ARKLAND - Holger M. Pohl - E-Book

ARKLAND E-Book

Holger M. Pohl

0,0

Beschreibung

Die Weißen Könige beherrschten das kleine, schmale und zivilisierte Westküstenland und das weit größere, wilde ARKLAND. Dank ihres Wissens und ihrer Technik bestimmten sie von ihren Stadtburgen im Westküstenland aus das Schicksal der Bewohner des ARKLANDs. Eines Tages aber begehrten die Bewohner des ARKLANDs auf. Als der Große Krieg endete, waren die Weißen Könige besiegt und vernichtet. Und das ARKLAND schien frei. Tausend Jahre später machen sich zwei Männer auf, um Antworten auf ihre Fragen zu finden. Der eine ist Sorrent aus Shalin, einer ehemaligen Stadtburg der Weißen Könige. Der andere ist Enroc Mendolla aus dem ARKLAND, ein Krieger der Welt. Der eine sucht nach der Zukunft für seine Heimat, der andere nach den vergessenen Antworten der Vergangenheit. Doch oftmals sind Vergangenheit und Zukunft nur verschiedene Aspekte derselben Sache und untrennbar miteinander verknüpft. Manchmal sind sie sogar dasselbe ... Der Auftakt der ARKLAND-Trilogie

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 526

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Über den Autor

Lesetipps

ARKLAND

Aufbruch ins Gestern

von

Holger M. Pohl

Arkland

Aufbruch ins Gestern

Holger M. Pohl

© 2015 Verlag Torsten Low Rössle-Ring 22 86405 Meitingen/Erlingen

Besuchen Sie uns im Internet:www.verlag-torsten-low.de

Alle Rechte vorbehalten.

Cover: Timo Kümmel

Lektorat und Korrektorat: T. Corzilius, T. Low

eBook-Produktion: Cumedio Publishing Services – www.cumedio.de

ISBN (Buch):978-3-940036-29-2 ISBN (mobi):978-3-940036-69-8

1

Sorrent aus Shalin:

Das Spiel mit dem Feuer

»Du treibst ein gefährliches Spiel.« Sorrent sah auf und erblickte die schlanke, hochgewachsene Gestalt seines besten Freundes Larid. Sie waren beide noch jung, doch Sorrent wirkte wesentlich älter. Sein Amt und die Ausbildung, die er schon von früher Jugend an genossen hatte, um es auszufüllen, ließen ihn älter erscheinen, als er tatsächlich war. »Wie meinst du das?« Der junge Mann ließ sich neben Sorrent auf dem Felsen nieder.

»So!«, erwiderte er nur und deutete mit dem Finger in die weite Ebene hinab, die unter dem Hochplateau lag und bis zum fernen Meer reichte, das am Horizont mehr zu erahnen, als wirklich zu erkennen war.

Minutenlang saßen sie schweigend nebeneinander. Schließlich meinte Larid: »Deine Gedanken sind bei Regan, dieser Stadt am Ufer des Meeres.«

Sorrent nickte. »Ja, das ist richtig. Doch verstehe ich nicht, was daran gefährlich sein soll?«

Larid lachte bitter auf. »Es ist sogar mehr als nur gefährlich. Du spielst mit dem Feuer und könntest dich daran verbrennen.« Er legte dem Freund die Hand auf die Schulter. »Ein Teil von dir will dorthin, das weiß ich. Es gibt für dich aber keinen Grund, Shalin zu verlassen.«

»Ich weiß«, erwiderte Sorrent lächelnd, »jedoch gibt es tausend und mehr Gründe, um nach Regan zu gehen.« Er sah Larid von der Seite an. »Shalin ist meine Heimat und wird es immer bleiben. Hier fühle ich mich geborgen, hierher gehöre ich. Mein Herz, meine Seele, all das wird Shalin nie vergessen, ganz gleich, wohin ich auch gehe!«

»Ist es denn deine Absicht, irgendwohin zu gehen?«

»Was denkst du?«, fragte Sorrent.

»Ich wünschte, ich wüsste es. Als Oberster Bewahrer hast du schon so viele Dinge getan, die andere vor den Kopf gestoßen haben. Du hast viele der Alten Gesetze verändert oder ganz abgeschafft. Wirst du vor dem Obersten Gesetz haltmachen?«

»Die Alten Gesetze sind genau das, was ihr Name schon sagt: alte Gesetze! Sie waren notwendig, manche sind es heute noch. Doch es gibt auch welche, die überholt sind. Und diese gilt es, abzuschaffen.« Der Oberste Bewahrer nickte. »Ja, das Oberste Gesetz ist ein solches, es gehört abgeschafft. Zum Wohle von uns allen, zum Wohle Shalins!«

»Andere sehen das nicht so.«

Sorrent nickte erneut. »Sie verstehen es nicht. Sie denken in festgefahrenen, uralten Bahnen. Und das ist für Shalin womöglich gefährlicher als all meine Gedanken und Träume; weit gefährlicher als alle Veränderungen, die ich durchgesetzt habe und möglicherweise noch durchsetzen werde!«

»Auch ich verstehe es nicht, mein Freund. Erkläre es mir!«, forderte Larid.

Der Oberste Bewahrer dachte einige Augenblicke nach, ehe er antwortete: »Als die Alten Gesetze erlassen wurden, hatten unsere Vorväter gerade einen Krieg erlebt, der sie an den Rand des Abgrunds gebracht hatte. Sie mussten dafür sorgen, dass sie und wir, ihre Nachfahren, in Sicherheit leben konnten. Also taten sie alles, was sie für notwendig erachteten, damit diese Sicherheit gewahrt würde. Alles gipfelte schließlich im Obersten Gesetz, das uns für alle Zeiten verbot, Kontakt zu einer der niederen Städte aufzunehmen. Nur ferne Kontakte zu einer anderen Stadtburg wurden erlaubt.«

»Aber das ist richtig so!«

»Das war es, Larid, das war es!«

»Wenn man dich so reden hört, könnte man denken, dass dir nichts mehr etwas bedeutet, was unsere Vorväter erschaffen haben; dass Shalin dir nichts mehr bedeutet; dass du es verraten willst!«

Sorrent erhob sich. Einige Augenblicke lang blickte er schweigend in die Ebene hinab. »Es ist so«, begann er schließlich und sah Larid ernst an, »dass Shalin alles für mich bedeutet. Nie habe ich daran gedacht, es hinter mir zurückzulassen – oder es zu verraten, wie du es ausdrückst. Shalin gibt mir alles, was ich zum Leben brauche: Geborgenheit, Wärme, Freunde! So gesehen existiert wirklich kein Grund, meine Heimatstadt zu verlassen. Doch Shalin ist nur ein Teil meines Lebens. Zugegebenermaßen ein sehr großer und sehr wichtiger Teil, aber eben nur ein Teil. Dort jedoch« – er zeigte in die Ebene hinunter – »ist ein anderer Teil! Regan existiert. Und solange diese Stadt existiert, will ich sie kennenlernen. Die Menschen dort denken anders, handeln anders und fühlen anders als wir. Ich möchte nichts und ich werde nichts zurücklassen, vergessen oder verlieren, wenn ich dorthin gehe. Aber ich werde hinzugewinnen, Larid. Für mich, für Shalin, für euch. Und das ist Grund genug, nach Regan zu gehen!«

»Was willst du gewinnen?«

»Neue Erfahrungen, neues Wissen. Wir könnten einander eine große Hilfe sein. Jede Seite könnte davon profitieren. Die Welt wird sich ändern, so wie sie sich nach dem Untergang des alten Reiches änderte. Und wer nicht beizeiten an die Zukunft denkt, wird untergehen! Was glaubst du, war der Grund, weshalb das Reich der Weißen Könige unterging. Waren sie schwach oder unwissend? Nein, sie waren weder das eine noch das andere, aber sie waren eins: Sie waren nicht neugierig darauf, was außerhalb ihres Reiches vor sich ging. Sie waren darauf bedacht, alles so zu lassen, wie es war. Und so kann es auch uns ergehen, mein Freund. Die meisten von uns wollen alles so belassen, wie es ist. Vielleicht geht das noch eine Zeit lang gut, doch irgendwann werden wir dann von den Veränderungen überrollt, ohne etwas dagegen tun zu können. Wir werden untergehen. Es ist meine Aufgabe, das zu verhindern!«

»Das sind Hirngespinste und du vergisst die Verantwortung und die Pflichten, die du als Oberster Bewahrer übernommen hast«, hielt Larid ihm vor.

