Angriff am Nachmittag - Viola Maybach - E-Book

Angriff am Nachmittag E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Diese Serie von der Erfolgsschriftstellerin Viola Maybach knüpft an die bereits erschienenen Dr. Laurin-Romane von Patricia Vandenberg an. Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt. Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen. Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert. »Ich finde dieses Haus superschön, und Sie sind alle sooo nett!« Die junge Frau, die das sagte, verdrehte schwärmerisch die Augen. Sie trug enge Jeans, dazu Schuhe mit hohen Absätzen und eine weit ausgeschnittene Bluse. Die Haare waren so locker aufgesteckt, dass es aussah, als würde die Frisur keinem Windstoß standhalten können. Sie hatte lange blutrote Fingernägel und war sorgfältig geschminkt. Noch nie hatte Antonia Laurin so lange, dichte Wimpern gesehen. Ob sie echt waren? Sie warf einen kurzen Blick zu ihrem Mann hinüber. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, und so beschloss sie, dem Leiden ein Ende zu bereiten. Sie hatten genug gehört und gesehen – wieder einmal. »Vielen Dank, Frau Möller«, sagte sie mit liebenswürdigem Lächeln, »wir melden uns bei Ihnen, wenn wir uns entschieden haben. Wir haben recht viele Bewerbungen bekommen …« »Oh, davon bin ich ab-so-lut überzeugt, aber glauben Sie mir, Frau Dr. Laurin, ich bin die Richtige für Sie, das habe ich sofort gespürt, als ich Ihr Haus betreten habe. Ich hatte mir außerdem die Karten gelegt für heute, und da stand es auch eindeutig drin: ›Heute erfüllt sich für Sie ein Herzenswunsch. ‹ Und dann die Aura, die das Haus hat …« Antonia bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Leon eine unwillkürliche Bewegung machte – als würde er am liebsten aufspringen und die Frau eigenhändig hinausbefördern. Die ersten Gespräche mit den Bewerberinnen für die Stelle als Haushälterin hatten sie mit den Kindern gemeinsam geführt, doch diese Praxis schnell wieder beendet. Sie würden natürlich keine Frau einstellen, die ihre Kinder nicht mochten, aber sie hatten festgestellt, dass es besser war, die Vorauswahl zu zweit zu treffen.

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Der neue Dr. Laurin – 3 –

Angriff am Nachmittag

Nora findet ihren Helden

Viola Maybach

»Ich finde dieses Haus superschön, und Sie sind alle sooo nett!«

Die junge Frau, die das sagte, verdrehte schwärmerisch die Augen. Sie trug enge Jeans, dazu Schuhe mit hohen Absätzen und eine weit ausgeschnittene Bluse. Die Haare waren so locker aufgesteckt, dass es aussah, als würde die Frisur keinem Windstoß standhalten können. Sie hatte lange blutrote Fingernägel und war sorgfältig geschminkt. Noch nie hatte Antonia Laurin so lange, dichte Wimpern gesehen. Ob sie echt waren?

Sie warf einen kurzen Blick zu ihrem Mann hinüber. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, und so beschloss sie, dem Leiden ein Ende zu bereiten. Sie hatten genug gehört und gesehen – wieder einmal.

»Vielen Dank, Frau Möller«, sagte sie mit liebenswürdigem Lächeln, »wir melden uns bei Ihnen, wenn wir uns entschieden haben. Wir haben recht viele Bewerbungen bekommen …«

»Oh, davon bin ich ab-so-lut überzeugt, aber glauben Sie mir, Frau Dr. Laurin, ich bin die Richtige für Sie, das habe ich sofort gespürt, als ich Ihr Haus betreten habe. Ich hatte mir außerdem die Karten gelegt für heute, und da stand es auch eindeutig drin: ›Heute erfüllt sich für Sie ein Herzenswunsch.‹ Und dann die Aura, die das Haus hat …«

Antonia bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Leon eine unwillkürliche Bewegung machte – als würde er am liebsten aufspringen und die Frau eigenhändig hinausbefördern.

