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Ein Schriftsteller geht durch eine alte Bibliothek. Er will mehr wissen über die Anfänge des Menschen, über seinen Eintritt in die Welt und die Zeit. Wie war sein Weg von den frühen Höhlenmalereien bis zu den ersten Schriftzeichen? Wann entstanden die ersten Geschichten und aus den Geschichten die Erinnerung und aus der Erinnerung die Vergangenheit? Und wie sahen die ersten Städte aus, wie das fünftausend Jahre alte Uruk, das schon Bibliotheken aus Tontafeln kannte? Dieter Fortes Buch steht am Ende eines lebenslangen Nachdenkens über den Menschen. Wo kommt er her? Was macht ihn aus? Was kann er wirklich über die Welt wissen? Es ist eine bewegende Beschwörung der Sprache, unserer größten Errungenschaft. Wenn wir sie verlieren, verlieren wir die Welt.
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Seitenzahl: 59
Veröffentlichungsjahr: 2019
Dieter Forte
Ein Schriftsteller geht durch eine alte Bibliothek. Er will mehr wissen über die Anfänge des Menschen, über seinen Eintritt in die Welt und die Zeit. Wie war sein Weg von den frühen Höhlenmalereien bis zu den ersten Schriftzeichen? Wann entstanden die ersten Geschichten und aus den Geschichten die Erinnerung und aus der Erinnerung die Vergangenheit? Und wie sahen die ersten Städte aus, wie das fünftausend Jahre alte Uruk, das schon Bibliotheken aus Tontafeln kannte?
Dieter Fortes Buch steht am Ende eines lebenslangen Nachdenkens über den Menschen. Wo kommt er her? Was macht ihn aus? Was kann er wirklich über die Welt wissen? Es ist eine bewegende Beschwörung der Sprache, unserer größten Errungenschaft. Wenn wir sie verlieren, verlieren wir die Welt.
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Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2019 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Sonja Steven, Büro KLASS
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ISBN 978-3-10-490199-2
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Widmung
Motti
Tote träumen nicht
Das Universum des Menschen
Der Mensch ist seine Legende
Es steht geschrieben
Eine Geschichte ohne Ende
Und es ward Abend und es ward Morgen
Es werde Licht
In der Dunkelheit
Spuren
Mensch und Tier
Die Ordnung der Welt
Graffito
Das Bild der Welt
Der Bibliotheksdiener
Das Fundament der Welt
In der Freiheit
Hieroi Logoi
Die Namen
Im Holozän
Passus Authoris oder Das Kapitel über den Menschen
Der Denker
Menschenzeit
Der ägyptische Sonnenhymnus
Die Stadt
Für Marianne
So lacht nur, Freunde,
Wenn ein Maler
Frau und Pferd und Fisch und Vogel
Zu einem seltsam Bild zusammenfügt.
Wenn ein Autor aus Phantasie und Traum Geschichten einer anderen Welt erschafft.
Horaz, Ars Poetica
Vergangenes wird oft als wahr berichtet, doch geht aus dem Gedächtnis nicht das Vergangene selbst hervor, sondern die Worte, die es wie Spuren hinterlassen hat.
Augustinus, Bekenntnisse
Wir haben uns eine Welt zurechtgemacht, in der wir leben können – mit der Annahme von Körpern, Linien, Flächen, Ursachen und Wirkungen, Bewegung, Ruhe und Gestalt und Inhalt: Ohne diese Glaubensartikel hielte es keiner aus zu leben!
Aber damit sind sie noch nichts Bewiesenes. Das Leben ist kein Argument; unter den Bedingungen des Lebens könnte der Irrtum sein.
Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft
Ein schattenloser weißer Gang, in erinnerungslosem Weiß verschwindend, endlos. Weißes Neonlicht, weiße Türen und Fenster, die Türen verschlossen, die Fenster von außen vermauert. Menschen bewegen sich mechanisch von Tür zu Tür, von Fenster zu Fenster, rütteln an den Türklinken, an den Fenstergriffen.