Sorrent lächelte und schüttelte den Kopf. »Würde ich die Augen vor dem verschließen, was uns bevorsteht, dann würde ich meine Verantwortung und meine Pflichten vergessen.«

»Woher willst du wissen, dass uns eine Gefahr droht?«

»Ich weiß es nicht, doch ich ahne es.« Er hob die Schultern. »Nenne es ein Gefühl, wenn du willst.«

»Aber was soll es dir dabei helfen, alles abzuschaffen, was die Vorväter aufgebaut haben? Willst du ihre Weisheit anzweifeln?«

»Ich zweifle nicht die Weisheit der Vorväter an, doch ich zweifle an der Weisheit der Lebenden. Wir müssen das, was wir tun, infrage stellen, weil wir nur dann darüber nachdenken, ob es richtig ist. Ich tue, was ich tue, weil ich es für notwendig und richtig erachte. Ich weiß aber, dass ich einen schweren Kampf führe. Nichtsdestotrotz: Ich werde ihn führen!«

»Ich glaube, du bist verrückt!«

»Nein, nicht verrückt. Neugierig ist das richtige Wort. Ich bin anders als die meisten in Shalin, ganz anders, als ihr es euch vorstellt. Du vermutest, wenn ich nach Regan gehe, würde ich euch, ganz Shalin, verraten und vergessen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, dass genau das Gegenteil der Fall sein könnte und dass Regan mir und Shalin etwas gibt!«

»Und was sollte das sein? Du musst dich entscheiden, du kannst nicht beides haben!«

»Hast du mir nicht zugehört? Es ist keine Entscheidung nach dem Prinzip Entweder-oder, es ist ein Sowohl-als-auch!« Er schüttelte erneut den Kopf. »Weshalb denkst du, dass mein Wunsch nach Regan zu gehen, gleichzeitig bedeutet, dass ich Shalin vergesse?« Er lachte leise. »Vielleicht bedeutet mir meine Heimat hinterher mehr als vorher? Obwohl sie mir bereits jetzt schon alles bedeutet.«

»Wenn du Shalin verlässt, dann gibt es kein Zurück!«, wiederholte Larid.

»Ich werde Shalin nicht verlassen.«

»Du wirst also nicht nach Regan gehen?«, fragte sein Freund hoffnungsvoll.

»Wenn ich gehe, werde ich Shalin mit mir nehmen: in meinem Herzen, in meiner Seele und in meinen Gedanken. Regan wird für mich etwas Neues, Anderes sein. Nichts, wofür ich Shalin aufgeben werde.«

Larid schüttelte den Kopf. »Ich sagte dir doch bereits, du spielst mit dem Feuer. Und ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass dir dieses verdammte Regan bereits deine Gedanken verbrannt hat. Es wird soweit kommen, dass du Regan nicht willst, aber Shalin dich nicht mehr will. Dann bist du alleine!«

Sorrent hob die Schultern. »Wenn niemand in Shalin weiß, dass ich nach Regan gehe, so kann niemand mich zurückstoßen. Wenn Regan mir gefällt, so werde ich mich nicht nur einmal dorthin begeben. Shalin ist mein Leben, Regan ist mein Traum. Und beides sind Teile von mir, die sehr wohl gemeinsam nebeneinander existieren können!«

»Noch kannst du aber nicht gehen«, entgegnet Larid, »denn noch gibt es das Oberste Gesetz und es wird dir nicht leicht fallen, dieses Gebot abzuschaffen.« Er nickte wie zur Bekräftigung vor sich hin. »Ich glaube sogar, es wird unmöglich sein. Selbst jene, die dich unterstützen, werden diesen Schritt nicht mit dir gehen.«

Sorrent sah in die Ebene hinab und dachte einen Augenblick nach, ehe er antwortete: »Es wird sicher nicht einfach sein, doch unmöglich ist es nicht. Es wird Zeit und Mühe kosten, doch es muss getan werden.« Er wandte den Kopf Larid zu. »Je schneller, desto besser für uns alle. Darum habe ich mich entschlossen, dies im Rat so schnell wie möglich zur Sprache zu bringen. Bis dahin...« Er lächelte vielsagend.

»Du willst das Oberste Gesetz brechen?«, deutete Larid aus seinem Lächeln und dem angefangenen Satz.

»Niemand wird erfahren, was ich tue. Es hat auch seine Vorteile, Oberster Bewahrer zu sein!«

»Und was ist, wenn man in Shalin doch davon erfährt, dass du nach Regan gegangen bist? Wenn man dich dann vor die Wahl stellt, nie mehr dorthin zu gehen oder Shalin für immer zu verlassen?«

Sorrent sah den Freund nachdenklich an. »Ich würde mich natürlich für Shalin entscheiden. Doch was soll diese Frage? Niemand stellt mich vor diese Wahl.«

»Doch, mein Freund. Ich tue es!«

»Du bist nicht Shalin!« Sorrents Stimme klang zu gleichen Teilen belustigt und ärgerlich.

»Nein, aber Shalin wird es durch mich erfahren.«

Sorrent lächelte. »Du bist mein Freund, Larid. Könntest du so etwas tun?«

Der junge Mann nickte. »Ich könnte es. Für Shalin, für mich und auch für dich!«

Sorrent machte eine abwehrende Handbewegung. »Oh nein, nicht für mich, bestimmt nicht für mich! Du würdest es für dich tun und auch für Shalin.«

»Doch, ich würde es auch für dich tun, selbst wenn du es im Augenblick noch nicht erkennen willst!« Es lag beinahe etwas Beschwörendes in Larids Blick. »Versprich mir, Sorrent, dass du nicht nach Regan gehen wirst!«

Sorrent schüttelte schweigend den Kopf.

»Shalin braucht dich und du willst es verraten«, wiederholte Larid seinen Vorwurf. »Dein Geist ist bereits ins Feuer gegangen und du wirst dich daran verbrennen. Aber noch ist es nicht zu spät.«

»Vielleicht braucht Regan mich auch?« Sorrent erntete einen verständnislosen Blick. »Es ist zu spät, Larid, wenn du es so sehen willst!«, fuhr der Oberste Bewahrer fort und lächelte. »Ich werde dir ein Geheimnis verraten.«

Larid sah ihn fragend an.

»Ich war bereits einmal in Regan.«

Der junge Mann fuhr entsetzt hoch.

»Und wie du siehst«, fuhr Sorrent ruhig fort, »hat sich meine Einstellung gegenüber meiner Heimat nicht im Geringsten verändert. Im Gegenteil, seit ich Regan kenne, halte ich es für umso wichtiger, dass Shalin sich öffnet, sich öffnen muss, um zu überleben!« Er sah in die Ebene hinab. »Die Zeiten ändern sich und große Dinge stehen bevor! Shalin kann sich dem stellen oder untergehen. Und nun, da du mein Geheimnis kennst, kannst du gehen und mich verraten, wenn du willst!«

Die beiden Männer sahen, jeder mit anderen Gedanken, in die Ebene hinab und schwiegen. Larid, weil er nicht wusste, was er noch sagen sollte. Und Sorrent, weil er alles gesagt hatte, was es zu sagen gab.

Enroc Mendolla:

Der Krieger im Land des blutigen Schweigens

Die Dämmerung zog herauf und die ersten Vögel begannen ihr morgendliches Lied.

Lange bevor die ersten Sonnenstrahlen durch den schmalen Spalt des Zelteingangs fielen und lange bevor das Wecksignal ertönte und das Lager der ossrischen Armee vor Lärm, Gestank und Geschäftigkeit überquellen würde, war er aufgewacht. Enroc Mendolla hatte in dieser Nacht kaum geschlafen. Er benötigte nicht viel Schlaf, zudem hatte ihn eine ihm nur allzu bekannte Erregung, die er gleichermaßen verabscheute und genoss, wach gehalten. Obwohl er schon in so viele Schlachten gezogen war, so war es doch immer wieder das Gleiche: Wenn es an der Zeit war, so konnte er sich seinem inneren Zwang, der ihn in den Kampf trieb, nicht entziehen. Oft führte das dazu, dass er lange vor den anderen, lange bevor die Schlacht begann, erwachte. In diesen Augenblicken, wenn alles noch still war, glaubte er manchmal das Klingen von Schwertern, das Geschrei der Menschen, das Geschnaube der Pferde zu hören. Doch es war nur der Widerhall von Erinnerungen. Allerdings war es mit seinen Erinnerungen so eine Sache.

Er fühlte sich kräftig und ausgeruht. Doch das fühlte er sich stets, wenn er geschlafen hatte. Gleichgültig, wie sehr er sich auch verausgaben mochte, wie erschöpft er sein mochte: Nachdem er geschlafen hatte, fühlte er sich wieder voller Kraft und Energie.

Er wusste, dass viele der Soldaten zum ersten Mal in eine Schlacht zogen. Ossra war ein kleines Reich am südlichen Rand der Kenja-Öde und im Laufe seiner Geschichte nur sehr selten in Kriege verwickelt worden. Der letzte große Krieg lag mehr als dreißig Jahre zurück, wie Enroc gehört hatte. Deshalb herrschte unter den ossrischen Soldaten eine Stimmung der Unsicherheit und der gespannten Erwartung vor.

Die Söldner amüsierten sich darüber. Sie hatten schon so viele Tote und Verwundete gesehen, dass sie den Anblick gewöhnt waren und nur flüchtig daran dachten, ob sie eine Schlacht überleben würden oder nicht. Ihnen ging es außer ums Geld nur um den Kampf. Enroc war jedoch selbst der Lohn gleichgültig. Ihn trieb weder das Verlangen nach Gold oder einer anderen Art von Reichtum oder gar Ruhm in diese oder irgendeine andere Schlacht. Ihm ging es ausschließlich ums Kämpfen – weil er es musste, nicht weil er es wollte.

