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Der Anpfiff für den Kopf stellt ein innovatives Konzept eines integralen Spieler-, Trainer-, Mannschafts-, Fan- und Vereinscoachings vor und baut Vorurteile gegenüber Mentalcoaching ab. Der Autor hat mit seinen 52 Jahren in unterschiedlichen Funktionen mit Profisportlern und Mannschaften zahlreiche Erfahrungen gesammelt und arbeitet seit drei Jahren als Mentalcoach mit den Nachwuchsfußballern des SV Sandhausen zusammen. Dieses Buch berichtet hautnah aus der Praxis und bringt mit einem Augenzwinkern an der ein oder anderen Stelle seine Leser zum Lachen. Kurz zusammengefasst, was in so vielen Sportarten schon zur Selbstverständlichkeit gehört, sollte auch im Fußball verstärkt zum Einsatz kommen. Das Spiel für den Kopf ist angepfiffen und möchte in 90 Minuten plus Nachspielzeit seine Leser zu nachhaltigen Erfolgen auf und neben dem Fußballplatz führen. Der Unterschied zwischen zwei Mannschaften ist häufiger als vermutet zwischen den Ohren der Spieler zu finden.
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Seitenzahl: 190
Veröffentlichungsjahr: 2020
Ronald Delius
Anpfiff für den Kopf
Impressum:
© 2020 Ronald Delius
Herausgeber/Autor: Ronald Delius
Umschlaggestaltung: tredition GmbH
Layout: Holger Zopf
Lektorat, Korrektorat: Angelika Fleckenstein; Spotsrock
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40–44, 22359 Hamburg
ISBN: 978-3-347-20519-2 (Paperback)
978-3-347-20520-8 (Hardcover)
978-3-347-20521-5 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhaltsangabe
Vorwort
von Damir Dugandzic, Sportlicher Leiter DFB-Talentförderprogramm
Matchplan
Aufwärmen
Erste Halbzeit Spielercoaching
Integrales Coaching
Das Ritual
Emotionsregulierung
Mentalität
Fokussierung
Halbzeit Trainercoaching
Stressmanagement
Kommunikation
Motivation
Ziele
Die Wirkung der Gedanken
Zweite Halbzeit Mannschaftscoaching
Werte
Systemisches Denken
Das WIR
Kommunikation, zurückgehaltene Botschaften
Integration
Nachspielzeit Fancoaching
Massenphänomene
Die bunte Wand
Macht statt Ohnmacht
Der 12. Mann
Wertschätzung
Abpfiff
Danke!
Quellenverzeichnis
Vorwort
von Damir Dugandzic, Sportlicher Leiter DFB-Talentförderprogramm
„Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano.“ Die Worte Juvenalis, dass man darum beten sollte, dass sich ein gesunder Geist mit einem gesunden Körper verbinden möge, haben nichts an Aktualität verloren (Juvenalis: Satura X in Liber IV der Saturae. Vers 356). Die Frage und Herausforderung, die sich daraus ergibt, lautet, wie kann dies gelingen?
Seit 2007 bin ich hauptamtlich für den Deutschen Fußball-Bund e. V. im Nachwuchsbereich tätig, und immer wieder tauchen die identischen Fragestellungen auf: Was macht einen guten Trainer aus? Wie schaffe ich ein Umfeld, in dem sich jeder Spieler im Rahmen seines Potenzials bestmöglich entwickeln kann? Wie binde ich alle Stakeholders mit ein und komme dabei nicht vom Weg ab?
Die Relevanz und Voraussetzung eines spielerzentrierten Ansatzes ist für mich unumstößlich. Was benötigt der Einzelne, um am Ende Bestmögliches für die Mannschaft zu erreichen? Der Soziologe Talcot Parsons definierte den Begriff der Gesundheit als einen Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben, für die es sozialisiert worden ist. Von da ist es nicht mehr weit, diesen Grundgedanken auf den Leistungssport zu übertragen und sich an den individuellen physischen und psychischen Faktoren und Bedürfnissen des Sportlers zu orientieren. Um die Rollen und Aufgaben zu verstehen, muss der Einzelne zusätzlich im Kontext und Wirkzusammenhang seines Systems gesehen werden: mit seiner Mannschaft, seinem Trainer und dem Verein mit seinen Mitarbeitern und Anhängern.
