Ammo Train - Steve Nolte - E-Book

Ammo Train E-Book

Steve Nolte

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Beschreibung

Nothing stops the Ammo Train! Sie sind Abenteurer, Glücksritter, Verstoßene und Schurken. Sie sind Soldaten. Sie sind das Faun Prime 1st Freelance Regiment - Sie sind die Lancers. Sie arbeiten für den Höchstbietenden. Dies sind ihre Geschichten. Auf dem vom Bürgerkrieg verheerten Wüstenplaneten Queesh sieht sich ein Söldnerregiment mit einem tödlichen Komplott konfrontiert. Mittendrin: Eine Kopfjägerin, die auf der Suche nach etwas Kostbarem vom Weg abkommt. Zwei Kleinkriminelle, die nach einem missglückten Coup ihr Leben überdenken müssen. Eine geheimnisvolle Rekrutin, die nicht ist, wer sie zu sein scheint. Ein zukünftiger Augur, dessen militärische Karriere auf dem Spiel steht. Zum Munitionszug - zum Ammo Train - abgeschoben, müssen sie erkennen, dass man aus der Not auch eine Tugend machen kann. Nur gemeinsam können sie den Feind bezwingen. Nur gemeinsam haben sie eine Chance, Queesh lebend zu verlassen. Dumm nur, wenn nicht nur blutrünstige Rebellen und unaufhaltsame Attentäter, sondern auch die eigenen Kameraden einem ans Leder wollen ... Eine actiongeladene, überdrehte Military-Sci-Fi-Saga für Leser von Dan Abnett, Aaron Allston und Joe R. Lansdale und Fans von Battlestar Galactica, Guardians of the Galaxy und Mad Max!

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DER AUTOR

Steve Nolte (*1985) …

… versteckt sich hinter einem halbseidenen Pseudonym, um seinen Groupies das Leben schwerzumachen und schreibt Romane, in denen Monster, Kometen, Raumschiffe und Deichvogte vorkommen. Inspirieren lässt er sich dabei von Sven Regener, Frank Schulz, Stephen King, Raymond Chandler, Glen Cook, Joe Abercrombie, Helge Schneider und vielen anderen. Seit frühester Kindheit liebt er fantastische Geschichten, kann jede Kreatur in Jabbas Palast benennen und kennt das Atomgewicht von Kobalt ebenso wie den Inhalt des Sechs-Dämonen-Beutels. Da er noch „richtig“ arbeiten muss, um seine Miete zu bezahlen, ist er – nach verschiedenen mehr oder minder seriösen Jobs als Ghostwriter für Bewerbungsunterlagen, Texter, Lektor und Redakteur – derzeit in der Unternehmenskommunikation eines Dortmunder Mittelständlers tätig.

http://steve-nolte.de

INHALT

Prolog Aus dem persönlichen Logbuch von Sir Alldun Zee Carvas-Dontraß, 500 n. E. II

Kap. 1 Milch. Mädchen. Rechnung.

Kap. 2 Duo mit zwei Hörnern

Kap. 3 Der kleine Prinz

Kap. 4 Country Mouse

Kap. 5 Die alte Neue und der neue Alte

Kap. 6 Fast Formart

Kap. 7 Die Nacht hat viele Augen

Kap. 8 In the Army Now

Kap. 9 Girl U Want

Kap. 10 What We Do in the Shadows

Kap. 11 Volleyed and Thundered

Kap 12 Feuertaufe

Kap 13 Rücken, triff Wand

Kap 14 Deal or No Deal

Kap 15 Geprügelte Hunde

Kap 16 One Hit Wonder Girl

Kap 17 Die Kayne war ihr Schicksal

Epilog Aus dem persönlichen Logbuch von Sir Alldun Zee Carvas-Dontraß, 500 n. E. II

DRAMATIS PERSONAE

Personalregister des 1st Faun Prime Freelance Regiment, 400 n. E. II

HQ-Element

CO: Colonel Tomaas Arrara, geschätzter Stratege, altgedienter Söldner

XO: Major Terrio, eine Sh‘noor, seine rechte Hand

First Sergeant: Adlata Dûn, eine ehemalige Sklavin, jetzt höchster Unteroffiziersdienstgrad der Truppe

Klopek, ein ehemaliger Sklave und Leibwächter des Colonels

Qualster, ein Mentator und Strategiemeister

C1-3R/k, genannt Clerk, die klügste KI-Einheit weit und breit

Scout-Verband

Lieutenant J’arnys, Clan Sp’a, Chief Scout, Avianerin, Kommandatin der Fernspäher

Sergeant Ip Bornii, ihr Stellvertreter, ein Töskr

Sergeant Ratsh, maskierte Kommandantin der Outriders, gefürchtete Kriegerin

Fahnenjunker Alldun Zee Carvas-Dontraß, junger Offizieranwärter von Teegardia, Adelsspross mit guten Verbindungen, zurzeit Offizier im Praktikum

Gu'e'la A'Shantari, genannt Shari, Allduns Leibdienerin, eine Ur-Teegardianierin

Corporal Boak, ein erfahrener Outrider-Scout mit wenig Fantasie

Private Zinger, ebenso schöne wie gefährliche Outrider Späherin, Allduns Schwarm

Private Zsheb Shishnic, genannt Camo, ein Myrmkri Tarnkünstler und legendärer Outrider-Scharfschütze

Private V’rron, ein Ssuria, der Alldun überaus unheimlich ist

Private Ecca, eine Nosfra, genannt Nachtflügel

Juju-Mann, ein Nano-Warlock

Verwaltung

Lieutenant Andùin, ein scharfsinniger Vulprox, Rekrutierungs und Personaloffizier

Sergeant Barbra Rüyss, seine rechte Hand

Nachschub & Ammo Train

Captain Garth Inbocks, Quartiermeister, Zahlenmensch, Organisator und Supply-Chain-Manager, Kompaniechef Nachschub

Sergeant Bolzen, vierschrötiger, gehörnter Dengor, begabter Schleifer, Motivator und Beschaffer, Zugführer des 1st Platoon des Ammo Train

Corporal Zcislowski, genannt Schisslowski, ein mäßig begabter Mechaniker im Ammo Train, Squad Leader im 1st Platoon

Corporal Gearmeyer, Erfinderin, Squad Leader im 1st Platoon

Private Ruuten Cobba, ein fieser Wichser und Ares-Fahrer

Private Nada Erehwon, ein Neuling im 1st Platoon

Trooper Timotheus Vinzor, ein Neuling im 1st Platoon

Sonstige Soldaten

Captain Edwin Parr, XO des 2. Bataillons, temporärer Basiskommandant des Suurion-Feldlagers

Hizbolla von Deirdra, Priesterin der Auto-Lanze, Standartenträgerin der Lancers

Der Alte Püsterich mit seiner Photonenbüchse

Wunder-Wincent, telekinetisch begabt, spricht mit Vögeln

Zivilisten auf Queesh

Ceda Kayne, geheimnisvolle Kopfjägerin auf der Suche nach etwas Kostbarem, das jemand Stinkreichem abhandengekommen ist

Meek, ein kleinwüchsiger Dieb und ehemaliger Zirkusakrobat; meist unterwegs mit Turnbull, meist auf der Flucht vor den Behörden

Turnbull, ein sturer Caproner, Gelegenheitsverbrecher und Ingenieur; meist unterwegs mit Meek, meist auf der Flucht vor den Behörden

Neria, ein einfaches Mädchen vom Lande; angehende Rekrutin der Lancers

Sulla, ein gefährlicher Mann

Jeromina, seine Freundin

Van de Mer, sein Freund

Fegh’nittik, ein Somwat – ebenfalls sein Freund

Stergio Campaan, ein quasi-mythischer, gefürchteter Unterweltboss

AUS DEM PERSÖNLICHEN LOGBUCH VON SIR ALLDUN ZEE CARVAS-DONTRAß, 500 N. EII

Diese Aufzeichnungen sind bewusst als persönlich gekennzeichnet. Ich habe sie zudem als vertraulich markiert und mit einem recht mächtigen Blockwort versehen, weiß aber, dass jeder Datendruide, Codeaffe, Cracker, Splicer, Cybernaut, Hacker und Denkmaschinen-Linguist, der seine Solidos wert ist, es innerhalb von weniger als dreißig Jiffys knacken wird – diese Typen haben so die Angewohnheit, mir auf derlei Art und Weise auf die Nerven zu gehen. Ich kenne diese Typen. Ich hasse diese Typen!

