Angeklagt! Schuldig oder nicht? - Constantin Schreiber - E-Book

Angeklagt! Schuldig oder nicht? E-Book

Constantin Schreiber

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Beschreibung

Alexander Stevens, einer der bekanntesten Strafverteidiger des Landes, und Constantin Schreiber, Tagesschau-Sprecher, Bestseller-Autor und von Haus aus ebenfalls Jurist mit Leidenschaft fürs Strafrecht, befassen sich mit spektakulären und teilweise noch nie erzählten Mordfällen. Gemeinsam beleuchten und rekonstruieren sie diese aus verschiedenen Blickwinkeln, nehmen die Rollen von Anwalt und Verteidiger ein und fördern überraschende Wendungen, geheimnisvolle Indizien und verrückten Motive zutage. Ein Buch zum Miträtseln, das seine Leserinnen und Leser vor die Frage stellt, welche Argumente überzeugender waren und welches Urteil sie selber fällen würden: schuldig oder nicht?

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Seitenzahl: 244

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Constantin Schreiber | Alexander Stevens

Angeklagt! Schuldig oder nicht?

Spektakuläre Fälle zum Mitermitteln

Zehn Fragen – Die etwas andere Einleitung

»Hallo, Constantin, bitte verzeih mir die etwas unprätentiöse Art der Kontaktaufnahme, aber der Einfachheit halber auf diesem Weg: Ich wollte mit dir wegen einer Veranstaltungsidee in Kontakt treten und höflich fragen, ob wir mal kurz dazu sprechen können. Falls du mit mir nichts anfangen kannst: Ich bin der Anwalt aus dem Bayern 3 True Crime Podcast. LG! Alexander«

Mit dieser Nachricht von Alex über ein soziales Netzwerk begann unsere gemeinsame True-Crime-Reise. Viele Nachrichten gehen ja unter – zum Glück hat Constantin sie aber gelesen und auch reagiert. Und nur wenige Wochen später stand das Konzept für »Angeklagt! Schuldig oder nicht?«. Zwei Juristen auf der Bühne – der eine Strafverteidiger in einigen der aufsehenerregendsten Fällen der vergangenen Jahre, der andere Tagesschau-Sprecher und Journalist. Das ist eine einmalige Kombination, und genau dieses Potenzial wollten wir auch nutzen.

Auf der Bühne verhandeln wir beide einen echten Fall. Constantin Schreiber als Ankläger, Dr. Alexander Stevens als Verteidiger. Aber entscheiden muss am Ende das Publikum, ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht. Unsere Zuschauer müssen kombinieren, Argumente abwägen, Alternativen durchdenken, um zu einer Lösung, einem Urteil zu gelangen.

Und genau dieses Konzept setzen wir nun auch mit diesem Buch fort. Sieben echte Fälle, die ganz Deutschland bewegt haben, juristisch komplex, aber verständlich aufbereitet, damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, entscheiden können: Schuldig oder nicht?

True Crime – wahre Verbrechen üben auf viele eine besondere Faszination aus. Das zeigt schon der anhaltende Erfolg des Klassikers Aktenzeichen XY … ungelöst. Die ersten Auftritte unserer Show »Angeklagt!« waren binnen kurzer Zeit restlos ausverkauft. Was bringt Menschen dazu, ultimative Grenzen zu überschreiten? Zu morden? Wie kann man Tätern auf die Schliche kommen und wie ist das Verbrechen juristisch zu bewerten?

Große Fragen, die das Publikum in den Bann ziehen. Dabei geht es uns auch immer darum, Wissen zu vermitteln, Recht verständlich zu machen und gleichzeitig die Herausforderungen zu zeigen, die alle Beteiligten – Anwälte, Ankläger, Richter – zu bewältigen haben, um am Ende der Gerechtigkeit näher zu kommen.

Damit ihr wisst, mit wem ihr es hier auf Ankläger- und Verteidigerseite zu tun habt, haben wir uns gegenseitig interviewt.

Von Knollenblätterpilzen, der Mafia und zu kleinen Garderoben – ZEHN FRAGEN AN CONSTANTIN SCHREIBER

Wie seid ihr in der Tagesschau mit Kriminalfällen umgegangen?

Eine spannende Frage, über die wir in der Redaktion immer wieder diskutiert haben. Dabei hat es in der Tagesschau eine Weiterentwicklung gegeben. Bis vor ein paar Jahren war es die absolute Ausnahme, dass über Verbrechen, Kriminalfälle, einzelne Urteile berichtet wurde. Es musste sich schon um besonders spektakuläre Fälle handeln, wie etwa seinerzeit der Satanisten-Fall. Inzwischen finden Verbrechen etwas häufiger den Eingang in die Sendung, weil eben festgestellt wurde, dass Kriminalfälle Menschen interessieren und großen Gesprächswert haben, und dass damit ein ausgeprägtes Informationsinteresse einhergeht. Ich finde das richtig.

 

Wenn du einen »perfekten Mord« planen müsstest, wie würdest du vorgehen?