Ronald Delius gibt in seinem Buch wichtige und hilfreiche Tipps und Einsichten für Spieler, Trainer und Vereine, wie sie sich im Bereich des Mentalcoachings individuell und systemisch besser aufstellen und die Verbindung von Körper und Geist verbessern können. Seine Ausbildungen und Erfahrungen als einerseits Physiotherapeut und andererseits Psychologe lassen ihn selbst zum Archetyp des verbindenden und ganzheitlichen Ansatzes werden, zum „Athletiktrainer von Seele und Geist“. Glaubhaft mischt er persönliche, biografische Erfahrungen aus der eigenen Jugend mit anekdotischen Erzählungen über ehemalige Idole und derzeitige Sportgrößen und paart sie mit neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen. Seine tiefen Einblicke in den besonderen Kosmos einer Nachwuchsabteilung eines Profivereins nehmen den Leser mit auf eine Reise des Nachdenkens, Querdenkens und Überdenkens.
Viel Spaß beim Lesen!
Matchplan
Mein Name ist Alexander H., oder kurz Alex, wie ich von meinen Freunden und Mitspielern gerufen werde, und ich wurde von dem Autor dieses Buches nicht ganz frei erfunden, um dich, lieber Leser, optimal zu unterhalten. Ähnlichkeiten und Parallelen zu real existierenden Personen sind zufällig oder mit der betreffenden Person abgesprochen und autorisiert. Ach übrigens, lieber Leser, du wirst in diesem Buch geduzt. Mein Erfinder meint, dass das für dein Unterbewusstsein besser wäre und nicht aus Unhöflichkeit geschieht. Aus eigener Erfahrung, und es ist wohl auch wissenschaftlich erwiesen, kann ich sagen, dass da was dran ist. Meine Aufgabe ist es, dich mit meiner Geschichte auf jedes weitere Kapitel und Thema dieses Buches kurz praktisch einzustimmen. And here I am: Ich bin U19-Torhüter eines Vereins mit Nachwuchsleistungszentrum und habe wie unzählige anderer meiner Mitspieler das große Ziel, Profifußballer zu werden. Es liegt eine harte Trainingswoche hinter uns. Unser Torwarttrainer hat uns mal wieder ordentlich rangenommen, aber es hat mir, wie in den meisten Fällen, auch sehr viel Spaß gemacht. Damit fühle ich mich für das Spiel am Sonntag technisch und athletisch optimal vorbereitet. Taktisch werden wir jetzt in der Mannschaftsbesprechung von unserem Trainer mit einer Videoanalyse auf unseren kommenden Gegner eingestellt. Wir haben einen klasse Trainer der wirklich nichts dem Zufall überlässt. Die Experten unter den Lesern fragen sich jetzt berechtigterweise, wo die mentale Vorbereitung abgeblieben ist. Keine Sorge das Mentalcoaching kommt in diesem Buch zu seinem Recht und wird von allen Seiten beleuchtet. In der Vorbereitung auf unser Spiel bedeutet das für mich konkret, die kommenden 90 Minuten schon mal im Kopf durchgegangen zu sein (Visualisierung nennt man das). Da ich die letzten Spiele meist von der Bank aus verfolgen musste, kam ich zu Beginn der Woche in den Genuss von unserem Mentalcoach mein Selbstbewusstsein gestärkt zu bekommen und im Umgang mit Drucksituationen geschult zu werden. Als Ronald, den alle hier nur Ronnie nennen, zu Beginn der Saison als sportpsychologischer Mitarbeiter und Mentalcoach zu uns kam, dachte ich mir, was das denn soll. Auch unser Trainer war zu Beginn skeptisch und meinte, dass das jetzt halt von DFB und DFL die neuesten Voraussetzungen für ein NLZ seien mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten. Mein Vorurteil sah so aus, dass Fußballer im besten Alter wie wir, doch so einen Schnickschnack nicht brauchen, wir sind alle psychisch stabil und mental extrem stark. Mittlerweile habe ich mein Urteil revidiert. Seit Ronnie bei uns ist, hat sich die Stimmung im Team merklich zum Positiven verändert. Da er früher selbst im Tor gestanden hat, kann er sich auch ganz gut in mich hineinversetzen. Nichts für ungut, Mentalcoach, wir sind froh, dass dein Weg dich zu uns geführt hat.