Die ersten Gespräche mit den Bewerberinnen für die Stelle als Haushälterin hatten sie mit den Kindern gemeinsam geführt, doch diese Praxis schnell wieder beendet. Sie würden natürlich keine Frau einstellen, die ihre Kinder nicht mochten, aber sie hatten festgestellt, dass es besser war, die Vorauswahl zu zweit zu treffen. Wobei Leon eigentlich der Ansicht gewesen war, seine Frau könne das auch allein erledigen. Schließlich wollte sie ja wieder arbeiten, und deshalb mussten sie jetzt wieder eine Haushälterin einstellen – oder etwa nicht? Sie hatten einen ziemlich heftigen Krach bekommen wegen dieser Frage.

Sie erhob sich. Leon, sichtlich erleichtert, sprang ebenfalls auf. Er hatte in den letzten fünf Minuten kein Wort mehr gesagt. Zu Beginn des Gesprächs hatte er Frau Möller noch etliche Fragen gestellt, doch schon bald war er verstummt. Die junge Frau wusste es noch nicht, aber sie hatte nicht den Hauch einer Chance, die Stelle zu bekommen.

Als es ihnen endlich gelungen war, sie zu verabschieden, fragte Leon: »Haben wir etwas falsch gemacht mit unserer Anzeige? Es melden sich nur Frauen, die ich auf keinen Fall im Haus haben möchte, Antonia!«

Sie seufzte, diese Frage hatte sie sich auch schon öfter gestellt. »Keine Ahnung«, sagte sie, »aber mir war schon klar, dass es nicht einfach werden würde.«

»Mir nicht«, gestand er. »Ich dachte, wir reden mit drei, vier Frauen, und eine davon ist die, die zu uns passt. Aber jetzt … Mit wie vielen haben wir mittlerweile gesprochen? Diese hier spürt eine Aura, die vorige war depressiv und wollte sich mit der Arbeit selbst therapieren, die davor hatte sich Mut vor dem Gespräch mit uns angetrunken. Dann war da noch die, die uns erzählt hat, dass sie noch bei ihrer Mutter wohnt und sich nicht vorstellen kann, allein zu leben. Ach, und die, deren Rock kaum das Nötigste bedeckte und die mir immer so feurige Blicke zugeworfen hat …«

Antonia musste lachen. »Sie war nicht dein Typ, aber ich frage mich, wie du reagiert hättest, wenn es anders gewesen wäre.«

Sein Blick war gekränkt, als er erwiderte: »Was hast du denn für ein Bild von mir?«

Sie schlang beide Arme um seinen Hals. »Du warst ständig mit verschiedenen Frauen unterwegs, als wir uns kennenlernten«, erinnerte sie ihn. »Deshalb wollte ich damals zuerst nichts mit dir zu tun haben.«

Er erwiderte ihre Umarmung und zog sie fester an sich. »Zum Glück hast du deine Meinung geändert.«

»Und du hast aufgehört, mit ständig wechselnden Frauen auszugehen«, neckte sie ihn.

Er küsste sie. Ja, die Begegnung mit Antonia hatte sein Leben umgekrempelt, und er bedauerte es nicht. Heute leitete er die Kayser-Klinik, die ihr Vater gegründet hatte, er war glücklich verheiratet und stolzer Vater von vier Kindern. Ein anderes Leben konnte er sich nicht mehr vorstellen.

»Wie viele Frauen stehen noch auf der Liste?«, fragte er.