Enroc versuchte sich zurückzuerinnern, wie es ihm vor seinem ersten Kampf, seiner ersten Schlacht ergangen war. Aber er konnte sich nicht daran erinnern. Er konnte sich an überhaupt nichts von dem erinnern, was vor einem gewissen Zeitpunkt geschehen war. Mit jeder Schlacht, in die er zog, ging ein Teil seiner Erinnerungen unwiederbringlich verloren. Dabei war es nicht einfach so, dass er das Wissen um Einzelheiten vergaß; nein, alles was vor jenem bestimmten Zeitpunkt lag, auch jede Erinnerung daran, wurde auf eigenartige Art und Weise aus seinem Gedächtnis gestrichen. Es war, als sei er an einem Tag erwacht, der eineinhalb Jahre in der Vergangenheit lag. Aber er wusste, dass dem nicht so war. Denn diese eineinhalb Jahre galten für diesen Morgen. Am Abend nach der Schlacht würde es weniger sein. Er konnte keine Vorhersage machen, welchen Zeitraum seiner Erinnerungen ihn diese Schlacht kosten würde. Vielleicht nur Stunden, vielleicht Tage, vielleicht Wochen. Er hatte sich damit abgefunden, auch wenn manches Mal die Frage in ihm bohrte, was es mit Begriffen wie ›Krieger der Welt‹ oder ›Weiße Könige‹ auf sich hatte. Wahrscheinlich hatte er die Zusammenhänge einmal gekannt, sie jedoch vergessen. Er wusste, dass die Weißen Könige die Welt beherrscht hatten, vor tausend Jahren oder mehr, doch was hatte das mit ihm zu tun?

Er hatte bereits zu viel vergessen, um das Wenige, was er noch wusste oder zu wissen glaubte, in sinnvolle Zusammenhänge bringen zu können. Nur einer Tatsache war er sich gewiss: Er musste in Schlachten ziehen, er musste kämpfen und töten. Ein innerer Zwang drängte ihn dazu, und wenn er diesem Zwang nicht nachgab, dann würde es ihn in den Wahnsinn treiben. Und die einzige Alternative zum Wahnsinn war das Vergessen. Er zog das Vergessen vor.

Alles andere, seine Langlebigkeit, seine Eigenschaft der Wundheilung innerhalb kürzester Zeit, seine kämpferischen Fähigkeiten, die vollständige Regeneration seiner Kräfte über Nacht, all das nahm er hin, ohne lange darüber nachzudenken. Irgendwann musste es ihm mit auf seinen Lebensweg gegeben worden sein, doch er wusste weder wann noch von wem.

Er setzte sich auf und strich die halblangen Wellen seiner dunkelbraunen Haare zurück. Man hätte Enroc Mendolla attraktiv nennen können, wären nicht die harten Linien um seinen Mund und dieser kalte, geringschätzige Ausdruck in seinen Gesichtszügen gewesen. Er war von durchschnittlicher Statur, sein Körper verriet nichts über die Kraft, die in ihm steckte.

Nachdem er einige Minuten ruhig dagelegen hatte, stand er schließlich auf und begann, sich langsam und sorgfältig anzukleiden. Zuerst die leichte Unterkleidung aus festem Stoff, darüber Wams und Hose, sowie die langen Stiefel, die ihm bis zu den Oberschenkeln reichten. Alles drei war aus dunkelgrauem Panzerechsenleder gefertigt. Zuletzt legte er die aus Metall bestehenden Brust-, Rücken- und Schienbeinpanzerungen an. Sich für eine Schlacht zu kleiden, war wie eine Art Ritual für ihn. Bedeutungslose Fragen gingen ihm dabei durch den Kopf. Wie mochte die heutige Schlacht wohl enden? Wie viele würde er töten? Wie viele würden ihr Leben verlieren?

Als er sich angekleidet hatte, waren diese Fragen schon wieder vergessen. Es war immer das Gleiche. Zeit und Ort mochten sich ändern, doch sonst war eine Schlacht wie die andere.

Enroc war kein Söldner wie die meisten anderen im Lager, die für Geld kämpften. Er war ein Krieger, ein Kämpfer mit jeder Faser seines Körpers und mit ganzer Seele, mit jedem Schlag seines Herzens und mit jedem Atemzug seines Lebens. Das war der Sinn und Zweck seines Daseins. Auch wenn er vergessen hatte, wer ihm diesen Sinn und diesen Zweck vermittelt hatte.

Er vernahm, dass sich andere im Lager regten. Enroc wusste, dass es die anderen Söldner waren, die aufstanden und sich wie er für den Kampf kleideten. Wenn das Horn zum Wecken ertönte, würden sie längst kampfbereit sein, während die Soldaten erst langsam zu sich fanden. Viele Schlachten, viele Kriege waren durch die Söldner entschieden worden, die ihr Kriegshandwerk um ein Vielfaches besser verstanden als Soldaten, die oft genug noch nie in einen Krieg gezogen waren und nur deshalb daran teilnahmen, weil ihre Herrscher es ihnen befahlen.

Einige Minuten lang lauschte er regungslos dem erwachenden Leben im Lager, dann legte er den aus feinen Metallplättchen bestehenden Gürtel um, an dem die Scheide seines Schwertes hing. Die Plättchen waren mit seltsamen Gravuren versehen, von denen er nicht sagen konnte, ob sie eine Bedeutung hatten oder nur das Kunstwerk desjenigen waren, der den Gürtel gefertigt hatte.

Der Gürtel und sein Schwert waren die einzigen Dinge in seinem Besitz, an denen er wirklich hing. Beide besaß er, solange er sich erinnern konnte. Vielleicht hatte er sie vor langer Zeit, die jenseits seiner Erinnerungen lag, irgendeinem getöteten Feind abgenommen. Denkbar war auch, dass er sie gekauft oder im Spiel gewonnen hatte. Möglicherweise hatte er sie aber auch von Anfang an besessen – wann auch immer dieser Anfang gewesen war.

Die Klinge der Waffe war aus bestem Stahl und ihr Knauf war mit Edelsteinen besetzt, die rötlich in dem wenigen Licht funkelten, das ins Zelt drang.

Er nahm das Schwert in die Hand und ließ einen prüfenden Blick darüber gleiten, um festzustellen, ob alles in Ordnung war. Dann stieß er es mit einer geschmeidigen, eleganten Bewegung in die Scheide.

Er trat vor das Zelt und sah in den wolkenlosen Himmel. Es würde ein schöner Tag werden. Enroc Mendolla war bereit zu töten oder getötet zu werden. Doch Letzteres war eher unwahrscheinlich.

Das Wecksignal zerriss schließlich die Stille im Lager endgültig ...

Die Schlacht war geschlagen. Sie war kurz und blutig gewesen und mit Beginn der Abenddämmerung vorbei. Wer gewonnen hatte, ließ sich nicht so einfach feststellen. Vielleicht gab es auch nur Verlierer.

Enroc war über und über mit Blut besudelt, seinem eigenen und dem anderer. Er spürte seine Wunden nicht, sie waren weder gefährlich noch wichtig und am nächsten Tag schon wieder vergessen.

Müde und erschöpft stolperte er über das Schlachtfeld. Aber auch die Müdigkeit würde schnell vorübergehen. Eine Nacht nur und morgen würde alles wieder so sein wie heute ... fast alles. Das Schwert in seiner Hand war schwer. Seine Füße traten auf Tote und solche, die es bald sein würden. Überall lagen sie, die Erde war rot von ihrem Blut. Vielleicht war es auch nur das Blut der Pferde, welche Rolle spielte das schon? Über allem lag ein von Tod geschwängertes Schweigen, das den Geruch des vergossenen Blutes ausströmte.

Obwohl er sich unendlich müde fühlte, erfüllte ihn gleichzeitig eine innere Befriedigung und Ruhe, so wie er sie immer verspürte, wenn dieser unselige Zwang in ihm seinen Willen bekommen hatte. Er wusste nicht, wie viele Feinde ihm den Tod zu verdanken hatten. Er wusste nicht, zu wessen Gunsten die Schlacht eigentlich ausgegangen war. Doch weshalb sollte ihn das auch interessieren? Er hatte seinen eigenen persönlichen Sieg errungen und gleichzeitig eine weitere Niederlage.

Schließlich erreichte er den Rand des Schlachtfelds und drehte sich um. Sein Blick schweifte über das blutrote Bild, das sich ihm bot. Es fiel schwer zu erkennen, welcher Tote zu welcher Partei gehörte. Doch letztlich war auch das gleichgültig. Im Tod waren sie alle vereint und alle gleich: Soldaten, Söldner und Herrscher. Der Ausgang der Schlacht war nur für jene von Bedeutung, die etwas zu gewinnen oder zu verlieren hatten und die sie überlebten.

Ihn betraf das aber nicht. Wenn dieser Krieg vorbei war, dann würde er ein halbes Jahr Ruhe haben vor seinem inneren Zwang, der ihn in Schlachten trieb. Irgendwann würde es jedoch wieder neuen Krieg geben. Vielleicht stand er dann aufseiten der Armee, gegen die er heute gekämpft hatte. Das ARKLAND war voll von Kriegen und irgendwo würde es immer jemanden geben, der einen Mann wie ihn brauchte – einen Krieger wie Enroc Mendolla.

Für einen Moment schloss er die Augen und dachte darüber nach, welche Erinnerung heute möglicherweise in die blutige Vergessenheit gespült worden war. Doch auch diese Frage kümmerte ihn nur für einen Moment.

Er wandte seinen Blick vom Schlachtfeld ab, drehte sich um und kehrte ins Lager zurück ...