Da ich ja auch Krimi-Autor bin, setze ich mich häufig mit der Frage auseinander: Wie könnte man morden, ohne erwischt zu werden. Experten sagen, der perfekte Mord sei am ehesten dann möglich, wenn man einen vollkommen Unbekannten willkürlich umbringt, weil es dann schwierig bis unmöglich wird, eine Verbindung zwischen Täter und Opfer zu ermitteln. Diese Idee hat die Schriftstellerin Patricia Highsmith in ihrem Klassiker Strangers on a Train (dt. Der Fremde im Zug) umgesetzt. Tolles Buch übrigens!

Wenn ich vorhätte, eine mir bekannte Person zu ermorden, würde ich eher auf eine »weiche« Methode setzen, bei der es möglich ist, den Mord zu übersehen und eine natürliche Todesursache anzunehmen. Agatha Christie ließ in ihren Romanen mit Nikotin morden, einem sehr starken und binnen Minuten wirkenden Gift. Früher war das definitiv für den perfekten Mord geeignet, weil es sich im Körper mit den damals zur Verfügung stehenden Methoden nicht nachweisen ließ. Das ist aber nicht mehr der Fall.

Heute ist der Nachweis immer noch schwierig bis unmöglich bei Rizin oder Botulin. Nur ist der Tod durch diese Gifte alles andere als schnell, sondern eher langsam und quälend. Ebenso wie das Gift des Grünen Knollenblätterpilzes, das schon in geringer Dosis sicher tötet – was sich dann recht einfach als Unfall darstellen lässt. Allerdings tritt der »Erfolg« erst nach frühestens drei Tagen ein.

 

Du schreibst ja auch Kriminalromane: Was fasziniert dich daran, und gibt es bestimmte Motive oder Charaktere, die dich besonders anziehen?

Kriminalromane sind ja mehr als bloße Mordgeschichten. Man denke an die Klassiker von Agatha Christie, etwa Tod auf dem Nil. Es sind verschiedene Dinge, die dazu beitragen, dass Krimis wie dieser uns so fesseln: das Eintauchen in eine andere Zeit. Das Miträtseln. Die sprachliche Ästhetik. Man lernt ja auch noch was dazu jenseits des eigentlichen Falles. Kriminalromane verbinden szenische Eindrücke mit Spannung und Psychogrammen. Ich glaube, das ist das Geheimnis des riesigen Erfolges dieses Genres. Und bei Agatha Christie sind es ja auch immer wieder spannende ethische Fragen, die mich auch nach der Lektüre noch lange beschäftigt haben. Zum Beispiel Mord im Orientexpress: Eine Gruppe von Menschen tut sich zusammen, um einen Kindsmörder zu töten, der der Justiz entwischt ist. Ist das richtig oder falsch, einen Menschen, der etwas verbrochen hat, das auf absolut unterster Stufe steht, zu richten? So ein Fall regt auch zum Nachdenken an.

 

Gibt es einen realen Kriminalfall, der dich besonders beschäftigt hat, und warum?

Das war und ist sicherlich das Verschwinden der kleinen Maddy. Zum einen, weil Kriminalfälle, in denen Kinder eine Rolle spielen, uns alle immer besonders ergreifen. Zum anderen, weil mir hier alles so unbegreiflich und undurchsichtig erscheint. Was ist mit diesem bereits inhaftierten Straftäter, dem immer wieder nachgesagt wird, er könne der Täter sein? Welche Rolle spielen die Eltern? Und dass trotz einer derart intensiven Suche bis heute jede Spur von dem Kind fehlt, ist schon außergewöhnlich. Ich weiß nicht, ob wir in diesem Fall jemals die Wahrheit erfahren werden.

 

Welcher Verbrecher-Charakter wären wir deiner Ansicht nach, wenn du dir etwas aussuchen müsstest?

Bei dir würde mir zuerst Patrick Bateman aus Bret Easton Ellis’ American Psycho einfallen. Charmant, erfolgreich, aber da schlummert sehr viel – sagen wir – unerkannte Leidenschaft unter der Oberfläche.

Bei mir selber fällt mir das etwas schwerer. Ich denke da an Richter Wargrave in Agatha Christies erfolgreichstem Buch And then there were none (dt. Und dann gab’s keines mehr). Der Richter lockt zehn ganz unterschiedliche Personen unter Vorwänden auf eine entlegene Insel und bringt einen nach dem anderen um. Dabei ging es ihm aber darum, Unrecht, das diese Personen begangen haben und für das sie nicht belangt wurden, zu sühnen. Und das ist auch der Punkt, an dem ich denke: Wenn überhaupt, könnte ich ein Verbrechen aus Gerechtigkeitssinn begehen. Eine Motivation, die ja viele von uns nachvollziehen können. Man denke nur an den Fall Marianne Bachmaier. Die Mutter, die den Mörder ihrer Tochter vor Gericht erschoss und mit der sich damals viele Menschen in Deutschland solidarisierten. Aus Eifersucht oder Habgier heraus würde ich aber niemals zu Gewalt greifen.

