Anpacken und anpassen - Elisabeth Zehetner - E-Book

Anpacken und anpassen E-Book

Elisabeth Zehetner

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Beschreibung

»Öko-Optimismus« statt radikalem Aktivismus: Anpassung als Schlüssel zum Leben im Klimawandel Der Klimawandel ist real. Er hat bereits Auswirkungen auf unser Leben und wird künftig unsere Lebensqualität sowie unser Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell verändern. Elisabeth Zehetner beschreibt in ihrem Buch wirksame Maßnahmen, wie wir uns an das sich verändernde Klima anpassen können. - Innovative Lösungen und neue Technologien: Mehr Prävention, Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Stadtplanung der Zukunft sowie durch innovative Landwirtschaft - Keine Angst vor dem Klima: Erhöhung der Resilienz und Gestaltung einer positiven Zukunft für künftige Generationen - Elisabeth Zehetner ist Staatssekretärin für Energie, Start-ups und Tourismus und hat zuvor die wirtschaftsnahe Klima-NGO oecolution Austria gegründet - Ein politisches Sachbuch über verantwortungsvollen Klimaschutz, Klimaneutralität und intelligente Anpassungsstrategien an den Klimawandel Zeit zum Handeln: effiziente Wege zu einer verträglicheren Klimazukunft Ob Wege zu kühleren Städten, etwa durch begrünte Fassaden und Wasser sparen oder zu einer klimafitten Landwirtschaft durch besseren Pflanzenschutz und robustere Nutztiere: Die technikaffine Öko-Optimistin Elisabeth Zehetner zeigt Lösungen auf, die ein Leben und Wirtschaften in einem neuen Klima ermöglichen. Ihr verblüffend optimistisches politisches Sachbuch ist ein Mutmacher für die Themen, die der Klimawandel auf die Tagesordnung setzt: Wasser, Naturkatastrophen, Globalisierung, Leben im Alltag und nicht zuletzt eine stabile Wirtschaft.  

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Elisabeth Zehetner

ANPASSEN UND ANPACKEN

Elisabeth Zehetner

ANPASSEN UND ANPACKEN

So werden wir klimafit

Dieses Buch wurde CO2-neutral und umweltschonend produziert.

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Herausgebers und des Verlages ist ausgeschlossen. Die Autorin ist bei keinem der vorgestellten Unternehmen und keiner der beschriebenen Innovationen beteiligt bzw. involviert, die Erwähnungen erfolgen aus rein redaktioneller Sicht bzw. zur Veranschaulichung des aktuellen Forschungsstandes. .

Gendererklärung

Wir haben auf die genderneutrale Formulierung Rücksicht genommen, können allerdings mit Rücksicht auf den Lesefluss nicht immer eine neutrale Formulierung anbieten.

1. Auflage

© 2025 Elisabeth Zehetner

© 2025 ecoWing Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – Wien, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

[email protected]

Umschlaggestaltung: b3K design, Andrea Schneider, diceindustries

Covermotiv: Jürg Christandl

Layout und Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Gesetzt aus der Palatino, Articulat CF

Grafiken im Buch: Alice Gutlederer, design:ag, Abbildung mit freundlicher Genehmigung der genannten Quellen

Autorinnenillustration: Claudia Meitert/carolineseidler.com

Printed by Samson Druck GmbH, Österreich

ISBN: 978-3-7110-0366-9

eISBN: 978-3-7110-5383-1

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1

Willkommen im neuen Klima!

