Alpengold 381 - Sabine Holler - E-Book

Alpengold 381 E-Book

Sabine Holler

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Beschreibung

Dr. Ludwig Anzmer ist ein Arzt wie aus dem Bilderbuch. Das Wohl seiner Patienten geht ihm über alles, dafür ist ihm kein Weg zu weit. Er kümmert sich nicht nur um ihren kranken Körper, sondern auch um ihre seelischen Nöte und Ängste.
So ist es auch bei Burgl und Hannes, die sich so sehr lieben. Doch wie eine unüberwindliche Mauer steht die Feindschaft ihrer Familien zwischen ihnen.
Da spielt eines Tages das Schicksal Dr. Ludwig Anzmer einen Trumpf in die Hand, der allerdings ein bisschen an der Gerechtigkeit vorbeigeht. Darf der Arzt ihn ausspielen, um so zwei Liebende glücklich zu machen?


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Inhalt

Cover

Im Mühlental vereint

Vorschau

Impressum

Im Mühlental vereint

Es war ein weiter Weg ins Glück

Von Sabine Holler

Dr. Ludwig Anzmer ist ein Arzt wie aus dem Bilderbuch. Das Wohl seiner Patienten geht ihm über alles, dafür ist ihm kein Weg zu weit. Er kümmert sich nicht nur um ihren kranken Körper, sondern auch um ihre seelischen Nöte und Ängste.

So ist es auch bei Burgl und Hannes, die sich so sehr lieben. Doch wie eine unüberwindliche Mauer steht die Feindschaft ihrer Familien zwischen ihnen.

Da spielt eines Tages das Schicksal Dr. Ludwig Anzmer einen Trumpf in die Hand, der allerdings ein bisschen an der Gerechtigkeit vorbeigeht. Darf der Arzt ihn ausspielen, um so zwei Liebende glücklich zu machen?

»Und ich sage dir, Xaver, man kann durch den Kamin ganz allein auf das Virgenhorn steigen. Jawohl, ganz allein.«

»Nie und nimmer, Toni! Das wird nix. Der Kamin ist net breit genug.«

Die drei jungen Männer saßen in der Schenke »Zur Goldenen Rose« in Virgau und debattierten eifrig. Jeder von ihnen war ein guter Bergsteiger und im ganzen Mühlental bekannt. Aber unbestreitbar war der Stettner-Toni der beste von ihnen und zugleich auch der waghalsigste.

»Nein.« Xaver Berneisl schüttelte jetzt den Kopf. »Das würde ich net wagen. Es wäre mir einfach zu gefährlich. Dazu braucht meine Familie den Ernährer zu notwendig.«

Eine nette junge Frau hatte der Xaver und einen kleinen Buben, der dem Vater, vor Freude krähend, die Händchen entgegenstreckte, wenn dieser von der Tagelöhnerarbeit heimkehrte.

»Freilich, darauf musst du Rücksicht nehmen«, gestand ihm der unternehmungslustige Toni zu, der erst zweiundzwanzig und der Sohn eines reichen Bauern war. »Ich kann mir so etwas eher leisten – und weiß der Himmel, ich werde es auch tun.«

Die kräftige, braun gebrannte Faust ließ er krachend auf die weiß gescheuerte Tischplatte fallen, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, und sah sich herausfordernd im Kreise um, ob da wohl einer war, der ihm widersprach.

Am Schanktisch lehnten ein paar junge Männer, die aufmerksam zugehört hatten.

»Lass die Finger von diesem Unternehmen, Toni!«, rief jetzt der Scheidinger-Hannes herüber. »Es ist zu gewagt. Du könntest dich leicht unglücklich machen dabei!«

»Halt den Mund!«, fuhr der Toni ihn unwillig an, den blonden Kopf in den Nacken werfend. »Du hast mir gar nix zu sagen. Die Leute vom Scheidinger-Hof sind für uns doch gar net auf der Welt!«

Hannes biss sich auf die Lippen, denn diese unfreundliche Abfuhr kränkte ihn sehr. Aber er war es ja nicht anders gewohnt. Die Stettners begegneten den Scheidingers stets nur mit Gehässigkeit und Verachtung.

Dabei hätte der Scheidinger-Hannes, der von Natur aus ein gutmütiger und friedfertiger Mensch war, gerne ein besseres Verhältnis zu den Leuten vom Stettner-Hof gehabt, denn dort gab es ein blondes Madl, an das er Tag und Nacht denken musste und dem insgeheim sein ganzes Herz gehörte.