 

Warum hast du Jura damals ad acta gelegt und dich für den Journalismus entschieden?

Das hat sich so ergeben. Nach dem Ersten Staatsexamen hatte ich seinerzeit bei einer Bank gearbeitet und bin dann durch einen Zufall im Journalismus gelandet. Es war aber schon während des Studiums so, dass ich mir nicht sicher war, ob ich bei Jura bleiben würde. Denn die meisten Fälle, die man bearbeitet, sind ja nicht so spektakulär und spannend wie die, die wir hier präsentieren; viel Routine und keineswegs aufregend – vor allem natürlich im Zivilrecht oder Öffentlichen Recht. Wobei, wenn ich mir so anschaue, was du für Fälle verteidigst – das ist dann doch fast so, wie man es aus TV-Serien oder Filmen kennt.

 

Wenn du einen Tag lang die Rolle eines Strafverteidigers übernehmen würdest, welchen berühmten oder fiktiven Bösewicht würdest du gerne verteidigen?

Mein erster Impuls: Al Capone. Wobei ich mir das wohl besser noch mal überlegen sollte. Al Capone ist ja mit niemandem glimpflich umgegangen, auch nicht mit seinen Anwälten. Und ob man sich wirklich mit der Mafia einlassen möchte als Anwalt – vielleicht doch besser nicht. Wobei natürlich auch einem Mafiosi ein fairer Prozess und eine Verteidigung zustehen.

 

Welcher Moment in unserer Bühnenshow bereitet dir am meisten Spaß, welcher nervt am meisten?

Nerven tut mich eigentlich nichts. Ein besonderer Moment ist immer der, wenn wir hinter dem Vorhang hervorkommen und im Dunklen auf die Bühne treten. Die Show beginnt ja mit einem gemeinsamen Klavierspiel von uns beiden. Das schafft am Anfang schon eine ganz besondere Atmosphäre, die auch mit mir etwas macht. Der Augenblick, wenn man hinausgeht und in den großen Saal voller Menschen blickt, mit einer Mischung aus Anspannung und Freude – das ist jedes Mal wieder toll.

 

Was stört dich am meisten an Alexander Stevens?

Wenig. Auch wenn wir uns auf der Bühne immer ordentlich fetzen, verstehen wir uns im realen Leben sehr gut. Höchstens, dass er backstage immer die größere und schönere Garderobe hat und ich meistens nur eine kleine, fensterlose Kammer. Er behauptet, das sei jedes Mal Zufall. Ich bin mir da allerdings nicht so sicher …

 

Was war ein Moment in deinem Leben, an dem du wirklich an deine Grenze gekommen bist?

Das war, als ich einmal an einer Obduktion teilgenommen habe, während des Studiums im Rahmen eines Seminars zu Kriminologie. Wir waren eine kleine Gruppe von Studenten und natürlich irgendwie drauf vorbereitet, was wir da erleben werden. Ich fand das Optische auch gar nicht so schwierig, konnte mich da ganz gut drauf fokussieren, das nicht zu nah an mich herankommen zu lassen. Worauf ich aber gar nicht vorbereitet war, waren die Geräusche, die bei einer Obduktion ja auch entstehen. Da musste ich mich schon das ein oder andere Mal ziemlich zusammenreißen.

Der Strafverteidiger, der keinen Döner im Auto essen darf – ZEHN FRAGEN AN ALEXANDER STEVENS

Gab es einen Fall, den du nicht verteidigen wolltest?

Ja, es gab Fälle, da habe ich innerlich gerungen. Besonders, wenn es um abscheuliche Verbrechen gegen Kinder ging. Trotz beruflicher Abhärtung bleibt eine tiefe menschliche Reaktion nicht aus. Man fragt sich: Kann ich das wirklich vertreten?

Doch meine Aufgabe als Strafverteidiger ist es, jedem eine faire Chance zu geben, unabhängig von der Tat. Das ist ein Kernprinzip unseres Rechtssystems. Oft werde ich als Verteidiger, der naturgemäß engen Kontakt zu Tätern hat, mit ihnen stigmatisiert. Aber wir verteidigen nicht die Tat, sondern den Menschen – den mutmaßlichen Täter. Es geht um grundlegende Werte:

Die Unschuldsvermutung: Erst nach einem fairen Prozess, in dem alle Fakten auf dem Tisch liegen, kann über Schuld entschieden werden.

Ein faires Verfahren: Schutz vor Willkür, eine ausgewogene Berichterstattung und verhältnismäßige Strafen.

Vertrauen in den Rechtsstaat: Nur wenn jeder eine faire Verteidigung erhält, auch derjenige, dessen Taten wir zutiefst verabscheuen, bleibt unser Rechtssystem glaubwürdig.

Deshalb habe ich mich immer entschieden – gleich welche Tat dem Beschuldigten vorgeworfen wurde –, die Verteidigung zu übernehmen. Es ist ein ständiger Konflikt zwischen persönlicher Moral und professioneller Pflicht.

