Anders Denken - Reinhard P. Gruber - E-Book

Anders Denken E-Book

Reinhard P. Gruber

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Beschreibung

Reinhard P. Gruber ist wütend – er klagt an und verteufelt die Zustände. Innerhalb weniger Wochen – vom 7. Februar bis 1. April 2020 – schreibt er ein Buch, ein sehr eindringliches Plädoyer, einen Aufruf, anders zu denken. Er prangert Gier und Luxus an, die Ignoranz gegenüber der Klimaerwärmung, die Ausbeutung der Menschen durch Arbeit und Ökonomie, das anhaltende Verlangen, so etwas wie einem Glauben anzuhängen. Aber er bleibt nicht bei den Fehlern des menschlichen Verhaltens stehen, schreibt von der Sehnsucht der Menschen nach mehr Solidarität, nach mehr Lebensqualität und schlägt rigoros neue Wege des Denkens und Handelns vor. "Anders Denken" ist eine ungefilterte Streitschrift aus dem Moment heraus, direkt und impulsiv – die eigenwillige Sicht eines Autors, der der Welt die Stirn bietet. »Der Kampf ums Überleben – das ist geblieben vom gloriosen Fortschritt, von der Wissenschaft, der Technik, vom Kapitalismus. An die Wand gefahren, die Systeme des Wachstums. Jetzt muss aber noch eine Wende kommen: nicht nur der Überlebenskampf steht vor uns, das Übrigbleiben als Dahinvegetierende, sondern ein Überleben, das sich auch auszahlt, für das es zu kämpfen gilt: das Überleben in Freiheit. (…) Nicht ein Überleben brauchen wir, sondern ein Leben mit Sinn.« »Was jetzt zu tun ist, ist aber auch einfach: sich freihalten für die Umkehr. Kein Festhalten, kein Klammern, sondern Fort-Gehen. Im Fortgehen, im Zurücklassen des Erreichten, entwickelt sich plötzlich etwas Positives: der Fort-Schritt. Ein ganz anderer allerdings, als der, der uns bisher als Fortschritt gegolten hat. Wie der genau aussehen sollte, das kann am Anfang niemand sagen. Hoffen kann man aber, dass er nicht so enden wird wie das letzte Mal.«

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Reinhard P. Gruber

Anders Denken

Literaturverlag Droschl

7.2.20

Womit anfangen? Egal, Anfang ist überall und nirgends. Ich lebe im Luxus: ich lebe ohne Systeme. Hätte ich Systeme, müsste ich Systeme systematisch bekämpfen. (Oder nicht – dann halt zufrieden mit ihnen leben). Ich lebe im Luxus: ohne Systeme – weil ich jedes System bekämpfe. Das wird, so scheint’s, ein längeres Kapitel werden. Denn es wimmelt nur von Systemen, rings um mich. Systeme, die mir nichts (mehr) geben. Daher: fort mit ihnen! Wer sich »frei« fühlen kann, kann nur versuchen, das Leben freizuschaufeln von Glaubenssätzen, von gesellschaftlichen Normen, Denk-Normen, Glaubens-Normen, Tabus. Versuchen wir einmal ein Leben zu beginnen ohne Tabus, ohne Denkverbote, Lebensverbote. Wir sind schon zu lange zugeschaufelt worden (wer ist »wir«? – noch versuche ich jemandem anzugehören, ich nenne das – vorerst einmal – »menschliche Rasse«). Zugeschaufelt mit Denksystemen, Wirtschaftssystemen, Lebensvorschriften, Gut-Sein-Vorschlägen und -Verboten. Es ist egal, womit ich beginne, alles spielt eine Rolle, nichts ist vorrangig. Es gibt nichts, was nicht bedenkenswert wäre. Und noch etwas: ich kann nicht – und will auch nicht – alles der Reihe nach abarbeiten.