Aber für den Scheidinger-Hannes gab es wohl zu der Stettner-Burgl keinen Weg, denn zu alt und zu tief war die Feindschaft, die zwischen den beiden Höfen bestand.

»Willst du es wirklich tun?«, erkundigte sich jetzt der bedächtige Grümer-Sepp bei dem draufgängerischen Toni.

»Ich will es euch doch beweisen, dass es geht«, rief Toni mit funkelnden Augen. »Jede Wette gehe ich ein, dass ich durch den Kamin ohne fremde Hilfe auf das Virgenhorn komme.«

»Und ich setze fünfzig Euro dagegen, dass du es net schaffst!«, rief mit breitem Lachen der Rank-Ferdl, der stiernackige Sohn des Metzgermeisters von Virgau.

Er war als ein großer Wetter bekannt, der die Leute immer gern herausforderte und sein Vergnügen daran hatte, wenn sie Schiffbruch erlitten.

»Lass gut sein, Ferdl!«, mischte sich jetzt der Wirt Hermann Fiesler ein. »Wir glauben es dem Toni auch so, dass er bereit ist, den Versuch zu wagen.«

»Aber ich will's tun!«, schrie Toni mit lauter Stimme und sprang vom Stuhl auf, dass dieser rückwärts polterte. »Morgen in der Früh steig ich auf, und ihr könnt von mir aus alle unten stehen und zusehen, wie ich ganz allein das Virgenhorn bezwinge.«

Alle Männer, die in der Gaststube anwesend waren, hatten es gehört. Es gab keinen Zweifel mehr daran, dass es dem Stettner-Toni ernst war.

Als dieser wenig später das Gasthaus »Zur Goldenen Rose« verließ, um heimzueilen und die Vorbereitungen für das gefahrvolle Unternehmen zu treffen, erhob sich ein lebhaftes Gemurmel in der Schenke, und die Wogen der Erregung gingen ziemlich hoch.

Es waren mehr Stimmen dagegen als dafür zu hören. Ja, es gab Leute, die von einer ausgemachten Verrücktheit redeten und den Toni einen lebensmüden Narren schalten.

***

Nachdenklich verließ der Scheidinger-Hannes das Gasthaus kurze Zeit nach dem Toni.

»Er sollte es net tun, der Toni«, murmelte er vor sich hin. »Das nimmt ein böses Ende.«

Tief bohrte Hannes die Fäuste in die Taschen seines warmen Jankers und schritt mit vorgeneigtem Kopf dahin.

In der Dunkelheit achtete er auf seinem Heimweg nicht darauf, dass ihm ein Mädchen begegnete. Beinahe wäre er achtlos an seiner geliebten Burgl vorübergeschritten.

Ja, die Stettner-Burgl war's, die, in ein warmes Einschlagtuch gehüllt, aus dem kleinen Haus der Näherin kam, der krummen Zenzi, die ihre immer fleißigen Hände für alle Frauen des Dorfes regte.

»Siehst du mich denn net, Hannes, oder willst du mich net sehen?«, rief die Burgl mit leiser Stimme dem Hannes zu.

»Burgl, verzeih mir, ich sah dich net«, versicherte ihr Hannes überrascht. »Mit den Gedanken war ich halt woanders.«

»Es wird doch net ein anderes Madl im Spiel sein?«, fragte Burgl schelmisch und drohte mit dem Finger.

Im Licht der Lampe, die vor dem Häuschen des Gendarmen brannte, blieben sie stehen und sahen einander in die Augen.

Blau waren diejenigen der Burgl, groß und dunkelblau wie Veilchen, während die vom Hannes an braune Haselnüsse erinnerten.

Ein hübsches Madl war die Burgl, schlank und rank, rundlich da, wo ein Madl rundlich zu sein hatte, und mit einem herzlieben Gesicht.

Aber auch der Hannes war ein ansehnlicher Bursch, nach dem die Madln im Dorf gern den Kopf drehten. Und die beiden jungen Leute sahen so aus, als ob sie füreinander geschaffen wären.

»Es war dir doch net ernst mit deiner Frage, net wahr?«, wollte Hannes wissen und nahm jetzt Burgls Arm, um sie aus dem Laternenschein zu führen.

