Amrum ist gut fürs Herz: Band 1 bis 3 - Sissi Kaipurgay - E-Book

Amrum ist gut fürs Herz: Band 1 bis 3 E-Book

Sissi Kaipurgay

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Beschreibung

Hotel Feddersen Ein eigenes Hotel war schon lange Peters Wunsch. Als sein Onkel ihn als Erben einsetzt, wähnt er sich am Ziel all seiner Träume. Das Hotel Garni in Nebel auf Amrum ist der Inbegriff dessen, was er sich für seinen Lebensabend vorgestellt hat. Handicap oder Vorteil? Bastian hat einen Unterschenkel verloren, Jonas sein Herz. Als die beiden Unfallopfer aufeinandertreffen, herrscht erstmal Verwirrung. Ist Bastian so cool, wie er tut? Ist Jonas trotz seiner Jugend abgeklärt? Wer will was und vor allem: Wo führt das hin? Das steinerne Herz Daniel fährt nach Amrum, dummerweise, ohne vorher ein Quartier zu mieten. Es sind Frühjahrsferien und alle erschwinglichen Unterkünfte ausgebucht. Bis auf die von Hans Peter Hansen. Das hat einen guten Grund. Das Herz des Kapitäns Lasse ist auf Amrum aufgewachsen und kehrt nach einigen Jahren, die er auf den Weltmeeren zugebracht hat, dorthin zurück. Einmal im Monat gönnt er sich einen Ausflug in die schwule Welt. Seeluft heilt Herzen Jasper hat vor vier Monaten seinen Partner verloren. Nach der Diagnose eines Tumors verfiel Hannes rasend schnell und starb im Februar. Die Pflege und der Verlust haben Jasper geschwächt. Sein langjähriger Freund Marius macht sich Sorgen und überredet ihn zu einem Urlaub an der See. Heimlich hofft er natürlich, vielleicht endlich eine Chance zu bekommen. Schlagerbarde verliert sein Herz Bernhard Brinkmann, seines Zeichens Schlagersänger, macht Urlaub im Hotel Feddersen. Inkognito, versteht sich. Sein Künstlername lautet Bernd Balzer. Der Handwerker, der seine defekte Kloschüssel austauscht, ist sexy. Weiter kann Bernhard, der seine Ausrichtung seit Jahrzehnten geheim halten muss, gerade nicht denken.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Hotel Feddersen

Ein Hotelier auf Abwegen?

Erste Schritte

Alles hat ein Ende

Fliegender Wechsel

Handicap oder Vorteil?

Urlaub für Bastian

Ferkeleien

Wo Liebe hinfällt

Sehnsucht

Epilog

Das steinerne Herz

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Epilog

Das Herz des Kapitäns

1.

2.

3.

4.

5.

Epilog – 3 Monate später

Amrum ist gut fürs Herz

Band 1 bis 3

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos

Foto Cover: shutterstock_179129984, Leuchtturm, Insel: Sissis Malkünste

Kontakt: https://www.sissikaipurgay.de/

Sissi Kaiserlos/Kaipurgay

c/o Autorenservice Karin Rogmann

Kohlmeisenstieg 19

22399 Hamburg

Hotel Feddersen

Ein eigenes Hotel war schon lange Peters Wunsch. Als sein Onkel ihn als Erben einsetzt, wähnt er sich am Ziel all seiner Träume. Das Hotel Garni in Nebel auf Amrum ist der Inbegriff dessen, was er sich für seinen Lebensabend vorgestellt hat. Angie, seine Schwester, steht ihm dabei beharrlich zur Seite. Alles ist perfekt, bis er irgendwann feststellt, dass er erst 47 und Angie alles andere als zufrieden ist. Dann erscheint ein neuer Gast, Mikkel Bedholm, der etwas in Peter anrührt. Herz oder Schwanz? Ein Hotelier auf Abwegen …

Ein Hotelier auf Abwegen?

Besorgt beobachtete Angie ihren Bruder, während sie gemeinsam das Frühstücksbuffet vorbereiteten. Es kam ihr so vor, als wenn Peter immer wortkarger wurde. Seit zwei Jahren betrieben sie gemeinsam das Frühstückshotel Feddersen in Nebel auf Amrum. Ihr Onkel hatte sich aus Altersgründen zurückgezogen und da der Rest der Familie lediglich darauf aus war, das Hotel gewinnbringend zu verscherbeln, hatte Emil ihnen die Immobilie überschrieben.

Für Peter erfüllte sich damit ein langgehegter Wunschtraum. Er hatte in der Hotelbranche gelernt und eine Zusatzqualifikation als Hotelfachwirt erworben. Nach vielen Jahren im Ausland war er vor einiger Zeit nach Hamburg zurückgekehrt und suchte seitdem ein geeignetes Objekt, um sich selbständig zu machen. Onkel Emils Geschenk war für ihn wie ein Lottogewinn, während es für Angie lediglich eine lästige Verpflichtung war. Sie hatte ihren Job als Sekretärin im Verlag Strenger nur ungern aufgegeben, um Peter zur Seite zu stehen. Inzwischen sehnte sie sich immer stärker nach Hamburg zurück, wollte ihren Bruder aber nicht im Stich lassen. Ach ja, ihr Bruder.

„Peter? Warum fährst du nicht mal wieder ans Festland? Du könntest ein bisschen frischen Wind gebrauchen.“ Angie seufzte, als der Angesprochene nicht reagierte und weiter akribisch Teebeutel in ein Körbchen sortierte, als würde das die wichtigste Sache der Welt darstellen. „Du musst mal wieder unter Leute“, beharrte sie.

„Ich komm schon klar.“ Endlich wandte ihr Bruder sich um. „Mach dir keine Sorgen.“

„Du musst dringend mal wieder flachgelegt werden.“

„Angie! Hör auf mit dem Scheiß!“

„Moin, moin“, unterbrach eine Stimme von der Tür her ihr Gespräch.

Hans Berger, ein Stammgast, gefolgt von seiner Gattin Lore, watschelte in den Raum und steuerte einen Tisch am Fenster an. Angie warf Peter einen resignierten Blick zu, schnappte sich eine Thermoskanne und eilte zu den Gästen. Im Moment waren nur zwei Doppelzimmer belegt, daher benötigten sie für das Frühstück keine Hilfe. Am Nachmittag würde ein weiterer Gast anreisen und zum Wochenende hin war das Haus voll.

Die Saison war fast vorüber, die Sommerferien in allen Bundesländern vorbei. Dennoch konnten sie sich über zahlreiche Buchungen freuen, da das Hotel viele Stammkunden hatte. Dass die Klientel zumeist weit über fünfzig war, störte Angie nicht. Der überwiegende Teil der Leute war freundlich und stellte keine hohen Ansprüche.

Peter überließ es seiner Schwester, sich um die vier Gäste zu kümmern. Er zog sich ins Büro zurück und checkte auf der Hotel-Homepage, ob neue Buchungen eingetroffen waren. Nachdem er seinen Kalender aktualisiert hatte, lehnte er sich zurück und starrte an die Decke. Natürlich war Angie im Recht und er musste dringend mal raus. Er liebte das Hotel über alles, aber sein Privatleben war eine graue Wüste. Bevor er auf die Insel zog, hatte er seine Bedürfnisse regelmäßig befriedigen können. Egal ob in Hamburg oder anderen Metropolen, gab es ausreichend Möglichkeiten für einen schwulen Mann. Das sah auf Amrum ganz anders aus, zudem wollte er nicht ins Gerede kommen.

Im Grunde sprach nichts dagegen, für ein paar Tage ans Festland zu reisen und etwas auszuspannen. Das Hotel lief gut und Angie würde, dank der zwei fleißigen Aushilfen, die sie beschäftigten, ohne ihn auskommen. Irgendwie fehlte ihm jedoch der Elan dazu. Die Vorstellung, aufgestylt durch Clubs ziehen zu müssen, missfiel ihm. Wahrscheinlich wurde er alt.

Peter klappte das Notebook zu, verließ den Raum und trat durch die Hintertür in den Garten. Der Rasen musste dringend gemäht werden. Kurz darauf sauste er schon mit dem Aufsitzmäher über das saftige Grün. Danach war die Hecke am hinteren Grundstücksende dran. Das Areal umfasste rund 2.000 Quadratmeter und es war Peters Job, alles in Schuss zu halten. Angie kümmerte sich im Gegenzug um die Zimmer und Küche.

Kurz vorm Mittag war er mit den Gartenarbeiten fertig. Nach einem leichten Imbiss nahm er sich die Strandkörbe vor, wischte die Sitzflächen ab und führte kleinere Reparaturen durch. Für jedes der Zimmer befand sich so ein Möbel auf dem Rasen. Als er gerade seine Sachen zurück in den Schuppen brachte, erschien Ehepaar Berger und machte es sich in einem der Dinger gemütlich. Peter grüßte freundlich und ging in Haus. Die für einen September sehr sommerlichen Temperaturen hatten dafür gesorgt, dass sein T-Shirt am Körper klebte. Er sehnte sich nach einer Dusche.

Sowohl Angie als auch er wohnten in kleinen Apartments im Erdgeschoss. Onkel Emil hatte während der Saison mit seiner Frau im Keller gehaust und nur im Winter eine ebenerdige Wohnung bezogen. Das war überaus sparsam und löblich, doch Peter wollte sein Leben lieber über der Erde verbringen. Nach dem Tod blieb noch genug Zeit, das Gras von unten zu sehen. Die Mindereinnahmen nahm er in Kauf, zudem hatte er eh keine Wahl, da sich keine Alternativen boten. Wohnungen waren Mangelware und so mancher Insulaner vermietete sogar seine Garage.

