Apocalypse - niemals! - Michael Shellenberger - E-Book

Apocalypse - niemals! E-Book

Michael Shellenberger

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Beschreibung

"Der Klimawandel ist da, aber er führt nicht in die Apokalypse. Und er ist nicht einmal unser größtes Problem!" In seinem aktuellen Bestseller "Apocalypse never" zeigt sich der bekannte und international angesehene Umweltaktivist Michael Shellenberger als leidenschaftlicher Verfechter einer rationalen Umweltpolitik und erteilt dem Öko-Alarmismus eine klare Absage. Er legt dar, wie die vermeintlich alarmierenden Daten sachlich zu interpretieren sind und was wirklich hinter der Klimahysterie steckt: nämlich finanzielle Interessen, Machtstreben und die Sehnsucht nach einer Ersatz-Religion. Hierin sieht Shellenberger die eigentliche Gefahr für Mensch und Natur und fordert praktikable und innovative Lösungen jenseits ideologischer Tabus, darunter die Kernkraft als sichere und saubere Energiequelle. Dieses hervorragend recherchierte Buch räumt mit vielen Mythen auf und lässt die Fakten für sich sprechen.

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Seitenzahl: 708

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MICHAEL SHELLENBERGER

APOKALYPSE, NIEMALS!

WARUM UNS DER

KLIMA-

ALARMISMUS KRANK MACHT

Aus dem Amerikanischen

von Pascale Mayer

„Distanzierungserklärung:

Mit dem Urteil vom 12.05.1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite gegebenenfalls mit zu verantworten hat. Dies kann, so das Landgericht, nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Wir haben in diesem E-Book Links zu anderen Seiten im World Wide Web gelegt. Für alle diese Links gilt: Wir erklären ausdrücklich, dass wir keinerlei Einfluss auf die Gestaltung und die Inhalte der gelinkten Seiten haben. Deshalb distanzieren wir uns hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten in diesem E-Book und machen uns diese Inhalte nicht zu Eigen. Diese Erklärung gilt für alle in diesem E-Book angezeigten Links und für alle Inhalte der Seiten, zu denen Links führen.“

»Das Originalmanuskript dieses Buches wurde in der ersten Jahreshälfte 2020 abgeschlossen und entspricht dem damaligen Informationsstand.«

„Das Originalmanuskript dieses Buches wurde in der ersten Jahreshälfte 2020 abgeschlossen und entspricht dem damaligen Informationsstand.«

Titel der Originalausgabe »Apocalypse never: why environmental alarmism hurts us all«

© 2020 by Michael Shellenberger, published by Harper,

an Imprint of HarperCollins Publishers, LLC,

195 Broadway, 24th floor, New York, NY 10007, U.S.A.

Deutsche Ausgabe

© 2022 LMV, ein Imprint der Langen Müller Verlag GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Sabine Schröder

Umschlagmotiv: getty images

Satz und Ebook-Konvertierung: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-7844-8425-9

www.langenmueller.de

Für Joaquin und Kestrel

INHALT

Vorwort zur deutschen Übersetzung von »Apocalypse Never«

Einleitung

1. Das ist doch nicht das Ende der Welt

2. Die grüne Lunge der Erde brennt nicht

3. Schluss mit den Plastikstrohhalmen

4. Das sechste Massensterben ist abgesagt

5. Sweatshops retten den Planeten

6. Die Walhelfer

7. Dann sollen sie doch Fleisch essen …

8. Die Natur retten – das ist Bombe!

9. Die Umwelt zerstören, um sie zu retten

10. Es dreht sich alles um Kohle

11. Das Leugnen der Macht

12. Falsche Götter für verlorene Seelen

Nachwort

Danke

Anmerkungen

Personenregister

Vorwort zur deutschen Übersetzung von »Apocalypse Never«

Die Tatsache, dass mein Buch seit seinem Erscheinen auf dem amerikanischen Markt im Sommer 2020 in mehr als ein Dutzend Fremdsprachen übersetzt wurde, macht mich natürlich sehr glücklich. Dabei ist die deutsche Ausgabe von »Apocalypse Never« für mich von ganz besonderer Bedeutung. Und das nicht nur, weil Deutschland die größte Wirtschaftsmacht Europas ist. In den letzten sechs Jahren habe ich das Land öfter besucht und viele deutsche Freunde und Verbündete gewonnen, die mir sehr wichtig sind. Während dieser Reisen habe ich Deutschland für seine Kompetenz, Intelligenz und Vernunft schätzen gelernt und daher betrachte ich mich heute als Freund der deutschen Nation.

Allerdings hat mir in den letzten sechs Jahren manches auch Kopfzerbrechen bereitet: Während sich dieses intelligente und vernünftige Land von der Kernkraft verabschiedet und somit seine Abhängigkeit von Erdgas und Kohle weiter vergrößert, fällt es mir sehr schwer, die deutschen Verhaltensweisen zu verstehen, die so ganz und gar nicht vernünftig sind. Die Stromerzeugung aus Windkraft ging 2021 in Deutschland stärker zurück als jemals zuvor, wohingegen Kohle der wichtigste Energieträger zur Stromerzeugung blieb und sogar ein Rekordplus gegenüber dem Vorjahr verzeichnen konnte. Der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten Stromeinspeisung ging im selben Zeitraum von 44 auf 41 Prozent zurück, weil 2021 mehr Windflauten auftraten als 2020. Kohlestrom legte um etwa ein Fünftel zu und brachte es auf einen Anteil von 28 Prozent des deutschen Energiemix. Folglich stieg der CO2-Ausstoß um fünf Prozent, was wiederum bedeutet, dass Deutschland seine selbstgesteckten Klimaziele für 2030 zu verfehlen droht.1

Aber die Stilllegung von Atomkraftwerken ist nicht der einzige Grund, weshalb die Kohlendioxidemissionen in Deutschland 2021 angestiegen sind. Ein Wiederaufschwung der Wirtschaft nach einem, in vielerlei Hinsicht verheerenden, Jahr Corona-Pandemie spielte ebenso eine Rolle wie steigende Erdgaspreise, die zur Folge hatten, dass mehr Kohle verbrannt wurde. Dabei war einer der Hauptgründe für den Anstieg der Erdgaspreise der Druck der Klimaaktivisten. Auch in Deutschland gingen viele von ihnen auf die Straße, um gegen den weltweiten Ausbau der Erdgas-Infrastruktur zu demonstrieren. Das Resultat war ein Mangel an Erdgas und die Verbrennung von mehr Kohle, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, und auch in Nordamerika und Asien.

Mit steigenden CO2-Emissionen und Stromkosten – den gegenwärtig höchsten in Europa – veranschaulicht Deutschland auf dramatische Art und Weise, dass erneuerbare Energien nicht in der Lage sind, hochenergetische Wirtschaftssysteme mit ausreichend Strom zu versorgen. Deutsche Wissenschaftler sind sich darüber bereits seit Jahrzehnten im Klaren. 1982 erschien das Buch »Der unterirdische Wald – Energiekrise und industrielle Revolution« von Rolf Peter Sieferle. Der Historiker bewies anhand von physikalischen Hitzemessungen, dass die industrielle Revolution im 17. und 18. Jahrhundert in Europa nicht ohne Kohle hätte stattfinden können. Holz lieferte einfach nicht genügend Energie, um die Maschinen anzutreiben, es hatte eine zu niedrige Energiedichte und war zudem ein knapper Rohstoff. 2010 reproduzierte ein Historiker der Universität Oxford Sieferles Ergebnisse, indem er dieselbe Methode anwandte und belegte, dass es die industrielle Revolution in England zwischen 1760 und 1840 ohne Kohle ebenfalls nicht gegeben hätte.

In Deutschland will man das allerdings nicht so recht glauben. Viele geben sich lieber der Illusion hin, dass sich das ganze Land zu hundert Prozent mit erneuerbaren Energien versorgen ließe.

Die Anti-Atomstrom-Pro-Erneuerbare-Energien-Klimawandelbewegung bekam durch Greta Thunberg enormen Auftrieb. 2019 bezeichnete sie Atomkraft als »sehr gefährlich, teuer und zeitaufwendig« und sprach sich klar gegen ihre erweiterte Nutzung aus. Thunberg genießt vor allem in Deutschland großen Einfluss, von dort stammen viele ihrer engsten Mitstreiter. 2019 sagte sie auch: »Ich will nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich will, dass ihr in Panik verfallt.« Das Wort Panik wird definiert als eine »durch eine plötzliche Bedrohung hervorgerufene, übermächtige Angst, die das Denken lähmt und zu kopflosen Reaktionen führt«. Anders ausgedrückt: Thunberg forderte die Menschen dazu auf, sich kopflos, also unvernünftig zu verhalten, und Deutschland, die sonst so vernünftige Nation, tat genau das. Für Thunberg, die Grünen und andere Befürworter eines Niedrigenergie-Lebensstils stellt der vormoderne Charakter der erneuerbaren Energien lediglich ein Merkmal dar, keinen Makel.

