Angst vor der Angst - Anne Borchert - E-Book

Angst vor der Angst E-Book

Anne Borchert

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Beschreibung

"Dieser bissige Geruch von altem Schweiß, frischem Kaffee und kaltem Rauch holt sie in die Realität zurück. Emma schaut sich um. Immer noch die kalten, kahlen Wände und immer noch die scheinbar freundlichen Mitpatienten. Am Fenster klopfen die Regentropfen ihren Rhythmus und das Grau der kalten nassen Jahreszeit spiegeln ihre Gefühle wider. Emma hält die von ihr selbst gestaltete Perlenkette in den Händen. Ihr Credo gefällt ihr besonders gut, da es goldig leuchtet und sich erhaben von dem dunklen Holz absetzt. 'Wie ich', denkt Emma, 'ich setz' mich auch von den anderen ab. Weil ich es so will?!'" Emma erzählt in diesem spannend geschriebenen Roman über ihre Erlebnisse in der Psychiatrie, was sie dahin geführt hat und wie sie versucht, mit dem Erlebten umzugehen, ohne dabei ihre Persönlichkeit zu verlieren..

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Seitenzahl: 33

Veröffentlichungsjahr: 2015

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© Photo by Thomas Wernke

Inhalt

Kapitel 1: Mobbing und Ausgrenzung

Kapitel 2: Der Psycho-Bus

Kapitel 3: Abschied im Haus Gottes

Kapitel 4: Gott segne dich

Kapitel 5: Frei wie ein schwarzer Vogel

„Wenn wir bedenken, daß wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt.“

Mark Twain

Kapitel 1

Mobbing und Ausgrenzung

Und wieder nimmt sie jede einzelne der 59 dunkelbraunen Holzperlen zwischen ihre zittrigen Hände. Sie betet. Sie betet erneut die Gesätze des Rosenkranzes, die sich mit dem Leben, dem Sterben und dem Wirken Jesu Christi befassen. Sterben. Ihre Gedanken fliegen wie kleine Englein durch ihren Kopf. Sie hört sie singen: „Sterben um zu leben?“

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe.

Dieser bissige Geruch von altem Schweiß, frischem Kaffee und kaltem Rauch holt sie in die Realität zurück. Emma schaut sich um. Immer noch die kalten, kahlen Wände und immer noch die scheinbar freundlichen Mitpatienten. Am Fenster klopfen die Regentropfen ihren Rhythmus und das Grau der kalten nassen Jahreszeit spiegeln ihre Gefühle wider. Emma hält die von ihr selbst gestaltete Perlenkette in den Händen. Ihr Credo gefällt ihr besonders gut, da es goldig leuchtet und sich erhaben von dem dunklen Holz absetzt. „Wie ich“, denkt Emma, „ich setz' mich auch von den anderen ab. Weil ich es so will?!“

Eigentlich ist sie Heidin. Nein, eigentlich ist sie überzeugte Atheistin. Denkt sie. Aber seitdem sie in der Psychiatrie einsitzt, weiß sie gar nicht mehr, an was sie glauben soll oder gar kann.

Genervt von den Albereien und dem Mix der unterschiedlich starken Stimmen der „Insassen“, wie Emma sie gerne nennt, erhebt sie sich schwerfällig von ihrem Hocker. Die Ergotherapie ist noch längst nicht zu Ende, aber ihre Krämpfe, die die Hände wie Stromschläge durchdringen und das monoton anhaltende Herzrasen, dass bis in ihren Schädel dröhnt, lässt ihr keine Ruhe. Ich brauch‘ Bedarf, murmelt Emma der Ergotherapeutin zu und verschwindet durch die Tür. Nickend starrt Frau Schulz ihr hinterher.

Im Keller der Psychiatrie, wo die Therapieräume aneinanderreihend unterschiedliche Geräusche und Gerüche von sich geben, schleppt Emma ihren Körper vor sich her. „Hab‘ ich heute schon was gegessen?“, fragt sie sich, während ihre Knie weich wie Butter sind und das gefühlte Körpergewicht locker 100 Kilogramm übersteigt. Sie ist nicht nur genervt von ihrer Umgebung, die für sie sowieso nur eine gespielte Scheinwelt darstellt, sie ist vor allem von sich selbst genervt. Manchmal hasst sie sich sogar für ihre Wahrnehmung und Macken. Sie ist nicht mal 1.60 und wiegt mit Mühe und Not 47 kg. Trotzdessen ekelt sie jede Falte ihres Körpers an. Emma kennt ihre psychischen Schäden, sie nennt es Hass-Liebe-zu-sichselbst. In Gedanken an das bevorstehende Gemeinschaftsessen läuft sie die zwei Etagen herauf zur Station. „Jedes Mal dieses Mobbing-Schild“, flüstert sie, „Erwachsenpsychiatrie“. Sie lacht laut über den langen kahlen Flur und denkt dabei etwas lauter als ohnehin schon: „Klapper. Nichts anderes.“

Schwester Monika führt derweil Akten und schreibt Patientenprotokolle, als Emma wie immer angeschlichen kommt. „Hab Herz. Brauch‘ Bedarf.“ Wortkarg erwähnt Emma ihren Zustand. Schwester Monika schaut in die Kurve von Emma und sucht die passende Arznei heraus. Kleine weiße Pille. Kleiner grüner Becher. Ein Schluck Wasser. Fertig. Emma lässt noch ihren Puls und Blutdruck abchecken. 146 Puls. 110 zu 70 Blutdruck.

„Haben Sie sich geärgert oder erregt Sie etwas Frau Bühl?“ Aber Emma geht die zwei Türen weiter zu ihrem Nachtlager, wie sie es betitelt. Vier weiße kahle Wände, drei harte Betten, ein schimmliges Bad. Gemütlich für eine Klapper, denkt Emma sarkastisch. Sie fällt auf ihr Bett. Auf dem Nachttisch ein Zettel: „11:30 Uhr, Einzel!“ Die Psychologin möchte Emma noch vor dem Mittagessen sprechen. Der Buschfunk scheint zu funktionieren. Die Laune sinkend, der Puls steigend, schaut sie an die Decke.