Es gab so viele neugierige Leute im Dorf, die nur zu gern ein junges Paar beobachteten und schnell ihre Weisheit weitertrugen. Der Stettner-Bauer und die Herrin vom Scheidinger-Hof brauchten nicht gerade zu erfahren, wie vertraut die beiden jungen Leute miteinander waren.

»Nein, es war ein Scherz«, gab Burgl zu und drückte Hannes' Arm an sich. »Ich weiß, dass du mir treu bist und net nach anderen Madln schaust.«

Nun waren sie ins Dunkel hineingetreten und standen in einer Lücke zwischen den Häusern, wo der scharfe Wind sie nicht erreichen konnte.

Hannes zog Burgl sanft an sich und küsste sie. Für ein paar Sekunden ruhte Mund auf Mund, und innig gestanden die beiden Lippenpaare einander, was ihre Besitzer fühlten.

»Wo warst du denn mit deinen Gedanken?«, wollte Burgl wissen.

»Bei deinem Bruder.«

»Was geht dich der Toni an, Hannes?«

»Ich hab ihm zugehört in der ›Goldenen Rose‹, wie er eine Wette abschloss.«

»Wieder einmal. Es wird doch wohl nix Verwegenes sein?«

»Doch, sogar sehr verwegen! Ganz allein will er das Virgenhorn bezwingen und durch den schmalen Kamin auf der Südseite einsteigen. Morgen schon soll es geschehen.«

»Das darf net sein!«, rief Burgl erschrocken aus. »Das kann ihn Kopf und Kragen kosten. Das Leben kann er dabei verlieren, der Narr!«

»Mit dem Rank-Ferdl hat er eine Wette abgeschlossen um fünfzig Euro.«

Das Dirndl schüttelte ärgerlich den Kopf.

»Als ob der Sohn des Stettner-Bauern das nötig hätte! Nein, ich muss mit den Eltern reden. Wir müssen es verhindern. Gut, dass du es mir gesagt hast.«

Jetzt hatte sie keine Ruhe mehr für zärtliche Küsse und Umarmungen. So schnell wie möglich wollte sie heim, und Hannes ließ sie ziehen, denn er konnte sie nur zu gut verstehen.

Bedrückt setzte er seinen Weg zum Scheidinger-Hof fort. Dieses große Anwesen, das seiner Mutter gehörte, lag als letztes nach dem Bergwald hin am Rand des Dorfes.

Josefa Scheidinger war die einzige Tochter eines reichen Bauern gewesen und hatte unter den jungen Männern des Dorfes wählen können. Schließlich hatte sie Georg Anzmer geheiratet, den dritten Sohn des Anzmer-Bauern aus Högelfing.

Georg hatte gut ausgesehen und sich auf die Landwirtschaft verstanden, aber das war auch alles. Geld hatte er nicht besessen. Das ganze Geld des Anzmer-Bauern war draufgegangen für das Medizinstudium seines zweiten Sohnes Ludwig, der sich als Dorfarzt in Virgau niedergelassen hatte. Den Hof hatte der Älteste geerbt.

Da es für den Scheidinger-Hof außer der Josefa keinen Erben gegeben hatte, hatte Georg Anzmer ihren Namen annehmen müssen, damit dieser alte Name nicht ausstarb. Niemand redete darum Hannes mit dem Namen seines Vaters an. Er war der Scheidinger-Hannes und würde einst den großen Scheidinger-Hof erben. So stand es für das ganze Dorf fest.

Hannes war nicht überzeugt davon, dass der Stettner-Toni seinen närrischen Einfall aufgeben würde. Toni war viel zu wild und zu eigenwillig, um sich nach den Wünschen seiner Eltern oder den Bitten und Ratschlägen seiner Schwester zu richten. Nach der Art mancher junger Burschen hielt er es außerdem jetzt gewiss für eine Ehrensache, sich zu bewähren und im Alleingang das Virgenhorn zu bezwingen.

Während Hannes so nachdenklich auf den Scheidinger-Hof zuschritt und manches Mal im Dunkeln über ein paar herumliegende Steine stolperte, lief Burgl die erleuchtete Dorfstraße entlang, hinter deren westlicher Kurve das breite, stattliche Haus des Stettner-Bauern lag.

Sie wollte möglichst noch vor dem Bruder zu Hause sein, um die Eltern warnen zu können.

Aber das gelang ihr nicht. Als sie die Haustür öffnete und in den breiten, mit blau-weißen Fliesen ausgelegten Flur trat, sah sie Tonis Janker schon am Haken hängen und vernahm seine Stimme in der Wohnstube.