Ich bin trotzdem so verfahren, weil ich meine privaten Notizen und Logbücher bewusst, klar und überdeutlich von meinem offiziellen Bericht separieren möchte. Ein offizieller Bericht und ein Tatsachenbericht sind zwei Paar Stiefel, versteht ihr? Natürlich versteht ihr das. Wenn ihr das hier lest, seid ihr vermutlich nicht auf den Kopf gefallen – zumindest nicht allzu oft. Ganz anders als viele der handelnden Personen in diesem meinen Bericht.

Für den Fall, dass ihr diese Aufzeichnungen losgelöst vom offiziellen Bericht studiert – was ich hoffe, denn der offizielle Bericht ist ein Haufen Scheiße, wenn ich jemals einen gesehen habe, und vertraut mir, ich habe viele gesehen und das fragliche Schriftstück zu allem Überfluss ja auch noch selbst verfasst –, möchte ich mich abermals kurz vorstellen. Kurz, denn diese Geschichte ist lang und die Zeit, die mir noch bleibt, um sie zu beenden, ist begrenzt.

Meinen Namen seht ihr dort oben in der Überschrift. Er mag euch merkwürdig vorkommen, aber einen anderen habe ich nicht, also Pech gehabt. Meine Mutter benannte mich nach einem längst verstorbenen Barden aus grauer Vorzeit, angeblich ein großer Künstler, viele hundert Jahre, bevor wir im Zuge des Ersten Exodus Urerde hinter uns ließen und auszogen, um uns die Sterne Untertan zu machen. Ich habe nie auch nur eins seiner Lieder gehört und möchte es auch nicht. Selbst wenn sich noch in irgendeiner verstaubten Bibliothek eine Aufnahme finden lassen sollte, würde ich einen großen Bogen darum machen. Natürlich gäbe es andere Mittel und Wege. Ich hätte oft Gelegenheit dazu gehabt, diesen Aspekt meiner Identität näher zu erforschen, immerhin kann ich sowohl Gedanken lesen als auch in die Zukunft und in die Vergangenheit blicken. Ja, ihr habt richtig gelesen. Alles Teil meines Trainings. Kurzum: Mir würden da ein, zwei Wege, geheime Techniken und verbotene Astraltunnel einfallen, mit deren Hilfe ich es sogar fertiggebracht hätte, des illustren Barden höchstselbst angesichtig zu werden. Aber ich will mir wohl mein Selbstbild nicht zerstören. Was, wenn mein Namenspatron ein lächerlicher Popanz war? Was, wenn ich seine archaische Musik, die wir mit unserem heutigen Sinn für Rhythmus und Melodie kaum verstehen würden, zum Kotzen widerlich finden täte? Was, wenn …

Verdammt noch mal, ich will offenbar heute einfach nicht zum Punkt kommen. Dabei erwähnte ich doch eingangs, dass Zeit kostbar ist. Ich fasse zusammen: Meine Mutter benannte mich nach einem Sänger, der seit geschätzt dreitausend Jahren tot ist. Ich kenne weder den Grund dafür noch habe ich Interesse daran, weiter zu diesem Kerl zu recherchieren. Hatte es nie. An dieser Stelle sei mir zu meiner Ehrenrettung zudem die Bemerkung gestattet, dass ich nicht immer derart geschwätzig bin, auch wenn meine Partner, Sekretäre, Kameraden und Kurtisanen da wohl anderer Meinung wären. Es mag sein, dass ich mich gern selbst reden höre, und dass es mit den Jahren damit nicht besser wird.

Dennoch: Man sollte meinen, ein Mann in meinem Alter, mit meiner professionellen Ausbildung und langjährigen Erfahrung, würde – erst recht in Anbetracht seiner begrenzten verbleibenden Lebenszeit – seine Geschichte ein wenig kompetenter und wirtschaftlicher erzählen. Schneller zum Wesentlichen kommen. Zeit sinnvoller nutzen. Aber ich bin wohl nicht die Art Erzähler. Wann ist ein alter Mann jemals direkt zum Punkt gekommen? Erst recht ein alter Mann, der sich Zeit seines Erwachsenenlebens an die strengen Limitationen der Berichtsstandards verschiedenster Militärapparate sowie letztlich gar an das Reglement der Khanatischen Auguren halten musste.

Auguren? Ja, Kinder, ich bin ein Augur. Ein Seher, ein Wahrsager – ein Gaukler, sagen manche. Für andere bin ich eine unverzichtbare menschliche Ressource, ein Stratege, ein menschlicher Computer und Berater auf zahlreichen Ebenen – von militärischer Taktik und allgemeiner galaktischer Geschichte über die Wirtschaft bis hin zur Politik. Wieder andere nennen mich einen Propheten – und haben mich in der Vergangenheit schon weitaus Schlimmeres genannt.

Na, fühlt ihr bereits den Groove? Habe ich euch neugierig gemacht, meine Schäfchen? Ich sehe schon, eure Augen gleichen inzwischen in der Tat denen von ausgehungerten Sqeebies kurz vor der Fütterung – die geweiteten Pupillen, der gierige Blick! Ja, ich denke, ich habe euch an der Angel (falls nicht, könnt ihr diese Aufzeichnungen jederzeit schließen, es gibt eine entsprechende Schaltfläche oben rechts, wenn ihr ein königlich-kaiserliches, khanatisches oder gemeinvölkisches Handdisplay nutzt, ihr kennt das gewiss), wie man sagt. Ich hoffe, ihr wisst, was eine Angel ist. Es ist unwichtig für die Geschichte, aber in diesen Tagen weiß man nie und es wäre doch ein Jammer, so etwas Simples nicht zu wissen.

Also. Zum Punkt: Dies ist meine Geschichte.

Ein unglücklicher, wenig origineller Beginn, aber es stimmt. Weit mehr noch als eine umfassende Chronik meiner Beobachtungen als Senior Seeing and Intelligence Officer (ja, so hieß das damals, verklagt mich doch, wenn ihr einen Advocaaten auftreiben könnt) mit dem 1st Faun Prime Freelance Regiment in nicht weniger als drei Kriegen, einem religiösen Kreuzzug und ungezählten (ich komme auf dreiundzwanzig) Einzelschlachten, ist dies mein persönliches Zeugnis einer Reise, die es verdient, in allen Einzelheiten geschildert zu werden. Nun, in allen notwendigen Einzelheiten.

In allen notwendigen Einzelheiten und so wahrheitsgetreu, wie es mir möglich ist. Da ich trotz allem nur ein Mann bin, war es mir natürlich nicht immer vergönnt, an jedem der Orte und Schauplätze, die ich beschreibe, persönlich zugegen zu sein. In vielerlei Hinsicht bin ich dankbar dafür, denn einige dieser Orte und Begebenheiten sind wirklich schaurig, selbst für die damalige Zeit und selbst in einer grundsätzlich soldatischen Profession wie der meinen. Aber wenn ich auch nicht immer physisch anwesend sein konnte, so habe ich die Geschichte doch so genau und so umfassend rekonstruiert, wie es nur ging. Durch persönliche Gespräche. Durch offizielle Interviews und Debriefings – und natürlich in Form des einen oder anderen Verhörs. Von den weiteren Mitteln und Wegen der Informationsbeschaffung, die ich erwähnte, ganz zu schweigen.

Drehen wir also gemeinsam das altehrwürdige Rad der Zeit zurück. Anders als ich seid ihr das vermutlich nicht gewöhnt, also gehen wir es langsam an. Ich mag als Geschichtenerzähler meine Zeit brauchen und den einen oder anderen Umweg nehmen, aber irgendwann komme ich ans Ziel. Einen Schritt nach dem anderen.