Es gibt Menschen, die vertreten die Meinung, dass die eigentliche Motivation, die dem deutschen Experiment mit den erneuerbaren Energien zugrunde liegt, mit Schuld und Vergangenheitsbewältigung zu tun hat: »Die Deutschen würden dann endlich das Gefühl haben, im 20. Jahrhundert nicht mehr Weltzerstörer, sondern Weltretter zu sein«, stellte das Handelsblatt 2017 fest. Deutschland hat sich zunächst auf Energiequellen gestützt, die im 20. Jahrhundert entstanden sind, wie zum Beispiel die Kernkraft, und ist später dann zu solchen Energiequellen zurückgekehrt, die vor der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert genutzt wurden, nämlich den erneuerbaren Energien. So entstand der Traum von einer Rückkehr in die Zeit bevor der Mensch sich von der Natur abwandte. Und tatsächlich ist dieser Traum in der Parteipropaganda der Grünen und in anderen Formen der Werbung für erneuerbare Energien deutlich zu erkennen.

Das alles könnte man als Naturromantik, als linke Plattitüden in Deutschland und dem Rest der Welt abtun, hätte es nicht solche außerordentlich negativen Auswirkungen auf die Sicherheit Deutschlands und Europas. Der Ausstieg aus der Kernkraft bedeutet ja nicht nur einen Anstieg der CO2-Emissionen und eine zunehmende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Der Ausstieg aus der Kernkraft bedeutet auch, dass Deutschland – und mit ihm ganz Europa – in eine immer größere Abhängigkeit von importiertem russischem Erdgas gerät. In der Folge verhält man sich immer zurückhaltender, wenn es darum geht, klar gegen Russlands Drohgebärden und die Kriegsgefahr an der ukrainischen Grenze Stellung zu beziehen.

In Zeiten einer gesamteuropäischen Energiekrise, die gleichzeitig auch eine Sicherheitskrise ist, hoffe ich, dass »Apokalypse, niemals!« zu einer längst überfälligen Debatte in Deutschland beiträgt – der Debatte nämlich, ob es wirklich sinnvoll und vernünftig ist, Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen und sich damit abhängig von russischem Erdgas zu machen. In gewissem Maße ist eine solche Diskussion bereits im Gange und die deutsche Presse scheint inzwischen auch mutiger geworden zu sein, sich kritisch zur Energiewende zu äußern.

Die Deutschen sind kompetent, intelligent und vernünftig, ja. Aber die Deutschen sind eben auch nur Menschen. Um es mit den Worten Nietzsches zu sagen: »Wir bleiben uns eben notwendig fremd, wir verstehen uns nicht (…)«. Wenn uns unser blinder Fleck in Schwierigkeiten bringt, dann verlassen wir uns auf unsere Freunde, dass sie uns vor uns selber schützen mögen. Ich hoffe, die deutschen Leser werden »Apokalypse, niemals!« so aufnehmen, wie ich es beabsichtigt habe: als eine freundschaftliche Geste in immer dunkler werdenden Zeiten.

Michael Shellenberger, im Februar 2022

1 Agora Energiewende, »Deutschland entfernt sich 2021 vom Klimaziel,« 07. Januar 2022

1. DAS IST DOCH NICHT DAS ENDE DER WELT

Das Ende naht

Hätten Sie am 7. Oktober 2018 die Webseiten von zwei der meistgelesenen Zeitungen Amerikas besucht, dann hätten Sie gedacht, das Ende der Welt stünde bevor. Ein New-York-Times-Artikel trug die Überschrift: »Umfassender Klimabericht prognostiziert starkes Krisenrisiko bereits für 2040«. Darunter konnte man das Foto eines kleinen Jungen sehen, der mit den Knochen eines Tierkadavers spielte.1 Die Washington Post titelte am selben Tag: »Laut UN-Wissenschaftlern bleibt der Welt ein Jahrzehnt, um den Klimawandel unter Kontrolle zu bringen«.2

Diese Geschichten, und ähnliche auf anderen Medienkanälen, basierten auf einem Spezialbericht des Weltklimarats, einem Gremium der Vereinten Nationen, welches aus 195 Wissenschaftlern und anderen Mitgliedern aus der ganzen Welt besteht, die für die Auswertung klimawandelrelevanter Daten verantwortlich sind.

2019 folgten zwei weitere Weltklimaratberichte, die vor ähnlich verheerenden Folgen warnten: Zunahme sich verschlimmernder Naturkatastrophen, Anstieg des Meeresspiegels, Wüstenbildung, Bodendegradation. Ein moderater Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius würde »dauerhafte oder unumkehrbare« Schäden anrichten, der Klimawandel könnte Landschaften zerstören und damit auch die Lebensmittelproduktion. Die New York Times berichtete, die Erderwärmung drohe, die Ressourcenknappheit zu verschärfen, während durch »Überschwemmungen, Dürren, Stürme und andere extreme Wetterphänomene« die weltweite Lebensmittelversorgung mit der Zeit gestört und vermindert werden könne.3

Eine NASA-Wissenschaftlerin prognostizierte den gleichzeitigen Zusammenbruch mehrerer Lebensmittelsysteme auf unterschiedlichen Kontinenten. »Die potenzielle Gefahr multipler Kornkammerkollapse steigt«, erklärte sie der New York Times.

Im August 2019 veröffentlichten über 100 Experten aus 52 Ländern einen Weltklimaratbericht über den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Landnutzung. Darin warnten sie davor, dass »das Zeitfenster, um dieses gefährliche Problem in Angriff zu nehmen, sich sehr schnell schließt« und dass »fruchtbarer Boden zwischen zehn- und hundertmal schneller verloren geht, als er sich bildet«.4

Es wurde gewarnt, Bauern würden nicht mehr in der Lage sein, genügend Lebensmittel anzubauen, um damit die Weltbevölkerung zu ernähren. »Schwer vorstellbar, wie wir acht Milliarden Menschen, oder auch nur die Hälfte davon, versorgen sollen«, sagte ein Agrarwissenschaftler.5

»Bis zu einem gewissen Punkt können wir uns anpassen«, meinte Michael Oppenheimer, Professor für Geowissenschaften und Internationale Angelegenheiten an der Princeton University und einer der Leitautoren des Weltklimaratberichts. »Aber dieser Punkt hängt davon ab, wie sehr wir Treibhausgasemissionen mindern werden.« Wenn die Emissionen bis 2050 weiterhin zunehmen, dann wird der Meeresspiegelanstieg bis 2100 wahrscheinlich über 92 Zentimeter betragen, an welchem Punkt »das Problem zu groß sein wird … es wird nicht mehr zu bewältigen sein«.6

Eine zu große Erderwärmung könnte eine ganze Reihe irreversibler Kipppunkte, sogenannte Tipping-Points, zur Folge haben, sagten die Wissenschaftler. So könnte beispielsweise der Meeresspiegelanstieg die Golfstromzirkulation verlangsamen und die nordatlantische Tiefwasserströmung beeinflussen, was wiederum die Oberflächentemperatur verändern würde.7 Arktischer Permafrost von der Größe Australiens könnte schmelzen und 1400 Gigatonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre abgeben.8 Der antarktische Pine-Island-Gletscher könnte in den Südlichen Ozean stürzen und den Meeresspiegel um fast vier Meter ansteigen lassen.9

Wissenschaftler behaupten zudem, dass die zunehmende Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Atmosphäre die Chemie der Ozeane auf eine Weise verändere, die Meeresflora und -fauna bedrohen und ein Massenaussterben verursachen könnte. Eine Studie, 2016 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht, fand, dass erhöhte Kohlenstoffdioxidwerte gewisse Arten von Korallenfischen derart verwirrten, dass sie leichte Beute für Raubfische würden.10

Viele haben den Klimawandel für die furchtbaren Flächenbrände in Kalifornien verantwortlich gemacht. Die Anzahl der Menschen, die durch solche Brände ums Leben kamen, ist sprunghaft gestiegen, von einem Toten im Jahr 2013 auf 100 Tote im Jahr 2018. Von den 20 verheerendsten Feuerkatastrophen in der Geschichte Kaliforniens ereignete sich die Hälfte nach 2015.11 Mittlerweile zieht sich die offizielle Waldbrandsaison des Staates über zwei bis drei Monate länger hin, als dies noch vor 50 Jahren der Fall war.12 Der Klimawandel verursacht außerdem mehr Dürren, und er macht Bäume anfälliger für Krankheiten und Schädlingsbefall.

