Aragien - Laura Schmolke - E-Book

Aragien E-Book

Laura Schmolke

4,8

Beschreibung

"Ruhig!", ermahnte ich mich, "nur ruhig!" Ich schloss die Augen und versuchte alles um mich herum auszublenden. Die bedrohlichen Mauern, die vielen Wege, die alle gleich aussahen und die Hoffnungslosigkeit, die hier fast greifbar in der Luft zu hängen schien. Mit all meinen Gedanken konzentrierte ich mich auf den Armreif. Irgendetwas wollte er mir sagen. Ich spürte es ganz deutlich. Könnte ich es doch nur verstehen! Ich zwang mich ruhig weiterzuatmen, als die Panik mich erneut zu übermannen drohte. Durch Zufall gelangen die 14-jährige Nici und ihr angeberischer Klassenkamerad Jo durch eine Falltür in eine magische Parallelwelt - nach Aragien. Dort herrscht schon lange Krieg und nur eine alte Prophezeiung verspricht noch Hoffnung: Es werden Geschwister von der Erde kommen, die durch ihren Mut und durch ihre Liebe zueinander den Krieg in Aragien entscheiden werden. Als Nici dann auch noch einen silbernen Armreif findet, der ihr magische Kräfte verleiht, gehen alle davon aus, dass Nici und Jo die lang erwarteten Geschwister sind und ehe die beiden sich versehen, werden sie in den gefährlichen Kampf zwischen Gut und Böse hineingezogen.

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Aragien

Das Vermächtnis der Armreife

Laura Schmolke

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Taschenbuchausgabe erschienen 2010.

Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM

Titelbild gestaltet von © Gratia Kautek

ISBN: 978-3-86196-026-3 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-267-8 - E-Book (2020)

Für Sarah, DG und Niki

(das Buchmessetrio)

*

Inhalt

Prolog: Das Gesicht im Spiegel

Eine gefährliche Wette

Das fremde Mädchen

Das Buch der Geheimnisse

Visionen

Magische Kräfte

Ein unerwarteter Besucher

Flamaro, das Magische Schwert

Im Reich der Vampire

Wortbruch mit Folgen

Sarah und das Geheimnis der Wölfe

Kämpfe aller Art

Letzte Vorbereitungen

Morgengrauen

Hund und Wolf

Jo und der Brückengeist

Theodors letzte Worte

Schlag auf Schlag

Die Herrscherin der Tausend Walde

Anfang und Ende

Gambril und das Geheimnis der Fantasie

Danksagung

Die Autorin

Nachwort

*

Prolog: Das Gesicht im Spiegel

Im großen Saal herrschte Stille. Das einzige Geräusch war das Knistern des Feuers, das in der hintersten Ecke in einem steinernen Kamin vor sich hin loderte. Die Flammen warfen dunkle Schatten an die Wände und ließen den Saal in einem unheimlichen Licht erscheinen. Unzählige Türen führten von hier in die weiteren Säle der riesigen Burg. Über eine steinerne Treppe konnte man hinauf ins Obergeschoss gelangen. Regen prasselte gegen die Fensterscheiben, Donner grollte und Blitze zuckten über den nächtlichen, wolkenverhangenen Himmel.

In diesem Moment ertönte ein Knarren, ganz leise nur. Eine der Türen wurde geöffnet und ein Mädchen streckte vorsichtig seinen Kopf durch die Öffnung. Dann schlich es in Richtung Treppe. Der große, flauschige Teppich, der den Boden bedeckte, dämpfte das Geräusch seiner Schritte, als es plötzlich innehielt und lauschte. Dann hastete es auf die Treppe zu und drückte sich in den Schatten darunter.

Nur wenige Augenblicke später tauchten zwei Wachmänner auf, die mit schlurfenden Schritten die Treppe hin-untertrabten.

„Mist“, dachte das Mädchen, „ich dachte, ich habe den richtigen Moment abgepasst!“

„Das ist ja wohl Zeitverschwendung!“, jammerte einer der beiden Wachmänner. „Unsere Kollegen hauen sich gerade den Bauch voll, während wir hier herumlatschen müssen!“

„Nur mit der Ruhe!“, versuchte der zweite ihn zu beruhigen. „Unser Herr hat schließlich gesagt, es sei eine ehrenvolle Aufgabe.“

„Ehrenvoll, pah, dass ich nicht lache!“, meinte der andere. „Er hat gesagt, dass wir aufpassen sollen, dass diese Sarah nicht wieder hier reinkommt, das schon. Aber denkst du, die traut sich hier noch mal her? Und von unseren anderen Feinden droht uns sowieso keine Gefahr, die wagen sich ja noch nicht mal in unsere Nähe!“

„Rede nicht so von Sarah!“, warnte sein Kollege. „Du weißt genau, dass sie besondere Kräfte besitzt und uns somit sehr gefährlich werden kann!“

Als Sarah ihren Namen hörte, musste sie grinsen. Wenn die eine Ahnung hätten! Laut streitend verschwanden die beiden Wachmänner durch eine der unzähligen Türen.

Sarah atmete auf. Leise trat sie aus dem sicheren Schatten hervor und huschte lautlos die Treppe hinauf, dann bog sie in den ersten Gang ein. Zielstrebig und immer darauf bedacht, keinen Lärm zu machen, hastete sie an vielen Türen vorbei, bis sie schließlich am Ende des Ganges angelangt war. Sie stand nun vor einem großen Spiegel. Er war mit kunstvoll eingravierten Mustern verziert und schimmerte leicht, obwohl der Gang nur spärlich durch einige Fackeln beleuchtet wurde.

Zögernd legte Sarah eine Hand auf den goldenen Rahmen des Spiegels. Man hörte ein leises, metallisches „Klick“ und der Spiegel schwang lautlos zur Seite. Schnell trat sie in den dahinterliegenden Raum.

Obwohl keine Lichtquelle zu sehen war, war der Raum doch nicht dunkel. Unzählige kleine und große Edelsteine lagen aufgetürmt zu gewaltigen Haufen in den Ecken. Berge von Gold und andere Reichtümer lagerten hier und zeugten von der ungeheuren Macht ihres Besitzers. Doch Sarah hatte keinen Blick dafür. Zielstrebig ließ sie die Schätze hinter sich und verschwand immer tiefer in der Schatzkammer.

Nach einiger Zeit stieß das Mädchen einen Seufzer der Erleichterung aus: Es hatte gefunden, was es gesucht hatte. Rasch bückte es sich. Vorsichtig hielt Sarah ihren Fund in den Händen, als ihr Blick auf einen kleinen Spiegel fiel, der nur ein paar Schritte entfernt zwischen einigen Münzen vor sich hinstaubte. Überrascht lief das Mädchen auf das Kleinod zu. Es hatte schon viel von diesem berüchtigten Spiegel gehört. Es ging das Gerücht um, man könne mit ihm alles sehen, was gerade auf der Erde geschah, wenn man es schaffte, dem Spiegel seinen Willen aufzuzwingen.