Sauber und frisch rasiert suchte er das Büro auf. Heute sollte ein Mikkel Bedholm anreisen. Sicher ein alter Knacker, dem die Frau weggestorben war. Angie hatte Zimmer 9 für den Mann vorgesehen und den Schlüssel bereits auf dem Schreibtisch deponiert. Sie selbst war nach Wittdün gefahren, um ein bisschen ‚Großstadtluft‘ zu schnuppern, wie sie es nannte. Peter wusste, dass seine Schwester Sehnsucht nach Hamburg hatte. Ein Problem, dass ihn schwer beschäftigte. Wie sollte er ohne sie weitermachen? Sie war praktisch der einzige menschliche Kontakt auf der Insel und seine beste Freundin.

Durch das Fenster konnte er den ganzen Vorgarten überblicken. Mit Missfallen betrachtete er den Zaun, dessen weiße Farbe vereinzelt abblätterte. Das würde seine nächste Aufgabe sein. Ihm graute vor der Scheißschleiferei und er überlegte zum wohl hundertsten Mal, ob er einen Handwerker beauftragen sollte. Während er grübelte, trat ein großer Mann durch die Gartenpforte und schritt auf das Haus zu. War das etwa dieser Bedholm? Der Koffer, den der Kerl hinter sich her zog, wies ihn als Gast aus. Peter merkte, dass er mit offenem Mund die attraktive Erscheinung anstarrte, klappte die Kinnlade zu und sprang auf. Gleich darauf wurde auch schon die Tür aufgestoßen und harte Sohlen klackten über die Fliesen. Peter schnappte sich den Schlüssel, trat in die Diele und setzte ein professionelles Lächeln auf.

„Willkommen im Hotel Feddersen. Sie sind Mikkel Bedholm?“, begrüßte er den Gast, der sich aus der Nähe als noch beeindruckender herausstellte.

„Bin ich.“ Der Mann stellte den Koffer ab und im selben Moment wusste Peter, dass sie am gleichen Ufer fischten. Sein Gaydar hatte noch nie versagt, zudem musterte der Kerl ihn auf andere Weise, als es Heteros taten.

„Ich bin Peter Feddersen, der Inhaber. Ihr Zimmer liegt im ersten Stock. Wenn Sie mir folgen wollen?“ Er wandte sich der Treppe zu und stieg die Stufen hinauf, dabei fühlte er die Blicke des Mannes förmlich auf seinem Hintern kleben. Natürlich konnte das auch Einbildung sein, aber als er kurz über die Schulter linste, wurde sein Verdacht bestätigt.

„Frühstück gibt es zwischen 8 und 11 Uhr“, redete er weiter, während er die Zimmertür öffnete und in den hellen Raum ging. „Falls Sie Getränke haben möchten, finden Sie welche in dem Kühlschrank im Frühstücksraum. Eine Preisliste liegt hier.“ Peter wies auf einen Zettel, der auf dem Tischchen am Fenster lag. „Wir rechnen alles zusammen bei der Abreise ab.“

„Nett“, murmelte Bedholm, hievte seinen Koffer aufs Bett und sah sich aufmerksam um. „Das Bad ist sicher da?“ Er nickte zu der Tür links neben dem Kleiderschrank.

„Genau. Ein Duschbad. Hier ist der Schlüssel, mit dem Sie auch die Haustür öffnen können. Wir schließen um zehn ab.“ Peter legte den Zimmerschlüssel zur Getränkeliste und wartete auf weitere Fragen, doch anscheinend war Bedholm vorerst zufrieden. „Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Aufenthalt“, verabschiedete er sich, ging zur Tür und war schon im Flur angelangt, als der Gast ihm hinterherrief: „Wo kann man hier gut essen gehen?“

Peter nannte die Namen zweier Restaurants, die er mit gutem Gewissen empfehlen konnte. Bedholm dankte; er schloss die Tür hinter sich und lief die Treppe hinunter. Wieso machte ein so verflucht gut aussehender Kerl allein Urlaub? Peters Fantasie lief auch Hochtouren. Vielleicht war er gerade frisch getrennt und wollte Abstand gewinnen. Oder aber er traf sich heimlich mit seinem Freund, der in einem anderen Hotel untergekommen war. Diese Theorie war absurd, jedenfalls für deutsche Verhältnisse. Ach, wahrscheinlich wollte der Mann einfach ausspannen.

Peter nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz. Angie hatte eine Liste zu besorgender Lebensmittel unter die Tastatur geklemmt. Anscheinend war sie gerade eben zurückgekehrt. Anfangs hatten sie überlegt, das Konzept des Hotels zu ändern und auf die Öko-Schiene zu wechseln. Inzwischen war Peter davon abgekommen. Er wollte die Stammkundschaft nicht vertreiben, zudem war es einfach zu kostspielig. Nachdem er die Bestellung online bei seinem Lieferanten aufgegeben hatte, ging er auf der Suche nach Angie in die Küche.

„Pasta mit Pilzen“, sagte seine Schwester, lächelte ihm zu und rührte dabei in einem Topf. „Wie ist der neue Gast so?“

„Nett“, murmelte Peter. „Sehr nett.“

„Wie alt?“

„Schätzungsweise jünger als ich.“

„Wow! Und? Ist er auch …?“ Angies Augen funkelten vor Aufregung.

„Nie und nimmer. Hör auf, in jedem Mann einen potentiellen Partner für mich zu sehen.“

„Nix darf man“, murrte seine Schwester. „Deck mal den Tisch.“

Die Küche war geräumig, sodass in der Hauptsaison bequem drei Personen darin werkeln konnten. In der Mitte befand sich ein großer Tisch, an dem sie gemeinsam zu essen pflegten. Nur Frühstücken taten sie getrennt in ihren Apartments, die mit winzigen Kochzeilen ausgestattet waren.

„Wie war’s in der Stadt?“, frotzelte Peter, während Angie das Essen auffüllte.

„Aufregend.“ Sie rollte die Augen. „Hab einen Frustkauf getätigt. Unterwäsche. Willst du sie sehen?“

„Nein danke!“ Peter grinste. „Bestimmt hat sie rosa Rüschen. Davon werde ich blind.“

„Als wenn ich so etwas tragen würde.“ Angie pflanzte sich hin, griff nach einer Gabel und seufzte. „Wozu kaufe ich eigentlich den Quatsch, wenn ihn keiner sehen will?“

„Vielleicht solltest du für dich nach einem Mann suchen, statt für mich.“ Peter bereute die Worte, kaum dass er sie ausgesprochen hatte.

„Als wenn ich auf dieser verdammten Insel Auswahl hätte“, kam auch prompt von seiner Schwester.

„Sorry. Ich hätte den Mund halten sollen.“

„Ach, schon gut. Ich vermisse nichts, also, jedenfalls das nicht.“ Angie stopfte sich eine Gabelvoll Penne in den Mund und kaute.

„Er sieht wie ein Däne aus“, murmelte Peter in Gedanken. „Blond, grüne Augen, groß.“

„Wer? Der Gast?“

„Mhm.“

„Klingt gut. Vielleicht wäre der was für mich?“ Angie ließ die Gabel sinken und starrte ihn an. „Oder machst du dir doch Hoffnungen? Dein Gaydar ist allerdings sonst verlässlich.“

„Okay. Er ist schwul, das hab ich gleich gemerkt. Das soll aber nichts heißen.“

„Er gefällt dir“, stellte sie fest und begann zu grinsen.

„Ja, schon … aber …“ Peter zuckte die Achseln. „Anderes Thema“, bat er, stocherte in den Nudeln herum und spießte schließlich einen der Pilze auf. „Was sind das überhaupt für Pilze? Champignons jedenfalls nicht.“

„Hab ich heute Morgen selbst gesammelt.“ Stolz blitzte in Angies Augen auf. „Macht echt Spaß.“

„Moment! Du willst mich vergiften!“ Er ließ die Gabel auf den Teller fallen und griff sich an die Kehle. „Deshalb kribbelt das so im Hals.“

„Einbildung. Bis eben hat es dir geschmeckt. Ich hab die Pilze von der Blumenfrau prüfen lassen, keine Sorge.“

„Blumenfrau? Und die hat Ahnung?“

„Ja, sicher. Komm, nun beruhig dich mal.“ Seine Schwester legte begütigend eine Hand auf seinen Arm. „Mach dir ein Brot, wenn dir mein Essen nicht passt.“

~ + ~

Schon auf der Fähre hatte Mikkel gespürt, wie die Anspannung allmählich von ihm abfiel. Die frische Seeluft, die gutgelaunten Leute um ihn herum und der strahlende Sonnenschein waren Balsam für seine geschundene Seele. Die Narbe am Arm juckte zwar mal wieder, doch selbst das konnte ihn nicht runterziehen. Es war eine gute Entscheidung gewesen, eine Woche Urlaub auf Amrum zu buchen. Das fand auch sein Therapeut.

Dr. Ulli Stamm war ein merkwürdiger Kerl. Mikkel hatte den Verdacht, dass der Mann während der Sitzungen heimlich Schweinkram zeichnete, konnte aber noch nie einen Blick auf die Blätter werfen. Eigentlich war das egal, denn er war ein guter Therapeut, auch wenn er ihm bisher nicht hatte helfen können.