Begleitet mich also zurück zu den Anfängen eines Feldzuges, dem ich vier Jahrzehnte meines Lebens unter ebenso vielen Herren geschenkt habe. Vier Jahrzehnte, in denen ich Held und Bösewicht, Spion und Chronist, unwissender Jungspund und allwissender Beichtvater gewesen bin. Bezeugt die Schlacht von Yonderon mit meinen eigenen Augen, hört aus erster Hand vom Sieg über die Sneab’v und den Fall des Hauses Ronin. Steht beim epischen Duell zwischen Gøreslaughter und Carnotron Rex in erster Reihe. Entdeckt die Wahrheiten, die in den lichten und dunklen Seiten der ewigen Kameraderie des Söldnercorps verborgen liegen, und erlebt den Aufstieg mindestens eines Messias. Taucht ein in den niemals endenden Kampf zwischen Chaos und Ordnung, Recht und Unrecht, Unterdrückern und Befreiern, "Gut" und "Böse". Lernt Denkel den Richter, Göran den Begatter und Sanna die Sklavenbrecherin kennen, bevor sie berühmt und berüchtigt wurden, und reist an meiner Seite bis ans Ende des bekannten Universums, wo es uns eventuell – nur eventuell – vergönnt sein wird, den schwarzen, samtenen Vorhang des Realraums beiseitezuschieben und einen Blick hinter die Kulissen dieses unseres Universums zu werfen. Was wir dort finden werden?

Oh, ihr seid viel zu neugierig. Ich mahne zur Geduld. Für den Moment nur so viel: Es gibt andere Realitäten als diese.

Also: Kommt mit mir zurück!

Zurück dorthin, wo alles begann. Zurück nach Queesh – windgepeitschtes, verheertes Queesh. Ein Name wie ein feuchter Furz, aber in Wahrheit war dieser öde, sonnenverbrannte Sandball trockener als eine Konventschwester der Guten Mutter der Enthaltsamkeit in einem Männerpuff auf den Sagittariusmonden und karger als die Paradiesgärten von Amadeaa-Snilu nach der großen Dürre im Jahr ohne Regen von '432. So verdorrt wie eine Pflaume, die ... Ihr versteht schon. Ich bin manchmal nicht gut mit Analogien und Metaphern. Aber ich werde mir Mühe geben!

Kommen wir wieder zum Wesentlichen, bevor mich gleich hier und jetzt der Schlag trifft.

Lernt mich kennen, als ich noch kaum alt genug war, mich zu rasieren. Als ich noch nicht wusste, was es heißt, ein Soldat zu sein. Jahre, bevor ich ein Augur wurde. Bevor ich meine Unschuld verlor – in beiderlei Hinsicht (wobei ich euch hier schon verraten kann, dass ich nur in einer Hinsicht ein Spätstarter war). Und erlebt selbst, wie ein Haufen Todgeweihter, denen keiner zugetraut hätte, mehr zu tun, als den verdammten Munitionszug zu bewachen, zu einer legendären, schlagkräftigen Truppe heranwuchs, mit der sich niemand unbedacht anlegte und deren Mitglieder – selbst im Angesicht einer Reihe der respektabelsten, hassenswertesten, mächtigsten und brutalsten Kontrahenten ihrer Zeit – letztlich einander die ärgsten Feinde waren.

Hach, Queesh. Hach, die Jugend.

Ich wusste noch nichts – rein gar nichts! – davon, wie unsere Welt funktioniert, aber ich hatte schon damals ein Händchen dafür, mich in böse Schwierigkeiten zu bringen.

Glücklicherweise hatte ich ebenfalls ein Händchen dafür, mich mit den richtigen Leuten gutzustellen …

KAPITEL I – MILCH. MÄDCHEN. RECHNUNG.

In der Sekunde, in der die schwere Tür der Absteige hinter ihr ins Schloss fiel und die gleißende Wüstenhitze mit einem Knall aussperrte, wusste sie, dass es Ärger geben würde.

Natürlich kam man nicht bewaffnet und gewaltbereit in eine Cantina wie diese, wenn man nicht bereit war, ein bisschen Ärger in Kauf zu nehmen. Nicht hier. Nicht im Bantaab-Cluster, nicht auf Queesh unter den Drillingssternen, nicht im altem Suq-Disktrikt der Oasenstadt Piiq nahe der Langen Meile. Und gewiss nicht in einem heruntergewirtschafteten Etablissement wie dem Kele-Kele.

Insofern hatte sie Ärger einkalkuliert. Allerdings nicht in der Form, in der er sich schließlich wie ein Eimer voll Scheiße über ihr ausladen sollte. Ja, wie ein Eimer. Randvoll mit Scheiße.

Aber fingen so nicht alle guten Geschichten an? Und wäre alles für sie so gelaufen, wie es letztlich geschehen sollte, wenn es an diesem heißen Tag in der ehemals großen Stadt Piiq nicht genau diesen Ärger gegeben hätte?

Nun, vielleicht ja, vielleicht nein, aber im Nachhinein sagte sie sich gerne, dass das alles schon seine Richtigkeit gehabt hatte. Trotz allem. Nicht, dass sie der Typ war, der übermäßig viel Zeit damit vergeudete, über die Vergangenheit nachzugrübeln. Dinge durchzukauen, die sie nicht mehr ändern konnte. Über das Warum und Wieso und über die Vielleichts und Was-wäre-wenns zu sinnieren.

Jedenfalls: Ärger. Der ganze Laden stank danach. Das tat er immer, sie war schon ein paar Mal hier gewesen, vor langer Zeit, aber heute tat er es besonders.

Sie blieb im Türrahmen stehen. Für einige Sekunde zeichnete sich ihre Silhouette vor dem hellen blauen Himmel ab, erhellte das Tageslicht den schummrigen Innenraum der Cantina. Mehrere Dutzend Augen – die meisten in Paaren, aber es waren auch einzelne Augen dabei, ein Achtling und der eine oder andere Visiorezeptor – sahen einen schwarzen Schatten, dessen Mantel in einer warmen, staubigen Wüstenböe wehte.

Diese paar Sekunden war es still. Sämtliche Gespräche waren erstorben, sogar der Barkeeper hielt beim obligatorischen Abtrocknen des Kruges inne, den er zwar nicht gespült hatte, den er aber ständig wienerte, um beschäftigt auszusehen. Als sie sich weiterhin nicht rührte, folgten leise Bemerkungen, das eine oder andere Schlürfen sowie die Geräusche, die diverse Gefäße machten, wenn sie auf Tischplatten gestellt wurden.

Als die meisten Blicke sich abgewandt hatten, machte sie einen Schritt nach vorn. Ein schwerer, xemstahlverstärkter Stiefel traf auf den Boden aus festgetretener Erde, über den immerhin jemand etwas Stroh gestreut hatte, um Schmutz aufzufangen, dann ein zweiter. Die Tür schloss sich hinter ihr. Und sie wusste Bescheid.

Sie hatte sich zwar an sich schon ausgiebig umgesehen, tat es aber nun nochmals. Es war verdammt finster hier. In zahlreichen Sitzecken hockten Wesen aus einem Dutzend Spezies und genossen eine Bandbreite an Getränken, die sie diesem Schuppen nicht zugetraut hätte. Aus Wasserpfeifen waberte träger Rauch und sammelte sich an der Decke. Es roch nach künstlichen Fruchtaromen, nach verbranntem Plastik und Snackgum. Sie atmete flacher, zog das Lederband wieder hinter ihr rechtes Ohr und strich es glatt. Der Laden war nie auch nur annähernd fein gewesen, aber offenbar hatte das Management gewechselt.

Das neue Management hatte eine Absteige daraus gemacht.

Mit entschlossenen Schritten ging sie rüber an die Bar. Der Barmann – ein vierschrötiger Mensch mit der dunklen Haut der Einheimischen, der ihr nicht bekannt vorkam – musterte sie argwöhnisch und stellte sogar seinen Krug ab. Damit er im Notfall an die Scatterpistole langen konnte, die er unter der Theke liegen hatte, natürlich.