Während Sarah ihr erstes Fundstück vorsichtig auf den staubigen Boden legte, griff sie nach dem Spiegel. Ihre Hände zitterten und in ihrem Kopf drehte sich alles. Ob es wohl auch möglich war, damit die Geschwister zu sehen, von denen die Prophezeiung sprach? Sarah konnte sich noch haargenau an den Wortlaut der uralten Prophezeiung erinnern, die angeblich schon älter war als jedes Lebewesen in Aragien. Er lautete:

„Es werden Geschwister von der Erde kommen, die durch ihren Mut und ihre Liebe zueinander den Krieg in Aragien entscheiden werden ...“

Ob man auch diese Geschwister sehen konnte?

Sarah schloss die Augen und konzentrierte sich. Lautlos bewegten sich ihre Lippen, während sie die Augen wieder öffnete und den Spiegel mit einer solchen Intensität anstarrte, als wolle sie durch ihn hindurchsehen.

„Zeige mir die Geschwister! Zeige mir die Geschwister!“, befahl das Mädchen.

Die Oberfläche des Spiegels wurde zunächst schwarz, dann begannen sich kleine Wellen darauf auszubreiten, als hätte man einen Stein ins Wasser geworfen. Schließlich konnte man die ersten Umrisse und danach auch schon vereinzelte Farbtupfer erkennen, während das Bild immer klarer wurde.

Bald konnte man ein hübsches, klein gewachsenes Mädchen mit langen blonden Haaren erkennen. Neben ihm erschien der graue Umriss einer von Nebel verdeckten Gestalt, vielleicht einer Person mit schwarzem Haar, etwas größer als das blonde Mädchen. Doch mehr war nicht zu erkennen.

Schließlich schüttelte Sarah enttäuscht den Kopf und entspannte sich, als sie plötzlich ein Heulen vernahm. Ganz leise nur, wie aus weiter Ferne, und trotzdem hatte das Mädchen es auf einmal furchtbar eilig. Schnell schob es die beiden Fundstücke unter ihr langes Kleid.

Während Sarah erneut hastig die Schatzkammer durchquerte, dachte sie an das Mädchen, das sie eben im Spiegel gesehen hatte. Es würde den Krieg entscheiden, der schon seit langer Zeit in ihrer Welt tobte. Und sie, Sarah, hatte die unendlich wichtige Aufgabe zugeteilt bekommen, auf das Mädchen aufzupassen und darauf zu achten, dass es sich nicht ihren Feinden anschloss. Falls das der Fall sein sollte, so hatte sie den unwiderruflichen Auftrag, die Fremde zu töten.

*

Eine gefährliche Wette

Ich stand oben auf einem Hügel und sah hinunter. Ich hörte das Sirren der Pfeile, die durch die Luft schossen und das Klirren der Schwerter, als sie im wilden Kampf aufeinandertrafen. Vor mir dehnte sich eine schier endlose grüne Hügellandschaft aus, auf der es von Kämpfern nur so wimmelte. Das Schlachtgetümmel erstreckte sich weiter, als mein Auge es erfassen konnte. Ich sah Soldaten, manche in roten, andere in silbernen Rüstungen, die in heftige Zweikämpfe verstrickt waren, und ich sah Tiere, die aufeinander zusausten, um sich dann zu beißen und zu treten. Und über alledem stand ich. Stand und sah zu. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich schuld an dieser Schlacht und trotzdem wusste ich nicht, wie ich eingreifen sollte.

„Nici, bitte hilf uns, bitte!“

Dieser Ruf übertönte sogar das laute Kampfgeschrei. Doch ich konnte nicht helfen. Ich stand auf dem Hügel und wusste, dass meine Stunde noch kommen würde. Ich stand nur hier und sah zu, ohne zu wissen, warum.

Plötzlich hörte ich ein Sirren nah an meinem Kopf und warf mich flach auf den Boden. Gerade noch rechtzeitig, denn schon schoss ein Pfeil nur knapp über mir dahin.

Als ich mich wieder aufrichtete, stand, wie aus dem Boden gewachsen, ein schwarzhaariger Mann vor mir. Er war riesig, doch nicht seine Größe war die Ursache für den Schauer, der mir den Rücken hinunterlief, als ich ihn ansah, sondern seine Augen. Sie waren von einem kalten, stechenden Blau und kein Mitleid war darin zu erkennen, als er eine Hand um den Knauf seines Schwertes legte. Doch dies war kein Kampf wie jeder andere. Nicht Schwert oder gar Lanze waren die Waffen dieses Mannes, nein, dieser Mann kämpfte mit Magie. Mein Gegner hob die freie Hand und ein Strahl weißen Lichtes schoss daraus hervor.

Ich spürte den starken Schmerz, sobald der Strahl mich berührte, und nur wenige Sekunden später lag ich hilflos auf dem Boden. Der Mann über mir hatte sein Schwert gezogen und hielt es mir an die Kehle. Hinter meinem Gegner ertönte ein tiefes, bedrohlich klingendes Knurren, und ehe ich mich versah, sprang hinter dem schwarzhaarigen Mann ein Wolf hervor, direkt auf mich zu.

Und während ich so dalag, das Ende schon vor Augen, hörte ich noch immer den verzweifelten Ruf.

„Nici, Nici, bitte ...

... wach doch endlich auf!“

Überrascht schlug ich die Augen auf und blickte in das Gesicht meiner Mutter. Schweiß rann mir über die Stirn und meine langen, blonden Haare klebten in meinem Nacken, als ich mich schwer atmend aufrichtete.

„Es ist alles nur ein Traum, alles nur ein Traum!“, versuchte ich mich zu beruhigen, doch es wirkte nicht.

„Alles in Ordnung?“ Die Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken.

Vor ihr zu lügen hatte sowieso keinen Sinn.

„Ich hatte schon wieder diesen Albtraum!“, berichtete ich ihr.

„Ich hab dir doch gesagt, dass du zu viel liest! So was kommt davon!“

„Nein Mama, in keinem der Bücher, die ich bisher gelesen habe, kam dieser Mann vor!“, protestierte ich schwach, während ich aufstand und meine Kleider zusammensuchte. Was sollte ich nur anziehen? Was war für den ersten Tag in einer neuen Schule das Beste?

„Es ist kein Wunder, dass du so langsam durchdrehst!“, schimpfte meine Mutter. „Wenn du den Tag lieber hinter deinen Büchern verbringst als draußen mit deinen Freunden!“

„Ich lese halt lieber!“

„Das ist ja auch okay, aber du liest die ganze Zeit! Mädchen in deinem Alter sollten sich Freundinnen suchen, mit ihnen rumhängen, nach schönen Klamotten gucken ...“

Jetzt fing das schon wieder an! Damit nervte meine Mutter mich fast tagtäglich!

„... aber sich nicht die ganze Zeit hinter Büchern vor der Realität verstecken! Das geht auf Dauer nicht gut! Irgendwann holt die Realität einen nämlich doch wieder ein und dann aber so richtig! So, und jetzt ab ins Bad mit dir, du willst doch nicht gleich an deinem ersten Schultag hier schon zu spät kommen!“

Auf dem Weg zur Schule lauschte ich dem Regen, der gleichmäßig aufs Autodach trommelte, und dachte über meine Zukunft nach. Natürlich hatte Mama recht! Und war das nicht der perfekte Zeitpunkt, um noch einmal von ganz vorne anzufangen? Nach einem Umzug in eine neue, fremde Stadt mit neuen Leuten um sich herum, die die alte Nicole nicht kannten?