Vor einem Jahr war einer von Mikkels Kunden, er arbeitete in einer Schuldnerberatung der Diakonie, ausgeflippt. Der Mann hatte ein Messer gezückt und wenn Mikkel nicht reflexartig den Arm gehoben hätte, wäre er wohl tot. Stattdessen trug er eine tiefe Fleischwunde davon und ein Muskel war nachhaltig zerstört. Das war jedoch nicht das Schlimmste. Seit dem Übergriff hatte Mikkel Alpträume und konnte nicht mehr arbeiten. Er mied Menschen, was für seinen Beruf Gift war.

Anfangs hatte er seine Wohnung gar nicht verlassen und sogar Lebensmittel im Internet bestellt. Erst auf Drängen seines guten Freundes Stefan hin hatte er einen Therapeuten aufgesucht. Dr. Stamm erwies sich als Glücksgriff. In etlichen Sitzungen hatten sie die Situation wieder und wieder durchgekaut, bis klar wurde, dass Mikkel das Vertrauen in die Menschheit verloren hatte. Fünfzehn Jahre war es sein unerschütterlicher Glaube an das Gute im Menschen gewesen, der ihn beflügelt hatte. Verdammte fünfzehn Jahre harter Arbeit mit den Leuten, denen das Leben übel mitgespielt hatte. Der Täter war ein langjähriger Kunde. Oft hatte Mikkel dem Mann geholfen und dass nun ausgerechnet der Kerl es war, der ihm nach dem Leben trachtete, war traumatisierend.

Im Nachhinein hatte sich herausgestellt, dass der Mann schwer depressiv und am Tag der Tat betrunken war. Das konnte Mikkel nicht trösten. Sein Vertrauen war zerstört und er nicht mal in der Lage, sich selbst zu helfen. Wie sollte er jemals wieder anderen unter die Arme greifen?

Mit einem tiefen Seufzer erhob er sich vom Bett. Seit dieser Peter Feddersen die Tür hinter sich zugemacht hatte, lag er da und glotzte an die Decke. Nicht einmal seinen Koffer hatte er ausgepackt. Ziellos waren seine Gedanken umhergeirrt und mehr als nur einmal war das Bild von einem geilen Arsch in Jeans aufgetaucht. Dass der Hotelier in seiner Liga spielte, hatte er auf den ersten Blick erkannt. Was tat ein Schwuler auf Amrum?

Nach Mikkels Wissen war die Insel kein Paradies für seinesgleichen. Vielleicht hatte er gerade deshalb Amrum als Urlaubsziel erkoren. Seit dem Überfall war sein Sexualleben auf die eigene Faust, der er uneingeschränkt vertraute, begrenzt. Er konnte von Glück reden, dass der linke Arm verletzt worden war, denn der rechte musste ganze Arbeit leisten. Dr. Stamm hatte gemeint, dass es eine natürliche Reaktion wäre, nach so einem Erlebnis wie verrückt zu wichsen. Wie gesagt: Etwas irre war der Doktor schon. Die Erklärung bestand darin, dass Mikkel nur beim Orgasmus und für wenige Sekunden danach von seinen Ängsten befreit war. Eigentlich war ihm egal, ob der Therapeut recht hatte und irgendwann hatte sich seine Libido wieder auf ein normales Maß eingepegelt. Inzwischen ruhte sie und es juckt nur noch selten. Dass es Mikkel beim Anblick von Feddersens Rückseite in der Mitte gekribbelt hatte, wertete er als Heilungsprozess. Vielleicht würde er nach dem Urlaub wieder in der Lage sein, irgendwo einen Sexpartner zu finden.

Mikkel verstaute den Inhalt seines Koffers im Schrank, inspizierte das Bad und nutzte die Gelegenheit, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu schaufeln. Aus dem Spiegel über dem Waschbecken sah ihm ein müder Mann entgegen. Dr. Stamm mochte leicht irre sein, doch Schlaftabletten hatte er ihm nicht verschrieben. Stattdessen nahm Mikkel regelmäßig Pillen auf pflanzlicher Basis, die ihn ruhiger machen sollten. Der Scheiß war nutzlos, weshalb er sich nachts im Bett wälzte und gegen Dämonen kämpfte. Vielleicht würde die salzige Luft helfen und er endlich mal wieder einen Nacht durchschlafen.

Im Kulturbeutel fahndete er vergeblich nach Rasierzeug. Siedend heiß fiel ihm ein, dass das Zeug zu Hause im Bad liegengeblieben war. Er hatte noch daran gedacht, bevor er den Müll wegbrachte, danach nicht mehr. Na Klasse! Dann würde er in einer Woche wie Catweazle aussehen, oder eher wie jemand, der sich blond färbte. Wenigstens war die Zahnbürste da. Morgen würde er sicher irgendwo einen Rasierer besorgen können. Schließlich befand er sich in Deutschland und nicht im tiefsten Dschungel.

Nachdem er die widerspenstigen Haare gekämmt und eine gelassene Miene aufgesetzt hatte, stieg er die Treppenstufen ins Erdgeschoss hinunter. Die Namen der Lokale, die Feddersen ihm genannt hatte, waren inzwischen vergessen. Mikkel linste in den Raum, in dem wohl das Frühstück stattfinden würde und hörte gedämpfte Stimmen.

„Du willst doch nicht etwa das Essen wegwerfen? Woanders verhungern Kinder!“, drang Feddersens erboste Frage zu ihm.

Unwillkürlich musste er grinsen. So hatte seine Oma immer geredet, wenn er mal wieder vor einer ihrer Riesenportionen kapitulierte. Vorsichtig setzte er Fuß vor Fuß und entdeckte eine offene Tür im hinteren Bereich.

„Was soll ich denn sonst damit tun? Etwa die Vögel füttern?“, erwiderte eine sympathische, weibliche Stimme.

„Als wenn sich Vögel gern vergiften ließen.“

„‘Tschuldigung. Ich wollte nicht stören, aber ich hab die Namen der Lokale vergessen, wo man hingehen kann.“ Mikkel stand verlegen im Türrahmen. Zwei Paar Augen richteten sich auf ihn. Das eine gehörte Feddersen, das andere einer hübschen Frau, die seine Schwester sein musste. Beide hatten die gleiche Augenfarbe und ihre Gesichter wiesen eindeutige Ähnlichkeit auf. „Undskyld“, wiederholte er automatisch in der Sprache seiner Kindheit.

Mikkel hatte die ersten Lebensjahre in Dänemark zugebracht, der Heimat seines Vaters, bevor seine Mutter Heimweh bekam und sie nach Deutschland zogen. Damals war er erst sieben gewesen, weshalb er nur in sehr emotionalen Momenten in alte Gewohnheiten zurückfiel. Dies war einer dieser Momente. Mikkel fühlte sich von den blauen Augen angezogen, wobei er nicht wusste, ob es eher die von Feddersen oder die seiner Schwester waren. Beide guckten voller freundlichem Interesse.

„Sie mögen nicht zufällig Penne mit Pilzen?“, erkundigte sich die Frau.

„Angie! Vergifte nicht unsere Gäste!“ Feddersen klang sehr ernst.

„Lass ihn selbst entscheiden“, meinte seine Schwester gelassen und stellte die Pfanne, die sie eben noch über den Mülleimer gehalten hatte, auf den Herd. „Frische Pilze in Sahnesauce mit einer Spur Pesto. Absolut ungefährlich. Bis gerade eben mochte Peter es auch. Dann wurde er allerdings zickig. Interesse?“

Es roch verdammt gut. Zudem war Mikkel nicht darauf versessen, zwischen fremden Leuten allein etwas in sich reinzustopfen. Da erschien ihm das hier, trotz der zwei Streithähne, als wirklich gute Alternative.

„Ich mag Pilze“, murmelte er, wagte sich einen Schritt in die Küche und sah zu Feddersen. „Wenn das okay ist. Ich zahle auch.“

„Pft. Verhandeln Sie das mit meiner Schwester.“ Der Hotelier lief an ihm vorbei und Mikkel blieb allein mit dessen Schwester zurück.

„Ich mach das Essen kurz warm. Setzen Sie sich. Ach, ich bin Angie.“ Die Frau lächelte ihm zu. „Peter ist eigentlich ganz nett. Na ja, er ist mein Bruder.“ Sie zuckte die Achseln und griff nach einem Pfannenwender. „Als Geschwister sieht man wohl über manches hinweg.“

„Wahrscheinlich.“ Er nahm am Tisch Platz. „Ich heiße Mikkel.“

„Hübscher Name. Skandinavisch, richtig?“

„Dänisch.“

„Entschuldige. Ich rede zu viel.“

„Schon in Ordnung“, sagte Mikkel leise und guckte hungrig zum Herd hinüber. „Ist es okay, wenn ich 10 Euro für die Mahlzeit bezahle?“

„Moment. Die Pilze hab ich selbst gepflückt, die Penne kosten zwei Euro, die Sahne 80 Cent und die Gewürze … Also macht das pro Nase 90 Cent“, rechnete Angie vor, holte einen Teller aus dem Schrank und stellte ihn auf den Tisch. „Meine Arbeit berechne ich mit einem Euro, wenn‘s recht ist. Ich bekomme also 1 Euro 90 von dir. Du darfst mir 10 Cent Trinkgeld geben.“ Sie grinste schelmisch, schaufelte die Nudeln aus der Pfanne und kramte anschließend Besteck aus einer Schublade hervor. „Was dagegen, wenn ich dir Gesellschaft leiste?“

„Würde mich freuen.“ Heißhungrig machte Mikkel sich über das Essen her. „Lecker“, lobte er nach dem ersten Bissen.