Kapitel 2

Unser Schlüssel für die Zukunft ist unsere Anpassungsfähigkeit

Kapitel 3

Wege zu kühlen Städten

Kapitel 4

Die Landwirtschaft besser wachsen lassen

Kapitel 5

Unseren Wasserschatz effizient nutzen

Kapitel 6

Naturkatastrophen erkennen, bevor sie passieren

Kapitel 7

Klima schützen und der Wirtschaft nützen

Kapitel 8

Die Globalisierung wird grün

Kapitel 9

Tipps: Klimawandelanpassung im Alltag

Quellen

Vorwort

In meinem Buch Im Namen des Klimas (2024) habe ich beschrieben, warum wir dem Klimawandel nicht mit apokalyptischem Denken und ökologischem Autoritarismus, sondern mit Vernunft und Lösungsorientierung begegnen müssen. Denn nur dann wird es uns gelingen, unser auf Demokratie, Wohlstand, sozialer Sicherheit und ökologischer Nachhaltigkeit basierendes Lebensmodell zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Aufgrund der vielen Rückmeldungen und Impulse zu meinem »öko-optimistischen« Ansatz beschäftige ich mich in meinem neuen Buch mit einem lösungs- und vernunftorientierten Erfolgsprinzip, das im Klimakontext immer wichtiger wird: mit unserer Anpassung an die unbestrittenen Folgen des Klimawandels.

Klar ist: Maßnahmen zur Begrenzung der globalen Erwärmung sind unverzichtbar. Aber selbst wenn wir die Treibhausgasemissionen auf null senken könnten, wird das die klimatische Veränderung kurz- und mittelfristig nicht aufhalten. Wir müssen mit dem »neuen Klima« besser umgehen, um negative Folgen zu bewältigen und den einen oder anderen positiven Effekt besser zu nutzen. Zusammengefasst bedeutet das: Wir brauchen intelligente und wirksame Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.

Die These dieses Buches lautet daher: Die Klimaanpassung muss neben dem Klimaschutz zum zweiten Standbein auf unserem Weg in eine verträglichere Klimazukunft werden. Auch dabei helfen uns Aktivismus und Radikalismus im Namen des Klimas nicht weiter. Im Gegenteil: Wo Klimawandelanpassung als »Verrat« an den hehren Zielen des Klimaschutzes diskreditiert wird, verspielen wir die Zukunft vieler Menschen, die in den nächsten Jahren unnötig unter den Folgen des Klimawandels leiden werden, wenn wir keine oder nur zögerlich Anpassungsmaßnahmen setzen.

Wir sollten vor allem eines nicht übersehen: Anpassung ist in ihren unterschiedlichen Ausprägungen eines der wichtigsten Erfolgsprinzipien in der Geschichte des Menschen – wenn nicht das wichtigste überhaupt. Unsere Fähigkeit, uns anzupassen und innovative Lösungen zu entwickeln, macht den Unterschied, um den Herausforderungen und negativen Effekten des Klimawandels bestmöglich zu begegnen.

Die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten sind vielfältig und bedeutsam: Durch intelligente Stadtplanung, neue landwirtschaftliche Techniken, effiziente Wassernutzung, präventive Maßnahmen gegen Naturkatastrophen oder wirtschaftliche Anpassung können wir dem Klimawandel besser begegnen – und die Zukunft unserer Kinder besser machen, als sie jetzt erscheint. Anpacken und anpassen ist der richtige Weg in eine klimafitte Zukunft für uns alle. In diesem Sinne möchte ich mit meinem neuen Buch ein neues Kapitel des praktischen »Öko-Optimismus« aufschlagen – und zeigen, welche Anpassungsnotwendigkeiten sowie -möglichkeiten es heute schon gibt und welche sich vor unseren Augen entwickeln. Zu sehen, dass damit auch viele wirtschaftliche Chancen verbunden sind, stimmt zuversichtlich.

Wir müssen der Realität auch ganz persönlich ins Auge sehen: Die Generation meiner Tochter kennt das Klima meiner Kindheit nicht mehr. Sie steht vor der Herausforderung, mit und in der neuen Klimanormalität bestmöglich zu leben. Das ist nur dann möglich, wenn wir neben vernünftigem, wirksamem Klimaschutz auch die spürbare Klimawandelanpassung zur Priorität machen.

Packen wir es an – es gibt für uns alle viel zu tun für eine gute, klimafitte Zukunft!

