Arthur und die Vergessenen Bücher - Gerd Ruebenstrunk - E-Book

Arthur und die Vergessenen Bücher E-Book

Gerd Ruebenstrunk

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Beschreibung

Es gibt Bücher, die »anders« sind. Davon weiß Arthur nichts, als er in den Ferien in einem Antiquariat aushilft. Doch dann weiht ihn der Buchhändler in ein Geheimnis ein - und eine beispiellose Jagd beginnt, die Arthurs Leben auf den Kopf stellt! Eine seltene Begabung, von der er nicht die geringste Ahnung hat, macht ihn zur Zielscheibe von Fremden, die besessen sind vom Geheimnis der Vergessenen Bücher. Aber gibt es diese mysteriösen Werke wirklich? Und wenn ja, was macht sie so gefährlich? Gemeinsam mit seiner Freundin Larissa folgt Arthur den Spuren nach Amsterdam und Bologna. Und gerät dabei immer tiefer in den Sog eines jahrtausendealten Rätsels …

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Gerd Ruebenstrunk

Die Vergessenen Bücher

Band 1

Arthur und die

Vergessenen Bücher

Mit Illustrationen von

Laetitia Barnick

Überarbeitete Neuauflage.

Ursprünglich erschienen bei arsEdition.

© 2021 Gerd Ruebenstrunk

© 2021 für die Illustrationen: Laetitia Barnick

Verlag & Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback 978-3-347-06376-1

Hardcover 978-3-347-06377-8

E-Book: 978-3-347-06461-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Prolog

Der Bücherwurm

Der Überfall

Der merkwürdige Antiquar

Der Mann mit der Narbe

Ein neuer Freund?

Lehrgeld

Die geheime Botschaft

Die leere Bibliothek

Das Haus mit den Blutflecken

Im Museum

Hetzjagd durch Haarlem

August 361

Flucht über die Gracht

Die Augen

Schatten der Vergangenheit

Zwei neue Freunde

Die Stadt lesen

Das Geheimnis der Türme

Das Buch der Antworten

Madame Slivitsky

Begegnung im Park

Unter der Stadt

Fragen und Antworten

Der Bewahrer

Prolog

Ein käsiger Mond tauchte das winzige Pyrenäendorf inmitten der zerklüfteten Felslandschaft in ein fahles Licht, als sich zwei dunkle Gestalten aus der Tür des Dorfgasthauses stahlen. Sie verharrten einen Moment regungslos, als wollten sie überprüfen, dass niemand ihnen gefolgt war; Dann huschten sie, immer im Schatten der geduckten Gebäude, um den Dorfplatz herum und verschwanden in einer Gasse.

Nach wenigen Metern erreichten sie einen Pfad am Ortsrand, der sich den Berghang entlang nach oben schlängelte. Schweigend folgten sie ihm, bis sie etwa zwanzig Meter über dem Dorf waren.

Im Mondlicht konnte man erkennen, dass es sich bei den beiden um eine junge Frau und einen jungen Mann handelte. Sie trugen schwarze Hosen und schwarze Pullover und hatten sich dunkle Wollmützen über die Haare gezogen.

Die Nacht war kalt. Ein feiner Nebel lag über der Landschaft, und der Atem der beiden Schwarzgekleideten formte kleine Schleier vor ihren Gesichtern.

Der Mann zog eine große Taschenlampe aus der Tasche, die über seiner Schulter hing.

"Bist du verrückt?!", zischte die Frau. "Wenn uns nun jemand sieht?"

"Wir sind weit genug vom Dorf weg", erwiderte der Mann. "Und außerdem schlafen die Dorfbewohner alle. Sei nicht so nervös."

"Ich bin nicht nervös, ich bin nur vorsichtig. Wir machen schließlich keinen Vergnügungsausflug. Ich habe keine Lust, die nächsten Jahre in einem spanischen Gefängnis zu verbringen."

Widerwillig stopfte der Mann die Taschenlampe wieder zurück. "Wir können die Sache immer noch abblasen. Ich habe sowieso kein gutes Gefühl dabei."

"Ach, kommen jetzt wieder die Gewissensbisse?", fragte seine Begleiterin mit sarkastischem Unterton. "Wer hat denn gesagt: Lass uns das Buch holen? Soweit ich mich erinnern kann, bist du das gewesen."

Der Mann antwortete nicht, und sie setzten ihren Aufstieg stumm weiter fort. Der schmale Pfad, dem sie folgten, wurde immer wieder von den Schatten großer Felsbrocken verschluckt, die wie gigantische Spielklötze über den Abhang des Hügels verstreut lagen. Irgendwo in der Ferne heulte ein Wolf. Das Heulen wurde vereinzelt von Hundegebell erwidert.

Ungefähr dreißig Meter über ihnen schälten sich aus der Felswand die Umrisse eines geduckten Gebäudes heraus.

"Das muss die Kapelle sein", keuchte der Mann, der offensichtlich nicht sehr sportlich war und schnell außer Atem geriet.