„Danke.“ Angie errötete, wandte sich zum Kühlschrank und holte einen Becher Eis aus dem Tiefkühlfach. Für einige Minuten herrschte Stille, während sie versonnen die Süßspeise löffelte. Dass es ihr schmeckte, war an der verzückten Miene ersichtlich. Mikkel war dankbar, dass er für eine Weile nichts sagen musste. Im vergangen Jahr hatte er sehr wenig gesprochen, davor umso mehr.

„Deine Eltern sind Dänen?“, nahm Angie den Faden wieder auf, leckte genüsslich den Löffel ab und musterte ihn dabei neugierig.

„Mein Vater.“

„Dann ist deine Mutter deutsch“, resümierte sie.

„Ja.“ Mikkel schob den leeren Teller ein Stück weg und tastete nach seiner Börse. „Ich hab kein Kleingeld“, stellte er bedauernd fest.

„Ich setze 2 Euro auf deine Rechnung.“ Angie zuckte mit den Schultern. „Sag mal … darf ich fragen, wie alt du bist?“

„42.“

„Hmm …“ Sie legte den Kopf schief. „So hätte ich dich auch geschätzt.“

„Ich bräuchte Rasierzeug. Weißt du, wo ich welches kaufen kann?“ Mikkel rieb sich übers stoppelige Kinn.

„Klar. Im Ortskern ist ein Supermarkt, dort bekommst du alles. Oder du fährst nach Wittdün.“

„Danke. Und danke für das Essen.“ Er stand auf, schob die Hände in die Hosentaschen und sah unschlüssig auf seinen Teller. „Soll ich den wegräumen oder …?“

„Ich mach das schon. Der Gast ist König.“ Angie winkte lässig mit dem Löffel. „Schönen Abend. Und falls du mal Langeweile hast, komm gern zum Plaudern zu mir.“

„Danke für alles“, erwiderte Mikkel erfreut, nickte ihr zu und ging aus der Küche. Schon nach wenigen Schritten kehrte er um. „Ich hätte gern eine Flasche Wasser.“

„Nimm dir eine aus dem Kühlschrank neben dem Buffet.“

~ * ~

Peter hätte zu gern Mäuschen gespielt. Worüber die beiden wohl redeten? Er hoffte inständig, dass seine Schwester taktvoll war und keinen Versuch machte, Mikkel Bedholm mit ihm zu verkuppeln. Der Mann gefiel ihm zwar, aber es stand außer Frage, dass er mit einem Gast etwas anfing. Zudem machte Bedholm einen überaus traurigen Eindruck, als wenn er eine schwere Last mit sich trug. Peter hatte eigene Probleme, vorrangig das mit seiner Schwester. Lange würde es nicht mehr gutgehen. Er spürte ihre wachsende Unruhe und verstand sie nur zu gut. Angie war einfach nicht glücklich auf der Insel, zudem wusste er, dass sie sich insgeheim Familie wünschte. Ihre innere Uhr tickte und vielleicht war es sogar schon zu spät. Vor einigen Wochen war sie 42 geworden, womit eine Schwangerschaft allmählich zu einem Risiko geriet.

Eine gute Viertelstunde, nachdem er die Küche verlassen hatte, hörte er Schritte auf dem Gang. Das Büro lag gleich neben der Haustür, gegenüber vom Frühstücksraum und die Tür stand offen. Er sah Bedholm zur Treppe gehen, in der Hand eine Flasche Mineralwasser. Kurze Zeit später kam der Mann die Stufen wieder herunter, lief am Büro vorbei und trat vors Haus. Peter sah aus dem Fenster. Die Sonne hatte sich inzwischen hinter ein paar dunklen Wolken verkrochen. Bedholm schlug den Kragen seiner Jeansjacke hoch, ging zur Gartenpforte und sah erst nach links, dann nach rechts. Nach kurzem Zögern wandte er sich in Richtung Ortskern und verschwand aus Peters Blickfeld.

Es dauerte eine Weile, bis Peter sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Für den kommenden Sommer waren die ersten Buchungen eingetroffen. Im Januar und Februar würden sie schließen, es lohnte sich einfach nicht. Vielleicht war das auch die Gelegenheit, Ersatz für seine Schwester zu suchen. Ein Teilhaber schwebte ihm vor, wobei die Chemie schon stimmen sollte. Ob ein Inserat der richtige Weg war? Suche Mann fürs Leben und gemeinsame Arbeiten? Sehr witzig!

Eigentlich brauchte er kein Kapital. Über die Jahre hatte er eine Masse Geld angespart, ursprünglich für den Zweck, ein Hotel zu erwerben. Onkel Emils Geschenk war überraschend gekommen, auch wenn er stets heimlich mit dem Objekt geliebäugelt hatte. Es war wirklich ein absoluter Glücksfall, dass sein Onkel gerade ihn als Nachfolger gewählt und nur eine niedrige Ablösesumme gefordert hatte. So war ihm genug geblieben, um erforderliche Reparaturen, wie ein neues Dach, ausführen zu lassen. Es war immer noch eine stattliche Summe vorhanden, die Peter jedoch umsichtig verwaltete. Wer wusste schon, wie sich die Gastzahlen entwickeln würden? Im Moment arbeiteten sie zum Glück kostendeckend.

Er war gerade in seine Buchhaltung vertieft, als die Tür klappte und Ehepaar Hagelstein hereinspazierte. Mit einem knappen Gruß verschwanden die beiden im ersten Stock. Kurz darauf kamen die Eheleute Berger vorbei, hielten für einen kurzen Plausch und stiegen danach die Treppe hinauf. Peter machte die Bürotür zu, damit er sich auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Eine Stunde später war er endlich fertig, räumte auf und schloss ab. Nun brauchte er nur noch den Garten aufräumen. Manchmal ließen die Gäste irgendetwas stehen und da es nach Regen aussah, wollte er die Strandkörbe kontrollieren. Das mochte pedantisch sein, aber es war eben besser für das Möbel, wenn die Haube bei Regengüssen gerade aufgerichtet war.

Peter trat aus der Hintertür, ging über den weichen Rasen zum ersten Strandkorb und wollte gerade dessen Haube bewegen, als er Bedholms Stimme hörte.

„Ja, ich find’s auch schade, dass du nicht mitkommen konntest.“

Offenbar telefonierte der Mann und schien ihn nicht bemerkt zu haben. Stocksteif verharrte Peter in der beginnenden Dämmerung.

„Mir geht’s gut, mach dir keine Sorgen“, sagte Bedholm und seufzte. „Du führst dich echt auf wie eine Glucke.“

Sprach er mit seiner Mutter?

„Stefan? Hallo, Erde an Stefan? Es ist alle okay. Wir sehen uns Sonntag.“

Wer war Stefan? Der Zuhausegebliebene Lover? Peter trat leise den Rückzug an, stoppte an der Hintertür und schimpfte sich selbst einen Idioten. Wieso schlich er in seinem eigenen Garten herum? Entschlossen wendete er, trampelte extra laut über den Rasen und rückte die Haube des ersten Strandkorbs in aufrechte Position. Als er beim zweiten angelangte, erhob sich Bedholm von dessen Sitzfläche.

„Kann ich helfen?“

„Danke. Ich bin schon fast fertig“, brummelte Peter.

„Dann … gute Nacht“, nuschelte Bedholm und ging in Richtung Haus.

Ein erster Regentropfen fiel auf Peters Gesicht, während er eine Zeitschrift aufsammelte und langsam zurück zur Hintertür lief. Kaum war er in die Diele getreten, ging ein heftiger Schauer nieder. Rasch schloss er die Tür und lauschte eine Weile auf das Prasseln.

~ * ~

Mikkel wachte erst gegen neun auf. Die frische Luft hatte ihn ermüdet, das Trommeln der Regentropfen aufs Dach gut einschlafen lassen. In den frühen Morgenstunden war er aus einem Alptraum hochgeschreckt und hatte lange wach gelegen, bevor er erneut in einen leichten Schlaf fiel. Er beeilte sich mit duschen und anziehen, lief die Treppe hinunter und betrat den Frühstücksraum. Alle Plätze waren leer und Spuren deuteten darauf hin, dass die anderen Gäste bereits gegessen hatten. Es war nun nicht so, dass er Wert auf deren Gesellschaft gelegt hätte, aber ganz allein in dem Raum zu sitzen gefiel ihm auch nicht.

„Morgen Mikkel.“ Angie stand im Türrahmen der Küche und lächelte ihn freundlich an. „Kaffee oder Tee? Ach, magst du nicht einfach mit mir und Peter frühstücken? Dann muss ich nicht herumrennen.“

„Wenn es dich … euch nicht stört.“

„Quatsch! Oder, Peter?“ Angie wandte sich halb um und Mikkel sah, dass sie ihren Bruder mit einem Blick fixierte, der keinen Widerspruch duldete.

„Ich bleibe besser hier.“ Er steuerte einen Platz nahe dem Buffet an.

„Sie stören nicht“, rief Peter in so überzeugendem Tonfall, dass Mikkel sich dumm vorgekommen wäre, wenn er weiter rumgezickt hätte. Er trat in die Küche, nickte Peter zu und setzte sich an den Tisch. Angie hatte bereits einen Teller für ihn hingestellt und goss gerade Kaffee in einen Becher.