KAPITEL1

Willkommen im neuen Klima!

Der Klimawandel ist Realität – und hat in vielen Bereichen massive Auswirkungen. Daran ändern auch Maßnahmen gegen den Klimawandel nichts, von denen viele erst in Jahrzehnten wirken können. Wir brauchen jetzt daher weder Alarmismus noch extreme Ideologien, sondern parallel zu konsequentem, vernünftigem Klimaschutz intelligente Anpassung an das neue Klima.

In Österreich war der Sommer früher geprägt von langen, warmen, aber nicht übermäßig heißen Tagen. Es gab beständige Wetterphasen, in denen Hitze und Abkühlung im Wechsel standen. Klassische Bilder aus der Werbung zeigen blühende Wiesen, klare Bergseen und gemütliche Grillabende ohne extreme Hitzewellen oder plötzlich auftretende Unwetter. Hitzeperioden waren selten, und wenn sie auftraten, dauerten sie meist nur ein paar Tage. Regenschauer sorgten regelmäßig für Abkühlung und die Temperaturen waren angenehmer und gut auszuhalten. Doch diesen Sommer »von damals« gibt es nicht mehr. Gleiches gilt für die Winter, die früher große Teile unseres Landes wochenlang in dichte Schneedecken eingehüllt haben. Auch wenn sogenannte »Klimawandelleugner« weiter Stimmung gegen Fakten und Wirklichkeit machen, ist der Befund klar: Der Klimawandel ist Realität. Wir leben und arbeiten in einem neuen Klimastatus, der unser Leben und Arbeiten und unser aller Zukunft zunehmend beeinflussen wird.

Der in den 1990er-Jahren spürbar beginnende Klimawandel äußert sich in einer allgemeinen Erwärmung, die weit über das hinausgeht, was wir als normale klimatische Schwankungen kennen. Diese Erwärmung ist das Ergebnis des anthropogenen Treibhauseffektes. Er wird durch die Anreicherung von Kohlendioxid und Methan in der Atmosphäre verursacht.

Wie wir das neue Klima spüren

Vor den 1980er-Jahren waren die Sommer in Österreich warm, aber nicht so heiß wie heute. Sommer in der neuen Klimanormalität bringen uns mehr Tage, an denen die Temperaturen weit über 30 Grad Celsius steigen. Hitzeperioden dauern heute länger an. Früher waren Hitzewellen hingegen seltener und weniger intensiv. Heute haben die Hitzetage insbesondere in urbanen Gebieten und niedriger gelegenen Regionen deutlich zugenommen. Konkret: Seit 1960 hat sich die Anzahl der Hitzetage in Österreich verdoppelt bis verdreifacht. Hitzewellen sind heute in den Landeshauptstädten um 50 Prozent häufiger. Sie dauern durchschnittlich zwei bis sieben Tage länger als noch vor wenigen Jahrzehnten. Setzt sich die bisherige Entwicklung fort, werden 40 bis 50 Hitzetage am Ende des Jahrhunderts »normal« sein. Unterm Strich stieg die Temperatur in Österreich in den letzten 30 Jahren um 1,0 bis 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum Durchschnitt der 30 Jahre davor. Diese Erwärmung betraf alle Regionen und Höhenlagen gleichermaßen.

TEMPERATURABWEICHUNG SOMMER 1767–2024

Maxiumum +3,9 °C Sommer 2024, Minimum -2,3 °C Sommer 1785

Quelle: https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/news/einer-der-waermsten-sommer-der-messgeschichte-1

Wir spüren das neue Klima auch daran, wie sich das Wetter verändert. Es haben sich durch den Klimawandel nämlich wetterbestimmende Strömungsmuster gewandelt: Das sogenannte »Westwindband«, das insbesondere im Sommer für Wechsel zwischen kühlen und warmen Phasen sorgt, hat sich abgeschwächt. Statt des Wechsels von Wetterlagen erleben wir heute längere Hitzeperioden mit weniger kühlen Unterbrechungen. Im Winter bedeutet die Abschwächung der Westwindzone, dass Wetterlagen länger anhalten, dass aber auch Kaltlufteinbrüche leichter möglich sind.

