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Diplomarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich VWL - Fallstudien, Länderstudien, Note: 1,0, Technische Universität Berlin (Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Verschuldungskrisen in einzelnen Ländern führten zur Restrukturierung ihrer Auslandsverschuldung. Die etablierten Institutionen führten Verhandlungen und unterstützten mit wirtschafts- und währungspolitischen Maßnahmen sowohl das Schuldnerland als auch Gläubigerländer und -banken. Die Stabilität des internationalen Finanz- und Währungssystems ist durch Verschuldungskrisen in ständiger Gefahr. Neue Institutionen wie das Forum für Finanzmarktstabilität (FSF) entstanden, etablierte Institutionen wie der Londoner und Pariser Club intensivierten ihre Bemühungen zu effizienteren Restrukturierungsverhandlungen. Insbesondere der IWF steht in der Kritik und entwickelt kontinuierlich neue Instrumente und Maßnahmen zur Krisenprävention und -bewältigung. Neue Verschuldungsarten entstanden in Anleihen und deren Derivate. Sie führen zu großen Herausforderungen an die etablierten Institutionen und Restrukturierungsprozesse. Sobald sich ein Schuldner in einer Situation befindet, in der er seine Schulden nicht mehr bedienen kann (Verschuldungskrise)1, bieten sich ihm zwei Möglichkeiten: Seine Schulden werden restrukturiert, so dass er weiterexistieren kann, oder es droht ihm die Liquidation. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einerseits Kreditverträge verbindlich und einzuhalten sind, andererseits Ansteckungsgefahren für andere Schuldner und Gläubiger bestehen, wenn ein Schuldner seine Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen kann. Auch souveräne Staaten finanzieren ihre Ausgaben über Kreditaufnahme und setzen sich der Gefahr aus, diese nicht bedienen zu können. Sie lösen Finanz- und Schuldenkrisen aus, die volkswirtschaftliche und soziale Kosten im Schuldnerland verursachen. Da die Liquidation eines souveränen Staates unmöglich ist, wird eine Restrukturierung des Schuldenbestandes unumgänglich. Auch Gläubiger erleiden dabei Verluste durch ineffiziente Restrukturierungsprozesse. Diese Arbeit thematisiert den gesamten Restrukturierungsprozess. Auf den Definitionsteil folgt eine Analyse des Restrukturierungsprozesses, wobei insbesondere auf Verhandlungen, Interessenheterogenität und Schuldentragfähigkeit eingegangen wird. Das Redesign des Restrukturierungsprozesses wird anhand von derzeit diskutierten Ansätzen vorgenommen. Das letzte Kapitel analysiert Russland und seine bisherigen Restrukturierungen. 1 Vgl. zum folgenden REINHARDT (1990), S. 1.
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Veröffentlichungsjahr: 2004
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A B B I L D U N G S V E R Z E I C H N I S
Abbildung 1: Allgemeine Optionen im Restrukturierungsprozess .....................................4
Abbildung 2: Klassifizierung der Optionen im Restrukturierungsprozess .........................5
Abbildung 3: Prozess multilateraler Restrukturierungsverhandlungen ..............................9
Abbildung 4: Akteure im Restrukturierungsprozess.........................................................13
Abbildung 5: Interessen des Schuldnerlandes ..................................................................14
Abbildung 6: Interessen der Gläubigerbanken..................................................................18
Abbildung 7: Veränderungsraten des realen BIP (in%)....................................................47
Abbildung 8: Warenexporte und Warenimporte in US-Dollar .........................................48
Abbildung 9: Ausgabenrelationen im föderalen Haushalt Russlands...............................49
Abbildung 10: Einnahmerelationen im föderalen Haushalt Russlands ............................50
Abbildung 11: Verschuldung der russischen Föderation..................................................51
Abbildung 12: Schuldendienst der russischen Föderation bis 2005 .................................52
Abbildung 13: Struktur der russischen Verschuldung in Mrd. US-Dollar .......................53
Abbildung 14: Struktur der russischen Verschuldung in Anteilen ...................................53
A B K Ü R Z U N G S V E R Z E I C H N I S
BDI
BIP
BIZ
BMF
BMWA
BMZ
CAC
DIHT
FSF
FZ
HIPC
IBRD
IWF
KfW
MYRA
RGW
SDDRF
SDRM
UNCTAD
WTO
T A B E L L E N V E R Z E I C H N I S
Tabelle 1: Stärken des analysierten Restrukturierungsprozesses......................................28
Tabelle 2: Schwächen des analysierten Restrukturierungsprozesses...........................28/29
Tabelle 3: Collective-action-clauses .................................................................................37
Tabelle 4: Bisherige Restrukturierungsabkommen Russlands..........................................57
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Analyse der Restrukturierung von Staatsverschuldung in Entwicklungsländern
Die Verschuldungskrisen in einzelnen Ländern führten zur Restrukturierung ihrer Aus-landsverschuldung. Die etablierten Institutionen führten Verhandlungen und unterstützten mit wirtschafts- und währungspolitischen Maßnahmen sowohl das Schuldnerland als auch Gläubigerländer und -banken. Die Stabilität des internationalen Finanz- und Währungssystems ist durch Verschuldungskrisen in ständiger Gefahr. Neue Institutionen wie das Forum für Finanzmarktstabilität (FSF) entstanden, etablierte Institutionen wie der Londoner und Pariser Club intensivierten ihre Bemühungen zu effizienteren Restruk-turierungsverhandlungen. Insbesondere der IWF steht in der Kritik und entwickelt kontinuierlich neue Instrumente und Maßnahmen zur Krisenprävention und -bewältigung. Neue Verschuldungsarten entstanden in Anleihen und deren Derivate. Sie führen zu großen Herausforderungen an die etablierten Institutionen und Restrukturierungsprozesse.
