigen? Wem war damit gedient, wenn sie jetzt ans Tageslicht kamen? Vielleicht entstand daraus nur neues Leid.

Doch einer Sterbenden soll man nicht widersprechen. Es drängte die Bäuerin, ihr Gewissen zu erleichtern.

Um die Ecken des Bauernhauses heulte der Wind eine schauerliche Melodie. Das ist die richtige Nacht zum Sterben!, dachte die Zenzi und klopfte an die Tür der Wohnstube im Erdgeschoss.

Die Bäuerin ringt mit dem Tod, und der Bauer säuft irgendwo und spielt Karten. Den schert es net, dass es mit seinem Weib zu Ende geht, dachte die Alte voller Bitterkeit.

Ähnliche Gedanken bewegten auch die beiden jungen Menschenkinder, die sich an diesem Abend wie schutzsuchend in der Wohnstube zusammengefunden hatten – der Erbe des Hofes, Maximilian Lehner, und seine Schwester Leonie.

»Glaubst du, Maxl, dass es nur wieder einer von Mutters Herzanfällen ist?«, fragte Leonie angstvoll.

»Nein«, erwiderte ihr Bruder. »Ich hab mit dem Doktor geredet. Nur ein Wunder könnt' die Mutter noch retten. Aber ich glaub', sie sehnt selbst den Tod herbei«, fügte er Traurig hinzu. »Sie hat keine Kraft mehr zum Leben, alle Hoffnung und allen Mut hat sie verloren.«

»Ach, Maxl, genau dasselbe hab ich auch gefühlt!«, rief die Leonie mit Tränen in den Augen aus.

Eine steile Falte zeigte sich auf der Stirn des Hoferben. Er dachte an seinen Vater, der bestimmt nicht schuldlos an dem frühen Tod der Mutter war. Seine ständige Rücksichtslosigkeit, die vielen Aufregungen und der Kummer, den sein zügelloses Leben ihr bereitete, hatten das Herz der Mutter krank werden lassen.

Leonie faltete die Hände im Schoß und sah ihren Bruder unverwandt an. Sie schien ihm die Gedanken von der Stirn zu lesen, denn sie schüttelte den Kopf.

»Sei net bitter, Maxl! Er ist doch unser Vater, net wahr? Trotz allem ist er der Mann, dem wir unser Leben verdanken und der uns diese schöne Heimat gegeben hat.«

»Bald werden wir sie vielleicht net mehr haben, diese Heimat«, lautete die Antwort, und die Stirn des jungen Bauern furchte sich. »Wart nur, Leonie, was alles geschehen wird, wenn das Mutterl net mehr ist ...«

Düster war sein Blick in die Ferne gerichtet. Er sah offenbar schlimme Zeiten kommen für den Lehner-Hof.

»Dennoch steht's uns net zu, über den Vater zu urteilen«, wandte Leonie ein.

Sie hatte ein sanftes Gemüt, das immer den Frieden wollte und stets bereit war, den ruhigsten Weg zu gehen.

Maximilian war da anders. Ein rechter Feuerkopf war er, der sich nur schwer beherrschen konnte. Sein Temperament ging manchmal mit ihm durch.

»Dass man tatenlos zusehen muss, wie das Liebste, was man hat, zugrunde gerichtet wird, ist arg bitter, Leonie!«, rief er und ballte die Fäuste. »Ich glaub', ich hasse ihn!«

»Aber das Mutterl wär' die letzte, die wünschen würd', dass der Sohn sich ihretwegen gegen den Vater wendet!«, flüsterte seine Schwester.

Maximilians Zorn sank jäh in sich zusammen.

»Du hast ja recht, Madl!«, murmelte er. »Ich seh es ja ein, dass es unsere Pflicht ist, zu gehorchen und den Mund zu halten. Nur will mir das manchmal net gelingen.«

»Ich hab Angst vor der Zukunft«, hauchte Leonie. »Was soll werden, wenn die Mutter net mehr da ist und sich schützend vor dich stellt? Vater und du – ihr werdet hart aneinandergeraten!«

»Du bist ja auch noch da!« Er lächelte zärtlich. »Deinetwegen werd' ich hier aushalten, damit dir kein Haar gekrümmt wird.«

»Niemand wird mir was Böses zufügen«, beruhigte sie ihn, obwohl sie im Innern ihres Herzens keineswegs so zuversichtlich war. »Der Vater wird halt nur tun, als wär' ich Luft für ihn. Ich bin ihm von jeher gleichgültig und sogar lästig gewesen. Eine Tochter hat er net haben wollen. Die Madln sind, seiner Meinung nach, überflüssig. Nur der Bub, der Erbe, zählt. Es ist auch net schön zu wissen, dass sich der Vater so gar nix aus seiner einzigen Tochter macht. Du bist mein Trost, Maxl! Ich glaub', ich könnt' das Alleinsein sonst net ertragen.«

Wieder stiegen Tränen in die blauen Augen. Der Lehner-Maximilian schwieg und streichelte die Hand der Schwester.