Nachdem ich mich jetzt kurz vorgestellt habe, überlasse ich nun Ronnie das Wort, der dich für 90 Minuten plus Nachspielzeit motivieren wird, am Ball zu bleiben, den wir uns hier sprichwörtlich gegenseitig zuspielen.
Danke Alex, für deine Einführung und deine lobenden Worte. Auch ich bin sehr froh in diesem Verein und dieser Mannschaft gelandet zu sein. Ich kann das Kompliment nur zurückgeben, die Arbeit mit dir macht mir besonders viel Spaß, weil du bereit und offen bist, neue Erkenntnisse und Ideen anzunehmen und dann auch im täglichen Training umzusetzen.
Dieses Buch folgt den Gesetzmäßigkeiten eines gut vorbereiteten Fußballspiels. Es startet mit dem Matchplan, wärmt die Leser vorbildmäßig auf, um sich dann durch zwei spannende Halbzeiten und mit einer erholsamen Pause über die Nachspielzeit dem verdienten Abpfiff zu widmen.
Jedes Spiel beginnt mit einem Matchplan. Ein guter Trainer überlässt nichts dem Zufall und ist auf jede Eventualität, die ihn und seine Mannschaft im Spiel erwarten kann, bestens vorbereitet. Für den Trainer heißt das, in jeden seiner Spieler hineinzuhören, um herauszufinden, wer für den Spieltag und die ausgewählte Taktik die optimale Besetzung ist. Den Gegner genauestens zu analysieren, um zu erahnen, mit welcher Formation und welcher Taktik er auflaufen wird. Sich mehrere Pläne zurechtzulegen, um auf alles, was auf ihn und seine Mannschaft zukommen kann, angemessen reagieren zu können oder bestenfalls dem Gegner seinen eigenen Matchplan aufzuzwingen. Innerhalb der Trainingswoche, oder in einer englischen Woche in ein paar Tagen, gilt es dann, den ersten Elf plus möglicher Einwechseloptionen zu vermitteln, wie diese Pläne praktisch auf dem Rasen umgesetzt werden sollen.
Mein Matchplan soll dich, lieber Leser, optimal in das Thema des integralen Vereinscoachings einführen. Ich stelle dir die vier relevanten Bereiche vor, gewähre dir Einblicke in den aktuellen Stand im Umgang mit diesen Bereichen, stelle unsere Gegner vor und wie wir erfolgreich und nachhaltig agieren können.
Den Titel „Anpfiff“ verdankt dieses Buch einem meiner Vorbilder, dem ehemaligen deutschen Nationaltorhüter Toni Schumacher, dessen Enthüllungsbuch Anpfiff aus dem Jahr 1987 für ihn leider zum Aus in der Nationalmannschaft und nach 15 Jahren auch zum Abpfiff beim 1.FC Köln führte. Schumacher wollte mit seinem Buch zum Nachdenken anregen und für neue Impulse im Fußball sorgen. Er war einer der ersten Fußballprofis, die mithilfe von autogenem Training ihren Fokus erhöhten und damit ihr Potenzial noch besser ausschöpfen und auf den Platz bringen konnten. Unsere Anliegen und Ziele sind ähnlich, auch ich möchte zum Nachdenken anregen und Werbung für die Disziplin des Mentalcoachings machen, die im Fußball leider immer noch eine untergeordnete Rolle spielt. Laut der Spielergewerkschaft VDV beschäftigen gerade einmal 15 % der 56 Proficlubs in Deutschland einen Sportpsychologen oder Mentalcoach. Diese Zahl spricht eine eindeutige Sprache. Die Verantwortlichen im deutschen Profifußball sehen keinen nennenswerten Mehrwert, den ihnen ein Mentaltrainer bieten könnte. Warum ich anderer Meinung bin und es Sinn macht dran zu bleiben, möchte ich kurz erläutern.
Mein Buch vertritt einen neuen und bis hierher einzigartigen Ansatz. Ich stelle in diesem Buch mein Konzept des integralen Vereinscoachings vor mit dem ein nachhaltiges Zusammenarbeiten aller Beteiligten verwirklicht werden kann, weil die Bereiche Spieler-, Trainer-, Mannschafts- und Fancoaching inklusive ihrer Zusammenhänge berücksichtigt werden. Um das maximale Potenzial aus einem Verein herausholen zu können, bedarf es der optimalen Potenzialentfaltung jedes Beteiligten und eines perfekten Zusammenspiels dieser vier Hauptbereiche.