Sobald sich ein Schuldner in einer Situation befindet, in der er seine Schulden nicht mehr bedienen kann (Verschuldungskrise)1, bieten sich ihm zwei Möglichkeiten: Seine Schulden werden restrukturiert, so dass er weiterexistieren kann, oder es droht ihm die Liquidation. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einerseits Kreditverträge verbindlich und einzuhalten sind, andererseits Ansteckungsgefahren für andere Schuldner und Gläubiger bestehen, wenn ein Schuldner seine Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen kann. Auch souveräne Staaten finanzieren ihre Ausgaben über Kreditaufnahme und setzen sich der Gefahr aus, diese nicht bedienen zu können. Sie lösen Finanz- und Schuldenkrisen aus, die volkswirtschaftliche und soziale Kosten im Schuldnerland verursachen. Da die Liquidation eines souveränen Staates unmöglich ist, wird eine Restrukturierung des Schulden-bestandes unumgänglich. Auch Gläubiger erleiden dabei Verluste durch ineffiziente Restrukturierungsprozesse.
Diese Arbeit thematisiert den gesamten Restrukturierungsprozess. Auf den Definitionsteil folgt eine Analyse des Restrukturierungsprozesses, wobei insbesondere auf Verhandlungen, Interessenheterogenität und Schuldentragfähigkeit eingegangen wird. Das Redesign des Restrukturierungsprozesses wird anhand von derzeit diskutierten Ansätzen vorgenommen. Das letzte Kapitel analysiert Russland und seine bisherigen Restrukturierungen.
1Vgl. zum folgenden REINHARDT (1990), S. 1.
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Analyse der Restrukturierung von Staatsverschuldung in Entwicklungsländern
Die Begriffe „Restrukturierung“ und „Umschuldung“ werden in der Literatur synonym verwendet. Sowohl Umschuldung als auch Refinanzierung sind Unterbegriffe der Restrukturierung finanzieller Verbindlichkeiten2.Restrukturierungsvereinbarungenmodifizieren grundsätzlich verbindliche Kreditverträge. Sie ermöglichen Schuldnern die Vertragserfüllung durch veränderte Konditionen, die ihren finanziellen Umständen Rechnung tragen.Refinanzierungenersetzen Altkredite durch Neukredite zu veränderten Konditionen. Ziel von Restrukturierungen sollte sein, den jeweiligen Schuldnerländern eine Chance zu bieten, Wirtschaft und Finanzen in Ordnung zu bringen und das vorhandene Entwicklungspotenzial produktiv zum allgemeinen Wohl zu nutzen.3Auf globaler Ebene hat der Erhalt der Stabilität des internationalen Währungs- und Finanzsystems oberste Priorität.4
In vielen Aspekten ist die Auslandsverschuldung eines Staates der Binnenverschuldung ähnlich.5Zwei wichtige Unterschiede sind dagegen: Erstens stellen die Zins- und Tilgungszahlungen der Auslandsverschuldung (Schuldendienst) einen Einkommenstransfer ins Ausland dar. Zweitens bleibt einer Regierung der Weg versperrt, ihre Auslandsverschuldung durch Inflation zu entwerten. Auslandsverschuldung denominiert üblicherweise in ausländischer Währung und unterliegt direkt keinen binnenwirtschaftlichen Geldwertänderungen. Nach empirischen Untersuchungen6kommt es in der Regel zu einer Restrukturierung, wenn ein Schuldnerland seine fälligen Kredite nicht bedienen kann (Default)7, den Schuldendienst zeitweise einstellt (Moratorium) oder sich dauerhaft nicht in der Lage sieht, seinem Schuldendienst nachzukommen und die Schulden zurückweist (Repudiation)8. Neben einem Moratorium und der Repudiation stehen dem Schuldnerland weitere Strategien offen, wenn es kurz vor dem Default steht9: Sie erkennen die Staatsschuld der Vorgängerregierung nicht an, berufen sich auf eigenes Recht und Gerichtsbarkeit (waivers of sovereignty) oder ändern den Schuldendienst ohne Gläubigermitsprache.