In diesem Augenblick klopfte es. Die alte Magd Zenzi trat ein, und sie sahen ihrem Gesicht an, dass es schlecht um die Mutter stand.

»Die Mutter verlangt nach euch«, sagte die Zenzi, die einst Maximilian und Leonie auf den Armen getragen hatte. »Der Doktor hat ihr eine Spritze gegeben und erlaubt jetzt, dass ihr sie besucht. Aber ihr dürft sie net aufregen!«

Gemeinsam mit der Zenzi verließen sie das Zimmer. Die alte Magd betrachtete die beiden jungen Menschen mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck.

Maximilian und Leonie waren sich keineswegs ähnlich. Während Leonie die unverkennbaren Merkmale der Familie Lehner trug und so zart wie ihre Mutter war, wirkte Maximilian wie ein Athlet. Er besaß weder Ähnlichkeit mit seiner Mutter noch mit seinem Vater.

Als sie das Krankenzimmer erreichten, war der Geistliche noch immer nicht da. Das Wetter erschwerte ihm wohl den Weg zu der Sterbenden.

Ein mattes Lächeln erhellte die Leidensmiene der Mutter, als sie ihre Kinder eintreten sah.

»Meine lieben, lieben Kinder!«, flüsterte sie angestrengt.

Maximilian und Leonie eilten jeder an eine Seite ihres Bettes und ließen sich auf die Erde nieder.

Die Hände der Mutter legten sich auf ihre Scheitel.

»Ich geh' jetzt fort von euch«, sagte sie klar und tapfer. »Ihr bleibt in einem Hause, in dem Unfrieden herrscht. Ich mach' mir große Sorgen um euch ...«

»Mutterl«, erwiderte Maximilian mit fester Stimme, »du brauchst dich net zu sorgen. Ich bin erwachsen und werd' mich durchsetzen. So leicht macht man mit mir net mehr, was man will. Und auf die Leonie werd' ich achtgeben wie auf mein Augenlicht.«

»Leonie!«, hauchte die Kranke mit besonderer Innigkeit. »Um sie sorg' ich mich am meisten.« Sie warf einen hastigen Blick zur Zenzi hinüber. »Kommt der Pfarrer denn immer noch net?«

»Er wird gleich hier sein«, stammelte die Zenzi hilflos und huschte nach draußen.

»Mutterl«, versprach Maximilian, »ich werd' die Leonie nie verlassen! Immer werd' ich sie behüten und alles Böse von ihr abwenden!«

Fast schien es, als ob ein Lächeln über das Gesicht der Mutter huschte.

»Immer?«, wiederholte sie leise und zweifelnd. »Das kannst du net, Maximilian! Aber versprich mir, dass du so lange deine Schwester wie einen kostbaren Schatz hüten wirst, bis du sie einem Mann für ihr ferneres Leben anvertrauen kannst, der sie auch verdient und der treu und zuverlässig ist!«

Maximilian richtete sich auf. »Ich versprech's dir, Mutter«, sagte er mit männlicher Festigkeit.

Die Mutter nahm seine Hand und drückte sie leicht.

»Ich – ich dank' dir, Bub! Bleibt gute Menschen, ihr zwei! Folgt net dem schlechten Beispiel. Und – und ihr dürft net hassen, nein, net hassen ...«

Sie wussten beide, wen sie damit meinte. Während ihnen ein Schauer über den Rücken rann, flüsterten sie: »Wir versprechen es.«

Dann irrten die Blicke der Bäuerin wieder zur Tür.

»Ist – ist er denn – noch net da?«, rang es sich stoßweise von ihren Lippen.

»Du darfst net mehr sprechen, Bäuerin!«, mahnte der Arzt. »Es ist zu viel für dich.«

»Der Pfarrer – ich muss noch – ich darf net ...« Ihr Atem ging schwer und schwerer. »Er – muss alles wissen. Nein, ich kann so net ...«

Maximilian und Leonie hatten sich aus der knienden Stellung erhoben. Sie starrten angstvoll auf die Mutter. Kam jetzt das Ende?

Die alte Zenzi fühlte großes Mitleid mit der Sterbenden und wünschte dennoch heimlich, der Geistliche möge zu spät kommen. Es war gewiss besser, wenn über jene Dinge, welche die Bäuerin in letzter Minute offenbaren wollte, nie gesprochen würde.

»Lebt wohl!«, keuchte die Lehner-Marie unter unsäglicher Anstrengung. »Ich – werd' immer bei euch – sein ...«

Dann wand sich ihr abgezehrter Körper unter der furchtbaren Gewalt eines neuen Herzkrampfes, und in den Armen des Arztes hauchte sie ihr Leben aus.