Unser Wagen hielt mit quietschenden Reifen vor dem großen, grauen Betonklotz, der wohl meine zukünftige Schule sein sollte.

„Na los, komm schon!“, drängte meine Mutter, und so stieg ich eilig aus und schwang mir meine Tasche auf den Rücken.

In diesem Moment klingelte die Schulglocke. Ich seufzte. Wir schafften es auch wirklich nie pünktlich zu sein, auch wenn wir uns noch so anstrengten!

Während ich meiner Mutter durch den Regen folgte, betrachtete ich die Buchstaben über dem weißen Eingangsportal. Sie waren rot und passten so gar nicht zum langweiligen Grau des Gebäudes. Ich brauchte eine Weile, bis ich sie entziffert hatte.

Städtisches Gymnasium Ballstadt

stand da in verschnörkelter Schrift. Ich hastete durch die Eingangstür und stand in einem Treppenhaus. Meine Mutter war bereits dabei, die Karte der Schule und meinen Stundenplan zu betrachten, welche die Direktorin uns zugeschickt hatten.

„Hast du eine Ahnung, wo das Klassenzimmer 105 ist?“, fragte sie.

„Mama, woher soll ich das denn wissen?“ Ich verdrehte die Augen.

„Na gut“, murmelte meine Mutter, „ich glaube, wir gehen einfach mal hier lang.“

Ich folgte meiner Mutter etliche Gänge entlang und wieder zurück, Treppen hinauf und wieder hinunter. Irgendwie gelang es ihr dann doch, das Klassenzimmer 105 aufzuspüren.

„Machs gut Schatz, bis heute Nachmittag!“

Sie gab mir einen schnellen Kuss auf die Stirn und drehte sich um, um zu gehen.

„Viel Glück!“, fügte sie noch hinzu, dann begann sie wieder den Gang entlangzuhasten, über den wir eben hergekommen waren.

„Ja, dir auch“, murmelte ich sarkastisch, „beim Wieder-Rausfinden aus diesem Labyrinth!“

Ich hörte, wie im Klassenzimmer eine Lehrerin irgendetwas erklärte. Vorsichtig hob ich eine Hand, um an die Tür zu klopfen, ließ sie jedoch gleich wieder sinken. Ich war ja auch so ein Feigling! Was sollte mir denn schon passieren? Außerdem war es schlecht, wenn ich noch später kam. Ich befahl mir ruhig zu bleiben und atmete ein paar Mal tief durch, dann klopfte ich.

„Ja!“, tönte eine barsche Frauenstimme hinaus in den Gang. Meine Hand zitterte so sehr, dass ich kaum in der Lage war, die Klinke festzuhalten. Kleine Schweißtröpfchen rannen mir über die Stirn. Was war nur los mit mir?

„Ja, bitte!“ Die Lehrerin klang nun schon hörbar genervt. Mit einem mulmigen Gefühl drückte ich die Klinke hinunter und trat ein. Sofort starrten mich alle an.

„Ah, wie schön, die Neue gibt uns auch schon die Ehre ihrer Anwesenheit!“, höhnte die Lehrerin.

Sie trug ihre schwarzen Haare kurz geschnitten und hatte eine Hakennase mit einer randlosen Brille darauf. Auf der Tafel hinter ihr standen Gleichungen.

„Stell dich halt kurz vor, dann machen wir weiter!“, befahl die unsympathische Frau kurz angebunden.

„Ja, ääh ...“ Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte, als ich mich an die Klasse wandte: „Mein Name ist Nicole, mich nennen aber alle nur Nici. Ich komme aus München und ich ...“

„Reicht schon!“, unterbrach die Lehrerin barsch. „Den Rest kannst du ja in der Pause erzählen. So, wo setzen wir dich hin?“ Ihr Blick schweifte über die Reihen von Schülern und blieb schließlich an dem einzigen freien Platz hängen.

„Setz dich neben Mathilda!“, befahl sie.

Mathilda war ein groß gewachsenes, braunhaariges Mädchen, das einladend lächelte. Zögernd ging ich auf sie zu und setzte mich. Sie beugte sich zu mir hinüber.

„Denk dir nichts, das ist Frau Hofer, die ist immer so drauf!“, raunte sie mir verschwörerisch zu.

„Also“, fuhr da Frau Hofer auch gleich mit ihrem Unterricht fort, „wenn wir auf beiden Seiten 8x abziehen, dann ...“

Ach, Gleichungen, wie langweilig! Die hatten wir letztes Jahr schon durchgenommen! Ich nutzte die Zeit, um mich ein wenig in meiner neuen Klasse umzusehen. Fast alle starrten mich an. Nur wenige notierten eifrig die Lösung der Gleichung in ihr Heft.

Direkt vor mir saßen ein paar Mädchen, die sich flüsternd unterhielten und immer mal wieder zu mir nach hinten sahen. Sie waren mit Tonnen von Make-up bedeckt und schienen sich wichtigere Dinge als den Unterricht vorstellen zu können.

Ein paar Plätze entfernt, in der letzten Reihe, fielen mir drei Jungen auf, die ein wenig größer und muskulöser wirkten als der Rest der Klasse. An dem Grinsen, das einer der drei mir zeigte, erkannte ich, dass sie so etwas wie die Chefs der Klasse sein mussten, die den anderen zeigten, wo es langging.

Nur einen Tisch neben ihnen saß ein groß gewachsener, schwarzhaariger Junge, der mich auch ansah. Er hatte schöne grüne Augen und die vielen Sommersprossen, die sein Gesicht sprenkelten, verliehen ihm ein freches Aussehen. Er lächelte. Ganz urplötzlich und ohne Vorwarnung stieß Mathilda mir auf einmal den Ellenbogen in die Seite.

„Au!“, entfuhr es mir und sofort drehten sich alle um. Alle, außer Frau Hofer, die anscheinend beschlossen hatte, mich zu ignorieren.

„Wenn ich dir einen Tipp geben darf: Es gibt weitaus nettere Jungen als Jo“, wisperte Mathilda.

„Wer ist Jo?“, fragte ich.

„Der da“, flüsterte meine Banknachbarin und deutete mit dem Kopf auf den schwarzhaarigen Jungen mit den Sommersprossen.

„Er hält sich für den Besten, behauptet, dass er nie Angst hat und erzählt von morgens bis nachmittags von irgendwelchen Heldentaten, die er angeblich schon begangen hat! Er tut so, als sei er etwas Besseres!“

Ich sah noch mal zu dem schwarzhaarigen Jungen hinüber, der mich immer noch ansah. Er sah so nett aus.

Nach zwei weiteren Schulstunden, die mir endlos lang vorgekommen waren, war endlich Pause.