2

Sorrent aus Shalin:

Ein verräterischer Freund unter vielen Widersachern

Als Sorrent den Ratssaal betrat, spürte er sofort die feindselige, ja beinahe aggressive Stimmung, die ihm entgegenschlug. Es musste etwas geschehen sein, was die Ratsmitglieder der Stadt gegen den Obersten Bewahrer von Shalin aufgebracht hatte. Und zwar etwas, was selbst diejenigen Mitglieder des Rates, die ihm ansonsten wohlgesonnen waren, gegen ihn eingenommen hatte. Dennoch schritt er ruhig und gelassen seinem Platz entgegen, dem Sessel auf der drehbaren Empore, von alters her der Sitz des Obersten Bewahrers bei Ratsversammlungen. Die Frauen und Männer, an denen sein Weg vorbei führte, starrten ihn stumm und mit verkniffenen Gesichtern an.

Als er die Stufen zur Empore hinaufstieg, konnte sich ein Ratsmitglied nicht mehr zurückhalten. »Verräter!«, rief ihm eine zornige Stimme, die er nicht erkannte, nach. Sorrent hielt nur kurz inne, dann ging er die restlichen Stufen hinauf, ohne sich umzudrehen.

Dies sollte keine gewöhnliche Ratssitzung werden, das spürte er ebenso, wie er das Unbehagen der anderen spürte. Er verzichtete deshalb auch auf die sonst übliche Begrüßung der Anwesenden und setzte sich wortlos in den wuchtigen Ledersessel. Ein Druck auf den Knopf in der Armlehne und die uralte Mechanik, deren Funktionsweise heutzutage niemand mehr verstand, setzte die Empore in Bewegung und ließ sie eine langsame Drehung vollführen.

Mit nachdenklichem Blick sah er die Ratsmitglieder der Reihe nach an. Alle waren sich ähnlich. Das galt für ihr Aussehen ebenso wie für ihre Kleidung. Shaliner waren groß und schlank, sie hatten feingliedrige Hände mit langen Fingern. Das Haar war meist hell und die Augen hatten eine bläuliche Färbung. Sie alle, und Sorrent schloss sich darin ein, waren das Ergebnis einer ungesunden Isolation, die schon seit Jahrhunderten andauerte. Alle trugen zudem die typische Kleidung der Stadt, ein langes, kaftanähnliches Gewand in Pastellfarben. Doch etwas machte die Frauen und Männer an diesem Tage einander noch ähnlicher: In allen Gesichtern sah er dieselbe Anspannung, dieselbe Art von Zorn, dasselbe Unverständnis.

»Nun«, begann er schließlich, »was ist es, das ihr mir vorwerft?«

Zunächst schien ihm niemand antworten zu wollen, obwohl er in ihren Gesichtern deutlich erkannte, dass sie ihm viel zu sagen hatten. Endlich aber erhob sich der alte Gebron, sein väterlicher Mentor, von seinem Platz und brachte die Anklage vor: »Wir werfen dir, dem Obersten Bewahrer von Shalin, vor, gegen das heiligste Gesetz unserer Stadt und unserer Vorväter verstoßen zu haben!«

Ohne nachdenken zu müssen, wusste Sorrent, was Gebron meinte.

»Es ist uns verboten – für alle Zeiten verboten! – Shalin zu verlassen und den Kontakt zu anderen Städten zu suchen«, fuhr Gebron fort. »Nur über das Sprechende Licht ist es uns gestattet, zu anderen Stadtburgen Kontakt zu halten.

Nachdem der Große Krieg alles zerstört hatte, wurde beschlossen und vereinbart, dass unsere Stadt niemals wieder Kontakt zu einer niederen Stadt haben sollte, denn von dort kamen der Untergang und der Tod über die Weißen Könige. Wir wollten für alle Zeiten in Frieden, Abgeschiedenheit und Sicherheit leben. So wurde es von unseren Vorvätern vor tausend Jahren beschlossen und verkündet!« Er zeigte auf Sorrent und sein Zeigefinger schien sich in den jüngeren Mann hineinbohren zu wollen. »Du aber warst in Regan – und hast damit unser oberstes und heiligstes Gesetz gebrochen; du, der Oberste Bewahrer, der eigentlich für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen hat!«

Erregte Rufe folgten diesen Worten. Mehrere Hände wurden drohend in Sorrents Richtung erhoben und das eine oder andere beleidigende Wort drang an seine Ohren. Die Frauen und Männer mussten wahrhaft entrüstet sein, wenn sie so sehr aus sich herausgingen und es wagten, in dieser Form gegen den Obersten Bewahrer zu reden. Normalerweise liefen Versammlungen des Rates von Shalin deutlich gemäßigter ab, selbst wenn sich die jeweiligen Meinungen als noch so gegensätzlich erwiesen.

»Habt ihr Beweise für eure Vorwürfe?«, fragte Sorrent, nachdem sich die Unruhe langsam gelegt hatte.

»Wir haben einen Zeugen und dein Geständnis!«, entgegnete Gebron.

»Mein Geständnis?«, fragte Sorrent zurück. Er wusste sofort, wer der Zeuge war und wem er dies alles zu verdanken hatte; von wem sie sein ›Geständnis‹ hatten.

»Bringt den Zeugen herein!«, befahl Gebron den Türwachen.

Der Oberste Bewahrer war nicht überrascht, als sein Freund Larid hereingeführt wurde. Enttäuscht war er in der Tat, doch nicht überrascht. Er lächelte bitter, als Larid am Fuß der Empore stehen blieb.

»So war also alles umsonst, was ich dir erklärte?«, fragte Sorrent und schüttelte den Kopf. »Umsonst und vergebens!«

Larid musste sichtlich mit sich ringen, ehe er laut und für alle verständlich antwortete: »Ich habe lange darüber nachgedacht, Sorrent, aber schließlich siegte meine Sorge um Shalin.« Er senkte den Kopf und fügte leise und nur für Sorrent hörbar hinzu: »Es tut mir leid.«

»Tut es das wirklich, Freund?«, fragte Sorrent mit gleichfalls bedeckter Stimme zurück und betonte das Wort ›Freund‹ so, dass Larid genau wusste, wie es gemeint war.

»Ja, auch wenn du es nicht glaubst! Ich musste abwägen zwischen unserer Freundschaft und dem Wohle Shalins.« Seine Miene und seine Haltung nahmen einen trotzigen Ausdruck an. »Und niemand kann mir einen Vorwurf machen, dass ich mich für Shalin, deine und meine Heimat, entschieden habe!«

»Genug des Geflüsters!«, mischte sich Raunkar ein. Der Mann war Sorrents schärfster Widersacher im Rat und stets anderer Meinung als der Oberste Bewahrer. »Du hast die Anklage gehört, Sorrent. Dein Freund berichtete uns alles, was du ihm erzählt hast. Er sah dich in die Ebene hinabsteigen und er sah dich zurückkehren. Du warst in Regan, daran gibt es keinen Zweifel.« Larid drehte sich um und sah Raunkar überrascht an. So hatte es der junge Mann dem Rat nicht erzählt. Seit dem Gespräch am Felsen war Sorrent nicht mehr in Regan gewesen, Larid konnte ihn also weder gehen noch kommen gesehen haben.

»Das stimmt nicht, ehrenwerter Raunkar«, wollte Larid daher aufbegehren. »Ich ...«

Sorrent unterbrach seinen Freund. »Lass es gut sein, mein Freund. Sie wissen es. Es ist sinnlos, noch weitere Worte der Erklärung zu verlieren.«

Larid sah Sorrent an. »Aber ...«

»Lass es einfach gut sein, Larid. Du hast genug getan!« Sorrent hätte die falsche Aussage Raunkars richtigstellen können. Aber es wäre sinnlos gewesen, denn das Urteil über den Obersten Bewahrer war bereits gefällt. Raunkar würde sich diesen Triumph nicht mehr nehmen lassen. Seit Sorrent zum Obersten Bewahrer gewählt worden war, hatte Raunkar immer wieder versucht, gegen ihn zu argumentieren und ihn als unfähig bloßzustellen. Raunkar hatte den Posten selbst gewollt, war in der Wahl jedoch unterlegen gewesen. Da ein Oberster Bewahrer jedoch auf Lebenszeit gewählt war, waren mit Sorrents Wahl Raunkars Chancen erloschen, vielleicht doch noch eines Tages Oberster Bewahrer von Shalin zu werden. Nun aber sah er wahrscheinlich einen Weg, dieses Ziel trotzdem noch zu erreichen. Sorrent hatte trotz seiner unkonventionellen Ideen und Ansichten immer Erfolg gehabt. Das erkannten selbst seine Kritiker an. Nun aber lagen die Dinge anders. Sorrent hatte gegen das Oberste Gesetz verstoßen und dafür gab es keine Entschuldigung, keine Erklärung, kein Verständnis.

Raunkar fuhr mit erhobener Stimme fort. »Du hast das Oberste Gesetz gebrochen, Sorrent, und jeder kennt die Strafe für dieses Verbrechen!« Von allen Seiten ertönte Zustimmung.

»Gibt es etwas, was du zu deiner Verteidigung vorbringen möchtest?«, fragte Gebron. Sein Blick verriet, dass er einerseits hoffte, dass Sorrent sich verteidigen konnte, andererseits aber auch befürchtete, dass dem nicht so war.

»Er braucht keine Verteidigung. Die Angelegenheit ist eindeutig!«, fuhr Raunkar dazwischen.