»Der Grund, weshalb sich diese Flächenbrände derart verschlimmert haben, ist der Klimawandel«, sagte der Schauspieler Leonardo DiCaprio.13 »So sieht Klimawandel aus«, sagte auch die US-Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez.14 »Das ist der Untergang Kaliforniens, wie wir es kennen«, zog ein New-York-Times-Kolumnist seine Schlüsse.15

In Australien brannten über 135 Buschfeuer in der ersten Hälfte des Jahres 2020. Sie forderten 34 Todesopfer, eine Milliarde Tiere kamen dabei schätzungsweise ums Leben, und fast 3000 Häuser wurden beschädigt beziehungsweise komplett zerstört.16

Der US-Journalist David Wallace-Wells warnte in seinem Buch »Die unbewohnbare Erde«: Bei einer Klimaerwärmung von zwei Grad Celsius begännen die Eisschilde zu verschwinden, 400 Millionen Menschen würden an Wassermangel leiden, die Großstädte rund um den Äquator würden unbewohnbar, und selbst in den nördlichen Breitengraden würden Hitzewellen jeden Sommer Tausende Menschen das Leben kosten.17

Der Klimawandel sei die größte Herausforderung, der sich die Menschen je zu stellen hätten, sagte Umweltaktivist und Autor Bill McKibben. »Und im Moment sieht es so aus, als werde er Zivilisationen auslöschen.«18

Von einem Weltklimaratmitglied konnte man hören, dass nationale Grenzen in einigen Teilen der Welt bedeutungslos würden: »Man kann vielleicht eine Mauer bauen, um 10000, 20000 oder sogar eine Million Menschen aufzuhalten, aber zehn Millionen Menschen wird man nicht aufhalten können.«19

»Um das Jahr 2030 werden wir uns in einer Lage befinden, in der wir eine unumkehrbare Kettenreaktion auslösen, die nicht mehr menschlicher Kontrolle unterliegt und die höchstwahrscheinlich das Ende unserer Zivilisation bedeuten wird, so, wie wir sie kennen«, sagte die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2019. »Ich will nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich will, dass ihr in Panik verfallt.«20

Volle Widerstandskraft voraus

Anfang 2019 gab die frisch gewählte 29-jährige US-Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez dem Atlantic-Magazin ein Interview. Sie plädierte für einen Green New Deal, ein Konzept, mit dem eine ökologische Wende eingeleitet werden solle, ein Konzept, das Probleme wie Armut und soziale Ungerechtigkeit ebenso angehen würde wie den Klimawandel. Sie wehrte sich gegen Kritik, ein solcher Deal sei zu teuer. »Wenn wir den Klimawandel nicht angehen, dann wird diese Erde in zwölf Jahren nicht mehr existieren«, sagte sie, »und Ihre größte Sorge ist, wie wir das bezahlen?»21

Am folgenden Tag befragte die Nachrichtenwebseite Axios mehrere Wissenschaftler zu Alexandria Ocasio-Cortez’ Aussage über den drohenden Weltuntergang. »Diese ganzen zeitlichen Begrenzungen und konkreten Fristen sind Quatsch«, antwortete der NASA-Klimaforscher Gavin Schmidt. »Wenn das Kohlenstoffdioxidbudget aufgebraucht ist oder wir irgendein selbst gestecktes Temperaturziel nicht erreichen, geschieht nichts Besonderes, außer dass die Emissionskosten immer weiter steigen werden.«22

Andrea Dutton, Paläoklimatologin an der University of Wisconsin-Madison, meinte: »Aus irgendeinem Grund haben sich die Medien an diesen ›zwölf Jahren‹ beziehungsweise an dem Jahr 2030 festgebissen, wahrscheinlich weil man dachte, es würde dabei helfen zu vermitteln, wie schnell wir da auf etwas zurasen und wie dringend Handlungsbedarf besteht. Leider hat das zu einer kompletten Fehldarstellung dessen geführt, was eigentlich im Bericht steht.«23

Was der Weltklimarat 2018 tatsächlich in seinem Bericht und seiner Pressemeldung veröffentlicht hatte, war Folgendes: Um eine gute Chance zu haben, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, das heißt den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, müssen wir Treibhausgasemissionen bis 2030 um 45 Prozent reduzieren. Der Weltklimarat hatte nicht behauptet, dass ein Temperaturanstieg von über 1,5 Grad das Ende der Welt bedeute und auch nicht das Ende unserer Zivilisation.24

Eine ähnlich negative Haltung hatten Wissenschaftler gegenüber den extremen Äußerungen von Extinction Rebellion. Ken Caldeira, Atmosphärenforscher an der Stanford University in Kalifornien, der als einer der ersten Wissenschaftler Alarm wegen der Versauerung der Meere schlug, meinte: »Obwohl viele Arten vom Aussterben bedroht sind, droht der Klimawandel nicht, die Menschheit auszurotten.«25 Kerry Emanuel, Professor für Meteorologie am Massachusetts Institute of Technology, erklärte mir: »Ich kann die Leute, die immer ›Apokalypse‹ schreien, kaum noch ertragen. Ich denke nicht, dass es irgendjemandem nützt, die Situation als Apokalypse zu bezeichnen.«26

Ein Pressesprecher von Alexandria Ocasio-Cortez teilte daraufhin Axios mit: »Welchen Namen wir dem Phänomen geben, ob ›existenziell‹ oder ›katastrophal‹, ist doch wirklich Haarspalterei. Wichtig ist, dass wir bereits jetzt eine Menge klimabedingter Probleme sehen, die sich spürbar auf unser Leben auswirken.«27

Selbst wenn diese Aussage stimmt, wird sie durch eine Statistik relativiert, die einen 92-prozentigen Rückgang bei den durch Naturkatastrophen herbeigeführten dekadischen Todesfällen belegt. Deren Wert war in den 1920er Jahren am höchsten. Damals verloren 5,4 Millionen Menschen ihr Leben durch Naturkatastrophen. In den 2010er Jahren starben lediglich 0,4 Millionen.28 Noch dazu kommt, dass sich die Weltbevölkerung in dieser Zeit fast vervierfacht hat.

Tatsächlich sind reiche wie arme Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten sehr viel weniger anfällig für extreme Wetterphänomene geworden. 2019 hat die Fachzeitschrift Global Environmental Change eine große Studie veröffentlicht, welche belegt, dass Sterberaten und wirtschaftliche Schäden durch Klimakatastrophen seit den 1980er Jahren um 80 bis 90 Prozent zurückgegangen sind.29

Während der globale Meeresspiegel zwischen 1901 und 2010 um 19 Zentimeter angestiegen ist,30 rechnet der Weltklimarat mit einem weiteren Anstieg von 66 bis 83 Zentimetern bis 2100. Selbst wenn diese Vorhersage sich als dramatische Unterschätzung erweisen sollte, so wird das langsame Tempo, mit welchem der Meeresspiegel ansteigt, uns voraussichtlich doch reichlich Zeit geben, um uns anzupassen.