Sie war weder besonders groß noch sah sie auf den ersten Blick besonders gefährlich aus, aber sie hatte etwas an sich, das Männer wie diesen vierschrötigen Barmann misstrauisch werden ließ. Sogar nervös.

Rotes Haar bis zum Kinn, blasser Teint, der sie – als hätte es angesichts ihrer Kleidung und Haarfarbe den zusätzlichen Hinweis gebraucht – als Außenweltlerin kennzeichnete. Ein fein geschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen, das ohne die gezackte Narbe auf ihrer linken Wange, die sich bis zum Mundwinkel zog, ausgesprochen hübsch gewesen wäre. Noch immer war es auf seine Weise attraktiv, denn die Narbe verlieh ihr einen martialisch-verruchten Charme, der ebenfalls nervös machen konnte – auf die andere Art.

Der Barkeeper war allerdings definitiv auf die Art nervös, auf die man nervös wird, wenn man Gefahr wittert. Das konnte mit dem Waffengurt zu tun haben, den sie trug. Oder mit der Augenklappe, die ihr Gesamtpaket weiblicher Attraktivität ebenfalls ein wenig schmälerte. Wenn man nicht auf gewisse Dinge stand, über die wir an dieser Stelle schweigen möchten.

Der Barmann räusperte sich. „Was kann ich für dich tun?“, fragte er in der hiesigen Abart der Standardzunge, einem kehligen Dialekt, der unter den Sprachvariationen der Drillingswelten unter den seltensten und am schwersten verständlichen rangierte. Sie verstand jedes Wort problemlos.

„Hat sich wohl verlaufen“, fügte ein Zecher mit etwas hellerem Hautton hinzu. Seiner Kleidung nach verdingte er sich vermutlich als Dockarbeiter oder Schauermann am nahegelegenen Raumhafen. Seinem Akzent nach zu schließen stammte er allerdings von einem der Nachbarplaneten. Lara, Hambra, Gizeh, All’a’ha, Gilgamesch, Saharina. Oder Araquis? Für sie waren das alles die gleichen Drecklöcher, aber den Akzent hatte sie innerhalb weniger Sekunden eindeutig identifiziert. Ein Hambraner – wertlose Bauern, allesamt.

Sie hob den Blick, sah aber mehr durch den Barmann hindurch, als ihn wirklich anzuschauen. „Was zu trinken. Das ist doch immer noch eine Cantina hier.“ Feststellend, nicht fragend.

Der Hambraner kicherte. Neben ihm fiel ein Saufkumpan kehlig ein.

Sie drehte halb den Kopf und erblickte einen Berg aus schwarzem Fleisch hinter dem Dockarbeiter oder was immer er sein mochte. Er war riesig, aber seine mit Pocken und Blasen übersäte Haut war so dunkel, dass er ihr bei diesen Lichtverhältnissen kaum aufgefallen war. Er sah wie eine Kröte aus. Kein Wunder, denn rein biologisch gesehen war er auch nah mit einer Kröte der Urerde verwandt, aber eben ungleich größer und gemeiner. Ein Unash, der weit gereist sein musste und dem es auf dieser trockenen Welt sicherlich sehr dreckig ging. Momentan kümmerte ihn das offensichtlich wenig: Er schien stinkbesoffen zu sein.

Nun, irgendwie muss man sich ja hydrieren.

Der Barkeeper schaute die beiden Besoffenen mit einer Mischung aus Verunsicherung und Wut an. Er schien nicht zu kapieren, was diese beiden Idioten so lustig fanden.

„Klar ist das eine Cantina“, sagte er und sie registrierte sofort, dass seine Hand näher zur Scatterpistole unter der Theke gewandert war. Denn nichts anderes pflegten die Barkeeper dieser Stadt jemals dort aufzubewahren.

„Lass deine Hand noch weiter in die Richtung wandern und du bist sie los“, sagte sie in nüchternem Tonfall.

Er hielt inne. Musterte sie noch skeptischer.

„Ich will nur was trinken.“ Natürlich war das nicht alles, aber das brauchte der Tölpel ja jetzt noch nicht zu wissen.

Der Barmann rollte mit den Augen und ließ beide Hände an die Seiten sinken. Dann machte er eine weitschweifende Geste zu dem Schnapsschrank hinter sich. Flaschen in allen Regenbogenfarben hätte man dort sehr gut erkannt, wenn die Beleuchtung ein bisschen weniger schummrig gewesen wäre.

Sie winkte ab. „Rosa Milch. Die habt ihr doch noch?“

Der Barmann nickte bereits, als die Zecher wieder losprusteten. „Rosa Milch, das ist gut!“

Der grobe Kerl drehte sich zu ihr und fasste sich tatsächlich in den Schritt. „Nuckel mal an meiner Milch, Schätzchen, die ist zwar nicht rosa, schmeckt aber sehr lecker – bei den Heiligen Datteln von Nqub, das schwör ich dir!“

Aha. Natürlich. Auch damit hatte sie gerechnet. Die Männer aus dem Baantab-Sektor galten als besonders ungehobelt. Sie ballte zwar beide Fäuste, würde sich aber nicht den Gefallen tun, sich selbst zu gestatten, diese beiden Flachwichser zu töten. Oder wenigstens zu verkrüppeln. Sie wusste, unter einer ordentlichen Verkrüppelung würden sie ihr nicht davonkommen. Und dafür war es nun wirklich zu früh.

Während der Froschmann neben dem Dockarbeiter blubbernd lachte und etwas in seiner Sprache sagte, holte sie tief Luft und fixierte den Barkeeper.

„Rosa Milch. Jetzt.“

Weniger als eine Minute später stand das Getränk vor ihr. Er hatte sogar Eiswürfel reingetan. Offenbar verfügte dieses Lokal über weit mehr Annehmlichkeiten, als sich auf den ersten Blick vermuten ließ. Das Glas – ein Glas, sie hatte mit einer Tonschale gerechnet! – war beschlagen und kleine Tropfen Kondenswasser ließen ihr schier das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sie hatte heute einige Klicks da draußen zurückgelegt. Die Milch hatte sie sich verdient.

Sie ließ sich Zeit, das Glas zu leerem. Mit jedem Schluck der süßen rosa Masse, die ihre Kehle hinabrann, wurde der Barkeeper ein wenig entspannter – so, wie sie ihn haben wollte. Mit jedem Mal, das ihre Halsmuskulatur sich beim Schlucken an- und wieder entspannte, wurden die Blicke des Hambraners gieriger.

Der Typ widerte sie an, aber sie zwang sich zur Ruhe. Das bereitete ihr keine große Mühe. Sie war abgebrüht. Älter und erfahrener als sie aussah. Sie hatte sowas hier schon hundert Mal gemacht. Sie bewahrte einen klaren Kopf, auch wenn der Kerl sie immer mal wieder anstierte. Sie ertrug es.

Nach einer Weile winkte sie den Barmann wieder heran. Er legte den Kopf schief, die Stirn leicht gerunzelt.

„Darf’s noch eine Milch sein?“

„Immer.“

„Die Kleine ist ja unersättlich“, kicherte der Dockarbeiter und sein Doppelkinn schwabbelte. Sein amphibischer Saufkumpan gurgelte etwas und klopfte ihm auf die Schulter.

Sie maß die beiden mit einem Blick, der selbst das Wasser der hiesigen Oase hätte gefrieren lassen. Dann wandte sie sich wieder dem Barmann zu, griff in ihre Tasche und legte einen matt glänzenden Solido auf den Tisch.

Der Barmann beugte sich vor. Seine zusammengekniffenen Augen wurden groß. Der Wert der Münze übertraf bei weitem den Preis von zwei Gläsern Milch, selbst wenn er versucht hätte, seinen merkwürdigen weiblichen Gast über den Tisch zu ziehen – was er sehr wohl erwogen, worüber er aber noch keine Entscheidung gefällt hatte.

Er nickte langsam. „Kommt sofort.“

Ihre Hand zischte so schnell vor und umfasste sein Handgelenk so fest, dass er sichtlich zusammenzuckte. Nicht, dass sie ihm wehtat, obwohl nicht viel dazu fehlte, aber er war doch erstaunt über Kraft und Schnelligkeit der Fremden.