»Ehrenwerter Raunkar«, wandte der alte Mann sich an den wahrscheinlichen Nachfolger Sorrents, »auch wenn es sich so verhalten sollte, so müssen wir doch die Regeln achten. Wir können niemanden verurteilen, gegen unsere Gesetze verstoßen zu haben und gleichzeitig selbst gegen ein Gesetz verstoßen. Jeder Angeklagte hat das Recht auf eine angemessene Verteidigung. So steht es geschrieben und daran werden wir uns halten.«

Raunkar lag eine heftige Erwiderung auf der Zunge, doch er beherrschte sich und senkte entschuldigend den Kopf. »Du hast natürlich recht, ehrenwerter Gebron. Verzeih.« Seine Stimme klang gepresst und man sah ihm an, wie wenig er von einer Verteidigung erwartete. Für ihn war die Sache klar und es konnte nur ein Urteil geben: Tod oder lebenslange Verbannung! Dessen ungeachtet hatte Gebron recht, und wenn Raunkar tatsächlich Sorrents Nachfolger werden wollte, so durfte er sich keine Blöße geben und selbst Gesetze verletzen, wie er es Sorrent vorwarf. Denn auf deren Einhaltung pochte er ja gerade.

»Gibt es etwas, was du zu deiner Verteidigung vorbringen möchtest?«, fragte Gebron nun noch einmal.

»Gibt es etwas«, fragte Sorrent lächelnd zurück, »das ihr als Verteidigung akzeptieren würdet?« Er hätte vieles sagen können und das wiederholen können, was er Larid gesagt hatte. Aber wenn selbst ein junger Mann wie sein Freund es nicht verstand, wie konnte er erwarten, dass diese alten Frauen und Männer es verstehen würden? Er hatte sich erhoben und sah sich um, doch niemand antwortete. Sorrent hob die Schultern. »Das hatte ich erwartet. Wenn Larid, der noch jung ist und lernen kann, nicht begriffen hat, was ich ihm erzählte, wie wollt ihr es dann begreifen?«, wiederholte er laut seine Gedanken. Er schüttelte den Kopf. »Nein, es gibt nichts, was ich zu meiner Rechtfertigung vorbringen möchte.«

»Dann gibt es nur ein Urteil: Wir, der Rat von Shalin, verurteilen dich zur lebenslangen Verbannung. Solltest Du je ...«

»Ich kenne das Gesetz und die Strafen ebenso gut wie ihr«, unterbrach Sorrent Raunkar und winkte ab. Nun war es gleichgültig, dass er Raunkar auf diese Weise beleidigte und vor den Kopf stieß.

Er stand auf und stieg von der Empore hinab. Langsam ging er den Weg zurück, den er erst vor wenigen Minuten gekommen war. Es war eine kurze Ratssitzung gewesen. Er hatte sich innerlich auf einen solchen Tag vorbereitet. Nicht, dass er gerne ging, aber er hatte damit rechnen müssen. Doch es geschah zu früh; er hatte geglaubt, stärker auf Larid vertrauen zu können. Er hatte sogar die vage Hoffnung gehegt, das Oberste Gesetz zu Fall bringen zu können, eher dieser Tag eintrat. Die Zeit war noch nicht reif! Aber er hatte es sich nicht aussuchen können. Zum wiederholten Male fragte er sich, ob er Larid gegenüber hätte schweigen sollen. Doch wie vorher schon, so fand er auch dieses Mal keine Antwort.

Am Ausgang blieb er stehen. Er spürte die Blicke aller in seinem Rücken und ohne sich umzudrehen, meinte er mit klarer, lauter Stimme: »Ihr werdet noch an mich denken. Und eines Tages werdet ihr mich brauchen.«

Dann verließ er den Ratssaal. Ehe sich die Tür hinter ihm schloss, hörte er noch, wie lautes Raunen einsetzte ...

Es gab nur wenig, was er mitzunehmen gedachte. Er war sich über sein Reiseziel noch nicht im Klaren. Regan konnte nur ein erstes, vorläufiges Ziel sein. Es gab im Küstenstreifen diesseits des riesigen Gebirges, das weithin als Dideon Lehort bekannt war, noch andere Städte außer den Stadtburgen. Aber Regan war eine Hafenstadt und Sorrent wusste, dass von dort aus Schiffe ins ARKLAND gingen, dem wilden, unbekannten und geheimnisvollen Land auf der anderen Seite des Dideon Lehort. Bei diesem Gedanken war ihm jedoch nicht ganz wohl. Er gestand sich ein, dass er sich selbst nicht von dem Vorwurf freisprechen konnte, in festgefahrenen Bahnen zu denken und zu handeln. Das ARKLAND war ein Tabu. Niemand sprach darüber und es gab nahezu keinerlei Aufzeichnungen darüber. Innerhalb der Stadtburgen munkelte man darüber, dass dort angeblich weder Zivilisation, noch Kultur oder Gesetz herrschten. Für die Bewohner Shalins und der anderen Hohen Städte war das ARKLAND gleichbedeutend mit einem Ort der Finsternis. Eine innere Stimme aber sagte ihm, dass er dort Antworten auf seine Fragen bekommen konnte und auch mehr über die Gefahr erfahren würde, die er für Shalin vorausahnte.

Er hatte gerade fertig gepackt, als es an der Tür klopfte.

»Wer ist da?«, fragte er. Statt einer Antwort trat Larid ins Zimmer. »Ah, mein Freund Larid«, begrüßte Sorrent seinen verräterischen Freund mit unterschwelligem Spott in der Stimme.

Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Verspotte mich nicht, Sorrent. Ich habe getan, was ich tun musste. Es gab keine Alternative!«

Der ehemalige Oberste Bewahrer lächelte. »So jung und schon so starr im Denken?« Er schüttelte den Kopf. »Du hast dir nicht viel von dem gemerkt, was ich dir vor gar nicht allzu langer Zeit erklärt habe. Aber vielleicht merkst du dir dies: Bei allem was wir tun, es gibt immer eine Alternative!«

»Ja, ist das so?«, fragte Larid trotzig zurück. Er hatte immer in Sorrents Schatten gestanden, aber sich deshalb nie zurückgesetzt gefühlt. Der ehemalige Oberste Bewahrer war sein Freund von frühester Jugend an und da Sorrent nur zwei Jahre älter war, hatte Larid in ihm immer so etwas wie einen großen Bruder gesehen. »Was wäre die Alternative zu deiner Verbannung? Der Tod! Nennst du das wirklich eine Alternative?«

Sorrent sah den Freund lange schweigend an, ehe er antwortete: »Ja, der Tod wäre eine Alternative. Keine schöne zwar und ganz sicher keine, die mir gefallen würde. Aber es wäre eine Alternative. Eine von mehreren!«

»Welche gäbe es noch?«

Sorrent schüttelte den Kopf. »Es wäre Zeitverschwendung, dir das erklären zu wollen. Du würdest es ebenso wenig verstehen wie das, was ich dir über Shalin und Regan erklärt habe. Ich habe mich jedenfalls dazu entschlossen, Shalin vorläufig zu verlassen.«

Larid starrte ihn ungläubig und fassungslos an. »Du hast dich entschieden?«, fragt er dann. »Und was heißt ›vorläufig‹? Solltest du je nach Shalin zurückkehren, wird man dich töten!«

Sorrent lachte. »Wie ich schon im Ratssaal sagte: Eines Tages werdet ihr mich brauchen und dann werde ich zurückkehren. Sollte mich dann jemand töten wollen – soll er es nur versuchen!« Er lächelte Larid an. »Vielleicht wirst sogar du es sein, der mich töten will.«

»Das ... das könnte ich nicht«, widersprach der junge Mann erschrocken. »Niemals! Ich bin dein Freund!«

»Ach ja? Du hast mich bereits einmal verraten, was sollte dich also daran hindern, es ein zweites Mal zu tun, wenn du Shalin wieder durch mich in Gefahr glaubst? Dabei kommt die Gefahr aus einer ganz anderen Richtung!« Sein Lächeln bekam eine bittere Note. »Du hältst dich für meinen Freund und hast mich trotzdem verraten.« Er trat dicht an Larid heran. »Hier ist noch etwas, was du dir merken solltest: Irgendwann wird jeder Freund zum Verräter! Wenn du dich nicht darauf vorbereitest, so wird es dich treffen und vernichten, ohne dass du etwas dagegen tun kannst.«

Larid sah ihn mit einem zweifelnden Blick an. »Hast du mir denn jemals vertraut?«

Sorrent hob die Schultern. »Es ist keine Frage des Vertrauens oder des Misstrauens, Larid. Ich habe dir vertraut, wie ich einem Freund vertrauen kann. Denn das warst du und das bist du noch. Doch genau darum geht es: Gib jemandem, der sich Freund nennt, die Möglichkeit dich zu verraten, so wird er es früher oder später tun.« Er zeigte auf Larid. »Nimm dich selbst als Beispiel. Ich vertraute dir mein größtes Geheimnis an und du hast mich verraten. Oh, ich verstehe und akzeptiere deine Beweggründe, doch letztendlich bleibt es dabei: Du hast mich verraten.«

»Soll das bedeuten, dass ein Freund alles verschweigen muss, was für den anderen von Nachteil wäre?«

»In letzter Konsequenz, ja!« Sorrent lächelte und sah Larid in die Augen. »Ich habe nie verraten, dass durch deine Schuld ein Feuer ausbrach und wertvolle Bücher in der Bibliothek – einzigartig und voller Wissen – unwiederbringlich verloren gingen.«

»Das werde ich dir nie vergessen«, meinte Larid leise und senkte den Kopf. »Ich werde dir ewig dankbar sein.«

Der ehemalige Oberste Bewahrer lachte laut und voller Sarkasmus. »Große, edle Worte, Freund Larid!« Sein Augen funkelten, als er fortfuhr: »Du hast mir deine ewige Dankbarkeit im Ratssaal bewiesen.«

»Das kannst du nicht vergleichen«, widersprach Larid, doch die Unsicherheit in seiner Stimme war nicht zu überhören.

