Amoklauf mein Kinderspiel - Thomas Freyer - E-Book

Amoklauf mein Kinderspiel E-Book

Thomas Freyer

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Beschreibung

«Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Wer hat Angst vor mir?» Das Echo eines Kinderspiels hallt gespenstisch durch die Geschichten und Erinnerungen von drei Jugendlichen der ersten Nachwende-Generation und begleitet sie auf ihrer Suche: nach einem Land, das Heimat sein soll, nach einer Identität, die ihren Eltern verlorengegangen ist, nach jemandem, auf den sie schießen können. Obwohl eigentlich längst im Westen angekommen, fehlt ihnen die Orientierung, denn nicht nur die Eltern denken nach wie vor im Osten – auch den Lehrern, die jahrzehntelang ein anderes System vertreten haben, bedeutet die neue Freiheit weniger Chance als Bedrohung. Ein Kampf beginnt und eskaliert in der gewalttätigen Phantasie eines Amoklaufs, dort, wo die Fronten am offensichtlichsten, wo Täter- und Opferrollen am klarsten verteilt sind, in der Schule. Ein Stück «mit formaler Kraft und entschlossenem Stilwillen … eine artifizielle Verbaloffensive, in der sich ‹Die Jugend› insgesamt mit Waffengewalt erhebt – eine erst paralysierte, unterwürfige Defensive, dann ein fast alttestamentarischer Rachefeldzug gegen die Leere der Welt und die Angst im eigenen Herzen.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

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Seitenzahl: 38

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Thomas Freyer

Amoklauf mein Kinderspiel

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

«Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Wer hat Angst vor mir?» Das Echo eines Kinderspiels hallt gespenstisch durch die Geschichten und Erinnerungen von drei Jugendlichen der ersten Nachwende-Generation und begleitet sie auf ihrer Suche: nach einem Land, das Heimat sein soll, nach einer Identität, die ihren Eltern verloren gegangen ist, nach jemandem, auf den sie schießen können. Obwohl eigentlich längst im Westen angekommen, fehlt ihnen die Orientierung, denn nicht nur die Eltern denken nach wie vor im Osten – auch den Lehrern, die jahrzehntelang ein anderes System vertreten haben, bedeutet die neue Freiheit weniger Chance als Bedrohung. Ein Kampf beginnt und eskaliert in der gewalttätigen Phantasie eines Amoklaufs dort, wo die Fronten am offensichtlichsten, wo Täter- und Opferrollen am klarsten verteilt sind, in der Schule. Ein Stück «mit formaler Kraft und entschlossenem Stilwillen … eine artifizielle Verbaloffensive, in der sich ‹Die Jugend› insgesamt mit Waffengewalt erhebt – eine erst paralysierte, unterwürfige Defensive, dann ein fast alttestamentarischer Rachefeldzug gegen die Leere der Welt und die Angst im eigenen Herzen.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Über Thomas Freyer

Thomas Freyer, geboren 1981 in Gera, studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste (UdK) Berlin. Amoklauf mein Kinderspiel wurde beim Stückemarkt im Rahmen des Berliner Theatertreffens 2006 in szenischer Lesung vorgestellt und gewann den Förderpreis des Theatertreffens. Die Hörspielfassung des Stücks, 2006 produziert vom RBB, wurde im selben Jahr mit dem Prix Europa ausgezeichnet. Ebenfalls 2006 erhielt Thomas Freyer das Dramatiker-Stipendium des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI, verliehen in Kooperation mit dem Schauspiel Hannover, und 2007 die Fördergabe des Schiller-Gedächtnis-Preises des Landes Baden-Württemberg.

Inhaltsübersicht

1. Teil Im Brei meiner UmweltZwischenspiel2. Teil Amok

1. TeilIm Brei meiner Umwelt

eins

T

Auf dem Weg.

An den Mülltonnen vorbei zur Schule. Ball spielen verboten, steht auf dem Schild. Am Block gegenüber haben die Abrissarbeiten begonnen.

Ich zünde mir eine Zigarette an. Ziehe, bis sich mein Magen verkrampft. Wie an jedem Morgen. Seit Wochen habe ich nicht mehr gefrühstückt. Den ersten Kaffee werde ich in der Hofpause trinken.

An der Straßenbahnhaltestelle treffe ich die Direktorin. Sie kommen zu spät, sagt sie. Sieht mir dabei lächelnd ins Gesicht. Legt mir die Hand auf die Schulter, dass mir das Schlüsselbein bricht.

Ich reiße mich los.

Hinter mir wird mein Name gerufen. Meine Mutter, die mich begleiten will. Hand in Hand mit der Direktorin.

Die Zigarette fällt mir aus dem Gesicht.

Die Zeit zwischen meinen Schritten wird kürzer. Der Abstand mit jedem Schritt größer. An der Ampel hänge ich beide ab.

Stille.

Schweiß läuft an meinem Rücken, an meiner Brust herunter. Im Schleckermarkt kaufe ich eine Cola. Trinke sie, während ich bezahle.

Noch sieben Minuten bis zum Stundenklingeln. Noch fünfhundert Meter bis zur Schule. Ich muss mich beeilen.

Beeilung.

Immer weiter zieht sich mein Magen zusammen. Immer mehr Menschen versammeln sich auf dem Schulhof. Eltern. Lehrer. Die Schüler auf den Bäumen. Die Krallen in den Stamm gepresst. Für jeden Schüler ein Baum.

Mein Vater steckt mir ein Mikro an den Kragen. Jagt mich wortlos auf den Baum. Sei ruhig, wenn du nichts zu sagen hast, ist in seinen Augen zu lesen. Eigentlich arbeitet er um diese Zeit.

Stille.

Dann das Stundenklingeln.

Stille.

Ein leises Knacken. Stille. Die Mikrophone werden eingeschaltet. Jeder Schüler ein Mikrophon.

Meine Schulter kann ich nicht mehr spüren. Mein Magen ein einziger Zellklumpen.

Von hier oben sehe ich in erwartungsvolle Gesichter. Nicht wissend, was sie von mir wollen. Meine Eltern. Lehrer.

Das erste Pausenklingeln. Dann wieder Stille.

Kein Gefühl für die eigenen Muskeln. Knochen. Vier Meter über dem Boden schläft mir das Gesicht ein.

Ihr schaut mir nicht in die Augen. Steht geduldig um den Stamm herum. Wenn ihr mir wenigstens in die Augen schauen würdet.

Ab und zu kommen verschiedene Lehrer vorbei. Bleiben kurz stehen und gehen zum nächsten.

Ihr wartet auf ein Wort aus meinem Mund. Aber da ist nichts. Ich hab euch nichts zu sagen.

Nichts.

Stille.

Stille.

Nach dem dritten Stundenklingeln schrecke ich aus dem Halbschlaf. Aus den Lautsprechern kommen erste Buchstaben. Wörter, die zu Sätzen werden. Die Stimme eines jungen Mädchens:

In den Falten eurer Gesichter liegt Staub aus einem anderen Land. Für das neue fehlt euch …

Ein lautes Fiepen. Dann Stille. Die Mikrophone werden abgestellt.

Das Mädchen verstummt beim Anblick ihrer Eltern.

Meine Mutter steckt das Taschentuch zurück in die Handtasche. Mein Vater daneben. Schweigt. Die Arme vor der Brust verschränkt.

Wir verstummen beim Anblick unserer Eltern. Unsere Eltern haben keinen anderen Anblick. Wir haben uns an diesen Anblick gewöhnt. Die Konturen verblassen. Die Farben verschwinden, und dieser Anblick löst sich auf.