„Eine Sache noch.“ Mit der freien Hand bedeutete sie ihm, sich vorzubeugen.

Er tat, wie geheißen, auch wenn sein Puls sich unangenehm dabei beschleunigte. Um ihm die Frage ins Ohr zu flüstern, für deren Antwort sie hergekommen war, brauchte sie nicht mehr als fünf Sekunden.

Wieder weiteten sich seine Augen.

„Wo der Solido herkam, gibt’s noch mehr“, hauchte sie ihm ins Ohr. Sie hatte eine rauchige Altstimme – überhaupt nicht sein Fall, aber dennoch stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Ob aus sexueller Erregung wider Willen oder aus Furcht davor, was sie mit ihm anstellen würde, wusste er nicht zu sagen.

Sie lehnte sich wieder zurück und er schenkte ihr Milch nach.

Einen Moment lang maßen sie sich mit undeutbaren Blicken.

„Sie sind hier gewesen, ja.“ Seine Augen zuckten hin und her, als verfolge er eine Partie königlich-kaiserliches Tènìs.

„Das weiß ich schon, sonst würde ich nicht hier sitzen.“

„Sie sind weitergezogen.“

„Langsam glaube ich, dass du mich verscheißern möchtest.“ Sie sah, wie seine Augen abermals wanderten. Langsamer, zielgerichteter. Wie sie verharrten und einen Punkt über ihrer rechten Schulter fixierten.

Sie hob ihr Glas, drehte es im Halbdunkel und seufzte leise.

Wich der Hand aus, ehe sie sie zu packen bekam, packte sie ihrerseits und sprang vom Hocker.

Der Kerl, dessen Arm sie kurz davor war zu brechen, stöhnte vor Schmerz. Sein Gesicht küsste die Sitzfläche ihres Hockers. Sie belastete das Gelenk noch ein bisschen mehr und er verkniff sich einen spitzen Schrei.

Sie stand einfach da und sah seine Begleiter herausfordernd an.

Seine Freunde, die sie ebenfalls als dunkel im Glas reflektierte Schatten gesehen hatte, standen etwas ratlos da. Das würde aber nicht lange so bleiben. Sie sahen aus wie Leute, die sich auf Gewalt verstanden. Abgerissen, sandbedeckt, mit Shemaghs, Kapuzen und militärischen Wüstenkappen angetan. Sie stanken nach Schweiß, ihren Gnuka-Reittieren und der Wüste. Alle waren zumindest mit einem Messer bewaffnet. Alle wirkten derangiert und sonnenverbrannt.

Leckten sich immer wieder über die Lippen, die Augen manisch und hektisch. Suchten nach einem Ausweg. Sie machten – gelinde gesagt – einen geistesgestörten Eindruck auf sie. Geistesgestört auf die fanatische, brutale Art.

Ein Eindruck, der sich bestätigte, als sie die verschiedenen Patches auf den zusammengewürfelten Uniformen registrierte, die den Kerlen am Leib klebten. Vor allem das Symbol der stilisierten Keule, die den Computermonitor zertrümmerte, war stark überrepräsentiert.

Diese Männer waren Ludditen.

Diese Männer waren geisteskranke, primitivistische Wahnsinnige.

„In König Ludds Namen, lass ihn los, du Nutte!“, zischte jetzt der offensichtliche Anführer der Kerle. Dürr, groß, schlechte Zähne. Grün gefärbtes Haar nach Art der Gizeh schaute unter seiner Wüstenkappe hervor.

„Loslassen, du Schlampe!“, sagte der Zweite, der einen Staubmantel und eine nagelbesetzte Keule trug.

„Schlampe!“, intonierte der Dritte, ein dicklicher Kerl mit zahlreichen Narben im Gesicht.

Ludditen. Fast hätte sie amüsiert geschnaubt. Fast angewidert ausgespien.

Ein lächerlicher Kult, der im Laufe der Jahrhunderte so wenige Anhänger gefunden hatte, dass es schon mit großem, großem Pech einhergehen musste, dass sie gleich vier dieser Typen ausgerechnet auf Queesh traf. Ausgerechnet hier in Piiq. Dann wiederum gab es kaum rückständigere Welten und kaum Städte, in denen Technologie eine kleinere Rolle spielte.

„Legt eure Waffen weg und verpisst euch, sonst reiß ich ihm den Arm aus“, sagte sie beiläufig. So wie jemand anders vielleicht gesagt hätte, dass heute mal wieder ein sehr heißer und staubiger Tag werden würde.

Zur Unterstreichung ihrer Worte zog sie ein wenig am Arm des vierten Mannes, den sie mit Händen wie Schraubzwingen umklammert hielt. Der Luddit wimmerte, keuchte und schwitzte.

Seine drei Freunde wechselten Blicke.

Sie spannte sich unmerklich.

Hinter ihr klickte es. Dem Klicken folgte ein elektronisches Jaulen.

Sie schloss ihr Auge. Tatsächlich eine Scattergun. Aber eine große. Und kein Slugger, keine Projektilwaffe, sondern ein phasenkoordiniertes Plasmamodell.

„Hat das Ding eine 40er Reichweite?“, fragte sie, das Auge noch immer geschlossen.

„Mein Pimmel hat eine größere Reichweite“, lallte der Dockarbeiter zu ihrer Linken leise. Niemand lachte, nicht mal er selbst. Der Unash quakte fragend.

„Eine 50er Reichweite, du durchgedrehte Schnalle“, knurrte der Barmann. Sie konnte es nicht sehen, aber sie spürte, dass er den Blick hob, als er anfügte: „Raus aus meinem Laden. Ich will hier keine Freischärler haben! Wenn die Söldner der Teegardianer euch hier finden, reißen sie euch den Arsch auf. Und mir auch.“

„Du hast uns gar nichts zu befehlen!“, begehrte der Dicke auf.

„Wir müssen sie töten!“, zischte der vermeintliche Anführer.

Der Mittlere im Mantel nickte.

Der Vierte stöhnte in ihrem Griff.

Sie holte tief Luft.

„Ich zähle jetzt bis drei“, sagte der Barkeeper.

„Eins.“

Er kam nie bis zwei.

Sie brach dem vierten Mann den Arm und drückte ihm in derselben Bewegung mit solcher Gewalt das Schultergelenk aus der Pfanne, dass sein Arm tatsächlich abriss.

Gleichzeitig duckte sie sich und die Scattergun bellte auf, spie grellviolettes Plasma und verteilte den mittleren Ludditen im Raum.

Ihre Hand fand die Nagelkeule des Toten, löste sie blitzschnell vom Rest seines Gürtels und rammte sie dem Dicken mitten zwischen die Nüsse.

Der Anführer hatte sich auf den Boden geworfen und versuchte panisch, sich kriechenderweise in Sicherheit zu bringen.

Während der Mann mit der Keule in den Weichteilen spitz kreischend und breitbeinig rückwärts taumelte, richtete sie sich auf und sah dem Barkeeper in die Augen.

„Du weißt, wo sie ist.“

Er schielte auf seine Waffe. Die Doppelläufe der Plasmakanone qualmten. Die Speisungszelle war verbraucht. Er musste nachladen.

Was sie natürlich wusste. Als sein Blick wieder auf sie fiel, blickte er in den Lauf eines surrenden M85 Lightning Repeaters.

„I-ich weiß, wo sie ist, a-aber ich –“ Sein Stammeln ging in einem Knall und in einem Gurgeln unter, als das Geschoss, das der vierte Luddit abgefeuert hatte, die Theke durchschlug und seine Kehle zerfetzte. Der Barmann sah sich schockiert um, während Blut aus seinem Hals spritzte. Mit einem Krachen riss er das Schnapsregal mit sich zu Boden.

Sie wirbelte herum, trat die Waffenhand des am Boden Liegenden, die nunmehr auch seine einzige Hand war, zur Seite, richtete ihren Repeater auf ihn und drückte den Abzug.

Ein neongrüner, gezackter Blitz schoss aus der Waffe und röstete den Mann im Bruchteil einer Sekunde.