Es gibt gute Vorbilder für die erfolgreiche Anpassung an einen steigenden Meeresspiegel. Die Niederlande beispielsweise entwickelten sich zu einer wohlhabenden Nation, obwohl ein Drittel des Landes unter dem Meeresspiegel liegt, inklusive einiger Gegenden, die volle sieben Meter darunterliegen, aufgrund des sukzessiven Absinkens der Landschaften.31 Außerdem sind wir heute weitaus fähiger, unsere Umwelt zu verändern und umzurüsten, als wir es jemals zuvor waren. So arbeiten holländische Wissenschaftler unter anderem mit der Regierung Bangladeschs zusammen, um das Land auf einen steigenden Meeresspiegel vorzubereiten.32

Und wie sieht es mit den Waldbränden aus? Dr. Jon Keeley, ein Feuerökologe des United States Geological Survey in Kalifornien, einer wissenschaftlichen Behörde unter Aufsicht des amerikanischen Innenministeriums, forscht seit 40 Jahren auf dem Gebiet. »Wir haben uns den Zusammenhang zwischen Klima und Feuer in ganz Kalifornien angesehen«, sagte er mir, »und für weite Strecken des Staates, vor allem in der westlichen Hälfte Kaliforniens, haben wir keine Verbindung zwischen Klima und verbrannter Landfläche gesehen.«33

2017 nahm ein Team von Forschern rund um Jon Keeley Modellversuche in 37 verschiedenen Regionen in den Vereinigten Staaten vor und kam zu dem Schluss, dass »der Mensch das Verhalten von Feuerregimen nicht nur beeinflusst, sondern dass seine Gegenwart tatsächlich den Effekt außer Kraft setzen kann, den das Klima hat.« Keeleys Team fand heraus, welche die einzigen statistisch relevanten Faktoren für die Häufigkeit und die Intensität von Bränden über die Jahre hinweg waren: Bevölkerungszahl und die Nähe zu Bebauung.34 Was den Regenwald betrifft, so informierte die New York Times ganz richtig, dass die Amazonas-Waldbrände von 2019 »nicht durch den Klimawandel ausgelöst« wurden.35

Anfang 2020 stellten Wissenschaftler die Behauptung infrage, dass erhöhte Kohlenstoffdioxidwerte gewisse Arten von Korallenfischen veränderten und sie so zu einer leichten Beute für Raubfische machten. Die sieben Wissenschaftler, die ihre Studie in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten, hatten bereits drei Jahre zuvor Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer Meeresbiologin geäußert, deren Forschungsergebnisse 2016 im Magazin Science erschienen waren. Eine Untersuchung durch die australische James Cook University ergab, dass die Meeresbiologin ihre Daten gefälscht haben musste.36

Was die Lebensmittelproduktion angeht, kam die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen zu dem Schluss, dass die Ernteerträge vor dem Hintergrund verschiedener Klimawandelszenarien signifikant steigen würden.37 Wir produzieren bereits heute genügend Nahrung für zehn Milliarden Menschen, das ist ein 25-prozentiger Überschuss. Experten glauben, dass wir noch mehr produzieren werden – trotz des Klimawandels.38

Dabei wird die Produktion laut Welternährungsorganisation, wie im letzten Jahrhundert auch, mehr vom Zugang zu Traktoren, Bewässerungssystemen und Düngemitteln abhängen als vom Klimawandel. Es wird prognostiziert, dass sogar Bauern, die heute in den ärmsten Regionen der Welt leben, wie beispielsweise Subsahara-Afrika, dank des technischen Fortschritts allein um 40 Prozent größere Ernteerträge erzielen könnten.39

In seinem vierten Sachstandsbericht (2007) projizierte der Weltklimarat, dass die globale Wirtschaft im Jahr 2100 drei- bis sechsmal größer sein würde als heute. Außerdem ist der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften von 2018, William D. Nordhaus, der Meinung, dass die Anpassung an einen hohen Temperaturanstieg von vier Grad Celsius das Bruttoinlandsprodukt nur um 2,9 Prozent reduzieren würde.40

Hört sich das vielleicht nach dem Ende der Welt an?

Apocalypse Now

Alle, die das Ende der Welt gerne aus nächster Nähe betrachten möchten, könnten sich kein unpassenderes Ziel aussuchen als die Demokratische Republik Kongo in Zentralafrika. Der Kongo41 hat ein Händchen dafür, die apokalyptischen Prophezeiungen der Ersten Welt zu relativieren. Im Dezember 2014 war ich selbst dort, um die Auswirkungen des weitverbreiteten Einsatzes von Energieholz auf Mensch und Natur zu erforschen. Dabei interessierte mich insbesondere der legendenumwobene Berggorilla.

Bereits wenige Minuten, nachdem ich die Grenze vom benachbarten Ruanda in die kongolesische Großstadt Goma überquert hatte, machten mich die extreme Armut und das enorme Chaos sprachlos: Motorräder schossen über pockennarbige Straßen mit riesigen Schlaglöchern, auf den Lenkstangen saßen kleine Kinder, die jüngsten wohl kaum zwei Jahre alt; Menschen hausten in Wellblechbaracken; von A nach B gelangte man eng zusammengepfercht wie Sträflinge in winzigen Bussen mit vergitterten Fenstern; überall Müll; am Straßenrand riesige Berge abgekühlter Lava, Zeugnisse der vulkanischen Wut, die unter der Erdoberfläche brodelt.

In den 1990ern und dann wieder in den frühen 2000ern war der Kongo Epizentrum des sogenannten »Afrikanischen Weltkrieges«, des tödlichsten Konfliktes seit dem Zweiten Weltkrieg. Zahlreiche afrikanische Staaten waren beteiligt, drei bis fünf Millionen Menschen starben, größtenteils an Hunger und Krankheiten. Weitere zwei Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen und in benachbarten Staaten um Asyl ersuchen. Hunderttausende Frauen, Männer und Kinder wurden vergewaltigt, oft mehrmals, von verschiedenen bewaffneten Gruppen.42

Während meines Aufenthaltes im Kongo streiften angriffsbereite Milizen umher. Dorfbewohner, unter ihnen auch Kinder, wurden mit Macheten niedergemetzelt. Man beschuldigte Al-Shabab-Terroristen aus Somalia, aber niemand bekannte sich zu den Morden. Die Gewalt schien nicht an militärische oder strategische Ziele geknüpft. Das kongolesische Militär, die Polizei, die Friedenstruppen der Vereinten Nationen, alles in allem um die 6000 Soldaten, waren entweder nicht fähig oder nicht willens, den Terrorangriffen irgendetwas entgegenzusetzen.

»Do not travel« stand unverblümt auf der Webseite des US-Außenministeriums. Von Reisen in die Demokratische Republik Kongo wurde abgeraten. »Wenn sie auch eher selten im Vergleich zu Bagatelldelikten vorkommen, so sind Gewaltverbrechen, wie bewaffneter Raubüberfall, bewaffneter Hausfriedensbruch und Körperverletzung, nicht unüblich. Die Ortspolizei verfügt nicht über die erforderlichen Mittel, um effektiv gegen Kapitalverbrechen vorzugehen. Straftäter könnten sich als Polizisten oder Sicherheitspersonal ausgeben.«43

Ein Grund, aus welchem ich mich sicher auf meinen Reisen durch die östlichen Provinzen des Kongo fühlte und auch meine Frau Helen dorthin mitnahm, war, dass der Schauspieler Ben Affleck die Gegend bereits mehrfach besucht und eine Wohltätigkeitsorganisation gegründet hatte, um das Wirtschaftswachstum zu fördern. Also dachte ich mir, wenn der Ostkongo sicher genug für einen Hollywoodstar war, würde er auch sicher genug für Helen und mich sein.

Um bestens vorbereitet zu sein, stellte ich Ben Afflecks Fremdenführer, Übersetzer und Problemlöser, Caleb Kabanda, ein. Caleb war Kongolese und genoss den Ruf, seine Kunden bestens zu beschützen. Bevor wir uns auf die Reise machten, telefonierten wir mit Caleb. Ich erklärte ihm, dass ich den Zusammenhang zwischen Energieknappheit und Naturschutz erforschen wolle. Mit Verweis auf Goma, Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu und sechstbevölkerungsreichste Stadt des Kongo, fragte Caleb: »Können Sie sich eine Stadt mit zwei Millionen Einwohnern vorstellen, die sich zur Energiegewinnung auf Holz verlässt? Das ist doch verrückt!«

98 Prozent der Menschen im Ostkongo vertrauen auf Holz und Kohle als primäre Energiequelle zum Kochen. Im ganzen Land tun das neun von zehn der 92 Millionen Einwohner, und dabei hat nur einer von fünf Zugang zu Elektrizität.44, 45 Der Kongo muss mit 1.500 Megawatt Elektrizität auskommen, das ist ungefähr so viel, wie eine Millionenstadt in der entwickelten Welt verbraucht.46

Die Hauptstraße, auf der Caleb und ich von Goma aus in die Dörfer rund um den Virunga-Nationalpark fuhren, war vor Kurzem asphaltiert worden. Das war’s auch schon in Sachen Infrastruktur. Die meisten Straßen waren unbefestigte Feldwege, Schotterpisten. Wenn es regnete, waren Straßen und Hütten schnell überflutet, weil es keinen Hochwasserschutz gab. Das erinnerte mich an all die Dinge, die wir in der entwickelten Welt als selbstverständlich hinnehmen. Wir haben fast vergessen, dass Durchlässe, Kanäle, Dachrinnen und Rinnsteine existieren, um das Wasser zu sammeln und abzuleiten.