»Nein? Du wirfst mir vor, dass ich Shalin Schaden zufüge, wenn ich von Zeit zu Zeit nach Regan gehe. Doch du kannst nicht beweisen, dass es so ist. Du kannst nicht beweisen, dass Neues zu erfahren auch bedeutet, Altes zu vergessen. Dennoch glaubst du das, ebenso wie die anderen.

Du aber hast, und das lässt sich beweisen, Shalin großen Schaden zugefügt. Dieses Wissen, das mit den Büchern verbrannte, können wir niemals zurückerlangen. Als Oberster Bewahrer wäre es meine Pflicht gewesen, dich zu bestrafen, auch wenn das Verbrechen schon Jahre zurückliegt. Aber ich habe es nicht getan.« Er sah den Freund lächelnd an. »Weil ich dein Freund bin, Larid, einfach weil ich dein Freund bin – und bleibe!«

Larid schwieg.

»Hat der Rat Raunkar bereits zu meinem Nachfolger ernannt?«, wollte Sorrent schließlich wissen.

»Noch nicht offiziell, doch es ist nur eine Formsache.«

»So hat er sein Ziel schließlich doch noch erreicht.« Sorrent schüttelte den Kopf. »Er wird vieles von dem rückgängig machen, was ich begonnen habe. Sein Stolz, sein Ehrgeiz und seine Dummheit können es nicht zulassen, etwas von dem gutzuheißen, was ein Verräter wie ich getan hat.«

»Er wird Widerstand haben«, gab Larid zu bedenken.

»Möglich«, meinte Sorrent bloß. Er glaubte nicht, dass man Raunkar großen Widerstand entgegenbringen würde. Auch wenn Sorrent viele seiner Ziele als Oberster Bewahrer erreicht hatte, vieles Neue eingeführt und vieles Alte verändert oder sogar ganz abgeschafft hatte, so war doch einem Großteil des Rates nie ganz wohl gewesen bei dem, was er getan hatte. Die meisten der Frauen und Männer würden es daher begrüßen, wenn Raunkar die alten Zustände wiederherstellte. Sorrent war der Überzeugung, dass eher jene mit Widerstand rechnen mussten, die das Erreichte beibehalten wollten.

»Warum hast du mich unterbrochen, als ich seine falsche Aussage richtigstellen wollte?«, drang Larids Stimme in seine Gedanken.

Sorrent sah auf. »Weil es sinnlos gewesen wäre. Sinnlos und gefährlich für dich.«

»Gefährlich für mich?«

»Jeder, der auch nur den Anschein erweckt, er könnte mein Freund sein oder mich unterstützen, muss sich in nächster Zeit in Acht nehmen. Raunkar wird die Gesetze sehr streng auslegen. Er wird ein Oberster Bewahrer der alten Schule sein. Shalin wird keine Freude an ihm haben... und die Bewohner der Stadt ebenfalls nicht!

Aber nun genug geredet, Freund. Es ist Zeit aufzubrechen.« Er hob die lederne Tasche, in der sich das Wenige befand, was er mitzunehmen gedachte. »Du bist nicht gekommen, um dich bei mir zu entschuldigen oder um Verständnis zu bitten. Was also willst du?«

»Ich wollte dich fragen, wohin du gehen willst.«

Sorrent hob die Schultern. »Ich weiß es noch nicht genau. Aber Regan wird mit Sicherheit mein erstes Ziel sein.«

Larid schüttelte den Kopf. »Tue es nicht, Sorrent. Ich habe mit Gebron gesprochen, ehe ich zu dir kam. Du könntest in eine der anderen Stadtburgen gehen. Ich weiß, du hast Freunde in Hurnal und in Kiontug. Wenn du mit ihnen sprichst ...«

Sorrent unterbrach seinen Freund. »Das wird wohl nicht möglich sein, Larid. Die Obersten Bewahrer von Hurnal und Kiontug werden längst Bescheid darüber wissen, was hier vorgefallen ist. Sie werden sich hüten, jemandem, der gegen das Oberste Gesetz verstoßen hat und deswegen verbannt wurde, Zuflucht zu gewähren. Ich habe das schlimmste Verbrechen begangen, das der Bewohner einer Stadtburg begehen kann.« Er schüttelte den Kopf. »Keine Stadtburg wird mich aufnehmen. Im Übrigen, was sollte ich dort? Es ist in diesen Städten nicht anders als hier, in manchen sogar noch schlimmer. Ich würde dort weder etwas Neues erfahren noch könnte ich dort leben. Nein, meine Zukunft liegt nicht in einer der alten Stadtburgen der Weißen Könige. Sie liegt viel mehr in Städten wie Regan oder ...« Er unterbrach sich. ›... oder dem ARKLAND‹ hatte er sagen wollen, aber das hätte den jungen Mann womöglich noch mehr entsetzt. Im ARKLAND lebten, den Legenden zufolge, Menschen ohne Zivilisation, ohne Kultur und ohne Sitte. ›Nun‹, dachte sich Sorrent ein wenig amüsiert, ›vielleicht sollte ich feststellen, ob die Bewohner wirklich so sind. Oder ob es nur dumme Märchen sind, die man sich über sie erzählt!‹ Wenn man ihn schon für einen Verräter hielt, dann machte es jetzt nichts mehr aus, wenn er auch die letzten Tabus brach.

»Werden wir uns je wiedersehen?«, drang Larids Stimme in seine Gedanken.

»Wir werden!«, versicherte Sorrent mit Bestimmtheit. »Wie ich schon sagte: Ihr werdet mich eines Tages brauchen!«

»Woher willst du das wissen? Du hast mir noch keine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage gegeben.«

»Die Umstände werden es erfordern.« Er ging zur Tür und öffnete sie. Doch bevor er hinausging, wandte er sich noch einmal an Larid. »Ich sage dir nicht Lebewohl, denn wir werden uns wiedersehen.« Dann drehte er sich um und ging hinaus, ehe Larid etwas erwidern konnte ...

Ein letztes Mal hatte er die Katakomben im Untergrund von Shalin aufgesucht. Jenen Ort, der nur einem Obersten Bewahrer und von diesem ausgewählten Begleitern zugänglich war. In dieser Unterwelt wurden die Hinterlassenschaften der Weißen Könige aufbewahrt. Doch selbst ein Oberster Bewahrer durfte nicht alles betreten. Es gab Abschnitte, die auch ihm verboten waren. Das Verbot war alt und war von den Weißen Königen ausgesprochen worden. Jeder Oberste Bewahrer hatte sich daran gehalten. Sogar Sorrent mit seinem rebellischen Geist, der mit seinem Gang nach Regan selbst eines der alten Tabus gebrochen hatte, war an dieses Verbot gebunden gewesen. Etwas, das er nicht erklären konnte, eine Art unsichtbare Barriere, hatte ihn stets daran gehindert, diese Bereiche zu betreten.

Niemand wusste daher, was sich in diesen verschlossenen Räumen und Hallen verbarg und die Alten Aufzeichnungen hatten nur wenig darüber verraten.

Sorrent hatte sich das letzte Mal dort umgesehen. Und wie jedes vorherige Mal bewundert, was er vorfand. Es gab Maschinen, deren Sinn und Zweck in Vergessenheit geraten war. Aber auch Geräte, die noch heute, tausend Jahre nach dem Krieg, benutzt wurden. Wie etwa die Steinfräser oder Mörtelmischer. Beides wurde benötigt, wenn es darum ging, neue Gebäude zu errichten – was sehr selten vorkam – oder alte Gebäude zu reparieren – was viel häufiger geschah.

Außerdem gab es ein nahezu unerschöpfliches Lager für Ersatzteile. Wenn es ausschließlich nach der Verfügbarkeit von Ersatzteilen ging, dann würde Shalin die nächsten tausend Jahre noch leuchten. Zumindest, solange die Geräte, die dazu die Energie lieferten, nicht ausfielen. Denn diese Maschinen befanden sich irgendwo, wahrscheinlich in den verschlossenen Abschnitten der Katakomben, und waren für niemanden zu erreichen.

Ebenfalls dort mussten sich die Dinge befinden, von denen in den alten Aufzeichnungen viel zu lesen war, die jedoch kein lebender Bewohner der Stadtburg je gesehen hatte: Waffen. Nicht die einfachen Schusswaffen, die sie für die Jagd benutzten. Oder gar Schwerter. Nein, Waffen, die mächtiger waren als alles, was die Shaliner herstellen konnten. Manche davon, so beschrieben es die Alten Aufzeichnungen, waren so wirkungsvoll, dass sie das Leben in großem Umkreis auszulöschen vermochten. Es waren auch andere verheerende Kriegsmaschinen beschrieben, die ganze Armeen vernichten konnten. Weder er noch ein anderer Oberster Bewahrer vor ihm waren auf solche Waffen oder Maschinen gestoßen, doch es musste sie geben. Die Alten Aufzeichnungen sprachen ganz eindeutig davon! Oft hatte er sich gefragt, warum die alten Herrscher diese nicht im Krieg vor tausend Jahren eingesetzt hatten. Auch hatte er sich desöfteren bei dem beinahe ketzerischen Gedanken ertappt, dass die Weißen Könige sich möglicherweise selbst davor gefürchtet hatten, den Krieg damit zu ihren Gunsten zu entscheiden. Vielleicht wäre selbst für sie der Preis zu hoch gewesen.