Interessanterweise wird diese Frage Ärzten nie gestellt. Niemand kritisiert einen Arzt, der nach einem Amoklauf auch den schwerverletzten Täter behandelt. Das wäre ethisch unhaltbar. Diese Doppelmoral zeigt, wie oft Emotionen gesellschaftliche Errungenschaften überlagern. Ärzte und Strafverteidiger teilen ein Ethos: den Schutz von Leben und Würde, das Prinzip der Hilfe. Wir erfüllen im Kern humanitäre Aufgaben.

 

Was war dein größter Erfolg als Strafverteidiger?

Die Vorstellung, dass die größten Erfolge die Fälle sind, in denen ich meinen Mandanten helfen konnte, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, klingt zwar gut, ist aber oft ein Trugschluss. In der Realität endet das Mandat meist mit dem Urteil, und der Kontakt zum Mandanten ist danach beruflich beendet.

Die wahren Erfolge als Strafverteidiger sind für mich die Fälle, die auf den ersten Blick aussichtslos erscheinen, in denen man aber durch geschickte Verteidigung oder manchmal auch durch einen glücklichen Zufall das Blatt wendet.

Ein Beispiel dafür ist der Fall eines Tischtennislehrers, dem sexueller Missbrauch einer Zwölfjährigen vorgeworfen wurde. Er entsprach dem Klischee des pädophilen Jugendtrainers: ein älterer Mann mit Hornbrille, der in seinem Umfeld als Sonderling galt. Die Vorverurteilung war nahezu perfekt. Das Mädchen schilderte den Missbrauch detailliert und gab an, der Lehrer habe ihr gedroht, ihr Meerschweinchen zu töten, wenn sie etwas erzähle.

Aufgeflogen war die Sache, weil sich das Mädchen der Mutter ihrer besten Freundin anvertraut hatte. Doch in der Verhandlung stellte sich heraus, dass sich auch in der Familie besagter Mutter ein sexueller Missbrauch ereignet haben sollte und der Täter mit der Tötung eines Meerschweinchens gedroht hatte. Damit wurde klar, dass das Mädchen Opfer von Suggestion geworden war. Der Tischtennislehrer wurde freigesprochen.

 

Und der größte Misserfolg?

In Deutschland enden etwa achtzig Prozent aller Anklagen der Staatsanwaltschaft mit einer Verurteilung. Misserfolge sind daher ein unvermeidlicher Teil des Lebens eines Strafverteidigers. Natürlich gibt es Fälle, die man trotz aller Bemühungen verliert. Das ist hart, aber man lernt, damit umzugehen und idealerweise diese Erfahrungen positiv zu nutzen.

Die größten Misserfolge sind jedoch zweifellos die Fälle, in denen man von der Unschuld des Mandanten zutiefst überzeugt ist und dieser dennoch verurteilt wird. Im Gegensatz zu zivilrechtlichen Streitigkeiten, wo Beweisregeln strenger sind, ist die Hürde für eine strafrechtliche Verurteilung in Deutschland erstaunlich niedrig. Es genügt die bloße Überzeugung des Richters.

Das Fehlen strenger Beweisregeln und die Möglichkeit, jemanden allein aufgrund von Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen zu verurteilen – im schlimmsten Fall sogar lebenslang –, sind in anderen Rechtsgebieten undenkbar. Diese Diskrepanz führt häufiger als gedacht zu eklatanten Fehlurteilen. Ein bekannter Richter des Bundesgerichtshofs geht davon aus, dass jedes vierte Strafurteil ein Fehlurteil ist.

Als Strafverteidiger ist man in solchen Fällen machtlos. Man hat alle Register gezogen, alle Argumente vorgebracht, aber am Ende entscheidet die subjektive Überzeugung eines Einzelnen über das Schicksal eines Menschen. Diese Ohnmacht ist schwer zu ertragen und hinterlässt oft ein Gefühl der tiefen Frustration.

 

Nimmt man das mit in den Schlaf?

Natürlich lernt man, sich emotional zu distanzieren, eine Art Schutzschild aufzubauen. Man härtet ab, vielleicht stumpft man sogar ein Stück weit ab. Wer wie ich täglich mit Tötungs- und Sexualverbrechen konfrontiert ist, könnte diesen Beruf nicht ausüben, wenn er die Gräueltaten nicht aus seinem Privatleben ausblenden könnte.

Doch diese Distanzierung ist kein vollständiger Schutz. Es gibt Fälle, die einen verfolgen, die sich in die Träume schleichen und einen mit einem Gefühl der Hilflosigkeit zurücklassen. Es ist nicht so, dass man ständig von den Details der Verbrechen gequält wird, aber das Wissen um das Leid, das Menschen einander zufügen können, hinterlässt sicherlich auch die ein oder andere Narbe.

Gleichwohl muss man die Belastung relativieren. Als Strafverteidiger ist man nur mittelbar mit dem Leid konfrontiert. Man sieht die Akten, man hört die Zeugen, aber man ist nicht direkt am Tatort. Viel härter trifft es die Polizisten und Rettungskräfte, die unmittelbar mit dem Grauen konfrontiert sind, die die Verletzten bergen, die die Toten sehen. Ihre Belastung ist ungleich größer.