Trägt der Klimawandel eine Mitschuld an der andauernden Instabilität des Kongo? Wenn er eine Rolle spielt, dann wird diese durch andere Faktoren minimiert. Ein großes Forscherteam hat 2019 festgestellt, dass »der Klimawandel einen Einfluss auf innerstaatliche bewaffnete Konflikte hat. Allerdings werden andere Treiber, wie geringes sozioökonomisches Wachstum und schwache Staatskapazität, als wesentlich ausschlaggebender eingeschätzt.«47

Die Regierung des Kongo funktioniert gerade so. Was die Themen Sicherheit und Entwicklung betrifft, so sind die Menschen hauptsächlich auf sich selbst gestellt. Je nach Jahreszeit leiden Bauern unter zu wenig oder zu viel Regen. In den vergangenen Jahrzehnten fanden Überschwemmungen etwa alle zwei bis drei Jahre statt. Dabei wurden mehr als einmal Haus und Hof vieler Menschen zerstört.

Wissenschaftler des Instituts für Friedensforschung in Oslo merkten an, dass »demographische und ökologische Variablen einen sehr moderaten Einfluss auf das Risiko von Zivilkonflikten« hätten.48 Der Weltklimarat stimmt hiermit überein. »Es gibt belastbare Belege dafür, dass Menschen weltweit durch Katastrophen aus ihrer Heimat vertrieben werden, aber nur begrenzte Belege dafür, dass der Klimawandel oder ein steigender Meeresspiegel dafür direkt verantwortlich sind.«49

Die Gleichung lautet: Fehlende Infrastruktur plus Mangel an sauberem Wasser ergibt Krankheit. Folglich ist der Kongo weltweit mit am schlimmsten betroffen von Cholera, Malaria, Gelbfieber und anderen Seuchen, die sich verhindern ließen.

»Ein niedriges Bruttoinlandsprodukt ist der wichtigste Indikator für einen bewaffneten Konflikt«, schreiben die Forscher in Oslo und fügen hinzu: »Unsere Ergebnisse zeigen, dass Ressourcenknappheit das Risiko für einen Konflikt in ärmeren Staaten weniger beeinflusst als in reicheren Staaten.«50

Wenn Ressourcen über das Schicksal einer Nation entscheiden würden, dann wäre Japan arm und befände sich im Krieg, während der Kongo seinen Bewohnern Reichtum und ein Dasein in Frieden bescheren könnte. Der Kongo ist erstaunlich reich, wenn es um Bodenfläche, Mineralien, Wälder, Öl und Gasvorkommnen geht.51

Es gibt viele Gründe für die Dysfunktionalität des Kongo. Zuerst einmal ist das Land riesig groß. Die Demokratische Republik Kongo ist (hinter Algerien) flächenmäßig der zweitgrößte Staat Afrikas, das ist etwas mehr als sechsmal so groß wie Deutschland. Das allein macht das Land schwer zu regieren. Es wurde von den Belgiern kolonialisiert, die in den frühen 1960ern flohen, ohne starke staatliche Einrichtungen, wie zum Beispiel eine unabhängige Justiz oder Militär, aufgebaut zu haben.

Ist der Kongo überbevölkert? Die Bevölkerung des Ostkongo hat sich seit den 1950er und 1960er Jahren verdoppelt. Aber das Hauptproblem ist technischer Natur: Die gleiche Fläche könnte viel mehr Lebensmittel produzieren und viel mehr Menschen ernähren, wenn es Straßen, Düngemittel und Traktoren gäbe.

Der Kongo ist mehreren Dingen zum Opfer gefallen: Geografie, Kolonialismus, grausamen postkolonialen Regierungen. Die Wirtschaft ist von 7,4 Milliarden Dollar im Jahr 2001 auf 38 Milliarden Dollar 2017 gestiegen,52 aber mit 561 Dollar ist das jährliche Pro-Kopf-Einkommen eines der weltweit niedrigsten,53 was viele Menschen zu der Schlussfolgerung verleitet, dass große Teile des Geldes, das eigentlich der Bevölkerung zugutekommen sollte, tatsächlich gestohlen werden.

Seit über 20 Jahren bedient sich die ruandische Regierung der Mineralien ihres Nachbarstaates und exportiert sie als die eigenen. Um ebendiese Aktivitäten zu verschleiern, behaupten Experten, habe Ruanda den Konflikt im Ostkongo kontrolliert und finanziert.54

2006 fanden freie Wahlen statt, der neue Präsident, Joseph Kabila, galt als afrikanischer Hoffnungsträger, doch er stellte sich als ebenso korrupt wie seine Vorgänger heraus. 2011 wurde er wiedergewählt und blieb bis 2018 im Amt. Bevor er ausschied, wollte er seinen Wunschnachfolger an die Macht hebeln, doch dieser gewann lediglich 19 Prozent der Wählerstimmen, während der Oppositionskandidat 59 Prozent der Stimmen erhielt. Und trotzdem scheinen Kabila und seine Freunde in der gesetzgebenden Gewalt weiterhin im Hintergrund die Fäden zu ziehen.55

Milliarden werden eben nicht sterben

Bei »Newsnight« auf BBC Two fragte die Journalistin Emma Barnett im Oktober 2019 die sympathische Sprecherin von Extinction Rebellion, Sarah Lunnon, wie ihre Organisation sich für die Störung des öffentlichen Lebens in London rechtfertigen könne.

»Es bestürzt mich, für so etwas verantwortlich zu sein«, sagte Lunnon und legte dabei ihre Hand aufs Herz. »Ich fühle mich wirklich schrecklich bei dem Gedanken, dass ich das Leben von Menschen beeinträchtigt habe. Und es macht mich sehr wütend, dass solche aufsehenerregenden Aktionen tatsächlich die einzige Möglichkeit zu sein scheinen, das Thema Klima, nach 30 Jahre Nichtstun, auf die Agenda zu bringen. Wenn wir nicht handeln und auf diese Weise protestieren, dann nimmt uns niemand wahr.«56

Barnett wandte sich an den Herrn, der neben Lunnon saß, Myles Allen, Klimawissenschaftler und Mitautor des Weltklimaberichts: »Der Name Extinction Rebellion weist ja wörtlich darauf hin: Wir werden extinkt sein, wir werden aussterben«, sagte Barnett. »Roger Hallam, einer der Gründer der Organisation, sagte im August, es käme zu Hungersnöten, zum Abschlachten, zum Tode von sechs Milliarden Menschen, allein in diesem Jahrhundert. Aber dafür gibt es doch gar keine wissenschaftlichen Belege.«

»Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Belege«, antwortete Allen, »für die sehr erhebliche Gefahr, in die wir uns begeben, wenn wir weiterhin … «

»… aber doch nicht sechs Milliarden Menschen«, unterbrach ihn Barnett. »Das kann man doch wissenschaftlich nicht auf diesen Nenner bringen, oder?«, fragte die Moderatorin nach. Aber Lunnon ließ Allen nicht zu Wort kommen. »Es gibt etliche Wissenschaftler, die sagen, wenn wir einen Temperaturanstieg von vier Grad erreichen, und darauf steuern wir gerade zu, dann wird die Erde noch nicht einmal mehr eine Milliarde Menschen, nein, höchstens eine halbe Milliarde Menschen halten können«, erklärte Lunnon, »und das bedeutet sechseinhalb Milliarden Menschen würden sterben!«

Barnett schien irritiert. »Entschuldigen Sie bitte«, unterbrach sie Sarah Lunnon und wandte sich wieder an Myles Allen. »Also, Sie unterstützen wissenschaftlich eine Prognose, nach welcher die Welt in diesem Jahrhundert das Abschlachten, die Hungersnot, den Tod von sechs Milliarden Menschen erleben wird? Ich denke, wenn dem so ist, sollten wir es wissen.«

»Nein«, antwortete Allen. »Was wir als Wissenschaftler tun können, ist, Ihnen die Risiken zu erklären, die Gefahren aufzuzeigen, mit denen wir uns konfrontiert sehen. Die Risiken, die sich einfach vorhersehen lassen, sind ehrlich gesagt die, mit denen ich mich beschäftige, also wie reagiert das Klima auf zunehmende Treibhausgase. Was schwieriger vorherzusehen ist, betrifft die Menschen: Wie werden sie auf eine radikale Änderung des Wetters reagieren, das ihnen als Kind vertraut war. … Also, ich denke, worauf sich Extinction Rebellion mit dieser Aussage bezieht, ist die menschliche Reaktion auf den Klimawandel.«