Als Sorrent schließlich die Katakomben verließ, wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er sie für lange Zeit nicht mehr betreten würde. Vielleicht niemals wieder. Die Zukunft würde das zeigen. Eine Zukunft, die im Ungewissen lag.

Als er durch das große Tor ritt und Shalin und seine Bewohner, die Katakomben und deren Geheimnisse zurückließ, überkam ihn für einen Augenblick Wehmut und seine Gedanken kehrten zu Larid zurück.

Er war enttäuscht, aber er nahm es dem Freund nicht übel, dass er ihn verraten hatte. Es war in der Natur des Menschen, sich und andere zu verraten.

Er drehte sich im Sattel um und sah noch einmal zurück zu den weißen Mauern Shalins. Doch nur für einen Moment, dann blickte er wieder nach vorne.

»Gib auf dich acht, Larid, mein verräterischer Freund, die Zeichen stehen auf Sturm«, rief er und trieb das Pferd in den Galopp. »Eines Tages wirst du erkennen, wie Recht ich mit allem hatte!«

Er schlug eine westliche Richtung ein, dorthin wo der Weg hinab in die Ebene führte in der Regan und die Zukunft lag – vielleicht lag dort aber auch die Vergangenheit. Vielleicht war das eine vom anderen aber auch nicht zu trennen.

Enroc Mendolla:

Die Vergangenheit liegt im Vergessen

Wieder einmal bereitete sich Enroc Mendolla auf eine Schlacht vor. Gewissenhaft und rituell, wie es seine Art war. Ungezählte Male schon hatte er sich in Sold und Dienst eines Herrschers gestellt, um für dessen Ziele zu kämpfen.

Er hatte es längst aufgegeben, sich mit der Frage zu beschäftigen, weshalb er es tat. Er kannte die Antwort nur zum Teil. Es war sein innerer Zwang, der in dazu trieb. Gab er ihm nach, war alles in Ordnung. Tat er es nicht und ging Schlacht und Krieg aus dem Weg, so würde es ihn in einen Wahnsinn treiben, in dem er Dinge tat, die er hinterher verabscheute. Aber eine umfassende Antwort auf die Frage, warum er tat, was er tat, die Antworten auf nahezu alle Fragen lagen in einer Vergangenheit, die er vergessen hatte.

Es war nicht einfach für ihn, so durch das Leben zu gehen, doch er hatte keine andere Wahl. Immer wieder begegnete er Frauen oder Männern, die ihn wohl von früher her kannten und ihn darauf ansprachen. Ein Früher, dass es für ihn nicht mehr gab. Meist konnte er sich damit herausreden, dass er in einer seiner letzten Schlachten durch eine Verwundung sein Gedächtnis verloren hatte. Manchmal führte das aber auch zu Ärger, weil man ihm nicht glaubte. Er versuchte daher, sich in den Zeiten, in denen er nicht kämpfen musste und sein innerer Zwang nicht seinen Tribut forderte, von Menschen fernzuhalten. Spätestens aber, wenn dieser innere Zwang wieder stärker und schließlich übermächtig wurde, musste er die Nähe der Menschen wieder suchen – um sie zu töten. So wie dieses Mal.

Schon seit ein paar Tagen standen sich die beiden Heere gegenüber. Jenseits des Flusses hatte die Armee des Herrschers von Kensik Stellung bezogen, dem es danach verlangte, seinen Vetter, den König von Bentrei, für eine erlittene Beleidigung zu bestrafen. Außer den beiden Herrschern wusste niemand genau, um welche Art von Beleidigung es sich gehandelt hatte. Enroc war es gleichgültig, ob die Beleidigung so schwer gewesen war, dass ihretwegen ein Krieg unumgänglich war. Der König von Bentrei hatte Söldner gesucht und deshalb war er hier. Beide Königreiche, Kensik und Bentrei, waren klein. Es würde nur diese eine Schlacht geben, keinen langen Krieg.

Als Enroc zu den übrigen Söldnern ritt, die die rechte Flanke von Bentreis Heer bildeten, hatten die ersten Vorgeplänkel bereits begonnen. Der Fluss führte um diese Jahreszeit nicht einmal knietief Wasser, sodass die Pferde sich fast ungehindert darin bewegen konnten. Aber auch die Fußtruppen würden keine großen Schwierigkeiten haben, ihn zu durchqueren.

Mit der Zeit wurden die Kämpfe heftiger und schließlich war die Schlacht in vollem Gange. Enroc kämpfte beinahe gelangweilt und warf immer wieder Blicke auf den Rest des Schlachtfeldes. Das langsam dahinfließende Wasser des Flusses war rot vom Blut der Kämpfer und Pferde. Überall lagen Tote und Sterbende, Kämpfer wie Tiere, aus den eigenen Reihen und aus denen des Gegners.

Enroc zählte die Frauen und Männer nicht, die er tötete oder verstümmelte. Er spürte die zahlreichen kleinen Wunden nicht, die er davontrug. Sie würden heilen, so wie sie es immer taten. Als sei sein Körper von seinem Geist getrennt, sah er sich kämpfen und töten, angreifen und abwehren.

Plötzlich fand er sich an einer Stelle wieder, an der nicht gekämpft wurde, und er ließ das Schwert sinken. Um ihn herum ging die Schlacht unvermindert weiter, doch keiner der Angreifer schien sich auf ihn zu konzentrieren. Die Soldaten und Söldner waren mit sich selbst und ihren Gegnern beschäftigt. Er ließ das Pferd eine Pirouette drehen auf der Suche nach einem Gegner, aber keiner war nahe genug, als dass er eine Gefahr bedeutet hätte oder es zu einem Aufeinandertreffen hätte kommen müssen. Dann jedoch sah er einen Soldaten, der auf ihn zuritt, in eine Rüstung gehüllt, die der seinen recht ähnlich war. Enroc spürte etwas in sich, eine Art Schwingung, die ihn an etwas oder an jemanden aus seiner vergessenen Vergangenheit erinnerte. Er versuchte, die Schwingung mit seinen Gedanken zu greifen, aber sie entzog sich ihm. Es war nicht das erste Mal, dass er so etwas verspürte, aber bisher war es immer viel zu schnell vorübergegangen. Nun aber, zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, blieb dieser Widerhall einer verschwommenen Erinnerung erhalten. Er war sich sicher, ohne es erklären oder verstehen zu können, dass es mit dem Fremden zu tun hatte, der sich ihm langsam näherte.

Der Reiter hielt sein Pferd ein paar Meter vor ihm an. Sein Gesicht war von einem Visier verdeckt, nur die Augen blitzten hervor. »Sei gegrüßt, Bruder«, sprach ihn der Unbekannte plötzlich und unerwartet an.

Enroc war überrascht. »Kennst du mich, dass du mich Bruder nennst?«, fragte er.

Der andere lachte düster. Unter dem Helm klang es dumpf. »Wahrscheinlich kannten wir uns einmal. Auf alle Fälle aber sind wir ... Brüder.«

»Ich habe keinen Bruder«, gab Enroc zurück. »Jedenfalls ...« Er unterbrach sich, doch der Fremde vollendete den Satz: »Jedenfalls keinen, an den du dich erinnerst, wolltest du sagen, nicht wahr?« Wieder ein Lachen unter dem Helm, diesmal klang es noch düsterer als zuvor. »Nun, das mit den Erinnerungen ist so eine Sache. Ich versichere dir aber: Wir sind Brüder, wir sind von der gleichen Art.«

»Von der gleichen Art? Du sprichst in Rätseln, Fremder. Sag mir deinen Namen!« Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Mann denselben Gürtel trug wie er.

Der andere machte mit seinem freien Arm eine abfällige Bewegung. »Namen, was sind schon Namen? Nichts als Schall und Rauch und Staub im Wind unseres Vergessens. Aber wenn es dir etwas bedeutet, mein Name ist Arkim Herdogga und man nennt mich den Selbsttöter.«

Ein Begriff mit dem Enroc nichts anzufangen wusste. »Selbsttöter? Du verwirrst mich immer mehr.«

Arkim Herdogga nahm den Helm ab. Ein hartes, aber nicht unattraktives Gesicht kam zum Vorschein. »Nun, das ist doch ganz einfach«, meinte er und in seiner Stimme schwang Hochmut mit. »Hast du schon jemals gegen jemanden wie mich gekämpft?«

Enroc schüttelte den Kopf.

»Siehst du! Wir gehen uns aus dem Weg, weil wir nicht gegeneinander kämpfen wollen. Wir sind Anachronismen in einer Welt, bei deren Erschaffung wir geholfen haben. Aber diese Welt braucht uns nicht mehr und deshalb habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, diese Welt von uns zu befreien. Darum nennt man mich den Selbsttöter: weil ich alle töte, die wie wir sind. Und dann, wenn nur noch ich übrig bin, werde ich mich selbst ins Vergessen schicken! Doch bis dahin wird noch einige Zeit vergehen!«

Sie unterhielten sich, als ginge sie die Schlacht in der Nähe nicht das Geringste an. Vielleicht war das auch so, jedenfalls in diesem Augenblick.