Fühlen sich die Fans beispielsweise von den Vereinen und Verbänden nicht mehr ernst genommen und kommen sich nur noch wie lästiges Beiwerk vor, das lediglich maximal geschröpft werden soll, führt das im schlimmsten Fall zu Aktionen, wie der gegen Dietmar Hopp vor der Corona-Krise. Die Spiele ohne Zuschauer, die während der Corona-Zeit zwangsweise so ausgetragen werden mussten, haben uns gezeigt, dass Fans so wichtig sind. Sie sind das Salz in der Suppe, haben einen riesigen Anteil an der Faszination des Fußballs und wirken sich positiv auf die Leistung der Spieler aus.
Die sogenannten Mentalitätsspieler und Unterschiedsspieler sind nicht erst seit heute ein großes Thema, und kaum ein Trainer bestreitet noch, dass Fußball zu einem großen Teil auch Kopfsache ist.
Unsere Gesellschaft und ihre Strukturen haben lange Zeit die Tendenz zu sogenannten Ich-AGs gefördert. In den Mannschaftssportarten, zu denen der Fußball nun mal auch gehört, ist das ein Problem. Es ist kein leichter Weg die Spieler dafür zu begeistern, dass es auf ein gutes Zusammenspiel ankommt und die Einzelinteressen dahinter zurückstehen müssen, aber es ist möglich, wenn man ihnen individuell nach ihrer Motivationsveranlagung vermitteln kann, wieso das für sie von Bedeutung ist.
Zu guter Letzt gilt es mehr denn je, die Trainer mental zu stärken und zu unterstützen, da sich die Spirale zuletzt so weit gedreht hat, dass noch nicht einmal Erfolg einen Trainerstuhl sichern kann.
Ich zeige in meinem Buch auf, dass und wie diese Bereiche voneinander abhängen und wie es gelingen kann, dass es zu einem perfekten Zusammenspiel kommen kann.
Ein Verein kann sein maximales Leistungspotenzial nachhaltig entfalten, wenn:
■ alle Spieler ihr optimales Potenzial abrufen.
■ der Cheftrainer mit seinem dazugehörigen Stab die realistischen Ziele des Vereins verinnerlicht hat und alle Spieler seines Kaders, wie ein guter Dirigent sein Orchester, weiterentwickelt und bestmöglich aufstellt und ausrichtet.
■ die Mannschaft sich wirklich als solche versteht, persönliche Eitelkeiten zurückstellt und das WIR in der Gemeinschaft mit den Fans verinnerlicht hat und auf dem Rasen umsetzt.
■ zu guter Letzt Fans, die bedingungslos hinter ihrer Mannschaft stehen und genau erkennen, was ihre Lieblinge auf dem Rasen gerade brauchen, um alles aus sich herausholen zu können.
Bislang legen die meisten Vereine ihren Focus noch auf die einzelnen Probleme, die innerhalb eines Aufgabenbereichs auftreten; d. h. läuft es in einem Bereich nicht optimal, wird eventuell ein Experte zurate gezogen oder bequemer, aber finanziell verlustreicher, Personal ausgetauscht.
Die Aufgabe eines integralen Vereinscoachs liegt darin, alle relevanten Bereiche im Blick zu haben, Problemfelder zu erkennen, bevor sie gravierende Auswirkungen haben können, und einem Verein damit durch nachhaltiges Arbeiten jede Menge Geld zu sparen. Ein Spieler, der seine aktuell mögliche Leistungsfähigkeit nicht abrufen kann, kostet einen Verein nicht nur wichtige Punkte, sondern durch Transferverluste schnell mal ein paar Millionen.
Steht am Spieltag keine Mannschaft auf dem Platz, sondern eine Komposition aus sehr guten Einzelspielern, kann das gegen schwächere, aber hochmotivierte Mannschaften, die auch wirklich als solche auftreten, ebenfalls Punkte und finanzielle Einbußen bedeuten.
Ein Trainer, der seine Spieler und Mannschaft gerade nicht erreicht, kostet einen Verein ebenfalls sportlichen Erfolg und – je nachdem welche Konsequenzen gezogen werden – sehr viel Geld.