»Aber der Punkt ist doch«, hakte Barnett nach, »wenn es dafür keine wissenschaftlichen Belege gibt, verstehen Sie dann, warum Menschen, die ja mit Ihrer Organisation sympathisieren, trotzdem das Gefühl haben, dass Sie absichtlich Angst schüren? Roger Hallam hat zum Beispiel auch gesagt, dass unsere Kinder in 10 bis 15 Jahren tot sein werden.«

»Das Wetter, das uns vertraut war, wird es aber doch bald so nicht mehr geben!«, unterbrach Lunnon. »All unsere Landwirtschaft und unsere Nahrung hängen doch vom Wetter ab, das es seit 10000 Jahren gibt! Wenn wir kein verlässliches Wetter haben, dann haben wir keine verlässlichen Nahrungsquellen. Dann riskieren wir vielfache Ernteverluste in den Kornkammern der Welt. Das bedeutet im Klartext: kein Essen!«

»Roger Hallam hat gesagt«, wiederholte Barnett, »dass unsere Kinder in 10 bis 15 Jahren tot sein werden.«

»Es besteht ganz klar die Möglichkeit, dass wir nicht nur unsere Lebensmittelvorräte, sondern auch unsere Energievorräte verlieren«, fuhr Lunnon fort. »In Kalifornien haben gerade Millionen von Menschen keinen Strom.«

Ende November 2019 hatte ich selbst die Chance, Sarah Lunnon zu interviewen. Wir haben uns eine Stunde lang unterhalten und danach E-Mails ausgetauscht, sodass sie ihre Ansichten noch einmal erläutern konnte.

»Ich sage ja nicht, dass Milliarden von Menschen sterben werden«, meinte Lunnon. »Aber die Wissenschaft sagt, wir bewegen uns in Richtung Vier-Grad-Erderwärmung, und Experten wie Kevin Anderson vom Tyndall Centre und Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagen, dass ein solcher Temperaturanstieg inkompatibel mit zivilisiertem Leben ist. Johan kann sich nicht vorstellen, wie unter solchen Bedingungen mehr als eine oder, weniger noch, eine halbe Milliarde Menschen versorgt werden sollen.«57

Lunnon bezog sich dabei auf einen Artikel, der im Mai 2019 im Guardian erschienen war. Darin wurde Rockström wie folgt zitiert: Bei einem Temperaturanstieg von vier Grad sei »es schwierig, sich vorzustellen, wie wir eine Milliarde Menschen, oder sogar nur die Hälfte davon, ernähren können.«58

Ich wies Lunnon darauf hin, dass in keinem der Weltklimaberichte etwas stünde, das sich mit Aussagen deckte, die sie Rockström und Anderson zuschrieb. Weshalb sollten wir uns eher auf die Spekulationen zweier Wissenschaftler verlassen als auf den Weltklimarat? »Es geht nicht darum, sich auf zwei Wissenschaftler zu verlassen«, antwortete Lunnon. »Es geht darum, sich dem Risiko zu stellen, mit dem wir konfrontiert sind. Der Weltklimabericht zeigt verschiedene Zeitschienen auf, und einige davon sind sehr, sehr düster.«59

Um der »Milliarden werden sterben«-Behauptung auf den Grund zu gehen, interviewte ich Johan Rockström telefonisch. Er sagte, der Guardian-Journalist habe ihn missverstanden. Tatsächlich habe er, Rockström, Folgendes gesagt: »Ich kann mir kaum vorstellen, wie die Erde acht Milliarden Menschen ernähren soll oder sogar nur die Hälfte davon.« Aber eine Milliarde habe er gewiss nicht gesagt. Rockström meinte, er sei erst durch meine E-Mail auf das falsche Zitat aufmerksam geworden. Daraufhin habe er beim Guardian um eine Korrektur gebeten, die Ende November 2019 auch erfolgt sei. Dennoch prognostizierte der Agrarwissenschaftler den Tod von vier Milliarden Menschen.60

»Ich kenne keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass ein Vier-Grad-Planet acht Milliarden Menschen versorgen kann«, fuhr er fort. »Das ist nach meiner persönlichen Einschätzung eine wissenschaftlich fundierte Aussage, da wir keine Belege dafür haben, dass wir die heutige Weltbevölkerung von acht Milliarden Menschen auf einer 4-Grad-Erde mit Trinkwasser versorgen, sie ernähren oder ihr Unterkunft gewähren können. Mein fachliches Urteil lautet daher auch, dass es sogar zweifelhaft ist, ob wir das alles mit vier Milliarden Menschen schaffen.«61

Aber gibt denn die Weltklimarat-Wissenschaft her, dass die Lebensmittelproduktion tatsächlich abnehmen wird? »Soweit ich weiß, sagt der Weltklimarat nichts darüber aus, wie die Bevölkerung der Zukunft auf oder von einer erwärmten Erde versorgt werden kann«, entgegnete Rockström.62

Ob es denn eine Studie über Lebensmittelproduktion bei einer Erderwärmung von vier Grad gebe, wollte ich wissen. »Das ist eine gute Frage. Ich muss zugeben, dass ich keine kenne«, antwortete Rockström. »Und dabei ist es eine solch interessante und wichtige Frage.«63

Tatsächlich liegt eine solche Studie bereits vor, und zwei der Wissenschaftler, die sie durchgeführt haben, sind Kollegen von Johan Rockström am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Lebensmittelproduktion bei einem Temperaturanstieg von vier bis fünf Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten sogar zunehmen könne.64 Und wieder einmal spielten dabei technischer Fortschritt, Düngemittel, Bewässerung und Mechanisierung eine größere Rolle als der Klimawandel.

Faszinierenderweise fand die Studie außerdem, dass Strategien, mit denen man den Klimawandel zu bekämpfen versuche, der Lebensmittelproduktion eher schaden und ländliche Armut verschlimmern würden als der Klimawandel selbst. Die »Klimapolitik«, auf welche sich die Autoren der Studie beziehen, würde den Energiepreis und folglich auch den Bioenergieverbrauch in die Höhe treiben, was wiederum zu größerer Landknappheit und höheren Lebensmittelpreisen führen würde. Der Weltklimarat kommt zu demselben Schluss.65

In ähnlicher Weise folgert die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, dass die Lebensmittelproduktion bis 2050 um 30 Prozent steigen wird, es sei denn, es würden sogenannte nachhaltige Verfahren angewandt, wodurch die Produktion um 20 Prozent wüchse.66 In jedem einzelnen Szenario, das die Welternährungsorganisation durchspielt, ist technologischer Wandel in signifikanter Weise maßgebender als der Klimawandel.

Ein kleiner Teil großer Konflikte

2006 organisierte ein 37-jähriger Professor für Politikwissenschaften an der University of Colorado Boulder ein Seminar für 32 der weltweit führenden Experten, um darüber zu diskutieren, ob Naturkatastrophen durch einen menschengemachten Klimawandel schlimmer, häufiger und teurer würden. Co-Moderator von Professor Roger Pielke, Jr. war der Meteorologe und Biologe Peter Höppe, der bis 2018 die Abteilung GeoRisikoForschung der Munich Re leitete. Die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft hat ein großes finanzielles Interesse daran zu wissen, ob die globale Erwärmung Naturkatastrophen noch verschlimmern wird.

Wenn es ein Klischee vom Professor für Umweltwissenschaften aus Boulder/Colorado gibt, dann bedient Pielke es perfekt. Er trägt Wanderstiefel und Karohemden und ist ein begeisterter Wanderer, Skifahrer, Fußballspieler. Er ist liberal, säkular und ein Demokrat. »In einem meiner Bücher habe ich die Einführung einer CO2-Steuer gefordert«, sagt Pielke. »Ich habe öffentlich Präsident Obamas Stärkung der Umweltschutzbehörde EPA und die strengeren CO2-Vorgaben unterstützt, und ich habe gerade ein neues Buch veröffentlicht, in dem ich die wissenschaftliche Einschätzung des Weltklimarats in Bezug auf Katastrophen und Klimawandel mit Nachdruck verteidige.«67

Das Seminar fand im Tagungszentrum Schloss Hohenkammer bei München statt. Pielke war nicht sehr optimistisch, was einen abschließenden Konsens betraf, da sich unter den Teilnehmern auch Umweltaktivisten und Klimaskeptiker befanden. »Aber zu unser aller großen Überraschung und Freude«, sagt Pielke, »stimmten alle 32 Teilnehmer – Akademiker, Sachverständige aus dem Privatsektor und Interessenvertreter – in 20 Aussagen über den Zusammenhang zwischen Katastrophen und Klimawandel überein.«68

In ihrer Hohenkammer-Stellungnahme vertraten die Experten einhellig die Meinung, dass der Klimawandel real ist und der Mensch entscheidend dazu beiträgt.69 In einem anderen Punkt waren sie sich ebenfalls einig: Die Tatsache, dass heutzutage mehr Menschen und ihr Hab und Gut einer Katastrophengefahr ausgesetzt sind, erklärt, dass Naturkatastrophen zwar immer größere Schäden anrichten, aber es bedeutet nicht, dass die Katastrophen selbst schlimmer geworden sind.