»Vier«, antwortete sie. »Ich mache dir einen Vorschlag, die nächsten beiden übernehme ich allein, weil ich nämlich aus bestimmten Gründen jetzt schon den Verdacht habe, dass das nichts wird. Aber die letzten beiden sehen wirklich hoffnungsvoll aus.«

Er küsste sie wieder. »Danke!« Dieses Wort kam aus tiefster Seele. »Wenn ich das richtig sehe, läuft es bei der Suche nach deiner Partnerin in der Praxis aber auch nicht viel besser oder?«

»Anders«, erwiderte Antonia nachdenklich, »da waren schon interessante Frauen dabei, aber eine zum Beispiel war an die sechzig und hat immer ›Kindchen‹ zu mir gesagt. Die hat mir eigentlich gut gefallen, war fachlich auch ausgezeichnet – aber ich will ja nicht in wenigen Jahren allein dastehen. Und ich will auch nicht in die Rolle der zwar nicht mehr ganz jungen, aber doch eher unerfahrenen Kinderärztin gedrängt werden.«

Antonia hatte sich entschlossen, nun, da ihre Kinder nicht mehr so viel mütterliche Fürsorge brauchten, noch einmal als Kinderärztin mit einer eigenen Praxis durchzustarten, die sie in der Kayser-Klinik eröffnen würde. Ihre Kinder hatten sie großenteils unterstützt, nur Kaja, ihre ältere Tochter, war dagegen gewesen, aus eher egoistischen Motiven. Doch Mutter und Tochter hatten sich ausgesprochen, von Kaja kam kein Widerstand mehr. Wohl jedoch von Joachim Kayser, Antonias Vater. Er fand es unmöglich, dass seine Tochter auch nur daran dachte, ›ihre Familie im Stich zu lassen‹, wie er es nannte. Dieser Konflikt schwelte noch.

Auch Leon war nicht direkt begeistert gewesen von den Plänen seiner Frau, und er war es noch immer nicht. E hatte sich daran gewöhnt, dass Antonia zu Hause war, wenn er aus der Klinik kam – und der Gedanke, dass das in Zukunft anders sein würde, behagte ihm nicht. Aber er hatte immerhin Verständnis für ihren Wunsch, sich noch einmal in ihrem Beruf zu beweisen.

»Das wäre ja auch noch schöner«, sagte er jetzt. »Wie kommt eine fremde Frau dazu, ›Kindchen‹ zu dir zu sagen?«

»Na ja, ich sehe nicht aus wie Mitte vierzig, vielleicht lag es daran. Ich habe jedenfalls beschlossen, nicht beleidigt zu sein, aber ich habe ihr abgesagt. Wie auch allen anderen bisherigen Bewerberinnen.«

»Und über einen Mann als Partner denkst du nach wie vor nicht nach? Ich meine, nicht, dass ich das wünschenswert fände …«

»Ja, ich weiß, du kannst immer noch ziemlich eifersüchtig sein«, lächelte Antonia. »Aber nein, ich glaube, auf Dauer würde ich lieber mit einer Frau zusammenarbeiten. Und so lange suche ich ja jetzt noch nicht, dass ich die Hoffnung schon aufgeben würde.«

Sie hörten jemanden die Haustür aufschließen, gleich darauf kam Kyra herein, ihre Jüngste, die vor kurzem elf Jahre alt geworden war. »Ist sie schon weg?«, rief sie.

»Wer denn?«, fragte Leon erstaunt.

»Die Frau, die sich bewerben wollte. Ich wollte sie wenigstens noch sehen.«

»Sie kommt nicht infrage«, teilte Antonia ihrer Tochter mit.

Kyra kam zu ihnen und umarmte beide zusammen. »Wieso steht ihr hier so wie ein Liebespaar?«

»Na, hör mal, wir sind ein Liebespaar«, sagte Leon.

Kyra kicherte und lief hinaus, gleich darauf hörten sie sie nach oben gehen, wo sich die Zimmer der Kinder und das Schlafzimmer der Eltern befanden.