Wie immer brauchte ich ewig lange um meine Brotzeit zu suchen, obwohl ich dieses Mal enttäuscht feststellen musste, dass ich nur ein trockenes Brötchen dabeihatte. Anscheinend hatten weder meine Mutter noch ich an den Aufstrich gedacht. Es gehörte inzwischen schon zu meinem Leben dazu, dass ich zu spät in die Pause kam, genauso wie ich auch immer zu spät zur Schule kam.

Doch als ich aus der Tür des Klassenzimmers trat, wartete dort jemand auf mich.

„Hi, ich bin Jo“, stellte der schwarzhaarige Junge sich vor.

„Ja, ääh, hi auch, ich bin Nici.“ Ich war etwas überrascht.

„Soll ich dir zeigen, wo es zum Pausenhof geht?“, fragte Jo freundlich.

Mir fielen Mathildas Worte wieder ein. Was sollte ich nur machen? Ich beschloss, das Angebot anzunehmen. Schließlich kannte ich diesen Jo noch nicht und wollte mir erst einmal selbst ein Bild von ihm verschaffen.

„Gerne ... Danke.“

Keiner von uns sagte ein Wort, als wir schweigend nebeneinander hergingen. Da es draußen immer noch regnete, schlug Jo vor, während der Pause in der Aula zu bleiben. Er kannte sich hier natürlich gut aus.

Als wir gerade eine Treppe hinuntergingen, hörte ich auf einmal jemanden hinter uns rufen: „Jo, he, Jo, warte mal!“

Als ich mich umdrehte, sah ich hinter uns die drei Jungen, die mir auch schon während der Mathestunde aufgefallen waren. Doch jetzt, wo sie sich vor uns aufbauten, spürte ich, wie ich eine Gänsehaut bekam. Wie groß die Jungen doch waren! Außerdem gefiel mir das Grinsen der drei nicht.

„Es ist aber ziemlich uncool für so einen Alleskönner wie dich, sich hier mit der Neuen rumzutreiben“, bemerkte einer der Jungen.

Jo antwortete nicht.

„Aber du bist sowieso nicht cool! Wetten, dass du, wenn es darauf ankommt, total der Feigling bist?“, stichelte ein anderer.

„So ein Quatsch, ihr habt ja keine Ahnung! Wetten, dass ich mich mehr traue als ihr?“, konterte Jo.

„Beweise es uns!“, zischte einer der drei. „Wetten, dass du es keine zehn Minuten im Spukhaus aushältst?“

„Wetten doch!“

„Komm heute Nachmittag um fünf zum Spukhaus und zeige es uns! Um was wollen wir wetten?“

„Okay, ich werde da sein! Um fünf Euro?“, schlug Jo vor.

„Außerdem werden wir, solltest du die Wette verlieren, überall herumerzählen, was für ein Feigling du bist!“

„Abgemacht!“ Jo streckte die Hand aus.

„Abgemacht!“ Der Wortführer schlug ein.

Dann verzogen sich die drei Jungen grinsend und ließen mich wieder mit Jo alleine. Was wollten sie nur mit ihrem Auftritt bezwecken?

„Das Spukhaus?“, fragte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zitterte. Schon der Name klang so unheimlich! Jo grinste und setzte zu einer längeren Erklärung an.

„Das Spukhaus ist am äußersten Rand unserer kleinen Stadt zu finden und steht schon seit Langem leer. Es gibt viele Geschichten und Legenden um dieses Haus: Einige erzählen, es sollen Wesen von einer anderen Welt darin leben, die den Eingang in ihre Welt bewachen. Wieder andere berichten, in dem Haus habe früher eine Hexe gelebt, die es mit einem Fluch belegt haben soll. Man hat dort nämlich schon öfter des Nachts unheimliche Heullaute gehört und bläulich leuchtende Lichter gesehen. Das Haus wurde schon seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr betreten, weil die Leute Angst davor haben.“

„Aber du willst es betreten, weil du keine Angst hast?“, fragte ich trocken, obwohl ich die Antwort schon kannte.

„Genau! Du musst nämlich wissen, dass Angst nur etwas für Feiglinge ist. Und ich bin kein Feigling.“

„Aber der Spuk ...“

„Für den Spuk gibt es bestimmt eine ganz logische Erklärung! Das Heulen könnte zum Beispiel vom Wind kommen ...“

„Und die Lichter?“ Meine Stimme hörte sich auf einmal sehr hoch und piepsig an.

„Dafür habe ich noch keine Theorie, aber es wird bestimmt eine Erklärung geben!“

„Aha!“, meinte ich trocken und war auf einmal froh, nicht in Jos Haut zu stecken. Auch wenn ich nur wenig über das Spukhaus und den Hintergrund der Wette wusste, konnte ich einfach nicht ganz verstehen, warum er zugestimmt hatte.

Den Nachmittag verbrachte ich zum Großteil hinter meinen Schulbüchern, was äußerst selten vorkam. Normalerweise vergrub ich mich immer gleich in meinen Fantasy-Romanen, doch heute hatte ich keine Lust zum Lesen. Immer wieder schwirrte mir der gleiche Gedanke durch den Kopf: Jo. Jo und seine Wette.

Ich sah nun schon mindestens das zehnte Mal auf die Uhr. Es war 16.55 Uhr. Noch fünf Minuten. Der Regen strömte noch immer wie aus Eimern vom Himmel und ich saß hier in der Kälte hinter einem Busch! Die Kleider klebten mir am Leib und meine Haare tropften. Warum musste ich auch schon eine halbe Stunde früher hierherkommen?

Während meine Zähne klapperten, sah ich ein weiteres Mal auf die Uhr. 16.57 Uhr! Waren wirklich erst zwei Minuten vergangen? Bald musste doch einer von ihnen auftauchen! Ich sah zum Spukhaus, das düster in den Himmel emporragte. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter, aber ich hatte es ja nicht lassen können, herzukommen. Warum war ich eigentlich hier? Um Jo bei der Blamage zuzusehen? Nein, bestimmt nicht! Ich wusste genau, warum ich hier war, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte.

Ich war hier, weil ich Angst um Jo hatte. Weil ich Angst hatte, dass die drei großen Jungen ihm nicht helfen würden, falls ihm im Spukhaus irgendetwas zustoßen sollte. Aber würde ich ihm helfen? Das war eine andere Frage. Es war etwas anderes, sich für jemanden vierzig Minuten in den Regen zu setzen oder für jemanden in ein Spukhaus hineinzugehen.

Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als die drei Jungen auftauchten, die Jo herausgefordert hatten.

„Glaubt ihr, der Feigling kommt?“, fragte einer von ihnen.

„Natürlich kommt der!“, meinte ein zweiter. „So viel wie der von sich hält!“

Und er sollte recht behalten, denn nur ein paar Sekunden später kam Jo.

„Lasst es uns hinter uns bringen!“ Jo machte keine langen Vorreden, sondern schritt zielstrebig aufs Spukhaus zu. Kurz vor dem Eingang blieb er stehen. Mann, der schien wirklich nicht den Ansatz von Angst zu haben!

„Uhrenvergleich!“ Die drei großen Jungen hoben ihre Hände und kontrollierten ihre Uhren, dann nickten sie.