Seinen Studenten verdeutlicht Pielke diesen Punkt immer mit zwei Fotos von Miami Beach. Eines zeigt die Stadt am Südzipfel Floridas im Jahr 1926, das andere im Jahr 2006. 1926 gab es in Miami Beach nur ein einziges Hochhaus, das einem Hurrikan zum Opfer fallen konnte. 2006 stehen auf derselben Fläche Dutzende von Hochhäusern, deren Scheiben zerbersten und die überflutet werden können. Pielke lässt Zahlen sprechen: Inflationsbereinigt sind die durch Hurrikans verursachten Kosten in den Vereinigten Staaten von nahezu Null im Jahr 1900 auf über 130 Milliarden Dollar im Jahr 2005 angestiegen, dem Jahr, in dem Hurrikan Katrina New Orleans verwüstet hat.70

Dann zeigt Pielke seinen Studenten normalisierte Hurrikan-Verluste für denselben Zeitraum. Normalisiert bedeutet, dass Pielke und seine Co-Autoren die Schadenswerte angepasst haben, unter Berücksichtigung der massiven Bebauungsentwicklung, die in Amerikas Küstengebieten wie Miami seit 1900 stattgefunden hat. Sieht man sich diese Zahlen an, lässt sich kein Aufwärtstrend bei den Schadenskosten feststellen.71

Der fehlende Anstieg normalisierter Schadenskosten deckt sich mit den historischen Aufzeichnungen von auf Land getroffenen Hurrikans in den Vereinigten Staaten. Diese Erkenntnis stärkte die Zuversicht Pielkes und seiner Kollegen in ihre Forschungsergebnisse. Sie zeigten ein paar Ausschläge nach oben bei den Hurrikan-Verlusten, inklusive für das Jahr 1926, in dem vier Hurrikans auf Land trafen und einen Schaden von inflationsbereinigten, entwicklungsnormalisierten 200 Milliarden Dollar verursachten. Das Jahr 1926 übertrifft somit das Jahr 2005,72 in dem 145 Milliarden Dollar an Schadenskosten anfielen. Während Florida zwischen 1900 und 1959 insgesamt 18 große Hurrikans erlebte, gab es zwischen 1960 und 2018 nur elf.73

Sind die Vereinigten Staaten ein Einzelfall? Sind sie nicht. »Bei der Berechnung normalisierter Schadenskosten durch Tropenstürme in Lateinamerika, der Karibik, Australien, China und im indischen Andhra Pradesh sind Wissenschaftler auf ähnliche Ergebnisse gekommen«, erklärt Pielke. »Nirgendwo wurde ein Aufwärtstrend bei normalisierten Verlusten festgestellt.«74

Und das betrifft nicht nur Hurrikans. »Es gibt kaum Belege dafür, dass Hurrikans, Wirbelstürme, Überschwemmungen oder Dürren, in den USA und der ganzen Welt, heute häufiger auftreten oder verheerender sind«, schrieb Pielke später. »Tatsächlich leben wir in einer Zeit, in der wir uns glücklich schätzen können, was extreme Wetterphänomene anbelangt.«75

Der Weltklimarat kommt zu demselben Schluss. »Langzeittrends bei wirtschaftlichen Verlusten durch Naturkatastrophen, bereinigt unter Berücksichtigung von Wohlstands- und Bevölkerungszuwachs, konnten nicht dem Klimawandel zugeordnet werden«, heißt es in einem Spezialbericht über Extremwetter. »Allerdings konnte auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Klimawandel dabei eine Rolle spielt.«76

Pielke betont, dass der Klimawandel zu einigen Extremwetterphänomenen beiträgt. »Beispielsweise belegen neueste Forschungen, dass die vermehrten Waldbrände im Westen der USA mit einer regionalen Erwärmung in Zusammenhang gebracht werden können.«77

Bis jetzt hat der Klimawandel aber noch nicht zu einer Häufung oder Intensivierung von Extremwetterphänomenen geführt. Der Weltklimarat »kam zu dem Schluss, dass es kaum Belege für eine Häufung und Intensivierung von Überschwemmungen, Dürren, Hurrikans oder Wirbelstürmen gibt«, erklärt Pielke. »Wir erleben zwar häufiger Hitzewellen und Starkregen, aber diese Phänomene treiben die Schadenskosten nicht signifikant in die Höhe.«78

Der entscheidende Faktor bei der Anfälligkeit eines Landes für Überschwemmungen ist vor allem die Frage, ob ein modernes Wasser- und Flutkontrollsystem vorhanden ist, wie zum Beispiel in meiner Heimatstadt, dem kalifornischen Berkeley, oder eben nicht, wie zum Beispiel im Kongo.79

Wenn ein Hurrikan in Florida auf Land trifft, gibt es vielleicht keinen einzigen Toten. Wenn derselbe Sturm aber auf Haiti tobt, könnten ihm Tausende durch Ertrinken zum Opfer fallen oder später auch noch durch sich ausbreitende Epidemien wie Cholera. Der Unterschied ist, dass Florida zu einem reichen Land gehört mit befestigten Gebäuden und Straßen, fortschrittlicher Wetterprognosetechnologie und gutem Notfallmanagement. Haiti dagegen ist ein armes Land ohne moderne Infrastruktur und Warnsysteme.80

»Bedenken Sie, dass seit 1940 in den Vereinigten Staaten 3322 Menschen 118 Hurrikans zum Opfer gefallen sind, die auf Land trafen«, schrieb Pielke. »Als der Tsunami von 2004 ganze Regionen Südostasiens verwüstete, riss er mehr als 225000 Menschen in den Tod.«81

Jeder, der glaubt, dass der Klimawandel Milliarden von Menschen töten und ganze Zivilisationen zerstören könnte, wird überrascht feststellen, dass keiner der Weltklimaberichte auch nur ein einziges apokalyptisches Szenario enthält. Nirgendwo beschreibt der Weltklimarat Industrieländer wie die USA als eine »Klimahölle« wie den Kongo. Unsere Hochwasserkontroll-, Elektrizitäts- und Straßensysteme werden selbst bei einem potenziell katastrophalen Temperaturanstieg weiter funktionieren.

Was ist mit der Behauptung des Klimaexperten Michael Oppenheimer, dass ein Meeresspiegelanstieg von 83 Zentimetern ein »nicht zu bewältigendes Problem« darstelle?82

Um diese Aussage nachzuvollziehen, interviewte ich ihn telefonisch. Er erklärte mir, dass dem Journalisten, der diese Zahl veröffentlicht hatte, ein Fehler unterlaufen sei. Unter Bezugnahme auf den Weltklimarat-Spezialbericht über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima hätte es nicht 83 Zentimeter, sondern über ein Meter heißen müssen.83

Ich fragte Oppenheimer, weshalb Gegenden wie Bangladesch nicht dasselbe tun könnten wie die Niederlande. »Zwei Weltkriege und eine Depression haben die Niederlande lange Zeit davon abgehalten, etwas für die Aufrüstung ihrer Deiche zu tun«, erklärte Oppenheimer. »Sie haben mit der Modernisierung erst nach der verhängnisvollen Flut von 1953 angefangen.«84

Die Flutkatastrophe von 1953 kostete über 2500 Menschen das Leben und veranlasste die Niederlande, ihre Deiche und Kanäle zu erneuern. »Der Großteil der Menschheit ist nicht in der Lage, einen solchen Luxus in Anspruch zu nehmen«, fuhr Oppenheimer fort, »und so wird man sich in den meisten Gegenden damit behelfen, flutbare Strukturen zu bewohnen, Gebäude anzuheben und wieder bewohnbar zu machen oder sich ganz aus den gefährdeten Gebieten zurückzuziehen.«85

2012 meinte Oppenheimer: »Nach Hurrikan Sandy haben Menschen den Staat New York verlassen, sie sind weggezogen. Ich würde eine solche Situation nicht als ‚nicht zu bewältigen‹ einstufen. Vorübergehend nicht zu bewältigen, ja. Wir können nicht weltweit eine funktionierende Gesellschaft aufrechterhalten, wenn der Meeresspiegel über einen Meter ansteigt. Bangladeschi werden vielleicht die Küstengebiete verlassen und versuchen, im Landesinneren Fuß zu fassen.«86

Aber Millionen von Kleinbauern, wie die Bangladeschi in den tief liegenden Küstengebieten, zögen jedes Jahr in die Städte, wandte ich ein. Suggeriert die Aussage »nicht zu bewältigen« denn nicht einen permanenten gesellschaftlichen Zusammenbruch?