„Mikkel hat dänische Adern“, informierte sie ihren Bruder, reichte Mikkel den Becher und nahm gegenüber Platz.

„Herr Bedholm kann für sich selbst reden.“ Peter klang knurrig und hielt die Augen auf den Tisch gesenkt.

„Sei nicht so unhöflich!“ Eine Bewegung unter dem Tisch verriet Mikkel, dass Angie ihren Bruder gegens Bein trat.

„Sorry. Ich bin Peter.“

Ein entschuldigender Blick aus unglaublich blauen Augen traf ihn und das dazugehörige Lächeln war einfach hinreißend. Es war allein Angies Anwesenheit zu verdanken, dass Mikkel den Kerl nicht allzu lange anstarrte und stattdessen in seinen Kaffee guckte. Das ungewohnte Kribbeln in seinem Magen war wieder da. Gestern hatte er bereits die Rückpartie des Mannes bewundert, der geballte Charme von vorn war umwerfend.

„Mikkel“, nuschelte er, trank einen Schluck und griff nach einem Brötchen.

„Hast du für heute schon Pläne?“, erkundigte sich Angie. „Probier mal meine selbstgemachte Brombeermarmelade.“ Ihm wurde ein Schälchen zugeschoben. „Ach ja, du wolltest doch Rasierzeug besorgen, richtig?“

Typisch Frau. Mikkel grinste in sich rein. Weiber konnten gleichzeitig essen, reden und lösten wahrscheinlich dabei im Kopf mathematische Gleichungen. Er warf Peter einen Blick zu, der dieser mit hochgezogenen Brauen erwiderte. Fühlte sich gut an, als wenn sie eine verschworene Einheit wären.

„Das habe ich wohl gesehen“, murrte Angie. „Ich halte ja schon den Mund. Wie ist der Kaffee?“

„Ausgezeichnet“, antworteten Peter und Mikkel gleichzeitig.

„Und? Magst du meine Marmelade?“, wandte sie sich an Mikkel, der gerade von der ersten Brötchenhälfte abbeißen wollte.

„Öhm“, machte er.

„Angie! Lass den armen Mann in Ruhe essen“, mischte Peter sich ein.

„Und ich hatte auf ein nettes Pläuschchen gehofft.“ Seine Schwester seufzte. „Gut, ich bin ruhig.“

Sie hielt Wort. Erst als Mikkel zwei Brötchen verspeist hatte und sich satt zurücklehnte, fing sie erneut zu Plappern an.

„In Wittdün ist ein Drogeriemarkt. Ich fahre nach dem Mittag hin und könnte dich mitnehmen. Ansonsten könntest du dir ein Fahrrad leihen. Drei Häuser weiter ist ein Verleih, der ganz anständige Preise hat. Ich mag den Besitzer zwar nicht, aber Peter sagt, der Mann ist okay. Männer!“ Sie verdrehte die Augen. „Als wenn ein Kerl so etwas wie Menschenkenntnis besäße! Mir ist jedenfalls noch keiner untergekommen. Natürlich gibt es Ausnahmen.“ Sie zwinkerte Mikkel zu. „Du bist sicher ganz anders, als mein stoischer Bruder. Der kann nämlich nicht über seinen Tellerrand … Au!“ Angie rückte vom Tisch ab und rieb sich demonstrativ das Schienbein. „Du bist wirklich kein Gentleman. Man tritt keine Frauen“

„Schwestern schon“, gab Peter betont gelassen zurück, stand auf und fing an, den Tisch abzuräumen.

Mikkel musste grinsen und fühlte sich so wohl, wie schon lange nicht mehr. Die Geschwister gefielen ihm und im Moment war er sehr froh, dass Stefan ihn nicht begleitet hatte. Dank der beiden kam er auf andere Gedanken. Ein neues Universum tat sich für ihn auf. Eines, in dem Menschen einander vertrauten und sorglos miteinander umgingen. Familie eben. Er selbst hatte keine Geschwister und seine Eltern hatten sich scheiden lassen, ausgerechnet in der Zeit, in der er in der Pubertät steckte und unheimlich mit seinem Anderssein zu kämpfen hatte. Seine Mutter hatte sich bis heute nicht damit abgefunden, dass ihr einziger Sohn niemals Enkel produzieren würde.

„Soll ich helfen?“, bot er an.

„Na ja“, meinte Angie nach kurzer Überlegung. „Wäre schon nett, wenn du mir hilfst nebenan aufzuräumen.“

Und so kam es, dass er nicht nur den Frühstücksraum gemeinsam mit ihr aufräumte, sondern anschließend auch auf den Zimmern half. Die stupide Arbeit war, im Vergleich zu seiner alten Tätigkeit, eine Wohltat. Handtücher mussten gewechselt werden und Betten gemacht. Dabei stellte er fest, dass die alten Herrschaften, zumindest die Bergers, anscheinend den Sex für sich neu entdeckt hatten. Allerlei Reizwäsche lag herum und auf einem der Nachtschränke sogar ein Vibrator. Angie grinste, als sie seinen vielsagenden Blick bemerkte.

„Je oller, je doller“, murmelte sie und scheuchte ihn auf den Gang. „Die haben es besser, als unsereiner. Drei Kinder, zwei Enkel und ein Hund. Ich hab nicht mal einen Mann.“

„Möchtest du denn einen, obwohl die so dämlich sind?“, fragte Mikkel interessiert.

„Hör mal! Ich rede viel und vor allem viel Stuss. Klar will ich einen! Am liebsten so einen netten Mann wie dich.“ Sie stupste ihm spielerisch gegens Brustbein und für einen Moment glaubte er, dass sie ihn anflirtete. „So einen wie dich in Hetero. Ups!“ Angie schlug die Hand vor den Mund, die Augen erschrocken aufgerissen. “Tut mir leid. Ich hab nix gesagt.“

„Hast du geraten oder hat Peter etwas gesagt?“

„Er ist keine Plaudertasche. Ich hab’s aus ihm rausgekitzelt.“

„Schon gut“, brummelte Mikkel.

„Wir wären dann fertig. Also: Soll ich dich nach Wittdün mitnehmen?“, fragte Angie und drückte ihm den Sack mit der Schmutzwäsche in den Arm.

Die verdammte Narbe juckte wie verrückt. Mikkel trieb zwar regelmäßig Sport, aber die ungewohnte Arbeit hatte den Muskel gereizt. Während Angie unablässig redete, rieb er sich heimlich über den Arm.

„… Peter hat mir damals Juckpulver in den Ausschnitt gestopft. Ich hab drei Tage nicht mit ihm gesprochen und noch heute behauptet er, dass sei die schönste Zeit für ihn gewesen. Er kann so ein Mistkerl sein! Dabei rede ich, gemessen an anderen Frauen, gar nicht viel …“

Mikkel blendete wieder aus, betrachtete die Landschaft und entdeckte erleichtert das Ortsschild von Wittdün am Straßenrand.

„… und ich dachte ich spinne, als ich Peter mit meinem Freund, mit meiner großen Liebe, im Bett erwischte. Danach war der Ofen erstmal aus, bis mir klar wurde, dass er mir einen Dienst erwiesen hatte. Jochen wäre über kurz oder lang eh abgehauen und …“

Er sollte sich Lesestoff besorgen. Sie fuhren gerade an einem Buchladen vorbei und der Redeschwall endete abrupt, als Angie eine Parklücke entdeckte. Die Zunge zwischen die Lippen geklemmt, setzte sie den Blinker und fuhr rückwärts in die Lücke. Ein knirschendes Geräusch verriet, dass sie den Kantstein erwischt hatte. Mikkel zuckte zusammen, warf einen Blick in den Seitenspiegel und musste sich zwingen, den Mund zu halten. Nach ungefähr zehn Manövern stand der Wagen endlich. Er mochte nicht daran denken, wie die Radkappe aussah, stieg aus und entdeckte auf der gegenüberliegenden Straßenseite den Drogeriemarkt.

„Treffen wir uns in einer halben Stunde wieder hier? Oder brauchst du länger?“, fragte Angie über das Autodach hinweg.

„Das ist okay.“ Mikkel lächelte ihr zu. „Wo musst du hin?“

„Och, eigentlich nirgends. Ich gucke ein bisschen Schaufenster. Ein wenig Großstadtfeeling schnuppern“, erwiderte sie ironisch.

„Dann viel Spaß.“ Er umrundete den Wagen, lief über die Straße und betrat den Drogerieladen.

Außer Rasierzeug landeten eine Packung Kondome, Sonnenmilch und Taschentücher im Einkaufskorb. Mikkel zahlte, stopfte alles in seinen Rucksack und steuerte den Buchladen an. Früher hatte er gerne Krimis gelesen, doch seit dem Vorfall war ihm das gründlich vergangen. Inzwischen stand er auf Belletristik ohne Drama. Je seichter, desto besser. Schlussendlich verließ er den Laden mit einem friesischen Kochbuch, das neben Rezepten mit Anekdoten aus dem frühen Inselleben aufwarten konnte, einer seichten Hetero-Liebesschnulze und einem Fantasy-Roman.

Angie wartete schon, lässig gegen den Passat gelehnt, als er aus dem Laden trat. Automatisch zwang er ein Lächeln auf seine Lippen, während sein Blick zu den Radkappen wanderte. Es war sicher nicht das erste Mal, dass Angie den Wagen derart rabiat in eine Lücke gezwängt hatte. Sowohl der Reifen, als auch die Plastikabdeckung waren erheblich zerschrammt. Hier traf ein Klischee auf das nächste. Mikkel mochte die Frau dennoch, da sie einfach authentisch war und ihn nicht verurteilte. Na ja, immerhin hatte sie einen schwulen Bruder.