Dennoch ist es wichtig, die emotionale Belastung des Strafverteidigerberufs nicht zu unterschätzen. Es ist ein ständiges Ringen mit dem Gewissen, ein Abwägen zwischen professioneller Pflicht und menschlichem Mitgefühl. Es ist ein Beruf, der einen fordert, der einen verändert, der einen mit den dunkelsten Seiten der menschlichen Natur konfrontiert. Und ja, manchmal nimmt man diese Dunkelheit mit in den Schlaf.

 

Wenn du nicht vor Gericht stehst, dann …

… tauche ich ein in die Unterhaltungswelt oder besser gesagt ins Infotainment: spektakuläre Verbrechen, ihre Hintergründe und juristischen Feinheiten – sei es in unseren gemeinsamen Podcasts oder auf unseren Live-Touren. Diese Arbeit ist für mich mehr als nur ein Hobby; sie ist eine Fortsetzung meiner beruflichen Leidenschaft, eine Möglichkeit, komplexe Sachverhalte einem breiten Publikum zugänglich zu machen und gleichzeitig die Grenzen des Strafrechts zu erkunden.

Die Fälle, die wir in unseren Shows und Podcasts besprechen, sind oft mehr als bloße Kriminalgeschichten. Sie sind Fenster in die menschliche Seele, Spiegelbilder gesellschaftlicher Abgründe und Herausforderungen für unser Rechtssystem. Wir analysieren nicht nur die Taten selbst, sondern auch die Motive, die Täter antreiben, die Fehler, die im Ermittlungsverfahren gemacht wurden, und die juristischen Schlupflöcher, die ausgenutzt werden.

Diese Arbeit ermöglicht es mir auch, meine Erfahrungen als Strafverteidiger in einem anderen Kontext zu nutzen. Ich kann mein Wissen und meine Perspektive teilen, ohne an die Zwänge des Gerichtssaals gebunden zu sein. Ich kann kontroverse Themen ansprechen, juristische Grauzonen ausleuchten und alternative Sichtweisen präsentieren.

Darüber hinaus ist es eine Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu treten, die sich für Kriminalfälle und das Rechtssystem interessieren. Wir führen angeregte Diskussionen, beantworten Fragen und geben Einblicke in die oft undurchsichtige Welt der Justiz.

Und natürlich ist es auch eine willkommene Abwechslung zum stressigen Alltag eines Strafverteidigers. Es ist eine Möglichkeit, abzuschalten, kreativ zu sein und gleichzeitig meiner Leidenschaft für das Strafrecht nachzugehen.

 

Lieblingsfilm und warum?

Einer meiner Lieblingsfilme ist Die Verurteilten. Er zeigt, dass selbst in den dunkelsten Momenten Hoffnung und Menschlichkeit existieren. Die Geschichte von Andy Dufresne, der trotz seiner unrechtmäßigen Verurteilung nicht aufgibt, ist sehr inspirierend.

 

Was ist an dir britisch, was ist deutsch?

Meine britische Seite äußert sich in einem Hang zu schwarzem Humor und einer gewissen Vorliebe für kulinarische Experimente, sagen wir mal, »jenseits des Mainstreams«. Meine deutsche Seite zeigt sich in einem ausgeprägten Ordnungssinn, der vielleicht auch auf meine familiären Wurzeln zurückzuführen ist – mütterlicherseits britisch, väterlicherseits aus einer Militärdynastie. Sie kommt auch in einer gewissen Disziplin und meinem Hang zur Gründlichkeit zum Ausdruck.

 

Die Schulzeit bei den Regensburger Domspatzen war …

…  eine äußerst prägende Zeit. Man wird im zarten Alter von zehn zu einem kleinen Erwachsenen. Muss selbst mit Geld haushalten, ist wochenlang von seiner Familie getrennt und tritt fast jeden Tag irgendwo auf großen Bühnen auf. Auch wenn es bisweilen eine sehr harte Schule war, würde ich es wieder tun. Ich habe dort viel gelernt, was mir im Leben geholfen hat. Disziplin, Durchhaltevermögen und Teamgeist. Und es war eine Zeit, die ich nicht missen möchte.

 

In zehn Jahren wirst du …

… mit Constantin Schreiber immer noch True Crime machen.

 

An Constantin stört dich am meisten, dass …

… ich keinen Döner im Auto essen darf – er scheut nämlich gebratene Zwiebeln (dabei gibt’s im Döner gar keine gebratenen Zwiebeln).

 

Und noch eine letzte Frage: Was genau passiert in diesem Buch?

Constantin Schreiber und ich haben sieben Fälle ausgewählt – sechs davon echte Tötungsdelikte, einer ein »Rufmord«. Gemeinsam zeichnen wir ein spannendes und vielschichtiges Bild davon, wie unser Strafrecht funktioniert – und wo es an seine Grenzen stößt.