Erstens, weil ich überhaupt nicht arbeiten will (auch das wird ein längeres Thema sein), und zweitens, weil alles jederzeit eine Rolle spielt, wichtig ist, nicht nur in einer Aufzählung, sondern: ständig sprechen alle Widerstände in mir, gleichzeitig, nicht geordnet.

8.2.

Also gut, doch vom Anfang an: am Anfang war die Arché. Nicht die Arche, sondern die Arché. So hat man auch was vom Altgriechischen: arché: Anfang, Prinzip, System, Ordnung. Also: am Anfang war der Anfang – der allerdings im Lauf der vielen Jahre zur Ordnung wurde, schließlich zur politischen Ordnung. Also generell zur Ordnung. – Aber wie kam es zum Anfang, zur Ordnung? Die Ordnung muss doch einen Anfang gehabt haben? Richtig: die Ordnung ist geworden. Zuerst muss etwas werden, nur dann kann etwas sein. Ohne Werden kein Sein. Hier sind wir schon am Beginn des Dilemmas: die ganze Geschichte der Menschheit mitsamt der Geschichte der Philosophie ist eine Geschichte der Ontologie: der Lehre vom Sein. Onto-logie, wie die Griechen sagten. Kam ganz logisch von der Arché: vom Anfang, von der Ordnung. Nein, sag ich: kam nicht von der Arché, im Gegenteil, kam von der An-Arché, der Anti-Arché, der Nicht-Arché: von der Anarchie. Der Anfang der Ordnung ist nämlich nicht die Ordnung: aus der wird gar nichts. Nur aus der Un-Ordnung wird etwas: aus dem Chaos. (So weit ist die Wissenschaft auch heute schon: sie spricht vom Chaos, was sie 2000 Jahre nicht getan hat – sie spricht inzwischen auch schon von der Möglichkeit von mehreren Weltallen!)

Wie der Beginn ausgesehen haben könnte, darüber wird bis heute gestritten; die Religionen sind sich sicher. Die Wissenschaft war bis vor Kurzem unsicher: jetzt gilt aber der Ur-Knall als der Beginn von allem: aus einem einfachen Grund – das Universum kann nicht schon seit Ewigkeiten existieren, und: es wird auch nicht in alle Ewigkeit existieren: es ist, wie alles im Universum, endlich. Es hat einen Beginn und ein Ende. So wie unser Planet, das lässt sich mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit »wissenschaftlich« nachweisen. Er ist entstanden, und er wird vergehen. Schon das hat man am Beginn der Wissenschaft, der Philosophie, vor 2000 Jahren ganz anders gesehen. Damals lebte man in einem unendlichen Universum. Diese Unendlichkeit ist aber, das weiß man heute, nichts anderes als ein mathematisches Axiom. Eine Annahme, ohne die die Mathematik nicht auskommt. Wer nicht an dieses Axiom glaubt, kann überhaupt keine Mathematik betreiben. Die Mathematik weiß, dass es überhaupt keinen Beweis für die Unendlichkeit gibt, trotzdem fordert sie den Glauben an diese Unendlichkeit: es ist eine Forderung des Glaubens, weil sonst alle Be-Rechnungen unmöglich wären. Die Mathematik hat die Zahl 0 eingeführt, bevor die Philosophen vom Nichts sprechen konnten. Die Zahl 0 ist ebenso ein Axiom wie die Unendlichkeit, in der sich die Parallelen endlich treffen können. – Aber sie können sich gar nicht »endlich« treffen, nur unendlich. Was natürlich reiner Aberglaube ist, wer hätte je eine Unendlichkeit gesehen, erlebt? (Die Religionen behaupten ja alle die Unendlichkeit – aber erst nach unserem Leben: sie wissen, was nach unserem Leben passiert, und viele Menschen haben den Religionen sogar zu Lebzeiten geglaubt; doch davon später!)

9.2.