Zufriedene Fans, die das Gefühl haben, dass ihre Spieler sich für sie zerreißen und ihrer Mannschaft von den Tribünen genau die Unterstützung geben, die diese gerade braucht, weil sie das nötige Gespür dafür haben, wirken wie der berühmte 12. Mann und sorgen für ein Überzahlspiel. Das schafft gute Ergebnisse, gut besuchte stimmungsvolle Stadien und auch ein paar Euro mehr in der Vereinskasse.
Es lohnt sich, im wahrsten Sinne des Wortes alle vier Bereiche gleichermaßen zu fördern, zu coachen und für ein gesundes Verhältnis zueinander zu sorgen.
Mittlerweile gibt es im deutschen Profifußball schon ein paar Vereine, die zumindest für Teilbereiche erkannt haben, wie wichtig es ist, unterstützend und vernetzend zu arbeiten. Exemplarisch stehen hier für mich ein Sebastian Kehl bei Borussia Dortmund, ein Oliver Kahn bei Bayern München, der Freiburger Weg mit Joachim Streich, innovative aufgeschlossene Trainer wie Jürgen Klopp und David Wagner und mit Harald Layenberger in Kaiserslautern ein ehemaliger Hauptsponsor, der über den Tellerrand hinausschaut und dessen Namen für den „Sponsor der Fans“ steht. Sie sind Beispiele dafür, dass in gewissen Bereichen schon ein Umdenken stattfindet. Sebastian Kehl stellt eine Verzahnung zwischen den Bereichen Spielern, Mannschaft, Trainer und Geschäftsführung her, er verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und versucht seinen Verein bestmöglich aufzustellen, indem er ein Netzwerk von Spezialisten aufbaut und jetzt mit Philipp Laux auch einen erfahrenen Sportpsychologen mit ins Boot genommen hat. Oliver Kahn steht in München für ein Zusammenwirken aller Abteilungen auf Augenhöhe mit dem Ziel, gemeinsam Werte aufzustellen und eine Sieger- und Erfolgsmentalität auf allen Ebenen zu implementieren. Der SC Freiburg ist auf der Trainerposition das Aushängeschild in der Bundesliga für Nachhaltigkeit. Welche positiven Auswirkungen das hat, beschreibe ich in der Halbzeit, dem Kapitel, das den Trainern gewidmet ist. David Wagner, dem ich während eines Praktikums bei Borussia Dortmund über die Schultern schauen durfte, hat während seines Engagements auf Schalke die Fans, die gerade auf Schalke einen enormen Einfluss haben können, mit ins Boot geholt und verwehrte sich dagegen, unterschiedliche Bereiche, wie z. B. Fans und Präsident gegeneinander auszuspielen. Auf Schalke wurde Dank David Wagner lange Zeit der Fußball gespielt, den die Fans schätzen und sehen wollten. Auch Jürgen Klopp tauschte sich bei seinem Amtsantritt in Dortmund mit den Fans aus, um herauszufinden, welche Art von Fußball sie im Stadion von ihren Jungs sehen wollten. Das nenne ich Kundenorientierung, denn schließlich sind es die Fans, die dem Fußball zu seiner Popularität verholfen haben. Ähnlich erkannte Harald Layenberger auf dem Betzenberg, wie wertvoll die Westkurve für den Verein sein kann, wenn es gelingt Fans und Mannschaft wieder zusammenzubringen. Er hat das Erbe Fritz Walters vor einer möglichen Versteigerung bewahrt und bewiesen, dass ihm Werte und Tradition am Herzen liegen.
Die Beispiele von David Wagner und Harald Layenberger zeigen aber auch, wie schnelllebig das Fußballgeschäft ist und wie wichtig und essenziell Werte und Kommunikation sind. Kurz nach der Fertigstellung und kurz vor dem Druck dieses Buches wurde David Wagner mit seinem Trainerteam auf Schalke beurlaubt und Harald Layenberger als Hauptsponsor des 1. FC Kaiserslautern durch einen anderen Sponsor ersetzt. Vor einem Jahr wurde David Wagner noch für seine hervorragende Arbeit gelobt. Schalke spielte Tempofußball und die Spieler malochten auf dem Platz, wie sich das die Fans von ihrer Mannschaft gewünscht hatten. Die Analyse war klar, die Bosse auf Schalke hatten einen richtig guten Job gemacht und zur richtigen Zeit den passenden Trainer zu S 04 geholt. 365 Tage später soll das nun anders sein? Wer das glaubt, und das dann auch – ohne David Wagner persönlich zu kennen – mit den jetzt passenden Behauptungen versieht, macht es sich meiner Meinung nach zu leicht und lässt Respekt vermissen. Es sind die bis heute leider noch geltenden Mechanismen im Fußballgeschäft, die dort gnadenlos zugeschlagen haben. Natürlich ist es einfacher und für einen finanziell angeschlagenen Verein vermutlich gar nicht anders realisierbar, als drei Trainer zu beurlauben, statt große Teile des Kaders auszutauschen. Ob das aber für Schalke 04 der richtige Weg war, wird erst der weitere Saisonverlauf zeigen.