»Ach, Leon«, sagte Antonia, küsste ihren Mann noch einmal und löste sich dann von ihm. »Ich muss noch ein paar Dinge erledigen«, sagte sie. »Hoffentlich wirst du nicht noch einmal in die Klinik gerufen und wir können in Ruhe alle zusammen zu Abend essen.«

»Das hoffe ich auch. Sag mal, was ist jetzt eigentlich mit diesem Peter Stadler, Kyras neuem Freund? Dauernd wird er erwähnt, aber bis jetzt habe ich ihn immer noch nicht zu Gesicht bekommen.«

»Frag Kyra«, schlug Antonia vor, »vielleicht lädt sie ihn mal zum Essen ein.«

»Mhm«, machte Leon, »es wäre mir lieber, ich müsste nicht nachfragen, sondern sie käme von sich aus auf uns zu.«

»Dann wirst du wohl warten müssen«, stellte Antonia fest.

»Sie ist erst elf! Hat man heutzutage mit elf schon einen Freund?«

Antonia lachte nur und verschwand.

*

Jessica Behrend hatte Kopfhörer aufgesetzt, wie immer, wenn sie an der Würm joggte. Für sie war joggen ein wunderbares Mittel zur Entspannung. Sie war schon als Kind schlank und sportlich gewesen, ihr fiel das Laufen leicht. Zugleich half es ihr, allen Stress und Ärger des Tages abzuschütteln, und Musik war ein Mittel, die Wirkung noch zu verstärken.

Sie arbeitete für einen großen Finanzdienstleister und saß den ganzen Tag am Computer, um Daten zu analysieren. Sie war gut in dem, was sie tat, aber es war ein fordernder Job, bei dem man eigentlich zu jeder Zeit hochkonzentriert sein musste. Der Sport half ihr dabei, leistungsfähig zu bleiben. Die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen rauchten, tranken zu viel und klagten darüber, dass sie langsam aber sicher an Gewicht zulegten. Bei ihr war das nicht so. Zum Glück machte sie sich weder viel aus Alkohol noch aus Zigaretten, es fiel ihr also nicht schwer, auf beides weitgehend zu verzichten.

Sie begegnete zwei Läufern, die sie kannte, beide grinsten und hoben grüßend die Hände. Wenn man regelmäßig hier unterwegs war, kannte man sich, sie fand das schön. Lästig waren nur die vielen Fahrradfahrer, die manchmal so dicht an ihr vorbeifuhren, dass sie sie beinahe streiften. Sie war im Laufe der Zeit vorsichtig geworden. Bevor sie die Laufspur wechselte, sah sie sich um, ob jemand hinter ihr angeschossen kam, um sie zu überholen.

Nach einer guten Stunde lief sie langsam aus, nahm die Kopfhörer ab und machte sich auf den Heimweg. Sie duschte, zog sich um und verließ die Wohnung wieder, um sich mit ihrer Schwester Mona bei einem Italiener zu treffen, der nach Monas Ansicht ›die beste Vorspeisenplatte der Welt‹ auf der Speisekarte hatte.

Mona war schon da, als sie eintraf. »Endlich!«, rief sie. »Ich bin am Verhungern, Jessy!«

Jessica küsste sie auf beide Wangen. »So siehst du aber nicht aus«, lachte sie.

Mona warf ihr einen finsteren Blick zu. »Bloß, weil du Papas Gene geerbt hast und ich Mamas, kannst du essen, was du willst, während ich ein Stück Sahnetorte nur ansehen muss, und schon bin ich ein Kilo schwerer.«

»Ich esse nie Sahnetorte«, erklärte Jessica ganz ernsthaft, während ihre Augen vergnügt funkelten.

Sie fand Mona genau richtig, so, wie sie war. Die Menschen sahen nun einmal unterschiedlich aus. Zu Mona passte das Üppige, zu ihr selbst passte es besser, schlank und zierlich zu sein.

»Ja, ja, und Alkohol trinkst du auch kaum«, murrte Mona.

»Hör schon auf. Wenn du Leute sehen willst, die zu dick sind – ernsthaft zu dick, meine ich – dann komm mal zu mir ins Büro. Hast du die Vorspeisenplatte schon bestellt?«

»Natürlich, was dachtest du denn? Sonst müssten wir ja jetzt noch eine halbe Stunde warten. Ich trinke Rotwein dazu.«

»Ich auch«, beschloss Jessica.