Veränderungen spüren wir auch bei Extremereignissen. Gewitter, sogenannte »Superzellen«, Hagel und Starkregen treten seit den 2000er-Jahren häufiger und intensiver auf. Wetterlagen, bei denen Gewitter entstehen, bleiben zudem oft über denselben Regionen stehen. An der Hochwasserkatastrophe 2024 in Niederösterreich hat der Klimawandel jedenfalls durch die Erwärmung der Adria als »Beitragstäter«1 mitgewirkt. Das klassische Italientief zog nicht über uns hinweg. Es blieb zwischen zwei Hochdruckgebieten »stecken« und gab aufgrund des erhöhten Wasserhaltevermögens durch die Meereserwärmung noch mehr Wasser ab.

Weil sich die Schneefallgrenze durch den Klimawandel nach oben verschiebt – wobei es in den Alpen nach wie vor reichlich Schnee gibt –, verändern sich auch die Wassermengen, die in Flüsse und Bäche gelangen. Die klimatischen Veränderungen betreffen sichtbar auch die Gletscher, bei denen erhebliche Rückgänge zu verzeichnen sind. Die alpinen Gletscher haben in den letzten 100 Jahren rund 50 Prozent ihres Eises aufgrund von Temperaturanstieg und veränderter Niederschlagssituation verloren.2

Wir spüren den Klimawandel auch an der Vegetation. Die Vegetationsperiode dauert länger. Startete sie früher oft erst im späten Frühling, beginnt sie heute deutlich früher im Jahr. Das hat übrigens massive Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die insgesamt zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Bereichen gehört. Aufgrund der zunehmenden Trockenheit und der erhöhten Klimavariabilität wird für sie abnehmende Ertragssicherheit zur neuen »Normalität« werden.

All diese Entwicklungen zeigen uns an: Der Klimawandel findet statt. Er hat sich beschleunigt. Es verändern sich nicht nur statistische Werte, die Klimaveränderung hat auch spürbare Auswirkungen auf unser Leben, auf unsere Lebensqualität und auf viele Bereiche unseres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells.

Anpassung als neue Priorität

Höhere Durchschnittstemperaturen, heiße, trockenere Sommer, mildere und weniger schneereiche Winter, wachsende Intensität und Frequenz von Niederschlägen, mehr Hagel, mehr Dürreperioden, Verringerung des Bodenwassergehalts, Hochwasser, Murenabgänge, Gletscherrückgang, mehr Schadinsekten und Schädlingsbefall, Verlust natürlicher Wasserspeicher, mehr Hitzestress für Menschen – das alles sind Auswirkungen der Erderwärmung, mit denen wir besser umgehen müssen.

Der Kampf gegen den Klimawandel muss daher weiterhin eine Priorität bleiben – mit wirksamen und vor allem mit weltweiten Maßnahmen, wobei vor allem Technologien und Innovationen die wichtigsten Hebel sind, um global Emissionen zu reduzieren. Wir müssen das gesamte uns heute und morgen zur Verfügung stehende Repertoire an Instrumenten zur Reduktion von Treibhausgasemissionen nutzen – mit konsequenter Technologieoffenheit und ohne ideologische Einschränkungen. Die Bandbreite reicht vom massiven Erneuerbaren-Ausbau über die Nutzung künstlicher Intelligenz, den Einsatz von synthetischen und biologischen Kraftstoffen sowie die Verwendung der Grünen Gentechnik bis hin zur CO2-Abspaltung und -Speicherung.

