Am Ende der Zeit - H. DERHANK - E-Book

Am Ende der Zeit E-Book

H. DERHANK

0,0
0,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als hätte die Welt uns auf ein Abstellgleis der Zeit geschoben. Kanibaleske über Fleisch, Reis und die gerechten Opfer, die zu bringen sind.

»In sechs Wochen werden wir beginnen, uns gegenseitig aufzuessen!«

So der Anfang der verstörenden Geschichte von Kevin, einem ganz normalen Vorstadtjungen, der eines Tages feststellt, dass alle Tiere und Pflanzen der Welt gleichzeitig aufgehört haben, zu leben.

Nachdem die globalen Nahrungsvorräte aufgebraucht sind, haben die Menschen nur noch sich selbst. Von da an entscheidet das Los, wer sein eigenes Fleisch den anderen opfert.

Das Ende ist schon abzusehen, als im Himalaya ein fruchtbares Reisfeld gefunden wird, das 144.000 ernähren kann. Kevin und sein Vater machen sich auf den Weg ins Gelobte Land, wo ein allerletztes Opfer erwartet wird ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2015

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



H. DERHANK

Am Ende der Zeit

Kanibaleske

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

.

 

 

 

LSD - Verlag Literarische Sammlung DERHANK www.LSD-Verlag.de [email protected]

 

.

»Nein!«, sagte er lächelnd.

Der Fernseher wurde still. Ich konnte mich nicht erinnern, aus dem Gerät jemals eine solche Stille wahrgenommen zu haben.

 

Am Ende der Zeit

 

»In sechs Wochen werden wir beginnen, uns gegenseitig aufzuessen!«, sagte der Mann.

»Mama!«

»Jetzt nicht, Kevin, ...«, antwortete meine Mutter. Sie wirkte zerstreut und konnte den Blick nicht vom Fernseher lassen.

»Mama, die Goldfische sind tot. Alle!«

 

Ich ging zurück in den Garten und zählte: 22 silbrig-orangefarbene Körper, die aneinanderklebten wie umgedrehte Spielzeugboote, oder wie ein Floß, und ich fand das für meine Mutter Grund genug, nicht weiter fernzusehen. Denn als ich aus der Schule kam, waren sie alle noch gesund gewesen. Und das war gerade mal eine Stunde her. Als hätte man sie während des Mittagessens vergiftet.

Ich beschloss, meine Entdeckung Jonas zu zeigen. 22 Fische gleichzeitig tot. Aus dem Wohnzimmer hörte ich jemanden sagen: »Es gibt immer eine Hoffnung!«

Meine Mutter? Der Fernseher?

 

Ich lief den schmalen Weg durch die Gärten der Siedlung. Ein Windstoß ließ die Buchenhecke rascheln und unterbrach für ein paar Sekunden die Stille. Tatsächlich, es war so still geworden; seltsam still: kein Vogel zu sehen, kein Insekt. Ich riss einige Blätter von der Hecke und zerrieb sie zwischen den Fingern. Sie waren spröde. Ich betrachtete meine Finger: faseriges, feuchtes Grün, zerriebene Blätter eben. Sie rochen nicht. Nicht frisch, gar nicht.

Ich schob die Zweige auseinander und spähte vorsichtig in den Garten der Nachbarn. Kein Hund. Nicht einmal der Hund kam, um mich anzubellen. Der große Hund von Robert, mit seinem Riesenmaul. Ich entdeckte ihn auf der Terrasse. Lag da und schlief. Oder war tot. Totgeschlagen von Robert. Mit seinem Baseballschläger.

 

Jonas war blass und wirkte so ernst, als er mir die Tür öffnete. Seine Eltern waren unterwegs, einkaufen, er sah mit seiner großen Schwester fern. Sie saß regungslos im Sessel, ganz nah am Fernseher, hing vor dem Bildschirm wie eine Motte am Fenster. Sie weinte.

 

Am nächsten Morgen fuhr ich zur Schule. Mit dem Bus. Wie immer. Alles war wie immer. Nur dass meine Mutter nicht ein einziges Mal gelächelt hat. Dass sie nicht einmal »Tschüss!« gesagt hat. Mit stummen, routinierten Bewegungen waren meine Pausenbrote im Tornister verschwunden, stumm hatte ich unser Haus verlassen.

Autos fuhren. Flugzeuge flogen. Wie immer. Doch die Geräusche waren irgendwie anders als sonst, sperriger, sie hatten etwas von ungeölten Maschinen. Die Straße klang nicht mehr, sondern jedes Ding klang für sich. Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, aber sonst waren alle Geräusche miteinander verbunden gewesen, wie ein Teppich, ein Klangteppich, den man kaum wahrnimmt. Jedes Flugzeug, jedes Auto, jede zuschlagende Tür, jeder Schritt und jedes Wort waren in meinen Ohren nun wie für sich isoliert. Als irrten die Geräusche umher.

 

Wie die Lehrer, die uns nicht wahrnahmen. Sie bemühten sich um ihren Unterricht, pflichtbewusst, doch wie ohne Kraft. Mit schlaffer Hand zeichnete Frau Meisel die Formel für den Dreisatz an die Tafel. Ihre Stimme war leise und zitterig. An anderen Tagen hätten wir sie hochgenommen, gerade Frau Meisel. Die sonst kaum gegen uns ankam. Doch an diesem Tag waren wir mucksmäuschenstill.

»In drei Erdbeerkörbchen befinden sich 144 Erdbeeren«, sagte Frau Meisel, »wie viele Erdbeeren sind in zwei ...«