„Und los!“, rief einer von ihnen. Auf dieses Kommando hin drehte Jo sich ungerührt um, stieß die knarrend protestierende Tür auf und schritt würdevoll in das Dunkel dahinter.

Ich hielt den Atem an, als Jo von der dunklen Öffnung verschluckt wurde. Ich sah erneut auf die Uhr. Um 17.01 Uhr war Jo hineingegangen, also musste er bis 17.11 Uhr dort bleiben, wenn er seine 5 Euro nicht verlieren wollte.

Die Zeit schien unendlich langsam zu vergehen und der Regen machte nicht eine klitzekleine Pause. Ich fror entsetzlich. Plötzlich hörte man ein lautes Rumpeln, dann ertönte ein kurzer Schrei. Ich zuckte zusammen. Das war Jo! Eindeutig!

Die großen Jungen standen wie versteinert vor dem Eingang und machten nicht den Eindruck, als hätten sie vor, Jo zu helfen. Was sollte ich nur machen? Ich konnte doch nicht einfach nur hier draußen sitzen bleiben, während Jo da drinnen irgendetwas passiert war! Aber ich konnte doch auch nicht ins Spukhaus gehen! Die Legenden ... Nein, ich kannte den Jungen noch nicht gut genug, um so etwas für ihn zu riskieren. Aber was war, wenn ihm etwas Schlimmes zugestoßen war? Irgendjemand musste doch nach ihm sehen! Und von den drei Jungen, die noch immer wie versteinert vor dem Eingang standen, konnte Jo bestimmt keine Hilfe erwarten. Aber ich ... ich konnte doch unmöglich hier draußen bleiben, während Jo vielleicht in Gefahr schwebte ... Nein! Ich musste dem Jungen irgendwie helfen! Er hatte mir auch geholfen, heute in der Schule. Außerdem hätte ich es nicht ausgehalten, untätig hier draußen rumzusitzen. Auch wenn ich große Angst hatte, stand mein Entschluss fest.

Im Haus herrschte jetzt Totenstille. Die drei Jungen starrten immer noch wie gebannt auf den Eingang des Hauses. Ich musste also einen anderen Weg finden, um hineinzugelangen.

Leise stand ich auf. Das feuchte Gras dämpfte das Geräusch meiner Schritte und so bemerkten die Großen mich nicht, als ich zur Rückseite des Hauses lief. Ich hatte Glück. Die staubblinden Fenster hatten schon mehrere Risse im Glas. Gegen eines drückte ich leicht. Es klirrte leise, als das Glas zersprang und auf den Boden dahinter fiel. Obwohl ich nicht gerade sportlich war, machte es mir keinerlei Schwierigkeiten, durch die kleine Öffnung zu gelangen. Auf leisen Sohlen stieg ich ins Haus.

Es war düster und kalt hier, denn die staubblinden Fenster ließen weder viel Licht noch viel Wärme hinein. Ich war geradewegs in ein kleines Zimmerchen gesprungen, das sogar noch mit einem Schrank und einem Stuhl eingerichtet war. Auf beidem lag jedoch zentimeterdicker Staub.

Die Holzdielen knarrten leise unter meinen Schritten und ich musste aufpassen, dass sie nicht auf einmal nachgaben, da schon einige Dielen fehlten. Ich konnte sehen, dass es anscheinend noch ein Kellergeschoss gab, doch das interessierte mich jetzt nicht. Nur ein Gedanke geisterte durch meinen Kopf. Jetzt, wo ich schon mal hier war, gab es kein Zurück mehr. Ich musste Jo finden und dann möglichst schnell wieder hier raus.

Doch in dem gesamten Haus herrschte Stille. Der Wind heulte und die Dachbalken knarrten, doch sonst war alles still. Kein Lebenszeichen von dem Jungen.

„Jo?“, fragte ich zaghaft. Ich traute mich nicht, in voller Lautstärke zu rufen. Was, wenn noch jemand anderes hier im Haus war?

„Jo!“ Doch nichts rührte sich. Kalter Schweiß rann mir die Stirn hinunter. Was, wenn es schon zu spät war? Was, wenn dem Jungen irgendetwas zugestoßen war?

Ich verließ das kleine Zimmerchen und gelangte in eine Art Eingangshalle, von der einige Türen abgingen und von wo eine nicht sonderlich stabil aussehende Treppe ins Obergeschoss führte. Auf einmal hörte ich es hinter mir rascheln und mich streifte ein kühler Luftzug. Erschrocken fuhr ich herum. Doch da war nichts. Ich hörte nur meinen eigenen keuchenden Atem.

„Wer ist da?“ Meine Stimme zitterte, doch ich erhielt keine Antwort. Auf meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut. Das war doch nicht möglich!

In diesem Moment hörte ich ein leises Seufzen aus dem Obergeschoss. Jo! Ohne lange zu überlegen stieg ich die Treppe hinauf und gelangte in ein kleines Zimmerchen, von dem verschiedene Türen abgingen, die offenstanden und den Blick in andere Räume freigaben.

Dann sah ich Jo. Dem Jungen schien es gut zu gehen, denn er mühte sich gerade damit ab, eine Falltür aufzustemmen.

„Jo!“, rief ich und meine Stimme zitterte vor Erleichterung. Die Falltür rutschte Jo aus der Hand und der Junge wirbelte herum.

„Nici!“, rief er überrascht. „Was machst du denn hier?“

Ja, was machte ich eigentlich hier? Hatte ich mich wirklich in dieses Haus gewagt, nur um zu sehen, ob es Jo gut ging?

„Nun ja“, meinte ich verlegen und spürte, wie ich errötete, „ich habe ein lautes Rumpeln gehört und dann hast du geschrien und da dachte ich, dir ist etwas passiert!“

„Nein, mir ist nichts passiert“, meinte Jo und lächelte matt. „Aber ich glaube“, fügte er hinzu, „es wäre besser für dich, wenn du jetzt wieder gehst. Außerdem würde man es mir als Betrug anrechnen, wenn ich nicht alleine hier drinnen wäre.“

„Nein Jo, hier drinnen ist noch jemand!“

„Was?“ Der Junge sah mich überrascht an.

„Jo, ich bin mir nicht ganz sicher, aber als ich unten war, da habe ich ein Geräusch gehört und einen kalten Luftzug gespürt. In diesem Haus geht nicht alles mit rechten Dingen zu, das spüre ich einfach! Du musst mit rauskommen!“

„Nein!“, widersprach Jo entschlossen. „Ich habe die Wette fast gewonnen.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr. „Noch fünf Minuten.“

„Wieso liegt dir so viel an dieser Wette?“, fragte ich verzweifelt. „Jo, bitte, das ist doch Wahnsinn!“

„Ich bleibe hier, und wenn du hier drinnen solche Angst hast, dann geh doch einfach wieder raus!“

Ich erschrak, so genervt klang Jo jetzt.