„Lädst du mich auf einen Kaffee ein?“ Angie stieß sich vom Wagen ab und wies mit dem Kinn die Straße hinunter. „Da vorn gibt’s leckeres Eis, Kuchen und Cappuccino.“

„Das bin ich dir wohl schuldig“, erwiderte Mikkel.

Eine mürrisch wirkende Frau nahm ihre Bestellung auf. Die Stühle waren hart und am Nebentisch quengelte ein Kleinkind. Mikkel streckte die Beine aus, bewegte den linken Arm und strich über den Jackenärmel. Sobald sie zurück im Hotel waren, musste er dringend Salbe auf die Narbe schmieren. Das Jucken war unerträglich, als wenn ihn jemand mit einem Messer kitzelte.

„Was ist mit deinem Arm?“

Angie mochte eine Sabbeltasche sein, dennoch war sie überaus aufmerksam. Sein Pech. Er zuckte die Achseln.

„Eine alte Wunde.“

„Sport? Oder ein Unfall?“

„Unfall.“

„Aha. Du willst nicht darüber reden. Schon okay.“

Die Bedienung stellte einen Eiskaffee und ein Stück Torte vor Angie ab. Mikkel hatte Milchkaffee bestellt, bekam stattdessen Espresso, beschwerte sich aber nicht. Offenbar war die Kellnerin überfordert, oder aber sie hasste Touristen. Die zweite Möglichkeit erschien wahrscheinlicher, da das Café fast leer war.

„War es ein Autounfall? Oder … Ach ja, ich halte schon die Klappe.“ Angie beugte sich vor, schloss die Lippen um den Strohhalm und sog daran. Als sie sich wieder aufrichtete, war das halbe Glas leer. „Die Leute hier spinnen. Verdienen ihr Geld mit Tourismus und behandeln die Gäste dennoch, als wären sie lästige Insekten. Das versteh mal einer.“

„Lästige Insekten in bunten Jogginganzügen“, murmelte Mikkel, dessen Blick zum Fenster geirrt war. Gerade lief ein Ehepaar im Zwillingslook vorbei. Ein Attentat auf die Netzhäute.

„Na ja, die sind halt im Urlaub. Auf Mallorca geht’s ähnlich her, auf Ibiza noch schlimmer. Die Insulaner sollten froh sein, dass am Strand keine Eimer mit Sangria aufgestellt. Ach …“ Angie seufzte und ihre Augen bekamen einen sehnsüchtigen Glanz. „Ich hasse das alles hier.“ Sie schlug den Blick nieder und stocherte sinnlos mit dem Strohhalm in der Sahne herum.

„Warum bist du dann hier?“, erkundigte Mikkel sich vorsichtig.

„Peter. Ich liebe ihn. Ohne mich wäre er …“ Sie kniff die Lippen zusammen und schüttelte entschieden den Kopf. „Es ist schon okay so“, sagte sie, ohne dass es überzeugend klang.

Erste Schritte

Das erste Mal, seit Angie ihm das ‚Du‘ angeboten hatte, breitete sich einvernehmliches Schweigen zwischen ihnen aus. Mikkel nippte an dem – zugegeben – leckeren Espresso und musterte durchs Fenster die vorbeilaufenden Menschen. Seit er nicht mehr arbeitete, sah er die Leute nur noch oberflächlich. Sie waren ihm schlicht egal geworden. Was konnte er schon ausrichten? Im Moment fühlte er sich ziemlich wohl und genoss Angies Gesellschaft. Obwohl sie viel redete, war sie ein sensibler Mensch. Noch dazu einer, der ihm nicht gefährlich werden konnte. Sie war eine Frau. Frauen zückten selten Messer, benutzten meist lieber ihre scharfe Zunge. Damit kam er klar.

„Du bist unglücklich“, sagte er leise, richtete den Blick auf Angies Gesicht und das kurze Zucken ihrer Mundwinkel verriet, dass er richtig lag.

„Wer ist das nicht?“ Sie zuckte mit den Schultern, schnappte sich die Kuchengabel und stieß sie energisch in die Torte.

„Und … ist Peter gern hier?“

„Oh ja! Allerdings ist er auch viel rumgekommen und das hier ist für ihn so etwas wie die Erfüllung eines Traumes. Er wollte das Hotel schon immer.“

Mikkel spielte mit seiner Tasse, während er sich vorstellte, für immer hier festzusitzen. Für ihn kein erschreckender Gedanke. Fernab der Metropole fühlte er sich frei und seine Ängste gerieten in den Hintergrund. Die Kriminalitätsquote dürfte auf Amrum gen Null tendieren.

„Das Hotel ist recht klein. Könnte dein Bruder es nicht allein führen?“ Er hatte keine Ahnung, warum er sich in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen. Es musste Angies offener Frust sein, der sein altes Helfersyndrom weckte.

„Und was passiert, wenn er mal krank ist? Er braucht einen Backup, der sich auskennt. Das Risiko ist einfach zu groß.“

„Entschuldige. Mich geht das gar nichts an“, murmelte Mikkel.

„Ich bin froh, dass ich mal mit jemanden darüber reden kann.“ Angie lächelte ihm dankbar zu. „Wir sollten zurückfahren. Die Wäsche wartete auf mich.“ Sie rollte die Augen, sah sich nach der Bedienung um und winkte.

Auch die Rückfahrt bestritt sie mit Geschichten aus ihrer Kindheit. Mikkel brauchte nur ab und zu ein ‚Mhm‘ oder ‚Aha‘ einwerfen, das reichte völlig aus. Als Angie den Passat neben dem Haus abstellte, entdeckte er Peter im Garten. Mit einer Heckenschere bewaffnet, rückte der Mann dem Gestrüpp auf der linken Seite zu Leibe. Sicher würde der arme Kerl Muskelkater haben, wenn er die ganze Länge einmal abgearbeitet hatte. Ob er seine Hilfe anbieten sollte? Mit dem lädierten Arm erschien das nicht ratsam.

„Wenn du magst, kannst du heute Abend wieder mit uns essen. Es gibt Bohneneintopf.“ Angie stieg aus, holte eine Tüte vom Rücksitz und sah über das Autodach hinweg zu ihm rüber.

„Wenn Peter nichts dagegen hat.“

„Ach, darum kümmere ich mich schon“, tat sie seinen Einwand ab. „Er tut so unnahbar, ist aber an sich ein feiner Kerl.“

„Danke. Dann nehme ich dein Angebot gern an.“ Mikkel schulterte seinen Rucksack, ging hinter Angie her ins Haus und erklomm die Treppe in den ersten Stock. Nachdem er ausgepackt hatte, sah er vom Fenster aus Peter eine Weile beim Arbeiten zu. Wegen der Wärme hatte der Mann sein T-Shirt ausgezogen. Das Spiel der Muskeln unter gebräunter Haut regte Mikkels Fantasie an. Die enge Jeans betonte den knackigen Hintern und ab und zu konnte er einen Blick auf die nackte Brust erhaschen, wenn Peter sich zur Schubkarre wandte. Seine Libido meldete sich deutlich und die Hose war plötzlich etliche Nummern zu klein. Mikkel gab dem Trieb nach, stellte sich unter die Dusche und beseitigte das Problem.

Eine halbe Stunde später saß er auf einem geliehenen Fahrrad und war in Richtung Norddorf unterwegs. Das Café, das Angie ihm empfohlen hatte, erwies sich als absoluter Volltreffer. Vollgestopft mit Friesentorte, setzte er den Weg fort und radelte durch den Wald zurück nach Nebel. Als er am Hotel ankam, hatte Peter seine Arbeit beendet und war nirgendwo zu entdecken. Mikkel stellte das Fahrrad neben dem Passat ab und verbrachte die Zeit bis zum Abendessen lesend in einem der Strandkörbe.

~ * ~

Peter war überzeugt, dass Angie das gemeinsam Frühstück und Abendessen vorsätzlich eingefädelt hatte. Seine Schwester wollte ihn verkuppeln und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder ärgern sollte. Mikkel gefiel ihm außerordentlich, aber irgendetwas stimmte mit dem Mann nicht. Eine düstere Aura umgab den Mann, als wenn er ein dunkles Geheimnis mit sich herumtrüge.

Bei den Mahlzeiten redete Mikkel kaum, auch wenn Angie stets versuchte, eine Unterhaltung zu führen. Auch das mochte Peter, dem die quirlige Art seiner Schwester manchmal auf den Zeiger ging. Man musste nicht immerzu sprechen. Jedenfalls nicht als Mann.

Inzwischen saßen sie das vierte Mal zusammen beim Abendbrot. Angie hatte Hühnerfrikassee gekocht, eine ihrer Spezialitäten. Er würde sie sehr vermissen, vor allem ihre Kochkünste, hatte jedoch für sich entschieden, dass nach den Herbstferien die Trennung anstehen würde. Seine Schwester musste zurück in die Stadt. Hier ging sie allmählich vor die Hunde.

Nach dem Essen begab er sich ins Büro und arbeitete neue Buchungen ab. Die Bergers und Hagelsteins trafen nacheinander ein, grüßten und verzogen sich in den Garten. Manchmal pflegten die Ehepaare abends miteinander Karten zu zocken. Nach einer Stunde war die Arbeit erledigt. Peter räumte auf und schloss gerade die Tür ab, als Mikkel die Treppe hinunter kam, ein Buch unter dem Arm.