»Ich gehe heute früh zu Bett«, sagte er gerade, »denn morgen will ich auf das Virgenhorn steigen.«

»Muss das sein?«, fragte die Mutter, die immer etwas ängstlich war.

»Ich habe es mir vorgenommen, und es bleibt dabei«, lautete die entschlossene Antwort des Sohnes. »Der Xaver Berneisl und der Grümmer-Sepp, der Rank-Ferdl und viele andere sind dabei.«

Die Tatsache, dass diese anderen guten Bergsteiger mit von der Partie waren, sollte seine Eltern beruhigen. Ganz bewusst verschwieg er dabei, dass sie alle nur Zuschauer sein würden und dass er das Virgenhorn ganz allein besteigen wollte.

Schnell hatte Burgl das schwarze Wolltuch von den Schultern genommen und auf den Haken gehängt. Jetzt trat sie mit hochroten Wangen und atemlos vom schnellen Lauf in die Wohnstube.

»Lasst ihn net gehen!«, rief sie und streckte beschwörend die Hände aus. »Er sagt euch net die Wahrheit. Ganz allein will er aufs Virgenhorn, und mit dem Rank-Ferdl hat er gewettet, dass er es schafft.«

»Hast du denn den Verstand verloren, Bub?«, flüsterte die Mutter und ließ das Strickzeug sinken.

»Was höre ich da?«, forschte der Vater mit strenger Miene. »Eine Wette hast du abgeschlossen? Das ist eines Stettners net würdig. Wer einmal Bauer auf einem großen Hof sein soll, der riskiert net Kopf und Kragen für eine Narretei.«

»Ach, Weibergeschwätz!«, rief Toni ärgerlich und tat mit einer Handbewegung die Einwände ab. »Ganz genau hab ich mir den Weg angesehen, den ich nehmen will. Es ist gar nix dabei. Spielend werde ich es schaffen. Es geht mir auch net um die fünfzig Euro, Vater, sondern um mein Ansehen als der beste Bergsteiger vom Mühlental.«

»Was nützt dir das Ansehen, wenn du mit gebrochenen Knochen im Krankenhaus liegst?«

»Dahin wird's net kommen. Du weißt, ich bin erfahren und umsichtig und sichere mich nach allen Seiten ab.«

Sie konnten ihm das waghalsige Unternehmen nicht ausreden, so gern sie das auch gewollt hätten, und mit Befehlen vermochte der Vater beim Toni nichts mehr auszurichten, seit dieser mündig war.

So mussten sie ihn dann aus dem Zimmer gehen lassen. Bald darauf hörten sie ihn im Obergeschoss und auf dem Dachboden rumoren, wo er die Ausrüstungsgegenstände für den nächsten Tag zusammensuchte.

»Er sagt euch net die Wahrheit«, redete indessen die Burgl unten auf die Eltern ein. »Durch den schmalen Kamin an der Südseite des Virgenhorns will er aufsteigen, den noch niemand erprobt hat.«

»Woher weißt du das?«, fragte der Bauer.

»Der Scheidinger-Hannes hat es mir erzählt. Ich hab ihn unterwegs auf der Dorfstraße getroffen. In der ›Goldenen Rose‹ hat er's gehört.«

Bei der Erwähnung vom Hannes runzelte der Bauer die Stirn.

»Du weißt doch, dass du mit dem Hannes net sprechen sollst«, fuhr er seine Tochter an. »Was der Hannes sagt, zählt für mich net. Ein Muttersöhnchen ist das, ein Bursch, der kein Mark in den Knochen hat. Ich kann mir vorstellen, wie er gewarnt und gejammert hat.«

»Aber er meint es doch nur gut«, versuchte Burgl den Hannes zu verteidigen.

Doch damit kam sie bei ihrem Vater nicht an. Alles, was Scheidinger hieß, galt für ihn nichts. Genau das Gegenteil hatte Burgl erreicht.

»Ich kann mir schon vorstellen, wie es zu der Wette gekommen ist«, meinte der Vater nämlich nun in verständnisvollem Ton. »Da sitzen die Burschen in der ›Goldenen Rose‹ beisammen und prahlen mit ihren Fähigkeiten. Einer will immer noch besser und größer sein als der andere. Das ist so der jungen Leute Art. Man muss sie gewähren lassen.«