Und auch im Fall Harald Layenberger spielt das liebe Geld und ein finanziell in Schieflage geratener Traditionsverein die Hauptrolle. Harald Layenberger bot seinem Herzensverein bei der Vertragsunterzeichnung im Falle, dass ein Sponsor einen höheren Werbevertrag als Trikotsponsor bieten würde an, freiwillig die Brust zu räumen und den Weg frei zu machen. Wie das Ganze jetzt im Sommer im Eilverfahren ablief, darüber möchte ich lieber den Mantel des Schweigens ausbreiten.
Für meinen Arbeitgeber, den SV Sandhausen, ist es aus meiner Sicht ein Glücksgriff, dass das Unternehmen von Harald Layenberger jetzt die Brust unserer Profis ziert.
Layenbergers Herz für die Fans und sein Bewusstsein für Werte und Tradition sind gerade in der aktuellen Zeit von unschätzbarem Wert. Die Gesellschaft steht an einer Weggabelung, an der es darum geht, sich zu entscheiden, entweder so wie bisher im Schneller, Weiter, Stärker und noch erfolgreicher weiterzumarschieren und dabei große Teile der Gesellschaft abzuhängen, oder bedächtiger, dankbarer, weitsichtiger und nachhaltiger für langfristig stabile, ausgeglichenere Strukturen zu gehen. Versteht mich nicht falsch, ich bin ein Mensch der Erfolg total attraktiv findet und dafür seinen vollen Einsatz bringt, dieser Erfolg sollte meiner Meinung nach aber nicht kurzfristig über Einzelanstrengungen in einen Titel münden, sondern langfristig mit Freude und Spaß auf dem Weg mit einer intakten Gemeinschaft zu möglichst vielen Erfolgen führen.
Wenn man sich die positiven Beispiele aus Dortmund, München, Freiburg, von David Wagner, Jürgen Klopp und Harald Layenberger anschaut, lässt es sich ansatzweise erahnen, wie viel mehr noch möglich ist, wenn man das Potenzial eines jeden Bereichs voll ausschöpft, miteinander verknüpft und in einem Verein verwirklicht.
Integraler Ansatz bedeutet, eine Situation – oder in unserem Fall ein System wie den Fußball – aus mindestens vier verschiedenen Perspektiven zu betrachten, aus denen sich jeweils unterschiedliche Lösungen und Ansätze ergeben. Es gibt nicht den einzigen richtigen Standpunkt. Ich gehe davon aus, dass jede Perspektive richtige und wertvolle Punkte beisteuern kann, die es zu berücksichtigen gilt. Die Aufgabe des integralen Coaches ist es, sich in die unterschiedlichen Lager hineinzuversetzen und dabei nicht gegeneinander auszuspielen. Auch wenn dem einen oder anderen der Fußball als eher einfach erscheint, ergeben sich hier ebenfalls komplexe Situationen, in denen es keine einfachen Lösungen und nicht den einen Schuldigen und Verantwortlichen gibt. Ich möchte Brücken bauen und gemeinsame Schnittmengen aufzeigen. Der Job eines Vereinscoachs ist es, wie ein guter Wirtschaftsprüfer in einem Unternehmen die vier Bereiche Spieler, Trainer, Mannschaftsgefüge und Fans eines Vereins auf den Prüfstand zu stellen, die Stellschrauben für Verbesserungen herauszufiltern, ihr Potenzial zu ermitteln und für ein förderliches erfolgreiches Zusammenspiel zu sorgen. Es gilt, in alle vier Bereiche hineinzuhorchen, sich in alle vier Perspektiven hineinzuversetzen, die jeweiligen Standpunkte anzuhören und gewinnbringend miteinander zu verknüpfen. Aufgrund dieser Analyse erstellt er seinen individuellen Matchplan, der dann je nach vorhandenen Gegebenheiten größer oder kleiner ausfallen kann. Störende Faktoren kann es in allen Bereichen geben; ein Spieler, der aus unerfindlichen Gründen aktuell sein ursprüngliches Leistungsniveau nicht mehr abrufen kann, ein Trainer der sich ausgebrannt fühlt und Teile seiner Mannschaft nicht mehr erreicht, eine Mannschaft, die sich nicht mehr als Gemeinschaft sieht, weil Teile der Truppe das Gefühl haben, dass nicht nach dem Leistungsprinzip aufgestellt wird, und last but not least Fans, die am Wochenende sprichwörtlich ihr letztes Hemd für den Verein geben, dann aber auf dem Rasen nicht erkennen können, dass die Spieler ihres Vereins es ihnen gleichtun, sondern eher lustlos ihre Arbeit verrichten.