Zudem haben all diese Fälle eine hohe Aufmerksamkeit in den Medien erzielt, das heißt, zum Gerichtswesen kommt noch eine weitere Instanz hinzu: die Öffentlichkeit, die sich ebenfalls ein Bild macht von Moral und Gerechtigkeit, Täter und Opfer – nicht immer zum Vorteil der Rechtsprechung.

Was die Fälle noch gemein haben? Sie halten die Leserinnen und Leser in Atem: Weil sie spektakuläre Wendungen bereithalten, zweifelhaftes Vorgehen in den Ermittlungen und vor Gericht, juristische Besonderheiten und grauenvolle Verwerfungen. Fehler sind absolut menschlich, können aber fatale Folgen haben. Nicht jedes Geständnis entspricht der Wahrheit, und hinter manch abscheulichem Verbrechen steckt ein noch abscheulicheres Motiv. Am Ende ist die Frage »Schuldig oder nicht?« nicht immer ganz einfach zu beantworten.

 

Und nun wünschen wir viel Vergnügen beim Mitfiebern und Miträtseln.

 

Constantin Schreiber und Alexander Stevens im April 2025

Die Fälle

1 Starnberg – Ein Mörder? Zwei Mörder? Oder keiner?

Starnberg am See, eine bayerische Idylle wenige Kilometer südlich der Landeshauptstadt München. Es ist Freitag, der 10. Januar 2020, der erste Vollmond des Jahres leuchtet am eisigen Nachthimmel. Die Straßen sind menschenleer, alles liegt ruhig und still. An der Eingangstür eines Einfamilienhauses am Waldrand hängt ein Dekoherz. Hier wohnt Familie P: Vater, Mutter und der Sohn Viktor. Gegen zwei Uhr nachts fallen Schüsse im Haus. Doch niemand in der Nachbarschaft hört etwas. Vielleicht weil Schussgeräusche aus dem Haus nichts Ungewöhnliches sind. Die Nachbarn wissen, dass der Sohn Viktor seinem Hobby nachgeht und auch zu Hause im Keller mit Waffen hantiert und schießt.

Kaum achtundvierzig Stunden später versucht Valentina, die Tochter aus erster Ehe, vergeblich, ihre Mutter zu erreichen. Schließlich fährt sie zusammen mit ihrem Mann und einer Freundin zum Elternhaus. Um hineinzugelangen, muss sie einen Tür-Code eingeben. Als die Tochter ins Haus eintritt, erstarrt sie vor Schreck. Am Boden entdeckt sie Blutspuren. Sie traut sich nicht weiter, und ihr Mann ruft die Polizei.

Als die Beamten eintreffen, durchkämmen sie das Haus Zimmer für Zimmer. Ihnen bietet sich ein Bild des Grauens: überall Blutspuren und Chaos. Im Obergeschoss finden sie zunächst Viktor in seinem Bett liegend, erschossen, mit einer Pistole in der rechten Hand – ganz so, als hätte er sich selbst gerichtet. Einen Abschiedsbrief finden die Polizisten allerdings nicht. Dann entdecken sie die Eltern in ihrem Schlafzimmer, ebenfalls erschossen. Am Bett der Mutter wacht der Familienhund Rocco, der die Polizisten nicht an sein totes Frauchen heranlässt.

Später stellen die Ermittler fest, dass auch auf den Hund geschossen wurde. Warum aber wurde er nicht getötet? Die Verletzungen deuten darauf hin, dass auch der Hund hätte sterben sollen, Röntgenaufnahmen bestätigen dies.

Hat ein Eindringling auf Rocco gefeuert, weil dieser auf ihn losging, um seine Familie zu verteidigen? War der Täter demnach ein Fremder? Oder ging es vielmehr darum, dass der Hund zur Familie gehörte und sein Leben deshalb ebenfalls ausgelöscht werden musste? So wie bei einem sogenannten »erweiterten Suizid«, wo der Täter alles mit in den Tod nehmen will, was ihm lieb und teuer ist. Angesichts der Szenerie, die sich den Erstzugriffsbeamten bietet – Viktor, mit einer Schusswunde an der Schläfe, die Waffe noch in der Hand –, liegt der Schluss nahe: ein Familiendrama. Die Ermittler fassen ihre erste Einschätzung schnell. Zu schnell?

Noch in derselben Nacht trifft die Kriminalpolizei ein und untersucht den Tatort. Besonders auffällig ist das Zimmer des einundzwanzigjährigen Viktor. Wild durcheinander liegen dort Werkzeuge, Patronen, Messer und sogar diverse Schusswaffen inmitten von Wäsche und Müll. Gleich nebenan ist das Schlafzimmer der Eltern. Der Vater liegt in einer Blutlache neben dem Bett – vermutlich hat er versucht aufzustehen, als ihn ein tödlicher Kopfschuss niederstreckte. Auch die Mutter liegt mit mehreren Schussverletzungen in ihrem Bett.

Aus Sicht der Kriminalbeamten zeichnet sich der Ablauf wie folgt ab: Der Sohn muss mit der geladenen Waffe zum Zimmer der Eltern gegangen sein. Der Vater sitzt auf der Bettkante und wird als Erstes von den Schüssen niedergestreckt. Dann tötet Viktor seine Mutter und feuert schließlich auf den Familienhund, allerdings ohne ihn zu töten. Nur wenig später erschießt der Sohn sich selbst in seinem Bett.