2Vgl. zu folgenden REINHARDT (1990), S. 145.
3MÜLLER (2000), S. 70.
4Vgl. MISHKIN (2002), S. 499-503.
5Vgl. BURDA/WYPLOSZ (1994), S. 727.
6Vgl. REINHARDT (1990), S. 272.
7MISHKIN (2002), S. 25.
8REINHARDT (1990), S. 3.
9Vgl. REINHARDT (1990), S. 217.
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Analyse der Restrukturierung von Staatsverschuldung in Entwicklungsländern
DerNutzen einer Repudiationist der entfallende Schuldendienst. Die frei werdenden Budgetmittel sind entsprechend den Präferenzen der Regierung für andere Ausgaben zu verwenden: soziale Sicherungssysteme, Konjunkturprogramme oder Steuererleichterungen. Der politische Druck aus der Opposition und der Bevölkerung sinkt und die Regierung bleibt länger an der Macht.
Durch eine Repudiation entstehen dem SchuldnerlandKosten10. Gläubiger drohen mit der Konfiszierung von Schuldnereigentum - Flugzeuge- und Schiffe staatlicher Gesellschaften, Devisenreserven und Gold. Transaktionen und Transfers zwischen dem Schuld-nerland und Gläubigerländern werden unterbrochen, indem Gläubigerländer mit einem Handels- und Kreditembargo den Waren- und Kapitalverkehr einstellen. Im Schuld-nerland sinken die Exporte und deren Bezahlung in Devisen. Das Importvolumen sinkt und das Schuldnerland wird zunehmend vom internationalen Handel ausgeschlossen. Eine Destabilisierung im Schuldnerland droht, wenn es zu starken Kapitalabflüssen kommt. Das Schuldnerland verliert die Kontrolle über die Inflation. Der Binnenverschuldung droht ebenfalls die Repudiation, denn es ist nur ein kleiner Schritt von der Repudiation der Auslandsverschuldung hin zur Binnenverschuldung.
Auf die Hauptdrohung der Repudiation durch ein Schuldnerlandes reagieren die Gläubiger mit der Drohung der genannten Sanktionen (Retorsionen). Dabei sind die Kosten der Repudiation umso höher11, je stärker der Schuldner für die Finanzierung von Investitionen auf zukünftige Kredite und damit auf seine Reputation angewiesen ist, und je mehr er unter Strafmaßnahmen leiden wird, die seinen Außenhandel stören. Insgesamt ist schwer festzustellen, ob die tatsächlich entstehenden Kosten vergleichsweise gering sind, oder zur wirtschaftlichen Katastrophe führen. Es ist wahrscheinlich, dass eine Schuldnerregierung nicht versucht, die Kosten einer ökonomischen Auseinandersetzung mit den Gläubigern zu berechnen. Bei Gefährdung ihrer innenpolitischen Basis stellen sie keine hypothetischen Berechnungen der langfristigen Kosten einer Repudiation an. Sie schätzen lediglich die Wahrscheinlichkeit einer umfassenden Vergeltung durch die Gläubiger und vergleichen diese mit den Vorteilen einer Repudiation.12
10Vgl. zum folgenden BURDA/WYPLOSZ (1994), S. 741.
11Vgl. zum folgenden PFISTER (2000), S. 15.
12Vgl. REINHARDT (1990), S. 226-227.
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Analyse der Restrukturierung von Staatsverschuldung in Entwicklungsländern
Die Prozessanalyse analysiert die Einzelelemente während der Restrukturierungsphase. Sie zeigt Probleme und Abhängigkeiten der einzelnen Elemente untereinander auf und verfolgt das Ziel, durch eine strukturierte Darstellung mögliche Stärken und Schwächen im Prozess zu ermitteln.
Gerät ein Schuldnerland in die Verschuldungskrise, so stehen unabhängig von institutionalisierten Restrukturierungsverhandlungen mit Gläubigergruppen mehrere Optionen offen. Grundsätzlich sind Verhandlungen mit jedem einzelnen Gläubiger möglich (bilateraleVerhandlungen).In diesen Verhandlungen besteht das Menü aus den nachfolgend dargestellten Optionen.