Ein »Aber«-Glaube? Eigentlich ein Nach-Glaube, späterer Glaube, falscher Glaube, Missglaube. Was aber ist »richtiger Glaube«? Christentum ja, Islam nein? Buddhismus ja, Hinduismus nein? Das Volk sagt: Glauben heißt, nichts wissen. (über die Kompetenz des Volkes lässt sich auch diskutieren). Ich sage gleich: jeder Glaube gleicht sich. Oder: jeder Glaube ist gleich. Glauben muss ich, was nicht sicher ist. Oder, was ich mir nicht erklären kann. Da wäre beispielsweise die »Heilige Dreifaltigkeit«. Die Kirche sagt mir auch, was das ist: ein »Geheimnis des Glaubens«, das ist natürlich eine Tautologie. Der Inhalt des Glaubens ist ja schon ein undurchdringliches Geheimnis – er beginnt mit dem Geheimnis, wer oder was »Gott« ist. Ein Mensch, ein Wesen »wie ein Mensch«? Ist Gott Mann? Oder Frau? Oder Mann und Frau? Oder geschlechtslos: dann aber gleich gar kein Mensch? Oder als Mensch weiß? Oder schwarz? Nicht gelb? Nicht braun? Nicht rot?

Und wenn farblos, dann aber schon überhaupt kein Mensch. Oder Menschen ähnlich? Was ist das? – Natürlich: ein »Geheimnis des Glaubens«. Ist der Gott der Christen der gleiche – oder derselbe? – wie der der Juden und der Muslime? Ich glaube nicht, denn der jüdische Gott spricht hebräisch, der christliche aramäisch, der islamische arabisch. Hat Gott nie indisch gesprochen? Oder chinesisch? Oder griechisch? Oder japanisch? Oder englisch? Und französisch? Bretonisch? Zulu? Nach dem Bild von Gott ist der Mensch geworden, berichtet die Bibel – so, wie die Engel, oder auch die Teufel, die später dann zu einem einzigen Teufel zusammengeschmolzen sind, und es ist nötig, sagt die christliche Theologie, dass der Christ nicht nur glaubt, dass es Gott gibt, sondern auch, dass ein Teufel existiert, dass es Engel gibt, dass eine Hölle existiert, aber auch ein Himmel (der übrigens in der Bibel noch in der Mehrzahl »die Himmel« hieß). Viele Vorstellungen aus biblischer Zeit hießen bald darauf Vorschriften: Wer das und jenes nicht glaubt, glaubt falsch, muss ausgeschlossen werden, es entstand eine sogenannte »Dogmatik«, die Lehre vom »richtigen« Glauben. Sogenannte Konzile, die vom »Heiligen Geist« beeinflusst waren, verkündeten Glaubenssätze, die ewige Gültigkeit besaßen.

Auch der Papst ist – manchmal – vom Heiligen Geist besessen: dann darf auch der Papst allein ewige Wahrheiten aus seinem Kopf herauslassen. Die letzte Konzilswahrheit stammt übrigens aus der Mitte des 20. Jahrhunderts: es wurde mitgeteilt, dass die heilige Maria, die »Gottesmutter«, leiblich in den Himmel aufgefahren ist, aufgenommen worden ist. Dort sitzt sie aber nicht zur rechten Hand Gottes, denn dort sitzt schon ihr Sohn. Es ist überhaupt nicht überliefert, ob sie im Himmel sitzt oder steht oder liegt oder gar lümmelt. (Wahrscheinlich wird sie aber auch im Himmel, wie schon auf Erden, von ihrem Sohn anständig gerüffelt, wie man sich benehmen soll, wie seinerzeit bei der Hochzeit von Kana.) Kurzer Rede, langer Sinn: jeder Glaube ist richtig, jeder Glaube ist falsch. Jeder Glaube wird von einem Geheimnis beherrscht, das nicht jeder kennt. Vor allem die Ungläubigen sind nicht eingeweiht in das Geheimnis. Daher ist die Mission so notwendig. Denn wer nur irgendetwas glaubt, glaubt zwar, aber noch nicht das Richtige. Das ganz Richtige glauben nur die, die das Geheimnis des Glaubens von Gott selber haben. Von ihm selber heißt dann: aus der Offenbarung. Aus der Offenbarung der Bibel oder der Offenbarung des Koran. Oder aus ganz anderen Offenbarungen, beispielsweise von Sonnenaufgängen und -untergängen.