Rasch schwenkte sie die Waffe nach rechts, wo sie den Anführer vermutete.

Und schwenkte nach links, als alle Gäste im Raum wie ein Mann (beziehungsweise eine Frau, Neutralo oder Zwitterwesen) aufsprangen und zur Tür hasteten.

Vor ihren Füßen knackte es und sie senkte den Blick. Das schwarz verfärbte Skelett des Ludditen qualmte noch, brutzelte in einem See aus seinem eigenen Blut, als eine riesige Pranke sie im Nacken packte und mit dem Kopf gegen die Theke knallte.

Sie war benommen, aber nur für einen Moment. Da war ein scharfer Schmerz, aber nicht so scharf, wie er hätte sein können. Etwas Warmes lief an ihrer Stirn herab, aber eine ihr gut bekannte innere Stimme sagte ihr in gewohnt beruhigendem Tonfall, dass das halb so wild war.

Schlimmer war die schwarze, mit Schwimmhäuten versehene Pratze, die sich jetzt um ihre Kehle legte und unbarmherzig zudrückte. Sofort blieb ihr die Luft weg. Schon erschienen schwarze Ränder an der Peripherie ihres Sichtfeldes. Die andere Hand entwand ihr den Repeater.

Sie musste etwas tun.

Jetzt.

„Reiß ihr die Klamotten runter“, forderte der Dockarbeiter.

„Du musst ja richtig darin schwitzen. Lass uns Abhilfe schaffen“, fügte er mit einem hässlichen Grinsen in ihre Richtung an. Seine dicke Zunge bahnte sich einen Weg an schlechten Zähnen und aufgesprungenen Lippen vorbei und hielt zielsicher auf ihre Wange zu.

Noch immer versuchte sie, sich seines Freundes zu entwinden. Versuchte, mit beiden Händen seinen Griff zu lösen.

„Ich mag es, wenn sie schwitzen“, grunzte der Kröterich in kaum verständlicher Stan. Er sah sie hechelnd an. Wie ein verdammter Köter. Mit Schwimmhäuten.

Sie war pragmatisch gekleidet, aber für das Klima dieser sandigen Staubkugel im Grunde zu warm. Sie schwitzte in der Tat. So viel stimmte. Letztlich war sie aber der Typ Frau, der die Praktikabilität ihrer Kleidung über jeden Bequemlichkeitsfaktor stellte. Das hatte seine Gründe.

Wie sich jetzt herausstellte, als sie dem Unash ihr Milchglas ins Gesicht drosch und sein rechtes Auge zerstörte. Der Riese jaulte auf und sein Griff erschlaffte für eine Sekunde – eine Sekunde, die ihr völlig ausreichte, um seine Hand zu lösen und zu verdrehen. Während gelbliches Blut auf den Boden tropfte, suchte sie Halt an der Theke und gab dem Unash mit aller Gewalt einen Arschtritt, der ihn in einen Stehtisch voll weiterer Gläser beförderte.

Während es schepperte und klirrte und der hünenhafte Amphibienmann um seine Balance kämpfte, war sein Freund heran und rammte ihr das Messer in den Bauch.

„Erst steck ich dir das Messer rein und dann meinen Schwanz!“ Sein Atem stank nach Alkohol, Kautabak und dem Saft der Ruun-Wurzel. Sie hatte sich schon gedacht, dass er auf Drogen war.

Als er mit einem geradezu wollüstigen Grinsen sein Messer zurückzog, um es ihr nochmals in den Leib zu treiben – tiefer und härter dieses Mal, so viel sagten seine geil funkelnden und ansonsten völlig toten Augen –, umklammerte sie mit beiden Händen den Kragen seines schäbigen Overalls.

Verspätet stellte er fest, dass sein Messer ein wenig leicht war – kein Wunder, die Klinge war abgebrochen. Während er auf den gezackten Stahl schielte und sein vorfreudiges, schmieriges Lächeln abrupt verblasste, rammte sie ihm mit aller Kraft die Stirn ins Gesicht.

Sie beließ es nicht bei einem Mal.

Sie ließ sich hinreißen.

Sie hatte ihm die Nase und das Jochbein gebrochen, sah ihn schwach einige Zähne ausspucken, ehe er das Bewusstsein verlor, und war drauf und dran, sein Gesicht in eine verdammte Ruine zu verwandeln, als die Pranke des Unash sie erneut von hinten packte und über die Theke schleuderte.

Sie landete auf der Leiche des Barkeepers und besudelte sich mit seinem Blut, rollte sich aber sofort ab und suchte nach seiner Scattergun.

Währenddessen hörte sie den überlebenden Ludditen Verwünschungen schreien.

„Ja, Großer! Hol sie dir! Wir machen Hälfte-Hälfte, Amigo-San!“, feuerte er die zu groß geratene Unke an und lud, dem mechanischen Klicken nach, das seinen Worten folgte, eine Schusswaffe durch. Verdammtes scheinheiliges Ludditenpack! Von wegen Technologiehasser und Maschinenstürmer!

Die Theke und die halbe Bar erzitterten, als der Unash mit einem basslastigen Quaken auf den Tresen sprang.

Sie warf den Kopf in den Nacken. Er ragte über ihr auf wie ein ganzes Massiv aus pockiger Haut und schwarzen Muskeln. Ein Stielauge fixierte sie hasserfüllt, aus dem anderen floss träge gelbes Blut, das sie an Eiter erinnerte.

„Jetzt haben wir beide ein Auge!“, knurrte der Froschmann. „Dein verbleibendes nehme ich mir! Und danach zerquetschte ich dich Stück für Stück!“

Er sah wie einer der aufgeplusterten Catcher in dem Holotainment-Programm aus, das ihr kleiner Bruder früher so geliebt hatte. Pumpte sich auf, präsentierte seine Muskeln und deutete auf sie wie ein durchgedrehter Prediger. Aber er zögerte. Und er redete zu viel.

„Erst reiß ich dir deine Haare aus! Dann reiß ich dir deine Titten ab! Dann …“ Er schien zu überlegen.

Sie behielt ihn im Auge und zog ihr Kampfmesser aus dem Stiefel. Mit der anderen Hand suchte sie im Dunkeln weiter nach dem Gewehr des Barkeepers.

„Oh, süßer Ludd, gib uns die Kraft, diese unheilige Kreatur, diese Beleidigung der Natur, zu tilgen! Gib uns die Kraft!“, rief der Ludditenheini aus dem Hintergrund. Sie fragte sich flüchtig, wieso diese Typen hier waren, aber die Erklärungen dafür waren so endlos wie naheliegend – Konkurrenz, angeheuerte Killer, militante Frauenhasser –, und sie verschwendete nicht viel Zeit damit.

Der Unash, offenbar zu keinem guten Schluss gekommen, wie er seine Drohung beenden sollte, schrie auf, die absurd muskulösen Arme erhoben. Und setzte zum Sprung an.

Sie war längst nicht mehr da, als er mit seinem vollen Gewicht – und das musste eine halbe republikanische Langtonne sein – auf den Bodendielen landete – und bis zu den Knien einbrach.

Er knurrte und fluchte in seiner blubbernden Sprache und sie ließ ihn stehen, wetzte durch die Dunkelheit und entging nur knapp einem halben Dutzend Kugeln aus der Waffe des Ludditen.

Gelbe Blitze brachten für Sekundenbruchteile Licht in die Finsternis, trockene, gedämpfte Explosionen zerrissen die Stille.

Splitter pfiffen durch die Luft.

Sie rollte sich ab, warf einen der billigen Plastotische um, der keine Kugel abhalten würde (erst recht keine Doppelwummer, wie der Kerl sie anscheinend benutzte), ihr aber als Sichtschutz diente, riskierte einen Blick über die runde Tischplatte, zog den Kopf vor dem nächsten Projektil ein, das ein Stück Wand hinter ihr vernichtete, warf sich dann auf den Rücken und schleuderte ihr Messer.

Ein spitzer Schrei überzeugte sie davon, dass sie ihn getroffen hatte.

Sie sprang auf und direkt in einen weiteren Mann hinein, der zum Glück ebenso überrascht war wie sie, dass sie sich so plötzlich so nahegekommen waren.