„Ich nehme mir ein Bier.“ Der Mann ging in den Frühstücksraum und kehrte mit einer Flasche zurück. „Übrigens: Danke, dass du und deine Schwester so nett zu mir seid. Es ist schön, dass ich nicht allein in irgendein Restaurant muss.“ Mikkels Mundwinkel bogen sich hoch, was seine Attraktivität noch unterstrich. Das seltene Lächeln löste in Peters Bauch ein sehnsüchtiges Kribbeln aus, wie er es schon ewig nicht mehr gespürt hatte. Er wollte sich nicht in den Kerl verlieben, aber offenbar war sein Einfluss darauf gering.

„Allein essen ist doof“, brummelte er, steckte den Schlüssel in die Hosentasche und sein Blick wanderte zu dem Buch. „Wenn du im Garten lesen willst, muss ich dich warnen. Dort findet sicher gerade eine laute Canastarunde statt.“

„Mist! Dann verkrümele ich mich lieber nach oben.“ Mikkel wandte sich deutlich enttäuscht zur Treppe.

„Du kannst auf meiner Terrasse lesen. Dort ist es ruhig“, bot Peter spontan an, ohne darüber nachzudenken.

„Das ist furchtbar nett von dir, aber ich will dich nicht stören.“ Wieder glomm dieses wunderschöne Lächeln auf.

„Wenn du liest, redest du nicht.“

Er beobachtete, wie Mikkels Blick unschlüssig von den Stufen zu ihm und zurück wanderte. Schließlich nickte der Mann. „Das Wetter ist zu schön, um drinnen zu hocken. Danke für das Angebot.“

Peters kleines Appartement lag im hinteren Hausbereich und grenzte an die Küche. Die Terrasse war durch dichtes Buschwerk vom übrigen Garten abgeschirmt, zur Straße hin bot die Garage Sichtschutz. Auch hier stand ein Strandkorb, davor ein Tischchen. Mikkel stellte die Flasche darauf ab und legte den Kopf schief, als wenn er lauschte. Die Stimmen der anderen Gäste drangen zwar herüber, jedoch gedämpft, da sie sich am rückwärtigen Ende des Grundstücks aufhielten.

„Nett“, sagte Mikkel und setzte sich in den Strandkorb. „Schön hast du es hier.“

„Dann viel Spaß beim Lesen.“ Peter ging durch die Terrassentür zurück ins Wohnzimmer. Wieso hatte er nur diesen dummen Vorschlag gemacht? Nun saß das blonde Problem auf seiner Terrasse und ein anderes hatte sich in seiner Jeans manifestiert. Er hatte ein verdammt schlechtes Gewissen, als er sich im Bad einschloss und unter der Dusche einen runterholte. In unmittelbarer Nähe seiner Wichsvorlage selbst Hand anzulegen, erschien ihm überaus schäbig. Hinterher zog er eine Jogginghose und ein T-Shirt über, nahm ein Bier aus dem Kühlschrank und hockte sich vor die Glotze.

Das öde Programm konnte ihn nicht fesseln. Immer wieder wanderte sein Blick zum Fenster und streifte den versunken lesenden Mikkel. Entspannt zurückgelehnt, das Buch in der rechten Hand, hielt der Mann den linken Arm seltsam steif gestreckt. Es war Peter schon beim gemeinsamen Essen aufgefallen, dass Mikkel sich oft unbewusst über den linken Oberarm rieb, als wenn der juckte. Vielleicht hatte er dort ein Ekzem.

Eine Weile versuchte er noch, sich auf irgendeinen Spielfilm zu konzentrieren, bevor er endgültig aufgab. Das Bier war ausgetrunken, also besorgte er sich ein neues und trat auf die Terrasse.

„Möchtest du auch noch ein Pils?“, fragte er leise.

Die Sonne hatte sich inzwischen dem Horizont genähert. Schon bald würde es zu dunkel sein, um hier draußen lesen zu können. Mikkel ließ das Buch sinken und nickte. Als Peter mit einer Flasche in der Hand zurückkehrte, lag die Lektüre zusammengeklappt auf dem Tischchen. Er setzte sich neben Mikkel, reichte ihm das Bier und rückte so weit es ging von ihm ab. Die Sitzfläche war breit genug für sie beide, dennoch war die Nähe irritierend.

Das mochte an dem maskulinen Duft liegen, der von Mikkel ausging. Sandelholz und eine Spur Zitrone drang in Peters Nase, was die Wirkung seines Handjobs von vorhin erheblich beeinträchtigte. Dass er auf Unterwäsche aus Faulheit verzichtet hatte, rächte sich nun.

„Sag mal, was ist mit deinem Arm?“, versuchte er vom Offensichtlichen abzulenken.

„Ein Unfall.“ Mikkel trank einen Schluck, drehte sich halb und sah ihn unter halbgeschlossenen Lidern hervor an.

„Auto? Motorrad?“

„Ein Irrer.“

„Wie jetzt?“ Der Stoff der Jogginghose senkte sich langsam. „Du wurdest überfallen?“

„Ich bin … war Sozialarbeiter. Schuldenberatung im Süden Hamburgs. Eines Tages flippte ein Kunde aus. Er wollte mir ursprünglich an die Kehle. Tja. Mein Arm kam dazwischen. Der Muskel ist zerstört und die Narbe juckt.“ Mikkel zuckte die Achseln. „Es hätte schlimmer ausgehen können.“

So nüchtern, wie die Worte kamen, schien es, als wenn Mikkel den Vorfall verwunden hätte. Peter merkte jedoch, schon an dem Zucken der Lippen, dass mehr hinter der Sache steckte. Unwillkürlich rückte er mehr zur Mitte, bis sie nur noch Zentimeter trennten.

„Arbeitest du wieder, oder …?“, fragte er leise.

„Ich kann das nicht mehr“, brach es aus Mikkel heraus. „Ich bin seitdem krankgeschrieben und werde wohl nie wieder in meinem Job arbeiten können. Das Vertrauen ist futsch und der Glaube auch. Ich kannte den Täter und dachte, dass ich so eine Art Freund für ihn wäre. Irgendetwas in mir ist kaputtgegangen und lässt sich einfach nicht mehr reparieren.“

„Bekommst du Hilfe? Im meine, bist du in Therapie?“

„Ja, bin ich. Hältst du mich jetzt für verrückt?“ Mikkel senkte den Blick und drehte die Flasche in seinen Händen.

„Sind wir nicht alle ein wenig komisch?“

„Stimmt auch wieder. Stefan sagt das auch immer.“

„Ist das dein Freund?“

„Ja.“ Mikkel nickte, trank und stellte die leere Flasche auf den Tisch. „Der beste Freund, den man sich vorstellen kann.“

„Also … seid ihr glücklich miteinander?“ Scheiße! Peter hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Was ging ihn Mikkels Liebesleben an, außer, dass er sich gern anstelle dieses Stefan gesehen hätte? Zumindest im Bett.

„Soweit das als platonische Freunde möglich ist, ja. Stefan ist stockhetero.“

„Ach so“, murmelte Peter und hatte Mühe, ein erleichtertes Grinsen zu verbergen.

„Ich geh mal auf mein Zimmer. Hab dich lange genug belästigt.“ Peters Sitznachbar griff nach seinem Buch und wollte aufstehen. Instinktiv verhinderte er das, indem er den Arm ausstreckte, die Strandkorblehne umfasste und so den Weg versperrte. Das war deutlich und da er nun schon so weit gegangen war, tat er den nächsten Schritt. Langsam beugte er sich vor und brachte sein Gesicht ganz nah vor Mikkels.

„Ich mag dich. Ich bin scharf auf dich. Interesse?“ Romantisch ging anders, aber Peter war erregt und hatte keine Zeit für eine lange Werbung. Der letzte Sex war ewig her und Mikkel würde bald wieder abreisen. Entweder es geschah jetzt, oder nie.

„Ich mag dich auch“, flüsterte Mikkel mit einem Funkeln in den Augen. „Küss mich.“

Das Buch rutschte aus seiner Hand, als warme Lippen seine suchten. Peter roch verdammt gut. Er schmeckte nach Bier und Mann. Mikkel packte ihn im Nacken und vertiefte den Kuss, indem er die Zunge zwischen Peters Lippen hindurch schmuggelte. Ein Jahr ohne Zärtlichkeiten zeigte Wirkung. Ausgehungert drängte er sich an Peter, der sich ihm im gleichen Moment ganz zuwandte. Harter Schwanz traf auf Erektion. Eine Hand packte seine Arschbacke und presste ihn so fest gegen die steinharte Beule, dass er überkochte.

„Fuck!“, stöhnte er, während warmes Sperma seine Unterwäsche durchtränkte.

„Schon vorbei?“ Schwerer Atem traf seine Wange. Peter liste zwischen sie und als er wieder aufschaute, zog ein liebevolles Lächeln seine Mundwinkel nach oben. „Wir haben die ganze Nacht, wenn du magst.“

„Das ist voll peinlich“, flüsterte Mikkel beschämt.

„Hey! Ich bin kein Jüngling mehr und du hattest Druck. Komm mit rein. Nach einer Dusche bist du wieder fit.“

Womit Peter recht behielt. Die halbe Nacht fummelten sie aneinander herum und Mikkel kam noch zwei Mal. In schweigendem Einverständnis beließen sie es dabei, sich gegenseitig mit den Händen zu befriedigen. Weit nach Mitternacht schlief Mikkel in Peters Armen ein.