Klar ist aber auch, dass die Reduktion von CO2-Emissionen Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Und dass die damit verbundenen Effekte erst in vielen Jahren für uns spürbar werden. Selbst wenn wir die Treibhausgasemissionen sofort auf null stellen könnten, würde das die klimatische Veränderung kurz- und mittelfristig nicht aufhalten. Auf die Frage, ob die Erwärmung aufhört, wenn die Emissionen aufgehört haben, gibt es in der Wissenschaft relevante Unsicherheiten. Der Bericht des Weltklimarats IPCC ging bisher davon aus, dass sich die Temperatur nach Erreichen der Netto-Null-Treibhausgasbilanz nur um wenige Zehntelgrad nach oben oder unten verändern sollte. Neue Forschungen3 ergeben allerdings, dass mehr als 15 Prozent zusätzliche Erwärmung oder Abkühlung nicht unwahrscheinlich sind. Damit würde die 1,5-Grad-Grenze selbst dann überschritten werden können, wenn morgen die Emissionen aufhören würden.

Das deutsche Klimakonsortium beantwortet die Frage der Temperatureffekte von Null-Emissionen so: »Alle Emissionen auf null zu setzen, würde (…) nach einer kurzen Erwärmungsphase zu einer annähernden Stabilisierung des Klimas über viele Jahrhunderte führen. Dies bezeichnet man auch als unabwendbaren Klimawandel aufgrund bisheriger Emissionen (›zero future emission commitment‹). Die Treibhausgaskonzentration würde abnehmen und damit auch der Strahlungsantrieb, aber die Trägheit des Klimasystems würde die Reaktion der Temperatur verzögern.«4

Eine rezente Studie eines Forscherteams um Colin Summerhayes von der Universität Cambridge, dem auch Geologe Michael Wagreich von der Universität Wien angehörte, bilanziert bestehende Forschungsbefunde so: »Selbst wenn die Treibhausgaskonzentrationen stabilisiert würden und die Nettoemissionsrate auf null sinkt, also zusätzliche CO2-Emissionen durch CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ausgeglichen würden, wäre die Energiebilanz an der Erdoberfläche immer noch nicht im Gleichgewicht.«5 Diese »gespeicherte« Erwärmung würde so lange anhalten, bis das Energiegleichgewicht zwischen der Atmosphäre und den Weltmeeren, einer massiven Wärmequelle, über viele Jahrtausende hinweg wiederhergestellt wäre.

NETTOVERÄNDERUNG DER GLOBALEN OBERFLÄCHENERWÄRMUNG NACH EINSTELLUNG DER CO

2

-EMISSIONEN

Quelle: https://www.frontiersin.org/journals/science/articles/10.3389/fsci.2023.1170744/full

Das alles zeigt: Wir müssen uns auf jeden Fall, so gut es geht, mit dem neuen, wärmeren Klima anfreunden. Jens Beckert, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung sowie Professor für Soziologie an der Universität Köln, bringt es auf den Punkt: »Niemand kann genau wissen, welche Klimabedingungen am Ende des 21. Jahrhunderts herrschen werden, doch so viel ist klar: Wir werden in den kommenden Jahrzehnten von weiterer bedeutender Erderwärmung betroffen sein.«6 Denn es bleibt aufgrund der Trägheit des Systems und komplexer Wechselwirkungen auch dann noch lange Zeit (viel) zu warm, wenn wir Treibhausgasemissionen erfolgreich reduzieren – damit wir auch im neuen Klima so gut wie möglich leben und arbeiten können. Genau dafür braucht es wirksame Klimawandelanpassung.