Stille. Ab und zu ein Aufschrei. Eine brüchige Stimme singt ein Kinderlied, beginnt neu. Die Menschen stehen vor den Türen und Fenstern. Sie warten. Sie suchen die Erinnerung. Sie suchen die Welt, die in ihren Gedanken war, in ihrer Sprache war. Die Sprache ist zerfallen, ihre Gedanken sind verschwunden, stumme Worte, stumme Sätze. Die Welt existiert nicht mehr, nicht in ihrem Leben, nicht in ihren Träumen. Tote träumen nicht.
Als der Himmel noch nicht benannt war
und die Erde noch ohne Namen,
als es noch keine Götter gab
und die Schicksale noch unbestimmt …
Enuma Elish, babylonische Schöpfungsgeschichte, viertausend Jahre vor unserer Zeit, sagte der Bibliothekar, der ihm einige schwere Folianten auf den massiven Refektoriumstisch legte, an dem er schrieb.
Und was schreibt Milton im »Verlorenen Paradies«:
Umschauend sahen sie, ach, das Paradies
in Glut und Flammen untergehn.
Doch offen lag die Welt vor ihnen
und ihrem neuen Leben.
Sie gingen langsam Hand in Hand,
einsam ihren stillen Weg.
Eine unglaubliche Geschichte, sagte der Bibliothekar und setzte sich in einen zerschlissenen Voltaire. Die großartigste Erzählung, die man in dieser Welt hören kann. Und sie ist noch nicht beendet. Wir leben noch in ihr. Es ist unsere Geschichte. Uruk, Babylon, Ninive, Weltstädte in einer Pracht, wie man sie nie wieder sah. Goldene Städte der Architektur, der Kultur und der Wissenschaft mit den größten Bibliotheken ihrer Zeit. Die Zivilisation des Menschen.
Die Glocken der nahen Kathedrale übertönten den Bibliothekar. Ein gregorianischer Choral setzte ein, verfing sich in den hohen Bücherwänden. Viele dieser goldschimmernden Lederbände stammten aus einem mittelalterlichen Kloster, dessen Mönche ein Schweigegelübde abgelegt hatten. In ihren Zellen führten sie ein einsames Leben in absoluter Stille. Da war es kein Wunder, dass sie bald die größte und wichtigste Bibliothek des damaligen Reiches besaßen, die nun in diesen heiligen Mauern ihren Platz gefunden hatte.
Im großen Lesesaal arbeiteten an langen Tischen junge Menschen, den Kopf über ein Buch geneigt, da hatte sich in Tausenden von Jahren nicht viel geändert. Er saß mit dem Bibliothekar in einem Kabinett, das durch Glasscheiben vom Lesesaal abgetrennt war, so dass man in einer eigenen Welt in der Welt war. Der Bibliothekar in seinem Sessel, in dem schon Generationen von Lesern sich mit einem Buch in der Hand in ferne Länder und Zeiten geträumt hatten, wie immer in sein Denken versunken. Er selbst zwischen schwergewichtigen Erinnerungswerken am Refektoriumstisch mit seinen phantasievoll ausgemalten Tintenflecken, seinen eingekratzten Anfangsbuchstaben und Jahreszahlen, Hinterlassenschaft vieler Generationen. Insignien, die besagen sollten, ich war hier – wie die Hände auf den Höhlenbildern der Steinzeit.
Man kann es auch machen wie dieser Märchenonkel Hesiod, sagte der Bibliothekar, aus seinem Denken erwachend. Er schwor den Musen, die Wahrheit zu schreiben. Die Musen erlaubten ihm dafür, seinen Namen auf das Manuskript zu setzen, was unter Autoren leider zur Unsitte wurde. Da schrieb nun dieser Hochstapler, der nicht genug Götter erfinden konnte, in seinem Mythenbuch: Zuerst war das Nichts, aus dem das Chaos entstand. Das Chaos zeugte Gaia, die fruchtbare Erde. Die zeugte wiederum Uranus, den sternenüberglänzten Himmel. Dann zeugte sie die schneebedeckten Berge und das wild schäumende Meer. Eros taucht auch noch auf, erzeugt die Nacht und irgendwie den Tag.