„Nein“, flüsterte ich. Obwohl ich nicht wusste, warum ich das tat, entschloss ich mich, die letzten fünf Minuten bei meinem Klassenkameraden zu bleiben. Ich hatte mich vorhin bestimmt geirrt. Wer sollte denn noch hier in diesem gottverlassenen Haus sein? Außerdem würde ich mich sowieso nicht trauen, allein den Rückweg anzutreten. Es war doch viel sicherer, wenn Jo bei mir war.

„Ich bleibe!“, erklärte ich.

Obwohl ich wollte, dass meine Stimme entschlossen klang, waren meine Zweifel doch deutlich herauszuhören.

„Nein, Nici!“, versuchte Jo mir zu widersprechen, doch ich gab nicht nach. Eine Weile standen wir so da, jeder in seine eigenen Gedanken und Ängste vertieft, dann wollte ich auf einmal wissen: „Was hat da eigentlich so gepoltert und warum hast du geschrien?“

„Ich hatte diese verdammte Falltür fast oben“, erklärte Jo. „Dann ist sie mir aus der Hand gerutscht und auf meinen Fuß gefallen!“

Gegen meinen Willen begann ich zu lachen. Die Falltür war ihm auf den Fuß gefallen! Und ich hatte mir so viele Sorgen gemacht!

„Was ist daran so lustig?“, knurrte Jo. „Das hat wehgetan!“

„Tut mir leid“, beeilte ich mich zu sagen. „Aber ich hatte mir was viel Schlimmeres vorgestellt.“

Jo sagte nichts. Eine Weile schwiegen wir beide, dann fragte der Junge: „Hilfst du mit, die Falltür zu öffnen?“

„Wieso?“, wunderte ich mich.

„Na ja, wenn ich schon mal hier bin“, meinte Jo, „muss ich doch auch alles erkunden. Du kannst natürlich auch wieder rausgehen“, fügte er schnell hinzu, „und es mich allein machen lassen.“

„Nein, nein! Ich helfe dir schon“, sagte ich schnell. Dann ging ich zu ihm hinüber und nahm den Griff der Falltür. Auch Jo packte zu.

„Auf drei!“, befahl der Junge. „Eins, zwei ... drei!“

Zusammen zogen wir an der Falltür, doch es tat sich nichts. „Los, das muss doch gehen!“, presste Jo durch die Zähne hervor. Und endlich schienen sich unsere Mühen auch zu lohnen. Immer weiter öffnete sich die Falltür und nach einiger Anstrengung hatten wir sie hochgestemmt.

Dahinter konnte man eine steinerne Wendeltreppe erkennen, die steil nach unten führte.

„Merkwürdig!“, murmelte ich.

„Was?“, wollte Jo wissen.

„Dass die Treppe aus Stein ist! Die andere Treppe, die Dielen und die Wände, das ist alles aus Holz!“

„Stimmt!“, gab Jo zu. „Aber ich möchte trotzdem wissen, was da unten ist.“

Mein Magen zog sich zusammen. Ich war nicht gerade erpicht darauf da runterzusteigen. Jo holte eine kleine Taschenlampe aus seiner Hosentasche.

„Für alle Fälle!“, erklärte er, dann machte er sich an den Abstieg. Und ich stand da, ganz alleine.

„Willst du nicht mitkommen?“, fragte der Junge.

Ich starrte auf ihn hinab. Mitkommen? Nein!

„Jo, meinst du nicht, dass es schon reicht, in so ein Spukhaus reinzugehen? Dann muss man doch nicht noch alles erkunden!“

Meine Stimme zitterte ein wenig, was mir sehr peinlich war. Jo schien es zu bemerken, denn er konnte sich ein überlegenes Lächeln nicht verkneifen.

„Wenn du Angst hast, dann bleib halt hier, oder geh wieder raus. Ich habe keine Angst!“

Nach diesen Worten begann der Junge die Treppe hinabzusteigen, und seine Umrisse verloren sich schon bald in der Dunkelheit. Schließlich konnte ich nur noch ganz schwach den Schein der Taschenlampe erkennen. Ich war alleine. Alleine im Spukhaus! Aber dort runter würde Jo mich nicht auch noch bekommen!

Entschlossen drehte ich mich um, doch kaum hatte ich ein paar Schritte getan, knarrte plötzlich der Boden hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum. Nichts. Aber ich konnte mich doch nicht schon wieder geirrt haben! Hier war noch jemand. Bestimmt!

Ich musste hier raus, so schnell wie möglich! Aber bis zum Ausgang war es noch ein weiter Weg! Wenn Jo und ich wirklich nicht die Einzigen waren, die sich in diesem Spukhaus rumtrieben, konnte es sein, dass ich vielleicht nie wieder nach draußen kommen würde, weil man mich vorher angegriffen hätte! Hier war noch jemand. Ich konnte es deutlich spüren.

„Jo, warte!“, rief ich in Richtung Falltür. „Ich komme mit!“

Ich glaubte ein leise gemurmeltes „Also doch!“ zu hören, als ich mich die Treppe hinuntertastete.

Jo war noch nicht so weit vorausgegangen und leuchtete mir mit seiner Taschenlampe den Weg. Als ich ihn eingeholt hatte, stiegen wir gemeinsam weiter hinunter. Jo mit der Taschenlampe in der Hand voran, ich hinterher. Die Luft wurde immer stickiger und das Atmen immer schwerer, und die Treppe schien gar kein Ende zu nehmen. Das Licht, das von oben durch die Falltür herabfiel, war nach einiger Zeit nicht mehr zu sehen, dafür tauchte eine neue Lichtquelle auf. Als wir um die letzte Biegung der Treppe kamen, standen wir am Anfang eines mit Fackeln beleuchteten Ganges.

Was machten denn Fackeln hier unten? Das ergab doch keinen Sinn! Wenn das Spukhaus tatsächlich schon seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr betreten worden war, gab es dafür nur eine einzige logische Erklärung: Der Gang musste noch einen anderen Ausgang haben. Das ermutigte mich ein wenig.

Ich ging neben Jo her, der sich neugierig umsah. Wasser tropfte von den feuchten Steinwänden, die im Schein der Fackeln glänzten. Die Flammen warfen unheimliche, flackernd tanzende Schatten an die Wände und mir lief nun doch ein Schauer den Rücken hinunter. Wer wusste, wo wir wieder herauskommen würden? Und vor allem: wann?

Wir waren bereits eine ganze Weile gelaufen, als ich an einer Seite plötzlich etwas aufblitzen sah.

„Warte mal, Jo!“, flüsterte ich. „Was war das?“

Langsam ging ich auf die Wand zu und entdeckte unter einer Fackel eine kleine Nische, in der ich etwas glitzern sah. Es schien, als sei ein Stein aus der Wand herausgenommen worden.

Zögernd streckte ich die Hand aus und tastete in der dunklen Nische herum. Meine Finger schlossen sich um etwas Hartes, Kaltes. Vorsichtig zog ich meine Hand wieder heraus. Ich hielt einen Armreif darin. Einen wunderschönen, silbernen Armreif, der die Gestalt einer Schlange hatte, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Die Augen dieser Schlange waren leuchtende grüne Steine. Als ich genauer hinsah, stellte ich fest, dass das Tier Löcher im Bauch hatte. So sah es zumindest aus. Erst jetzt fiel mir auf, wie schwer der Armreif war.