Spieltagsspezifisch kann das in abgespeckter Version mit dem gegnerischen Verein geschehen, um mögliche Schwachstellen auszumachen und die eigenen Stärken und Chancen noch besser ausspielen und einsetzen zu können.
Ich bin ein Praktiker, Teamplayer, innovativ, neugierig, ausdauernd, Chancensucher, positiv denkender und Erfolg liebender Coach, der an die Menschen, die ihm anvertraut sind, glaubt und ihre Stärken und Wege sieht und fördert. Es deprimiert mich sehr zu beobachten, wenn Menschen und Systeme ihr vorhandenes Potenzial nicht voll entwickeln und ausschöpfen, und gleichzeitig ist dies auch mein größter Antrieb. Meinen Beitrag dazu zu leisten, dass die vollen PS auf die Straße beziehungsweise ins Stadion auf den Rasen gebracht werden.
Ob es tatsächlich Gegner von Mentalcoaching im Fußball gibt, kann ich so gar nicht beantworten. Aber wenn nur so eine geringe Anzahl von Vereinen mit einem Mentalcoach zusammenarbeitet, bleibt zumindest der Verdacht, dass es Vorbehalte gibt. Und natürlich gibt es diejenigen, für die früher alles besser war. In deren Augen die Verpflichtung eines Mentalcoachs oder Sportpsychologen ein schlechtes Zeugnis für den Verein ausstellt, weil man sich ja dann eingesteht Probleme zu haben, die man ohne Hilfe von außen nicht in den Griff bekommt. Aber mal ganz ehrlich: Welches größere erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen, und das sind Fußballbundesligavereine mittlerweile, käme auf die Idee, auf einen Wirtschaftsprüfer zu verzichten? Das Leben, auch im Fußball, ist komplexer geworden. Kein Verein stellt Gott sei Dank infrage, dass die Positionen von Co-trainer, Torwarttrainer, Athletiktrainer, Physiotherapeuten, Videoanalysten und Zeugwart überflüssig sind, nur weil es früher auch ohne diese Fachleute super lief. Ein guter Trainer steht heute auch vor der Aufgabe, diesen großen Mitarbeiter- und Betreuerstab gut zu koordinieren, zu moderieren und zu motivieren.
Bei der Mentalität geht man irrtümlich oft davon aus, dass sie dem jeweiligen Spieler mit in die Wiege gelegt wurde und kaum trainierbar sei, aber jedem Profitorwart ist auch das entsprechende Talent mitgegeben worden, trotzdem gäbe es zu Recht einen mächtigen Aufschrei, wenn man ihm sein spezifisches Torwarttraining streichen würde. Und wie ich später ausführen werde, ist das mit dem Mentaltraining nichts anderes.
Zum Glück konnte ich in meiner bisherigen Arbeit mit großer Erleichterung feststellen, dass nicht die Trainer mit den meisten Problemen auf mich als Mentaltrainer zurückgreifen, sondern eher die erfolgreichen, innovativen Trainer, die ihre Spieler ständig ein wenig besser machen möchten.
Und jetzt übergebe ich wieder an Alex, denn es wird höchste Zeit, dass er sich aufwärmen und ordentlich auf sein Saisondebüt vorbereiten kann.
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