Die Tatsache, dass er einen Taser in der Hand hielt, verriet ihr genug über ihn, dass sie ihre Handkante auf seinen Kehlkopf einhacken ließ. Sein Adamsapfel dellte sich nach innen und er setzte sich auf den Arsch. Keuchte. Schnappte vergeblich nach Luft.

Sie sah auf.

Ihr Blick traf den des Ludditen. Er hielt sich die blutende Schulter, aus der noch immer der Griff ihres Messers ragte. Darüber hinaus schien sein Bein etwas vom Plasma der Scattergun abbekommen zu haben – es qualmte und warf Blasen. Sein Blick war voller Hass – Hass, der von einer Sekunde auf die andere von einem triumphierenden Funkeln abgerundet wurde.

Sie wusste, warum.

Hinter ihm waren drei weitere Männer eingetreten. Anders als der Typ, den sie gerade fertiggemacht hatte, trugen sie ähnliche Kleidung wie der Oberluddit.

Sie seufzte. „Wie viele Leute denkt ihr, dass ihr braucht, um eine einzelne Frau zu töten?“

„Du bist nicht nur eine Frau“, hörte sie eine weibliche Stimme unweit ihrer Position sagen.

„Keine bloße Frau reißt einem Menschen einfach so den Arm aus.“

Die Haut der Drachkmerianerin war weiß wie Elfenbein – ein fahler Spuk, ein blasses Trugbild. Ihre acht Augen leuchteten rot in der Dunkelheit. Wie die Arachniden, von denen sie abstammte, schälte sie sich mit gruseliger, außerweltlicher Grazie aus den Schatten.

Sie war nicht groß, aber ihr Anblick war schwer zu ertragen. Alle acht Augen funkelten sie an. In jedem ihrer vier Arme hielt sie einen Witwenmacher – winzige mehrläufige Pistolen, die ebenso winzige vergiftete Pfeile verschossen.

„Die Bezahlung kümmert mich nicht“, sagte die Arachnidin mit dünner, zitternder Stimme, ohne den Blick von der Frau vor ihr abzuwenden. „Ich will ein saftiges Stück von ihr, wenn das hier vorbei ist.“ Von ihren Mandibeln troff der Speichel auf den Boden der Cantina.

Niemand antwortete ihr. Die Ludditen schienen unsicher zu sein, wer jetzt die größere Gefahr im Raum darstellte.

Hinter der Bar rumorte der Unash herum und schaffte es nicht, sich aus den Bodendielen zu befreien. Er fluchte und verwünschte sie in mehreren verschiedenen Sprachen.

Ansonsten sprach niemand. Niemand schien auch nur zu atmen.

„Sie ist nur eine einäugige Schlampe!“, rief der Anführer schließlich voll herablassender Verachtung, während frisches Blut den Ärmel seiner zusammengeflickten Uniform rot färbte.

„Vernichten wir sie! Treten wir sie in den Staub!“

Seine Männer und die Spinnenfrau hoben simultan ihre Waffen.

Genug Zeit vergeudet.

„Ich muss euch enttäuschen, Leute.“ Sie griff an das Lederband, das ihre Augenklappe hielt, und zog sie beiseite. An der gepanzerten Rückseite ihres Kampfhandschuhs war ein Touchpad verborgen, das sie nun mit einer beiläufigen Bewegung betätigte. Innerhalb ihrer Rüstung surrte es kaum vernehmlich.

Ihre Gegner sahen sie wie gebannt an.

„Syntho!“, spie der Ludditenanführer alarmiert aus, die Augen bis zum Zerreißen aufgerissen, die Zähne gebleckt. Der Ekel in seiner Stimme war geradezu greifbar und fast glaubte sie, die plötzliche, unerwartete Furcht und wilde, beinahe empörte Panik, die er nun ausdünstete, in der Luft zu schmecken. Was er sah, schien ihn mehr zu interessieren, als sein sich noch immer langsam auflösenden, qualmendes Bein.

Die Drachkmerianerin öffnete ihren grässlichen Mund, um etwas zu sagen, schien aber nicht so recht zu wissen, was.

„Die hat ja doch zwei Augen!“, knurrte der Unash kaum verständlich, griff an sein eigenes zerstörtes Auge, zuckte dabei leicht zusammen, und sah sich ratlos und noch immer blutend um.

Das war der letzte Satz, der in dieser Cantina fiel.

Ihr kybernetisches Auge – ein funkelnder Smaragd, der einen perfekten Kontrast zu den acht glühenden Kohlen im Gesicht der Drachkmerianerin darstellte – erfasste die Lage in wenigen Sekundenbruchteilen. Markierte die Ziele, leitete sie an einen Mikroprozessor weiter und ihre Rüstung erledigte den Rest.

Ihre Brust explodierte in den verrauchten Innenraum der Cantina und fünf hauchdünne Finger aus wütend strahlendem, kohärentem Licht stachen für wenig mehr als einen Augenblick nach ihren Opfern.

Sekunden später lagen fünf Leichen am Boden. Rauch kräuselte sich aus den perfekten runden Löchern in ihren Schädeln, drang aus ihren ausgebrannten Augenhöhlen, aus ihren offenstehenden Mündern und – wo vorhanden – aus ihren Ohren. Erst nach einer guten Stunde würden sie ausgeglüht sein. Die Drachkmerianerin hatte sich im Tode zu einem Ball zusammengerollt – ganz wie ihre Vorfahren.

Es roch verbrannt. Klar tat es das und trotzdem rümpfte sie die Nase.

Und schlug wild nach den nach ihrem Gesicht leckenden Flammen, klopfte den Brandherd auf ihrem Umhang aus. Ein Blick in Richtung ihres Brustbeins versicherte sie der Tatsache, dass ihr Kampfanzug intakt war. Die Verschalung zwischen ihren Brüsten fuhr zu, nachdem der Antipersonenlaser sich ausreichend abgekühlt hatte.

Sie hatte viel Geld für ihre funktionale Kleidung ausgegeben. Jeder einzelne Solido, jede Dukate und Sesterze, jeder Kreditchip und jedes Stück Unobtainium, das sie dafür zusammengekratzt hatte, machte sich bezahlt. Immer und immer wieder.

Das ist das Leben, das du gewählt hast. Sie pustete sich eine angesengte rote Haarsträhne aus dem Gesicht und verschloss ihr kybernetisches gutes Auge wieder mit der Lederklappe. Ihrer Erfahrung nach war es besser, wenn man nicht all seine Trumpfkarten offen und für jedermann sichtbar zur Schau stellte.

Sie warf einen letzten Blick auf das Chaos und wandte sich zum Gehen, als es hinter ihr verhalten quakte. Ohne große Eile machte sie kehrt.

„Hast du mir noch was zu sagen?“, fragte sie den Unash mit unverwandtem Blick. Erst jetzt dachte sie an ihren Repeater und näherte sich vorsichtig der Bar, den großen Nichtmenschen nicht aus dem Auge lassend, ohne ihre Vorsicht allerdings durch ihre Körpersprache zu verraten.

Ihr Blick war hart. Ihre Bewegungen entschlossen, jede Geste auf maximale Effizienz reduziert.

Der amphibische Koloss stand einfach da und starrte sie aus seinem gesunden Auge an. Offenbar steckte er noch immer in den Bodendielen fest.

Sie klaubte ihre Waffe vom Boden auf und musterte ihn von oben bis unten. Spuckte aus, auch wenn jeder Tropfen Speichel auf diesem Planeten lebenswichtig war.

„Das hab ich mir gedacht“, knurrte sie und ließ ihn stehen.

Draußen deutete sich bereits der Abend an.

Sie war bereit, die Stadt zu verlassen und einen anderen Weg zu finden, wie sie ans Ziel kam, als sie das unmissverständliche Geräusch von mehreren Dutzend Schnellfeuergewehren hörte, die durchgeladen wurden.

Sie hielt inne. Die tiefstehende Sonne blendete sie, aber sie hob keine Hand, um ihren Blick abzuschirmen.