Eine größere Freude hätte sie Mona nicht machen können, und wenig später waren die beiden Schwestern in ein angeregtes Gespräch vertieft, bei dem das Wort ›Gewichtsprobleme‹ keine Rolle mehr spielte.

Mona war Buchhändlerin aus Leidenschaft. Sie verschlang jede Woche mehrere Bücher, deshalb war sie bei Kundinnen und Kunden sehr beliebt: Sie empfahl nichts, was sie nicht selbst gelesen hatte, das wussten die meisten zu schätzen.

Wenn Mona Gespräche nachspielte, die sie mit Kunden geführt hatte, kamen Jessica vor lauter Lachen oft die Tränen.

So war es auch an diesem Abend. Als sie schließlich nach Hause ging, fühlte sie sich beschwingt vom Wein und angenehm entspannt – bereit jedenfalls, am nächsten Tag wieder Stunden hochkonzentriert vor ihrem Monitor zu verbringen.

*

»Sara, das hatten wir doch alles schon!« Jonas Bergmann musste an sich halten, um sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. »Es gibt klare Regelungen, und ich verstehe nicht, warum wir jedes Mal wieder darüber diskutieren müssen. Es war ausgemacht, dass ich Timmy am Donnerstag mittags vom Kindergarten abhole und nicht erst am späten Nachmittag vom Spielplatz! Ich habe mir extra einen halben Tag frei genommen.«

»Meine Güte, wo ist denn eigentlich das Problem? Dann holst du ihn eben nicht am Kindergarten ab, sondern auf dem Spielplatz. Er ist da verabredet, er hat sich eine neue Freundin gesucht, die ich mir mal ansehen möchte. Komm einfach dahin und freu dich, dass du ein paar Stunden für dich hast.«

Jonas schluckte seinen Ärger hinunter. Sara und er waren seit einem Jahr geschieden, seitdem machte sie ihm das Leben schwer, weil sie Verabredungen nicht einhielt oder einseitig abänderte, Regelungen nicht zur Kenntnis nahm oder etwas, das ihr nicht passte, einfach ›vergaß‹. Einmal waren sie bereits vor Gericht gelandet, weil er nicht hinnehmen wollte, dass seine Ex-Frau systematisch versuchte, ihn von ihrem gemeinsamen Sohn Tim fernzuhalten. Der Kleine war jetzt fünf, und natürlich bekam ihm dieses Hin und Her nicht gut. Er war ein sensibler Junge.

Jonas hatte versucht, das alleinige Sorgerecht zu bekommen, aber die Richterin war von Anfang an auf Saras Seite gewesen, er hatte keine Chance gehabt. Um Tim nicht noch mehr zu verunsichern, hatte er bis jetzt auf eine weitere Klage verzichtet, aber wenn Sara so weitermachte, würden sie erneut vor Gericht landen.

Er hatte eine sehr gute und sehr kämpferische Rechtsanwältin, die ihm in dieser Frage den Rücken stärkte. Sie war es auch, die ihm geraten hatte, täglich zu notieren, welche Verabredungen Sara mit welchen Begründungen nicht einhielt. Er war selbst erstaunt darüber gewesen, wie viel da mittlerweile schon zusammengekommen war. Es gab praktisch ständig etwas zu notieren.

»Um wie viel Uhr?«, fragte er.

Er wusste schon, was auf diese Frage folgen würde. Sara war nämlich keine Freundin präziser Auskünfte. Es dauerte noch eine Viertelstunde, bis sie endlich mit einer Uhrzeit herausrückte.

»Und lass das bitte in Zukunft, dass du Verabredungen, die lange feststehen, kurzfristig änderst«, sagte er. »Ich richte meine Termine, wie du weißt, danach aus, wann ich Timmy bei mir habe. Es bedeutet jedes Mal zusätzliche Arbeit für mich, wenn du alles wieder umstößt.«