Etliche Indizien sprechen für dieses Szenario: Zunächst einmal ist Viktor Rechtshänder, und die Tatwaffe, eine Glock 19, wird dazu passend in seiner rechten Hand vorgefunden. An Viktors Hand finden sich Schmauchspuren – und zwar exakt solche, die zur abgefeuerten Munition passen. Ein entscheidender Hinweis. Denn gerade bei inszenierten Suiziden machen Täter häufig denselben Fehler: Sie legen dem Opfer die Waffe nachträglich in die Hand, vergessen dabei aber, dass echte Selbstschüsse unweigerlich Schmauchspuren an der Schusshand hinterlassen. In Viktors Fall stimmt jedoch alles: Es befinden sich Schmauchspuren an der Schusshand, der Eintrittswinkel des Projektils in die Schläfe ist plausibel, die anhand der Schusspartikel errechnete Schussdistanz liegt im typischen Bereich einer Selbstbeibringung. Und dann sind da noch die Blutspuren an Viktors Fußsohle, die per DNA-Abgleich dem Vater zugeordnet werden können. Der Familienvater muss also bereits in einer Blutlache gelegen haben, durch die der Sohn noch hindurchlief, eh er verstarb. Auch das spricht aus Sicht der Ermittler klar dafür, dass Viktor erst nach seinen beiden Eltern verstorben ist.

Außerdem prüft die Polizei das Haus auf Einbruchsspuren, kann jedoch keine feststellen, es scheinen auch keine Wertgegenstände zu fehlen.

Auch die weiteren Ermittlungen ergeben ein Bild, das sich beunruhigend stimmig in das Psychogramm eines jungen Mannes fügt, der offenbar völlig die Kontrolle verloren hat – und am Ende nicht nur sich, sondern gleich seine ganze Familie mit in den Tod reißt. Zahlreiche Zeugen beschreiben Viktor als verschlossenen Einzelgänger und Waffennarr mit cholerischen Wutausbrüchen. Doch was sein Innenleben tatsächlich offenbart, ist weit düsterer – und schockierender.

Aus der beim Jugendamt geführten Akte zeigen sich bereits ab dem Alter von sieben Jahren psychische Auffälligkeiten, die sich ab dem dreizehnten Lebensjahr immer stärker ausprägen. Er begeht schlimmste Tierquälereien und bringt Waffen mit in die Schule. Schon früh wenden sich die Eltern von Viktor an das Jugendamt und bitten aufgrund dessen schwieriger Verhaltensweisen um Hilfe. Gleichzeitig ist sein Vater selbst gewalttätig und bestraft jedes Fehlverhalten des Sohnes drakonisch.

Viktor hat bereits als Jugendlicher Selbstmordgedanken und schwere Depressionen. Bis zu seinem Realschulabschluss im Jahr 2017 wird er mehrfach in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht, zudem durchläuft er mehrere intensiv-sozialpädagogische Einzelmaßnahmen, unter anderem im Ausland.

Nach seinem Schulabschluss absolviert er eine Ausbildung zum Büchsenmacher, und auch in seiner Freizeit beschäftigt er sich fast ausschließlich mit seiner Leidenschaft für Waffen. Ja, er ist geradezu fixiert darauf: Im Keller des Elternhauses unternimmt der Waffenbauer-Lehrling regelmäßig Schießübungen. Viktor baut Dekowaffen zu funktionstüchtigen Schusswaffen um, bestellt Waffenteile im Darknet und experimentiert mit selbstgebautem Sprengstoff – den er regelmäßig in den umliegenden Wäldern testet. Bei der Durchsuchung seines Zimmers, aber auch anderer Räume im Haus, stoßen die Ermittler schließlich auf ein erschreckendes Arsenal: scharfe Schusswaffen und jede Menge Munition.

Betrachtet man Viktors Geschichte im Gesamtbild, zeigt sich ein Muster, das in Fällen sogenannter erweiterter Suizide immer wieder zu beobachten ist: eine Kombination aus psychischer Instabilität, sozialer Isolation, fehlender Kontrolle von außen, Zugang zu Schusswaffen – und einer Vorgeschichte, in der Gewalt kein Fremdthema war. Auch Nachbarn berichten von einer dauerhaft angespannten Beziehung zwischen Vater und Sohn. Immer wieder sei es zu lautstarken Auseinandersetzungen gekommen, zuletzt am Freitagabend – nur wenige Stunden vor der Tat. Es heißt, Viktor habe Drogenprobleme gehabt. Ein Pulverfass – das irgendwann explodieren musste.