»Menschen, die Entscheidungen treffen, weil sie gar nicht anders können, weil sie sich im Wesentlichen dazu gezwungen sehen«, entgegnete Oppenheimer, »das nenne ich ein ›nicht zu bewältigendes Problem‹«. Ein solcher Umstand führt zu einem Zusammenbruch des Wirtschaftsgeschehens, dem Entzug der Existenzgrundlage und der Fähigkeit, über das eigene Schicksal zu verfügen. Ein solcher Umstand führt dazu, dass Menschen sterben. Sie können argumentieren, dass sich Situationen, die nicht zu bewältigen sind, auch wieder wandeln, nämlich in Situationen, die zu bewältigen sind. Der Mensch erholt sich von Katastrophen. Aber die Menschen, die gestorben sind, die erholen sich nicht.87

Anders ausgedrückt, die durch einen Anstieg des Meeresspiegels verursachten Probleme, die Oppenheimer als »nicht zu bewältigen« bezeichnet, sind Situationen, die so schon längst vorkommen. Es sind Situationen, von denen sich Gesellschaften wieder erholen, Situationen, an die man sich anpasst.

Fortschritt > Klima

Die Unterentwicklung im Kongo ist teilweise der Tatsache geschuldet, dass dort eine der korruptesten Regierungen der Welt die Zügel in der Hand hält.88 Einmal wurde unser Wagen von einem Polizisten angehalten. Ich saß auf dem Rücksitz, Caleb auf dem Beifahrersitz. Als der Polizist seinen Kopf zum Beifahrerfenster hineinstreckte, sah Caleb ihn mit finsterer Miene an und deutete mit dem Kopf nach links. Der Polizist kontrollierte die Papiere des Fahrers und ließ uns weiterfahren.

»Was war das denn?«, fragte ich.

»Er wollte irgendetwas finden, wofür er von uns ein Schmiergeld hätte fordern können«, erklärte Caleb. »Aber ich hab ihm meinen Spezialblick zugeworfen.«

Caleb erzählte mir, wie gerne er sich »24 – Twenty Four« ansah. In der amerikanischen Actionthriller-Fernsehserie verkörperte Kiefer Sutherland von 2001 bis 2010 Jack Bauer, Bundesagent in einer hochspezialisierten Terrorbekämpfungseinheit. »Jeder im Kongo liebt Jack Bauer!« Ich fragte Caleb, ob die Menschen im Kongo Kiefer Sutherland so gerne mochten wie Ben Affleck, der nicht nur berühmter war, sondern den Kongolesen mit seiner Wohltätigkeitsorganisation auch zu helfen versuchte. Caleb überlegte einen Moment, dann sagte er: »Jack Bauer ist hier berühmter! Wenn Kiefer Sutherland in den Kongo käme, eine Pressekonferenz gäbe und verlangen würde, dass alle bewaffneten Gruppen innerhalb von 24 Stunden das Feuer einstellen, dann würden alle sofort aufhören zu kämpfen!« Caleb lachte vor Freude an diesen Gedanken.

Wir fuhren durch die Landschaft und interviewten wahllos Menschen. Caleb ließ seinen Charme spielen, um die Dorfbewohner zu beruhigen. Verständlicherweise waren sie gegenüber einem Fremden misstrauisch, der ihnen Fragen über ihr Leben und ihren Alltag stellte. Viele Menschen, die wir interviewten, regten sich über die Paviane und Elefanten auf, die vom nahe gelegenen Natur- und Tierschutzgebiet Virunga-Nationalpark hierherkamen, um die Ernten zu plündern. Angesichts der weitverbreiteten Armut und des Hungers ist es natürlich ganz besonders niederschmetternd, seine Ernte zu verlieren. Man erzählte mir, dass eine Frau sich so sehr darüber aufgeregt habe, wie ein Elefant ihre Ernte zerstörte, dass sie am nächsten Tag an einem Herzinfarkt starb. Außerdem wurde berichtet, wie ein Schimpanse erst vor Kurzem einen zweijährigen Jungen umgebracht hatte.

Ein Mann bat mich, mit den Behörden vom Virunga-Nationalpark zu sprechen. Ich sollte sie auffordern, Elektrozäune zu bauen, um die Tiere davon abzuhalten, das Gelände zu verlassen. Mehrere Menschen hatten bereits Parkmanager auf die Verwüstung durch die Tiere angesprochen. Aber die Parkmanager hatten ihnen daraufhin nur geraten, die Tiere selbst einzufangen und sie zurückzubringen. Darüber beklagten sich die Menschen nun bei mir, sie fanden die Haltung der Parkmanager beleidigend, es war ihnen nicht möglich, diese Tiere allein einzufangen.

Einige Wochen, bevor ich in den Kongo gereist war, hatte eine Gruppe junger Kongolesen einen Protestmarsch zum Virunga-Nationalpark organisiert, um auf die Tatenlosigkeit der Geschäftsleitung aufmerksam zu machen. Daraufhin stellte die Parkverwaltung einige dieser jungen Leute an, um Paviane zu vertreiben.

Nahe der Einfahrt zum Virunga-Nationalpark interviewten Caleb und ich einige Bewohner einer ansässigen Gemeinde. 20 bis 30 Bauern scharten sich um uns herum, viele von ihnen machten ihrem Unmut Luft. »Könnt ihr denn die Paviane, die eure Ernten zerstören, nicht umbringen?«, fragte ich. Kollektives Stöhnen. Nein, sagten sie, man würde sie ins Gefängnis stecken, wenn sie das täten, obwohl die Tiere auf dem Land der Bauern waren, außerhalb des Parkgeländes.

Eine junge Mutter, die ihr Baby stillte, stand auch in der Menge. Ich stellte mich ihr vor und fragte sie nach ihrem Namen. Sie hieß Mamy Bernadette Semutaga, kurz Bernadette. Sie war 25 Jahre jung. Der Name ihres Babys war Bibiche Sebiraro. Bibiche war Bernadettes siebtes Kind.

Die junge Frau erzählte uns, dass Paviane in der Nacht zuvor all ihre Süßkartoffeln gefressen hätten. Ich fragte sie, ob sie uns zu ihrem Stück Land führen würde, sodass wir uns selbst ein Bild machen könnten. Auf der Fahrt dorthin erzählte Bernadette mehr von sich.

Sie erinnerte sich an das schönste Erlebnis ihrer Kindheit: »Als ich 14 war, besuchte ich meine Cousinen in Goma, und sie kauften mir neue Kleider. Als die Zeit kam und ich wieder zurück in mein Dorf musste, bezahlten sie meine Fahrkarte, und sie gaben mir sogar noch Geld, damit ich mir ein Stück Brot und einen Kopf Kohl kaufen konnte. Ich fuhr sehr glücklich nach Hause.«

Größtenteils war der Rest von Bernadettes Leben hart gewesen. »Mit 15 habe ich geheiratet«, erzählte sie mir. »Als ich meinen Ehemann kennenlernte, war er ein Waisenkind. Er besaß nichts. In unserem Leben gab es immer Schwierigkeiten. Ich hatte kein glückliches Leben.«

Als wir ihr kleines Stückchen Land erreichten, zeigte uns Bernadette die Löcher im Boden, wo zuvor die Süßkartoffeln gewachsen waren. Ich fragte sie, ob ich ein Foto machen dürfe. Sie stimmte zu. Auf diesem Bild schaut sie finster drein, aber sie sieht auch stolz aus. Wenigstens besaß sie ihr eigenes kleines Stück Land.

Nachdem wir Bernadette zurück in ihr Dorf gefahren hatten, gab Caleb ihr etwas Geld, als kleines Zeichen unserer Wertschätzung und als Entschädigung für die Süßkartoffeln.

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf gefährdete Bevölkerungsgruppen sollten wir uns definitiv Sorgen machen. Anpassung funktioniert nicht automatisch. Und Bernadette ist durch die Auswirkungen des Klimawandels nun einmal gefährdeter, als Helen und ich es sind.

Aber sie ist auch gefährdeter durch das Wetter und die Naturkatastrophen, wie es sie heute