„Wow!“, machte Jo, der mir über die Schulter gesehen hatte.

Fragend streckte er die Hand aus: „Darf ich mal?“

Ich händigte ihm mein Fundstück aus. Er wog es bedächtig in der Hand und gab es mir dann zurück.

„Er ist schwer!“, stellte Jo fest, „aber zu leicht, um aus purem Silber zu sein. Vielleicht ist es irgendeine Mischung“, rätselte er.

„Aber warum sollte jemand hier unten einen Armreif liegen lassen?“, wollte ich wissen.

„Na ja“, überlegte Jo, „zufällig vergessen hat man ihn hier bestimmt nicht. Vielleicht hat man ihn ja hier versteckt?“

„Wieso sollte jemand so einen Armreif hier unten verstecken?“, fragte ich.

„Vielleicht ist es Diebesgut!“, rief Jo aus. „Wäre hier nicht der perfekte Platz, um Diebesgut zu verstecken? Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass dieser Gang existiert und die, die es wissen, trauen sich ja anscheinend nicht hierher.“

Ich nickte gedankenverloren.

„Egal, was es mit diesem Armreif auf sich hat, wir sollten ihn, sobald wir wieder draußen sind, zur Polizei bringen!“, bestimmte ich und schob mir den Reif auf den Arm. Da war er am besten aufgehoben.

*

Das fremde Mädchen

Gedankenversunken ging ich neben Jo her und achtete kaum noch auf den Weg. So war ich ziemlich überrascht, als der Junge mich auf einmal anstieß.

„Da drüben! Siehst du? Da ist noch eine Treppe!“, rief er aufgeregt.

„Endlich!“, seufzte ich erleichtert.

Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal und konnte es kaum erwarten, möglichst schnell wieder an der frischen Luft zu sein. Jo war immer noch ein paar Schritte vor mir.

Als wir endlich vor einer weiteren Falltür standen, keuchte er bereits heftig.

„Los, auf drei!“, befahl er wieder. Diese Tür ließ sich wesentlich leichter öffnen als die im Spukhaus. Ein Anzeichen dafür, dass sie öfter benutzt wurde.

Jo stemmte sich hinaus und half auch mir hoch, doch als ich dann neben der Falltür stand, konnte ich ein Stöhnen nicht unterdrücken. Von wegen frische Luft! Vor uns tat sich ein weiterer Gang auf, der sowohl auf der linken, als auch auf der rechten Seite von Fackeln gesäumt war. Auch Jo sah nicht gerade glücklich aus. Er schritt auf eine der feuchten Wände zu und betrachtete diese ganz genau. Die Wand sah kalt und nass aus und schien aus dem gleichen Material zu sein wie die im unteren Gang.

„Es würde mich nicht wundern, wenn ... wenn wir hier in einer Burg wären“, meinte Jo.

„In einer Burg? Aber in Ballstadt gibt es doch gar keine Burg!“

„Ich weiß, aber es scheint so, als wären wir hier im Kerkergang einer Burg.“

„Was!?!“ Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme ein wenig zu hoch klang.

„Das ist natürlich völliger Unsinn!“, murmelte Jo mehr zu sich selbst als zu mir. „Wie sollten wir auf einmal in eine Burg gelangen?“

Jo hatte recht. Doch irgendetwas war hier faul, das spürte ich. Und irgendwie musste der Armreif in diese ganze Geschichte hineinpassen.

Plötzlich schnappte Jo nach Luft.

„Was ...“, setzte ich an, doch Jo legte einen Finger an die Lippen und bedeutete mir still zu sein. Und da hörte ich es auch. Schwere Schritte und Rufe hallten zu uns herüber.

„Lass uns ... verschwinden!“, wisperte Jo. Ich drehte mich in Richtung Falltür, doch Jo schüttelte den Kopf. „Es dauert zu lange, bis wir die aufbekommen!“

Der Junge deutete den Gang entlang. „Sie kommen von da ... also rennen wir nach dort.“ Er deutete in die entgegengesetzte Richtung und wie auf Kommando hetzten wir beide los. Der Gang schien endlos lang zu sein. Die Rufe hinter uns wurden immer lauter und bald schon konnte ich einige Wortfetzen verstehen, die mir einen eiskalten Schauer über den Rücken jagten: „Eindringlinge! Fangt sie!“

Was ging hier nur vor?

Wir rannten um eine Ecke, hinter der eine Treppe steil nach oben führte. Ich hetzte hinter Jo her. Zu meiner Verwunderung merkte ich bald, dass der Lauf mich überhaupt nicht anstrengte. Während ich früher schon nach 200 Metern gekeucht hatte, fühlte ich jetzt nicht mal den Hauch einer Anstrengung. Jo dagegen keuchte wie eine kaputte Dampfmaschine und der Junge war mir bisher bei Weitem sportlicher vorgekommen.

Endlich waren wir am Ende der langen Treppe angelangt. Wir hetzten einen weiteren Korridor entlang, als ich plötzlich wie versteinert stehen blieb.

„Warte, Jo!“, rief ich. Der Junge drehte sich um.

„Nein, Nici, unsere Verfolger ...“

„Sie kommen auch von dort!“ Ich zeigte den Gang entlang. Auch von da waren nun Rufe zu hören. Sie hatten uns in die Enge getrieben! Jetzt schien Jo es auch zu hören. Der Junge ließ die Schultern hängen. Ich wusste, wie er sich fühlte. Es war schon merkwürdig. Wer sollte hinter uns her sein? An dem Verhalten unserer Verfolger konnte man deutlich erkennen, dass sie nicht nur ein Schwätzchen mit uns halten wollten. Aber was wollten sie dann? Wieso jagten sie uns? Was war hier überhaupt los? Und wo waren wir? Ich sah zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Gleich würden unsere Verfolger um die Ecke stürmen!

„Mir nach!“ Erschrocken fuhr ich herum. Das war nicht Jos Stimme gewesen.

Auf einmal sah ich mich Auge in Auge mit einem fremden Mädchen. Es hatte lange schwarze Haare und trug ein Kleid aus grünem Samt, das mit Gold bestickt war. Doch aus irgendeinem Grund fand ich das Mädchen unheimlich. Als ich ihr ins Gesicht sah, wusste ich sofort, woran das lag. An ihren Augen. Sie waren von einer merkwürdigen Farbe, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es schien eine Art dunkles Grau zu sein. Als ich in diese Augen blickte, lief mir ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Auch Jo starrte die Fremde an.

„Was ist?“ Das Mädchen klang ungeduldig. „Wollt ihr, dass die Wachen euch schnappen?“

Wie war sie überhaupt so plötzlich hierher gekommen? Ohne uns eine weitere Erklärung zu geben, bückte die Fremde sich und drückte auf einen der kalten, rauen Steine in der Wand. Dieser rutschte nach hinten und gab eine kleine Öffnung frei. Das Mädchen drückte nun auch auf die Steine daneben und auch diese schwangen zur Seite. Es entstand eine Art Tunnel, der groß genug war, um auf allen vieren hindurchzukriechen.