Nachdem das Tatgeschehen zunächst als geklärt gilt – drei Tote, der mutmaßliche Täter tot, strafrechtlich nicht mehr verfolgbar –, richten die Ermittlungsbehörden ihr Augenmerk auf ein anderes, noch offenes Kapitel dieses Falls: den illegalen Waffenbestand im Haus der Familie. Woher stammen diese Waffen und sind möglicherweise noch mehr illegale Waffen im Umlauf? Der strafrechtliche Fokus verlagert sich nun auf die Herkunft der sichergestellten Waffen. Nur deshalb bleiben die Ermittlungen überhaupt noch aktiv.

Die Spur führt bald ins unmittelbare Umfeld des verstorbenen Viktor. Bei der Überprüfung seines sozialen Kreises fällt den Kriminalbeamten eine Person besonders auf: Maximilian – enger Freund Viktors, ebenfalls Waffennarr und Zeugenaussagen zufolge ebenfalls im Besitz von einer Vielzahl an echten Schusswaffen.

Und tatsächlich: Bei einer umfassenden Internetrecherche unter anderem in den sozialen Medien stoßen die Ermittler auf vielsagendes Bildmaterial: Auf einem öffentlich zugänglichen Selfie posiert Maximilian, auch Max genannt, schwer bewaffnet: Gasmaske, Repetiergewehr, Pistole, dazu eine Pose, die weniger an Sport und mehr an paramilitärische Phantasien erinnert.

Ein solches Bild – in diesem Kontext – genügt den Ermittlern, um beim zuständigen Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen. Ein neuer Strang innerhalb des Falls beginnt.

Knapp zwei Wochen nach dem Fund der drei Leichen in Starnberg stehen die Ermittler in aller Frühe vor der Tür von Maximilian. Wie Viktor lebt auch er in einem ganz normalen Wohngebiet, unscheinbar, fast bieder. Nichts an der Fassade seiner Dachgeschosswohnung deutet darauf hin, was sich hinter der Tür verbirgt.

Als die Beamten die Fünfzig-Quadratmeter-Wohnung betreten und sich systematisch durch das spärlich möblierte Innere arbeiten, stoßen sie schließlich auf ein verstecktes Fach – und trauen ihren Augen kaum. Was sie inmitten des Durcheinanders vorfinden, übertrifft ihre kühnsten Erwartungen. Hinter dem Bett entdecken sie einen gut getarnten Hohlraum, in dem sich haufenweise halb- und vollautomatische Schuss- und Kriegswaffen unterschiedlichster Art befinden, darunter mehrere Maschinenpistolen, verschiedene Sturmgewehre und sogar ein Maschinengewehr. Es gibt auch Kisten voller Magazine und Munition, Zielfernrohre sowie Sprengstoff. Waffen, die ausreichen würden, um eine kleine Armee auszustatten.

Maximilian wird wegen »Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz« sowie unerlaubten Waffenbesitzes umgehend festgenommen. Als Maximilian in den Streifenwagen steigt, wirkt er beinahe ungerührt – fast stoisch. Keine Spur von Panik, kein Anzeichen innerer Aufgewühltheit. Auf Nachfrage gibt er den PIN seines sichergestellten Handys ohne Zögern preis – eine Kooperationsbereitschaft, die im Polizeialltag alles andere als selbstverständlich ist. Beiläufig wirft er einen Satz in den Raum, der einen der Beamten stutzen lässt: »Sie werden überrascht sein, was Sie auf dem Handy finden. Das wird so manchen Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen.«

Ein Satz, der nachwirkt. Noch auf der Fahrt zur Polizeiinspektion fragt einer der Beamten nach, was genau Maximilian damit gemeint habe. Was dann folgt, verändert alles.

Völlig unvermittelt bricht es aus ihm heraus: Er habe drei Menschen erschossen – Viktor und dessen Eltern. Der Polizist am Steuer ist überrumpelt, fragt ungläubig nach, ob das sein Ernst sei. »Ja«, antwortet Maximilian ruhig. Auf die Frage nach dem Warum erklärt er, Viktor und er hätten einen Amoklauf geplant – einen gemeinsamen. Doch während er selbst von dem Plan zurückgetreten sei, habe Viktor weiterhin daran festgehalten. Um das zu verhindern, so Maximilian, habe er seinen Freund getötet. Und dessen Eltern gleich mit.

Eine Aussage, die die bis dahin rein waffenrechtlich geführten Ermittlungen in eine völlig neue Dimension katapultiert. Der Fall Starnberg beginnt sich zu drehen – und niemand kann zu diesem Zeitpunkt ahnen, wie weitreichend sich die Spirale der Gewalt noch entfalten wird.

Vollkommen überrascht von dem Geständnis, halten die Beamten am Straßenrand und beratschlagen, was zu tun ist. Sie beschließen, die Staatsanwaltschaft zu informieren. Dann setzen sie ihre Fahrt fort und bringen Maximilian in eine Arrestzelle.

In mehreren Vernehmungen schildert Maximilian detailliert den Ablauf der Tat in Viktors Haus sowie die angeblich geplanten Anschlagspläne. Ziel des geplanten Amoklaufs, so behauptet er, sei das Münchner Einkaufszentrum »Pasing Arcaden« gewesen – an einem belebten Wochenende, wenn möglichst viele Menschen dort anzutreffen wären.