10.2.

Der größte Feind der Menschheit: man hat es gesehen: der IS, der Islamische Staat.

Die Terror-Organisation schlechthin. Schlachtungen, Flugzeuge in Hochhäusern. Die ganze Welt soll ein islamischer Staat werden. Wie furchtbar! Und das im 21. Jahrhundert! Wenn es im 11. Jahrhundert gewesen wäre – dann wäre es ein »gerechter Krieg« gewesen: bei den Kreuzzügen. Die christlichen Ritter – wenn die im Kreuzzug gefallen sind, war ihnen der Himmel sicher: genauso wie den Selbstmordattentätern der Nachfolger Mohammeds. Blutbad in Jerusalem durch Kreuzritter: ja, aber vollkommen gerechte Blutbäder, denn die Stadt von Jesus Christus musste gesäubert werden von Ungläubigen. Abschlachten von Wesen, die sowieso nicht in den Himmel kommen konnten.

Die bösen Muslime, zumindest die extremen unter ihnen, die einen weltweiten muslimischen Staat gründen wollten – hatten die nicht schon Vorgänger, die weltweit ihre Religion durchsetzen wollten? Hießen die nicht Christen? Gott sei Dank ist es nicht gelungen, den Gottesstaat zu gründen! Oder doch? Was ist denn eigentlich der Vatikan? Ist das denn nicht der Gottesstaat – der christliche Gottesstaat? Dort herrscht jedenfalls kein Parlament, sondern Gott, durch seinen Stellvertreter, den Papst. Die Frauenfeindlichkeit des Islam ist inzwischen weltweit bekannt. Auch dieselbe Frauenfeindlichkeit im Christentum? Nein, nein, bestimmt nicht, bei den Christen wird doch eine Frau als Heilige verehrt, die Gottesmutter! Die gibt’s im Islam nicht! Allerdings – beim Gottesstaat der Christen gibt es keine Menschenrechte (klar: nur Gottesrechte!). Ein Frauenwahlrecht? Eine Frau als Priesterin? Oder gar: eine Frau als Stellvertreter Gottes? Führt sofort zur Frage: ist denn Gott eine Frau? Oder anders: ist denn Gott ein Mann? Oder noch anders: ist Gott zweigeschlechtlich? Ein Hermaphrodit? Oder ist Gott ungeschlechtlich? Und: was macht Gott eigentlich, wenn er geschlechtlich ist? Ach ja, er zeugt: als Heiliger Geist zeugt er doch Gott, und sein Kind ist dann der Sohn Gottes. Und Gott, der Vater?

Der Vater von wem? Der Vater von Jesus ist nicht Gott Vater, sondern Gottheiligergeist! Das ist kompliziert, und weil es so kompliziert geworden ist, muss die christliche Kirche dann sagen: Geheimnis des Glaubens! (Das hat Jesus nicht gesagt.) Er nannte seine Mutter einfach Mutter. Sein Vater war schon immer im Himmel, der war nie auf der Erde. Vielleicht auf anderen Erden? Zur Zeit werden noch immer andere Planeten gesucht, wo Leben sein könnte – es könnte nur Leben vom Gott im Himmel sein! Ja, und eines Tages werden auch noch Raketen ins All steigen, um den Himmel zu suchen, oder biblisch: die Himmel. Zu fürchten ist allerdings, dass diese Himmelsuchraketen vom Teufel persönlich abgeschossen werden und direkt in die Hölle geleitet werden. Von der Hölle ist nämlich nicht bekannt, dass es mehrere geben könnte: es gibt nur eine Hölle, und wer das nicht glaubt, kommt in die Hölle – behauptet zumindest die katholische Dogmatik.