Keine Zeit für Ideologie – Zeit zum Handeln

Dass die notwendige Anpassung an den Klimawandel erst spät in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist, hatte auch ideologische Gründe. So galten und gelten Anpassungsmaßnahmen für radikale Klimaaktivisten lange Zeit als »Verrat« am echten Klimaschutz oder gar als »Lüge« und Ergebnis von »Hilflosigkeit angesichts epidemischer Untätigkeit«.7 Doch das Blatt hat sich gewendet. Der deutsche Klimatologe Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie stellt dazu klar: »Vor 20 Jahren war es noch ganz krass: Wer sich über Klimaanpassung Gedanken machte, der hat ja das hehre Ziel schon verraten. Denn, nein, es muss ja darum gehen, den Klimawandel zu vermeiden. Das war, pardon, hirnrissig, so zu argumentieren.«8

In immer mehr Bereichen mehren sich die Stimmen, die wirksame Bemühungen zur besseren Anpassung an den Klimawandel einfordern. »Eine erfolgreiche Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist ähnlich schwierig und herausfordernd wie die Abkehr von allen Emissionen – und keine der beiden Aufgaben darf vernachlässigt werden«, sagt etwa Anita Engels, Professorin für Soziologie im Exzellenzcluster Klima, Klimawandel und Gesellschaft (CLICCS)9 der Universität Hamburg und Autorin der Studie Hamburg Climate Futures Outlook 2024, an der insgesamt 73 Autorinnen und Autoren mitgewirkt haben. »Die Klimaanpassung ist genauso wichtig wie der Kampf gegen den Klimawandel«, stellt etwa die ehemalige deutsche Staatssekretärin und Expertin für nachhaltiges Bauen und Klimaschutz im Gebäudesektor, Lamia Messari-Becker, klar. Es geht für sie nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. »Es ist wichtig, nicht ausschließlich die Erderwärmung durch die CO2-Reduktion weiter zu bekämpfen, sondern auch, sich auf die Folgen der Klimaveränderungen einzustellen«, so die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik.10

Wie wichtig eine rasche und effektive Anpassung an den Klimawandel ist, zeigt sich am für zentraleuropäische Länder wichtigen Thema des Hochwassers. Forscher warnen vor dem »Kurzschluss«, stets von Niederschlag auf Hochwasser zu schließen und den Klimawandel bei Naturkatastrophen »überzubetonen«. So bilanzieren die Umweltforscher Myanna Lahsen und Jesse Ribot, dass der Wunsch, die Öffentlichkeit durch Zuschreibungen von Klimaereignissen von den Gefahren des Klimawandels zu überzeugen, Wissenschaftler und Medien dazu verleite, extreme Ereignisse der globalen Erwärmung zuzuschreiben. Das damit verbundene Dilemma sei aber, dass die Klimawandelzuschreibung die Bedeutung der Treibhausgasreduzierung ins Zentrum rücken würde, während die effektivsten Ansätze zur Verringerung des Risikos von Wettergefahren Anpassungsmaßnahmen vor Ort seien.11

Dass unser Fokus bisher zu wenig auf den Umgang mit dem neuen Klima gelegt wurde, unterstreicht auch das European Climate Risk Assessment (EUCRA – Europäische Klimarisikobewertung): »Unsere neue Analyse zeigt, dass Europa mit dringenden Klimarisiken konfrontiert ist, die sich schneller entwickeln als unsere gesellschaftliche Vorsorge. Um die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften sicherzustellen, müssen die europäischen und nationalen politischen Verantwortlichen jetzt handeln, damit die Klimarisiken sowohl durch rasche Emissionssenkungen als auch durch entschlossene Anpassungsstrategien und -maßnahmen verringert werden«, sagt Leena Ylä-Mononen, Exekutivdirektorin der European Environment Agency (Europäische Umweltagentur, EUA).12

Mit einem Wort: Statt Katastrophen im Namen des Klimas zu instrumentalisieren, ist es für unmittelbar Betroffene wesentlich wichtiger, dass Anpassungsmaßnahmen gesetzt werden, die Leib und Leben sowie Hab und Gut besser schützen. Was wir neben langfristig wirksamem Klimaschutz dringend brauchen, ist eine kurz- und mittelfristig wirksame Kultur der Klimawandelanpassung in allen relevanten Handlungsfeldern.

Klimaanpassung fördert Klimaschutz