Die Fremde bedeutete Jo und mir vorzugehen. Wir sahen uns kurz an. Die Wachen, wie das Mädchen unsere Verfolger genannt hatte, wollten bestimmt nichts Gutes von uns. Da sie uns ansonsten geschnappt hätten, war unsere einzige Chance heil davonzukommen wohl die, der Aufforderung des Mädchens Folge zu leisten.

Mit klopfendem Herzen ließ ich mich auf meine Knie nieder und kroch langsam und vorsichtig über den feuchten Boden hinein in den engen Tunnel. Ich hörte, wie Jo es mir gleichtat und wie das Mädchen, als sie ebenfalls im Tunnel war, die Steine wieder an ihren ursprünglichen Platz schob. Eigentlich sollte es mich nicht mehr wundern, dass die Schwarzhaarige anscheinend ganz leicht schwere Steine verschieben konnte, nicht nach alledem, was mir bisher passiert war. Doch ich wunderte mich trotzdem.

„Jo, krieg ich die Taschenlampe?“, fragte ich und streckte meine Hand nach hinten aus. Dabei spürte ich, wie der Armreif an meinem Handgelenk auf und ab rutschte. Der Junge legte mir die Taschenlampe in die offene Handfläche und ich schloss meine Finger darum. Wenig später erhellte der bläuliche Lichtkegel der Lampe den niedrigen Tunnel.

„Einfach geradeaus!“, befahl das fremde Mädchen von hinten. Ha, ha, ha, wo sollten wir auch sonst hin? Eine Abzweigung gab es nicht und die Fremde versperrte uns den Rückweg. Plötzlich hörte ich gedämpft hastige Schritte. Der erste Trupp unserer Verfolger schien soeben an unserem Versteck vorüberzulaufen.

„Macht schon, wir haben nicht ewig Zeit!“, drängte unsere Retterin. „Genauer gesagt, es zählt jede Sekunde!“

So begannen wir erneut den engen Gang entlangzurobben. Keiner von uns sagte ein Wort. So konnten wir bald das Rauschen des Regens hören, der anscheinend noch immer in Strömen vom Himmel goss. Das erinnerte mich wieder an meine nassen Kleider und unwillkürlich begann ich zu zittern. Auf einmal wurde vor uns eine kleine Öffnung sichtbar, durch die trübes, graues Licht fiel. Ich begann schneller vorwärts zu kriechen, als ich die frische Luft spürte, die mir von draußen entgegenschlug.

Der Regen war mir jetzt egal, ich war einfach nur froh draußen zu sein. Ich zwängte mich durch die enge Öffnung ins Freie. Der Regen schlug mir hart und kalt ins Gesicht, und die Wolken ließen kaum Tageslicht zu uns hindurch. Ich atmete gierig die frische Luft ein und nach wenigen Sekunden waren auch Jo und das fremde Mädchen neben mir.

Jetzt erst sah ich mich genauer um. Wir standen anscheinend auf einem großen, schwarzen, felsigen Berg, über dem dunkle Wolken hingen. Direkt neben uns erhob sich eine mächtige, ebenfalls schwarze Burg mit vier Türmen.

„Das ist Burg Xintafore, auch bekannt als die Burg der Finsternis.“ Die Stimme der Schwarzhaarigen riss mich aus meinen Gedanken. „Und wir sind hier auf dem Berg der Finsternis. Er wird so genannt, weil die Wolken darüber sich nie lichten.“

„Sehr witzig!“, meinte Jo. „Wir müssen irgendwo in der Nähe von Ballstadt sein und dort kenne ich nirgendwo einen Berg der Finsternis.“

„Nein, seid ihr nicht“, widersprach das Mädchen. „Nichts ist mehr so, wie es einmal war, und alles wird sich ändern.“

Ich verstand einfach nicht, was diese rätselhafte Andeutung sollte, doch ich verstand momentan vieles nicht.

„Wo sind wir wirklich?“, wollte ich wissen. „Und wer bist du? Wie sind wir hierher gekommen und wieso wird jetzt alles anders?“

„Das sind viele Fragen!“ Das Gesicht der Fremden war absolut ernst, als sie fortfuhr. „Die erste Frage habe ich euch schon beantwortet und die folgenden kann und darf ich euch nicht beantworten. Ihr werdet die Antworten schon noch früher zu hören bekommen, als euch lieb ist. Nun hört mir gut zu, denn wir haben nur wenig Zeit, und es ist wichtig, dass ihr jetzt exakt das tut, was ich von euch verlange.“

Sie sah uns mit ihren grauen Augen durchdringend an. „Seht ihr diesen Fluss dahinten?“ Das Mädchen streckte den Finger aus und zeigte auf einen Fluss in der Ferne, der in allen Farben des Regenbogens schillerte.

„Und seht ihr auch die drei Brücken?“, fuhr es fort, ohne unsere Antwort abzuwarten. Jo und ich nickten. „Es ist eure Aufgabe, sicher zur mittleren der drei Brücken zu gelangen und sie zu überqueren. Zur mittleren! Dahinter seht ihr ein kleines Dorf. Sprecht, bis ihr dort hingelangt seid, mit niemandem! In dem Dorf gebt ihr euch als Thorana und Maranus aus und tut so, als wärt ihr hier heimisch. Nicht mehr Aufsehen als nötig erregen, habt ihr verstanden?“

Wir nickten. Auch wenn wir nicht wussten, wieso wir ihren Auftrag ausführen sollten, spürten wir doch, dass es wichtig war, und dass es so schnell wie möglich zu geschehen hatte.

„In dem Dorf fragt ihr, ob ihr mit Thejinda flussaufwärts fahren könnt. Sagt, für euch sei schon bezahlt worden und zeigt dies als Beweis.“ Das Mädchen zog sich einen goldenen Ring mit einem grünen Stein vom Finger.

„Sagt, ihr müsst so schnell wie möglich zu Schloss Theodoris, weil ihr eine wichtige Botschaft zu überbringen habt. Man wird euch am Fluss abholen und zum Schloss hinaufbringen. Dort wird man euch helfen und einen Weg suchen, wie ihr, nachdem wir kurz eure Hilfe benötigt haben, wieder zurückkommt.“

„Wie meinst du das ...“, setzte ich an, doch die Fremde schüttelte den Kopf.

„Wir haben keine Zeit für Fragen. Noch nicht. Es ist wichtig, dass ihr meinen Auftrag so schnell wie möglich ausführt, und dass euch auf dem Weg zum Schloss nichts passiert. Es hängt viel von eurem sicheren Ankommen ab, versteht ihr? Viel mehr, als ihr euch vorstellen könnt!“

Jo und ich tauschten einen unsicheren Blick. Das Mädchen schien es zu bemerken.

„Ich weiß, dass ich euch zu nichts zwingen kann“, fügte es hinzu. „Doch ich bitte euch darum, meinen Auftrag zu erledigen. Wir brauchen euch hier und es hängt eine Menge davon ab. Würdet ihr uns helfen? Würdet ihr das tun?“, fragte sie noch eindringlicher.