Sanft drückte der Landarzt der Verstorbenen die Augen zu und ließ sie in die Kissen gleiten. Sohn und Tochter standen umschlungen am Fußende des Bettes und ließen ihren Tränen freien Lauf.

Wenige Minuten später stand der Pfarrer im Sterbezimmer. Das Haar klebte ihm schweißnass an der Stirn. Er war zu spät gekommen und konnte nur noch beten und die Hinterbliebenen trösten.

Die Zenzi aber dachte: Gut ist's, dass sie ihr Geheimnis mit ins Grab genommen hat. Nun weiß niemand was davon außer mir, und meine Lippen werden ewig verschlossen sein!

***

Eine Stunde war seit dem Ableben der Bäuerin vergangen, als der Bauer nach Hause zurückkehrte.

Er hatte wie meistens mit seinen Saufkumpanen im Gasthaus »Quellenkrug«, wo es manchmal hoch herging, gesessen.

Das Wort Arbeit hatte der Lehner-Bauer schon seit Langem aus seinem Sprachschatz gestrichen. Seit der Maximilian achtzehn Jahre alt war, hatte der Vater sich nicht mehr um die Bewirtschaftung des Hofes gekümmert und alles dem Sohn überlassen. Heute war der Hoferbe fünfundzwanzig, aber er hatte weniger Rechte als ein Knecht und keinen Lohn dazu. Nur arbeiten durfte er und sich vom Vater wegen jeder Kleinigkeit anbrüllen lassen.

Als die heutige »Sitzung« im »Quellenkrug« beendet war, lud der Bauer alle Anwesenden mit einer großartigen Handbewegung ein, mit ihm nach Hause zu kommen.

»In meinem Weinkeller ist auch noch was zu trinken!«, schrie er.

So zog die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft grölend und schwankend durchs Dorf zum Lehner-Hof, auf dem vor Kurzem die Bäuerin ihren letzten Atemzug getan hatte.

Lärmend hielten sie Einzug. Mit steinernem Gesicht hielt der Knecht Pankraz die Tür auf.

Auf den untersten Stufen der Treppe aber standen zwei dunkel gekleidete Gestalten und empfingen den heimkehrenden Bauern. Der Hubert brauchte eine Weile, bis er den Arzt und den Pfarrer erkannte.

»Grüß Gott, die Herren!«, rief er lallend und strebte mit seinem betrunkenen Gefolge zur Kellertür.

»Einen Augenblick, Lehner-Bauer!«, rief der Doktor und trat einen Schritt vor.

»Muss das sein?«, nörgelte der Hubert. »Wir – wir haben Durst und wo-wollen was zu trinken!«

»Hör zu, Bauer!«, verlangte der Geistliche jetzt mit strenger Stimme. »Deine Frau ist vor einer halben Stunde gestorben. Der Doktor hat soeben den Totenschein ausgestellt, und ich konnt' nur noch für die arme Seele beten.«

»Wie? Was?«, stotterte der Lehner-Bauer und strich sich das wirre Haar aus der Stirn.

»Die Bäuerin ist ihrem schweren Leiden erlegen«, erklärte der Arzt mit eisiger Miene. »Wenn eine Tote im Haus liegt, kann nicht getrunken und gefeiert werden.«

»Kruzitürken, das ist eine Schand'!«, entfuhr es dem betrunkenen Mann.

»Die Verstorbene liegt in ihrer Schlafkammer«, fuhr der Pfarrer beherrscht fort. »Wenn du sie sehen möchtest, Bauer, werd' ich dich hinaufbegleiten! Es ist die letzte Gelegenheit zum Abschiednehmen, denn morgen früh wird sie in den Sarg gebettet, und der muss dann verschlossen werden.«

Endlich schien der Bauer begriffen zu haben.

»Nein – net jetzt!«, wehrte er heftig ab. »Da-das hat noch Zeit!«

Dann drehte er sich zu seinen Gästen um und lallte: »Unter diesen Umständen, äh, äh, kann ich euch leider net in meinen Weinkeller führen. Kommt ein andermal wieder! Servus, ihr Leut'! Pankraz, mach ihnen die Tür auf!«

Der Knecht gehorchte mit unbewegtem Gesichtsausdruck. Dann schlich die Gesellschaft betreten hinaus.

Der Lehner-Bauer jedoch verschwand ohne ein weiteres Wort in seinem Arbeitszimmer im Erdgeschoss, wo er, wenn er nüchtern war, die Eintragungen in die Bücher machte und sein Geld in einem alten Geldschrank aufbewahrte.

Der Doktor und der Pfarrer standen ratlos im Flur.

»Bis morgen früh, Hochwürden!«, sagte der Arzt schließlich. »Eher ist er net vernehmungsfähig.«