Manchmal, so dachte sie sich, wäre es aber doch von Vorteil, wenn man seine beschissenen Trumpfkarten öfter ausspielen könnte – vor allem dann, wenn man sie wirklich braucht. Hätte sie ihr gutes Auge nicht abgedeckt, hätte sie die circa fünfundzwanzig Soldaten, die sie nun mit ihren Waffen bedrohten, durch die Wand gesehen.

Zumindest, wenn sie einen Scan angestrengt hätte.

So dagegen war es wie es war.

Kein noch so teurer Panzer würde sie vor fünfundzwanzig Mal die Jägerin wusste wie vielen Kugeln schützen.

Sie machte sich bereit, zu sterben.

„Bringt’s hinter euch“, sagte sie schlicht. Keine besonders guten letzten Worte, aber sie reckte das Kinn vor und stand ihre Frau.

„Was denn, und die schönste Kopfjägerin im Blauen Korridor erledigen?“

Die Implantate in ihren Ohren analysierten die Stimme. Es dauerte ein paar Sekunden länger als üblich, weil die Jahre sie rauer und etwas tiefer gemacht hatten.

„Adlata“, sagte sie schließlich matt. Musste aber zugeben, dass sie auch etwas aufatmete.

Die menschliche Frau, die nun vortrat, hatte bessere Tage gesehen – Wie alt mochte sie jetzt sein? Fünfundfünfzig, sechzig? –, aber sie strahlte noch immer eine soldatische Härte aus, die ihr vermutlich bereits in Kindertagen innegewohnt hatte.

„Ceda Kayne.“ Ihr Gesicht war dunkel, wettergegerbt und vernarbt. Sie stammte nicht von Queesh, stammte von keiner der sonnenverbrannten Drillingswelten, aber sie wäre hier in einer Menge nicht aufgehfallen. Jedenfalls, wenn das große Sturmgewehr, die Uniform und die gewaltigen Goldketten um ihren Hals nicht gewesen wären, hieß das. Das und die drei parallel verlaufenden Narben, die ihr Gesicht diagonal kreuzten.

„Hatte ich nicht gesagt, dass ich dich nie wiedersehen will?“

Ceda deutete ein Schulterzucken an.

„Sollen wir sie festnehmen, First Sergeant?“, fragte ein jüngerer Mann, der die gleiche Felduniform trug wie Adlata, nur mit weniger Zierrat daran.

Adlata schmunzelte, aber es lag keinerlei Freude darin. „Kannst es ja versuchen, Junge. Aber du wirst dabei aussehen wie ein Einbeiniger bei einem Arschtrittwettbewerb.“

Die Soldaten hätten wohl ratlos schauen sollen, aber sie alle schienen Veteranen zu sein, die Adlatas Repertoire an drei, vier ähnlichen Sprüchen in diese Richtung nur zu gut kannten.

„First Sergeant“, wiederholte Ceda Kayne. Nickte anerkennend.

„Hab hart dafür gearbeitet. Hab viele gute Jahre investiert. Und du versaust mir das sicher nicht. Aber lass es uns auf die gute Art regeln.“

Ceda nickte.

„Wirst du dich benehmen, Ceda Kayne?“

Wieder nickte sie. Adlata beäugte sie sehr genau. Legte den Kopf schief. Dann nickte auch sie – ein knappes, zackiges Neigen ihres kahlgeschorenen Kopfes.

„Gib den Repeater an Private Glinn weiter. Dein Stiefelholster scheint leer. Irgendwelche anderen Waffen?“

Ceda schmunzelte sacht.

Adlata verengte die Augen zu Schlitzen. „Bei allen Monden Aktas, scheiß doch auf alles.“

Ceda übergab einem sichtlich nervösen Mann ihren schweren Repeater. Der Soldat sah die Waffe an wie eine gefährliche, aber im Moment schlummernde Würgeschlange.

„Was hast du nun mit mir vor?“

„Na, was wohl?“ Adlata lachte auf – ein kurzer, unschöner, grunzender Laut.

„Wir gehen den Alten besuchen.“

KAPITEL II – DUO MIT ZWEI HÖRNERN

„Na, das hat doch ganz wunderbar funktioniert“, sagte Turnbull, als der Alarm losging.

Meek biss die Zähne zusammen, zog seinen übergroßen, kantigen Kopf ein und funkelte seinen Freund an, ohne ihn wirklich anzuschauen.

„Das gefällt dir wieder, oder?“

Um sie herum brachen ihre Begleiter in wildes Geschrei aus. Waffen wurden durchgeladen, entsichert, repetiert und was wusste Meek was noch alles

„Was gefällt mir?“ Der Hüne hatte sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet und stemmte die beeindruckend muskulösen Arme in die Hüften. Seine Tunika war ärmellos – natürlich. Selbst hier draußen in der Wüste schaffte er es, ein Outfit zu finden, das seine Arme betonte und seine Stammestätowierungen eindrucksvoll zur Schau stellte.

„Recht zu behalten!“ Meek stemmte seinerseits die Arme in die Hüften und schaffte es trotz seiner geringen Körpergröße, sich vor Turnbull aufzubauen, nachdem er bis auf Armeslänge – eine seiner Armeslängen, wohlgemerkt – an ihn herangetreten war. Er reckte das Kinn samt buschigem Bart vor.

„Wem würde das nicht gefallen?“ Turnbulls volle Lippen teilten sich und ließen mehrere Goldzähne sehen. Es erstaunte Meek immer wieder, wie oft es anscheinend bereits Leuten gelungen war, ihm eins auf die Fresse zu hauen – und das fest genug, ihn Zähne zu kosten. Die paar Male, die er es mitbekommen hatte, dass jemand es schaffte, Turnbull zu schlagen, konnte er an einer Hand abzählen. Vielleicht einfach schlechte Mundhygiene. Wenn er es recht bedachte, hatte er ihn sich noch nie die Zähne putzen sehen.

Um sie herum plärrte weiter der Alarm. Immer noch schrien Menschen – und auch einige Nichtmenschen – durcheinander. Im Foyer des Kontors tobte das Chaos, aber sie beide standen einfach da. Wie eine Insel der Ruhe.

So sah Turnbull sie beide manchmal. Bevor er Meek kennengelernt hatte, war er zwar weniger oft in Schwierigkeiten geraten, war aber auch mit sich selbst weit weniger im Reinen gewesen. Er war groß und stark und nicht auf den Mund gefallen und das konnte zu Problemen führen – erst recht, wenn die Leute kapierten, wie sie ihn an der Ehre packen konnten. Meek wirkte auf ihn wie ein Ruhepol. Seit sie beide Partner – Freunde hätten es vielleicht manche genannt, aber Turnbull war da vorsichtiger – waren, kam er besser mit sich klar. Hatte sich besser unter Kontrolle. Meek war sein Ruhepol. Meek war sein Denker.

Nicht, dass Turnbull blöde gewesen wäre. Er war immerhin so eine Art Ingenieur – er hatte sein Diplom zwar nie gemacht, war aber auf gutem Weg gewesen, ehe dieser Quatsch mit den Maschinenpriestern auf Gluu Beta passiert war –, aber er war schlecht darin, sich selbst und sein Leben zu managen. Das überließ er gerne Meek.

Weshalb er sich auch auf diesen Bruch eingelassen hatte. Na ja, Bruch konnte man kaum sagen. Es war ein Überfall. Ein klassischer Raubüberfall mit vorgehaltener Waffe und allem.

Er hatte Meek gesagt, dass es eine beschissene Idee war. Aber der kleine Penner hatte ja nicht hören wollen. Turnbull grinste. Nein, er war nicht blöde. Er überließ nur meist Meek das Denken – und amüsierte sich bisweilen umso mehr darüber, wenn er sich dabei auf den Arsch setzte. Auf den Arsch setzen. Eine menschliche Redewendung, der er viel abgewinnen konnte.

Es war nicht rational, so zu empfinden. Immerhin stand auch sein Leben auf dem Spiel. Aber bei allen Höllen, es machte Spaß, Meek aufzuziehen und ihn vor Wut schnaubend vor sich zu sehen.

Er blickte auf den Zwerg herab – und Zwerg