»Du sagst die ganze Zeit ›wir‹ und redest davon, dass wir von derselben Art sind. Aber wer sind wir?«

»Du erinnerst dich nicht mehr daran?« Arkim Herdogga lachte. Er schien gerne zu lachen. »Ach, ich vergaß, es ist ja unser Schicksal zu vergessen.« Spott schwang in seiner Stimme mit.

»Aber du scheinst es noch zu wissen. Erzähle mir davon, vielleicht erinnere ich mich dann.«

»Das bezweifle ich stark, Bruder, sehr stark.« Herdogga hob die Schultern. »Aber wenn es dir hilft, ehe du stirbst.« Herdogga legte das Schwert quer vor sich über den Rücken seines Pferdes. Die Art, wie er es tat, ließ Enroc erschauern. Die Bewegung kam ihm so vertraut vor; nein, es war mehr als nur vertraut; viel mehr. Es war, als würde er in einen Spiegel blicken, so sehr erinnerte ihn diese Bewegung an sich selbst.

»Wir sind weder Söldner noch gemeine Soldaten, Bruder. Du, ich und all die anderen, die noch leben oder bereits tot sind, wir sind die Krieger der Welt, erschaffen um die Weißen Könige zu besiegen und zu vernichten. Wir sind tausend Jahre alt und es ist unser Schicksal kämpfend zu vergessen. Wir wurden erschaffen, um zu kämpfen – nichts anderes ist der Sinn und Zweck unseres Daseins!«

Die Art, wie er es sagte, der Ton, die Wortwahl und ganz besonders das Wort ›erschaffen‹ jagten Enroc einen seltsamen Schauer über den Rücken. Er konnte sich nicht erinnern, ob das, was Arkim Herdogga sagte, die Wahrheit war oder nicht, aber es brachte Begriffe, die ihm bekannt waren, in einen Zusammenhang, den er noch nie gesehen hatte. Oder den er einmal selbst gekannt, dann aber nach einer der zahlreichen Schlachten seines Lebens vergessen hatte.

»Das war alles?«, fragte er, nachdem der andere eine Weile geschwiegen und sein Schwert wieder an sich genommen hatte.

»Ist es nicht genug?«, fragte Herdogga selbstgefällig zurück.

»Woher kommen wir? Wer hat uns ... erschaffen?«

Der andere hob die Schultern. »Keine Ahnung, ich habe es vergessen.« Herdogga lachte wieder dieses düstere, wahnsinnige Lachen und erneut rief es in Enroc einen Widerhall an etwas hervor, das er selbst einmal gewusst hatte, doch es war ihm unmöglich, diese Erinnerung zu greifen.

»Hat es dich nie interessiert, es wieder zu erfahren?«

Herdogga schüttelte schweigend den Kopf.

»Aber ... aber wenn es stimmt, was du sagst, so sind das Fragen von einer ungeheuren Bedeutung.«

Herdogga bedachte Enroc mit einem mitleidigen und geringschätzigen Blick. »Ungeheure Bedeutung, Bruder? Ich wüsste nicht, weshalb das heute noch von Bedeutung sein sollte, noch dazu von einer ungeheuren. Ich sagte dir doch bereits, dass wir Anachronismen sind in dieser Welt. Aber diese Welt braucht uns nicht mehr. Deshalb haben diese Fragen keinerlei Bedeutung mehr, nicht die geringste. Und aus diesem Grund, weil auch du ohne Bedeutung bist, ist heute dein Tag zu sterben!« Er setzte seinen Helm auf und machte sich für den Kampf bereit.

»Halt, warte«, hielt Enroc ihn mit einer Handbewegung zurück. »Warum willst du mich töten? Wir könnten gemeinsam nach dem suchen, was wir vergessen haben!«

»Weshalb sollte ich das tun? Ich sehe keinen Sinn darin.« Fast gelangweilt klang es unter dem Helm hervor. »Und warum ich dich töten werde, sagte ich bereits. Du bist nicht der Erste und wirst nicht der Letzte sein. Also sei dankbar und ...«

Enroc unterbrach ihn. »Wie viele von ... von uns hast du bereits getötet?«

»Ich habe sie nicht gezählt. Doch nun genug ...«

Enroc unterbrach ihn erneut. »Wenn ich den Kampf überleben sollte, wo kann ich Antworten auf meine Fragen finden?«, fragte er hastig.

Herdogga seufzte. »Du beginnst mich zu langweilen, mein vergesslicher Bruder. Aber wenn du es unbedingt wissen willst: nirgendwo!« Er lachte sein spöttisches, wahnsinniges Lachen. »Andererseits soll auf halbem Weg zum südlichen Ende des Dideon Lehort ein Volk leben, das sich Kenwisch nennt. Sie sollen bereits zu den Zeiten der Weißen Könige dort gelebt haben. Angeblich wissen sie mehr über uns und unsere Entstehung. Aber das ist ein Gerücht, ein albernes, dummes Märchen.« Er trieb sein Pferd langsam in Richtung Enrocs. »Ich war dort und habe die Kenwisch gesucht, sie aber nicht gefunden. Und wenn ich sie gefunden hätte, dann hätte ich sie genauso getötet, wie ich dich jetzt töten werde. Denn alles, was aus der alten Zeit noch übrig ist, muss untergehen!« Unvermittelt hob er das Schwert, trieb sein Pferd an und drang auf Enroc ein. Mehr instinktiv als bewusst hob Enroc sein Schwert und seinen Schild zur Abwehr. Herdogga quittierte dies mit einem unwilligen Knurren, aber er griff erneut an.

Hin und her ging ihre eigene, kleine Schlacht, aber keiner von beiden konnte den anderen in ernsthafte Bedrängnis bringen.

»Du wurdest gut erschaffen und scheinst viel gelernt zu haben, Bruder«, meinte der andere in einer kleinen Pause.

»Du kannst mich nicht töten«, versetzte Enroc. Ihre Pferde tänzelten umeinander herum.

»Vielleicht nicht heute, aber dein Tag wird kommen.« Noch einmal griff Herdogga ihn an, aber es war nicht mehr dieselbe Strebsamkeit dahinter wie zu Beginn ihres Kampfes.

Schließlich ließ der andere von ihm ab. »Genug, Bruder. Es ist sinnlos, hier und an diesem Tag. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben!« Er ließ sein Pferd steigen und trieb es dann in Richtung der Schlacht davon. »Bis irgendwann einmal, Bruder«, rief er über die Schulter zurück und lachte noch einmal. Dann verschwand er im Getümmel und Enroc verlor ihn aus dem Blick. Im ersten Augenblick wollte er Herdogga folgen, doch er musste diesen Gedanken aufgeben. Er würde ihn nicht finden, wenn dieser es nicht wollte, dessen war Enroc sich sicher. Außerdem waren mittlerweile Soldaten aus Kensiks Armee auf den einsamen Bentrei-Söldner aufmerksam geworden und griffen ihn an. Enroc musste sich seiner Haut erwehren und konnte keinen Gedanken mehr an Arkim Herdogga verschwenden.

Schließlich war die Schlacht vorbei. Das Heer von Bentrei war dezimiert und schließlich von der Armee des Königs von Kensik umzingelt worden. Kapitulation oder Tod war letzten Endes die Alternative gewesen. Nerol von Bentrei zog die Kapitulation vor. Natürlich war ihm klar, was das bedeutete: Der Sieger würde bestimmen, was geschah. So war es immer.

Vediol von Kensik war kein grausamer Mann, aber er konnte sich den Zwängen eines gewonnenen Krieges nicht entziehen. Nerols Familie würde in die Verbannung geschickt werden, Nerol selbst würde eine geraume Zeit in den Verliesen von Vediols Burg unter wenig angenehmen Umständen zu Gast sein. Die hohen Offiziere der bentreischen Armee würden hingerichtet werden, zur Abschreckung und als Warnung. Die unteren Ränge würden Nerols Schicksal teilen oder zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Die einfachen Soldaten jedoch würde man nach Hause schicken, zu Frau und Kind, Haus und Hof. Natürlich drohte man ihnen das schlimmste Schicksal für den Fall an, dass sie sich gegen den neuen Herrscher erheben sollten.

Am besten kamen im Grunde wie immer die Söldner davon. Natürlich nahm man ihnen alles Wertvolle – Gold, Schmuck, Edelsteine – ab. Lediglich Waffen, Pferde und Kleidung durften sie behalten. Ansonsten ließ man sie jedoch ungeschoren. Wer wusste, vielleicht würde Vediol von Kensik sich eines Tages selbst ihrer Dienste versichern müssen. Kein Sieger verärgerte jemals die Söldner mehr als notwendig.

Enroc hatte Arkim Herdogga nicht wieder gesehen. Er musste aber noch am Leben sein, denn seine Leiche war nicht zu entdecken. Wahrscheinlich hatte er sich davongemacht, nachdem er seinen Lohn erhalten hatte. Er war irgendwohin unterwegs, zur nächsten Schlacht, zum nächsten Krieg, auf der Suche nach Männern seiner Art, die er töten konnte. Enroc fragte sich, warum der andere noch so viel über sie und ihre Herkunft wusste. Wenn es stimmte, musste dann nicht auch Herdogga längst alles vergessen haben? Oder hatte er sich bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt als er selbst dafür interessiert und deshalb darauf geachtet, dieses Wissen nicht zu vergessen? Die Begegnung mit Arkim Herdogga hatte eine Neugier in Enroc geweckt, wie er sie vorher nie gekannt hatte.