~ * ~

Seine Lippen waren geschwollen und am Bauch pappte eine dicke Eiweißkruste. Der Scheißwecker piepte nervig. Ein Arm hielt ihn eisern umfangen. Peter drehte sich schwerfällig herum, tastete nach dem Störenfried und stellte das Geräusch ab. Übernächtigt schielte er über seine Schulter und musste schmunzeln, als er Mikkels entspanntes Lächeln entdeckte. Er konnte sich nicht erinnern, jemals einen so schönen Anblick am Morgen genossen zu haben. Vorsichtig befreite er sich aus der Umarmung, taumelte ins Bad und schaufelte Wasser in sein Gesicht.

Der Kerl, der ihm aus dem Spiegel entgegensah, grinste debil. Er war bis über beide Ohren verliebt. Als nächstes sanken die Mundwinkel runter. Mikkel war nur ein Zwischenspiel. Noch zwei Tage, dann reiste der Mann ab und sie würden sich nie wiedersehen. Zwei Tage! Seine Lippen bogen sich langsam wieder hoch. Er würde sie nutzen und danach schon klarkommen. Es war nicht das erste Mal in seinem immerhin 47 Jahre währenden Leben, dass er sich verliebte. Auch diesmal würde das Strohfeuer schnell erlöschen. So war es bisher immer gewesen.

Angie hatte das Buffet schon fertig aufgebaut, als er nach einer Dusche und raschen Rasur im Frühstücksraum aufkreuzte. Ihre Blicke trafen sich und es bedurfte keiner Worte. Seine Schwester begriff sofort, grinste und hob die Augenbrauen.

„Und? Wie ist er?“, fragte sie, bar jeglicher Ironie, einfach nur liebevoll.

„Er ist nett“, erwiderte Peter und hatte den Anstand zu erröten. „Er reist bald ab.“

„Ach, Brüderchen. Halte ihn fest. Ich glaube, dass er der Richtige für dich ist.“ Angie seufzte, musterte prüfend die Tische und wandte sich zur Küche. „Ich mach das Rührei. Du darfst dich um den Kaffee kümmern.“

„Das bekomme ich wohl gerade noch hin“, murmelte er, nur für seine Ohren bestimmt und trottete hinter seiner Schwester her.

Schon um kurz nach neun konnten sie das Buffet wieder abbauen. Mikkel war zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgetaucht, aber er würde ohnehin in der Küche frühstücken. Peter ging zu seinem Appartement und fand den Mann immer noch schlafend vor. Die Decke war bis zur Taille runtergerutscht, sodass er den linken Arm in Ruhe betrachten konnte. Eine lange, hässliche Narbe zog sich quer vom Ellbogen bis fast hoch zur Schulter. Ihm schauderte, als er sich den Tathergang bildlich vorstellte.

„Morgen“, murmelte Mikkel mit schlafheiserer Stimme und blinzelte ihn an.

„Morgen.“ Peter widerstand dem Drang, sich vorzubeugen und die verführerischen Lippen zu küssen.

„Bin ich noch rechtzeitig für ein Frühstück?“ Mikkel schielte zum Wecker. „Schon halb zehn?“ Seine Augen weiteten sich erstaunt. „So lange habe ich ewig nicht mehr geschlafen.“

„Na ja. Wir haben ziemlich lange rumgemacht.“

„Darf ich hier duschen? Ich kann auch in mein Zimmer gehen, wenn dir das zu intim ist.“

„Quatsch! Ich kann dir auch eine Jogginghose leihen.“ Peter guckte mit vielsagend hochgezogenen Augenbrauen zur am Boden liegenden, eingesauten Jeans. Sie hatten ungefähr die gleiche Größe, nur das Mikkel wesentlich muskulöser war. Eine seiner locker sitzenden Hosen würde ihm passen.

„Danke.“ Überraschend wurde er im Nacken gepackt und zu einem Kuss heruntergezogen. Es war nur eine harmlose, trockene Berührung, dennoch verursachte sie ein erregendes Kribbeln in Peters Bauch.

„Ich geh wieder in die Küche, bevor Angie noch denkt, wir schieben hier eine heiße Nummer. Du kommst klar?“ Er stand auf und sah auf den Liegenden runter.

„Jogginghose“, erinnerte Mikkel.

„Sorry. Wo hab ich nur meine Gedanken“, murmelte Peter grinsend, wühlte in seinem Schrank und warf Shorts und eine Hose aufs Bett. „Bis gleich.“ Er ging zur Tür, zögerte und warf einen Blick zurück. „Es war sehr schön heute Nacht.“ Nach diesen Worten verließ er das Appartement.

Mikkels Haut war überaus empfindlich, was daran liegen konnte, dass er sich ungewohnt lebendig fühlte. Peter hatte ihm einen Teil seines alten Lebensgefühls zurückgegeben, wofür er dem Mann wirklich dankbar war. Ob er oft mit Gästen ins Bett stieg? Attraktiv genug war er, um die Aufmerksamkeit potentieller Sexpartner zu erregen, aber Mikkel zweifelte an, dass sich oft schwule Männer in das Hotel verirrten. Die überwiegende Klientel schien jenseits der fünfzig und stockhetero zu sein, wenn er die anwesenden Ehepaare als Maßstab nahm.

Nach einer kurzen Dusche schlüpfte er in die bereitgelegten Klamotten, raffte seine eigenen zusammen und brachte sie rasch auf sein Zimmer. Anschließend suchte er die Küche auf, wo Angie und Peter schon am Tisch auf ihn warteten. Mit einem verlegen gemurmelten ‚Guten Morgen‘ setzte er sich hin und hielt die Wimpern gesenkt. Ihm war sofort klar geworden, dass Peters Schwester im Bilde war. Ein wissendes Grinsen kräuselte deren Lippen und ihr Blick sagte alles. Das Frühstück verlief in ungewohntem Schweigen, nur unterbrochen von kurzen Sätzen, mit denen die Geschwister den Tagesablauf besprachen. Offenbar würden im Laufe des Nachmittags etliche Gäste eintreffen.

Wie schon in den vergangenen Tagen, brach er nach dem Essen zu einem ausgedehnten Spaziergang auf. Heute brauchte er die frische Luft besonders dringend, um seine Gedanken zu sortieren. Würde er wieder in Peters Bett landen? Wollte er das überhaupt? Diese Frage konnte er mit einem klaren Ja beantworten. In Peters Armen schwiegen seine Ängste und das nicht nur, weil sie von Lust übertüncht wurden. Er fühlte sich geborgen. Zudem küsste Peter gern und gut, war wahnsinnig zärtlich und sexy.

Wenn sie nicht so weit auseinander wohnen würden, könnte Mikkel sich glatt vorstellen, Interesse an etwas Längerfristigem zu haben. Da das nicht der Fall war, schlug er sich jegliche Hoffnungen aus dem Kopf. Sie hatten die Option auf zwei weitere geile Nächte, danach war Schluss. Sonntag reiste er ab und hatte am Montag einen Termin bei Dr. Stamm, seinem Therapeuten. Anschließend standen weitere Termine beim medizinischen Dienst und seiner Krankenkasse an. Es sollte über seine zukünftige Arbeitsfähigkeit entschieden werden, nachdem er nun schon ein Jahr krank war. Dr. Stamm befürwortete eine Verrentung und Mikkel hatte noch nicht entschieden, ob er sich damit abfinden könnte. Er wollte wieder arbeiten, allerdings nie wieder als Sozialarbeiter und schon gar nicht mit kranken Menschen. Eine Zukunft als Aushilfe in einem schlecht bezahlten Job erschien ihm auch nicht erstrebenswert. Im Grunde hatte er keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

Als er nach ein paar Stunden zum Hotel zurückkehrte, wimmelte es dort wie in einem Bienenkorb. Peter und Angie hatten alle Hände voll zu tun. Mikkel verzog sich auf sein Zimmer und las eine Weile. Schließlich wurde ihm das zu langweilig. Er stopfte Peters Klamotten in seinen Rucksack und stieg die Treppe runter. Die Tür zum Büro stand offen, sodass er das halblaute Fluchen schon hören konnte, als er sich langsam näherte.

„Scheißkiste! Na los, sag schon was!“

Er linste in den Raum und entdeckte Peter, der mit genervter Miene auf den Tasten des Notebooks herumhämmerte. Der Bildschirm war schwarz.

„Kann ich helfen?“

„Das Mistding ist einfach ausgegangen.“ Peter drehte sich mit dem Stuhl zur Tür. „Hast du Ahnung von Computern?“

„Ein wenig.“ Mikkel trat ins Zimmer und stellte den Rucksack ab. „Lass mich mal gucken.“

Die folgende Stunde bastelte er an dem Computer herum, brachte ihn zum Laufen und fand einen Virus auf der Festplatte. Eine weitere Stunde verging, bis er das Laufwerk gesäubert hatte und wo er schon mal dabei war, installierte er einen anständigen Firewall mit Virenscanner. Peter hockte die Hälfte der Zeit neben ihm, die andere verbrachte er damit, irgendwelche Papiere zu sortieren. Fühlte sich verdammt gut an, zusammen zu arbeiten.

„Ich denke, das Problem ist behoben“, sagte er, an Peter gewandt.

---ENDE DER LESEPROBE---