11.2.

Die Mathematik von heute würde zumindest behaupten, die Wahrscheinlichkeit der Existenz einer Hölle geht gegen Null. Nie würde die Mathematik etwas ausschließen: sie ist die Kunst der Wahrscheinlichkeit geworden. In Wahrheit beschäftigt sie sich gar nicht mehr mit Verhältnissen und Beziehungen, sondern nur mehr mit Ontologie. Alle ihre Aussagen sind übergegangen von Aussagen über Verhältnisse zu Aussagen vom Sein. Wenn es noch irgendetwas gibt, dann höchstens noch mathematisch. Früher waren es Physiker und Metaphysiker, die sich darüber unterhielten, ob etwas ist oder nicht ist. Warum ist Sein und nicht vielmehr Nichts? Antwort darauf hat heute nur mehr die Mathematik – und die Antwort ist immer dieselbe: man kann mit Wahrscheinlichkeit die Frage beantworten. Es gibt wahrscheinlich ein Universum. Ganz sicher ist es nicht, aber immerhin wahrscheinlich. Es ist aber auch möglich, dass gar nichts existiert, höchstens ein bisschen unwahrscheinlich, vielleicht sogar sehr unwahrscheinlich. Das Rechnen generell ist der Zugang zur Welt (geworden).

Das war nicht immer so. Das Rechnen mit Zahlen gab es nicht immer. Nicht immer wurden Längen gemessen und danach behauptet, das Universum bestehe aus Längen. Man berechnete Kreise und Dreiecke und behauptete, mit diesen Messungen könne man das ganze Universum bemessen, vermessen, Abstände messen: und schon kann ich Geschwindigkeiten messen. Daher: alles im Universum bewegt sich, auch das Gesamt-Universum bewegt sich. Nur das Denken des Menschen bewegt sich manchmal überhaupt nicht. Aber das werden wir auch noch hinkriegen, sehr wahrscheinlich sogar.

12.2.

Jetzt, behaupte ich, ist ein Paradigmen-Wechsel notwendig. Bis jetzt lautete das Grundprinzip: Blickrichtung auf alles, was es gibt. Ab jetzt lautet es: Blickrichtung auf alles, was wird. Alles, was geworden ist, ist jetzt. Alles, was wird, wird es erst geben. Nicht mehr der Zwang der Fakten, die Faktizität, sondern der Zustand der Entstehung. In statu nascendi, sprach der Lateiner. Nicht mehr die Abmessungen des Seins, sondern die Beobachtung des Werdens. Wie entsteht etwas? Und nicht: wie sieht Entstandenes aus? Wenn ich nur Entstandenes betrachte, bin ich mit meinem Wissen hinten-nach. Die Väter von heute wollen aber auch bei der Geburt dabei sein. Wollen lieber wissen, wie etwas entsteht, als wissen, was entstanden ist.

Das Wissen um das Sein ist Aneignung, in Besitz bringen. Viel interessanter wäre aber das Wissen um die Zeugung, das Wissen um die Möglichkeiten, die sich in Zukunft daraus ergeben, entwickeln können. Das Wissen der Ontologen, das Wissen um das Sein, kriecht immer dem Sein hinterher, und wenn es erreicht ist, atmet es auf und sagt: jetzt hab ich es! Das Wissen um das Werden sagt: schauen wir einmal, was sich jetzt ergibt! Alles ist offen, daher müssen auch wir offen sein. Dieses Offensein hat eine Zukunftsperspektive, die weit über das beobachtete Sein hinausgeht: es blickt auch in ein jetzt noch gar nicht sichtbares, zukünftiges Sein. Es blickt in das Reich der Möglichkeiten, der Potenzen. Schließlich blickt es vom Werden auch noch zum Schluss: zum Vergehen, zum Verschwinden, zum Ausgelöschtwerden. Aber auch ausgelöscht muss »werden«, das ist der Unterschied.

13.2.