Wenige Minuten später standen sie auf einem kleinen Plateau. Vor ihnen lag ein einfacher Steinbau, der aus grob behauenen Quadern zusammengesetzt war. Anstelle von Fenstern wiesen die Längsseiten lediglich eine Reihe von schmalen Schlitzen auf. Nur an einem kleinen Kreuz über der schweren hölzernen Eingangstür konnte man erkennen, dass es sich um eine Kirche handelte.

Die Frau rüttelte am Türgriff. Sie fluchte leise. "Verschlossen, das war doch klar." Verärgert drehte sie sich zu ihrem Begleiter. "Wie kommst du darauf, dass die Türe immer offen stehen würde?"

"Das hat mir der Gastwirt beim Abendessen erzählt", verteidigte sich der Mann. "Vielleicht klemmt sie nur?"

Die Frau versuchte es erneut. "Die bewegt sich keinen Zentimeter." Sie stemmte die Hände in die Hüften.

"Es könnte ein Zeichen sein", sagte ihr Begleiter mit leiser Stimme. "Noch haben wir die Möglichkeit umzukehren."

"Ich fahre nicht in einem klapprigen Citroën durch halb Europa, um dann einen Meter vor dem Ziel zu kneifen!", explodierte die Frau. "Gib her!" Mit diesen Worten riss sie dem Mann die Tasche von der Schulter und begann darin herumzuwühlen. "Sag bloß, du hast kein Brecheisen eingepackt?"

"Doch, doch, das liegt ganz unten, eingewickelt in einen Lappen." Der Mann zog seinen Oberkörper unwillkürlich etwas zurück. Er machte eine kleine Pause. "Ich bitte dich: Du hast die Dorfbewohner heute Abend doch auch gesehen. Es sind herzensgute Menschen. Und wir wollen ihnen das wegnehmen, was ihnen das Heiligste ist."

"Was interessieren mich diese Bauern?", stieß die Frau verächtlich hervor und wickelte das Brecheisen aus dem Tuch. "Ob das Buch da drin ist oder nicht, das wird sie nicht glücklicher oder unglücklicher machen. Aber uns macht es unbesiegbar!"

Sie drückte ihrem Begleiter das Brecheisen in die Hand. "Hier, jetzt kannst du dich mal nützlich machen, statt immer nur zu jammern."

Widerwillig nahm der Mann das Werkzeug entgegen. Er setzte es am Türschloss an und drückte den Eisenstab vorsichtig zur Seite.

"Willst du die Tür öffnen oder bloß streicheln?", höhnte die Frau. "Jetzt zeig mal, ob du ein Mann bist oder nur ein verkümmerter Bücherwurm!"

Ihr Begleiter presste die Zähne zusammen und schluckte seine Antwort herunter. Er lehnte sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen das Brecheisen, bis ein lautes Knirschen zu vernehmen war.

Die Frau drängte ihn zur Seite und versetzte der Tür einen kräftigen Stoß mit dem Fuß. Knarrend schwang sie auf. Das Innere der Kapelle lag fast vollständig im Dunkel. Durch die schmalen Fensterschlitze tasteten sich zaghaft ein paar Strahlen des Mondlichts herein, die allerdings mehr Schatten als Licht erzeugten.

Der Mann tauschte das Brecheisen gegen die Taschenlampe und knipste sie an. Er ließ den Lichtstrahl durch den Raum vor ihnen kreisen. Viel war nicht zu sehen.

Gegenüber der Eingangstür befand sich der Altar. Davor erstreckten sich zwei Reihen von schlichten Holzbänken, die durch einen schmalen Mittelgang getrennt waren. Die Mauern waren weiß gekalkt. In der Mitte der niedrigen Decke hing ein kleiner Käfig aus Metall, kaum groß genug für einen ausgewachsenen Kanarienvogel.

Beim Anblick des Käfigs lief dem Mann ein Schauer über den Rücken. Er wusste zwar nicht, warum er dort hing, doch die seltsame Anwesenheit dieses Gegenstandes verstärkte sein wachsendes Unbehagen.

Die Stimme seiner Begleiterin riss ihn aus seinen Gedanken. Sie stand bereits neben dem Altar, der aus einem einzigen Felsblock gehauen war.

"Wo bleibst du denn?!", rief sie ungeduldig. Zögernd folgte der Mann ihr. Als er schließlich den Altar erreicht hatte, kniete die Frau bereits neben dem Steinblock und betastete seine Seiten.

"Leuchte mal her!", kommandierte sie. Im Licht der Taschenlampe inspizierte sie eine bestimmte Stelle des Altars. Dann lehnte sie sich befriedigt zurück.

"Es ist, wie ich gedacht habe. Nur eine einfache Steinplatte. Los, pack mit an!"

Der Mann steckte die Taschenlampe in eine Schlaufe an seinem Gürtel. In ihrem indirekten Licht sah das Gesicht seiner Begleiterin wie eine verzerrte Maske aus.

"Ich …", begann er, aber sie schnitt ihm sofort das Wort ab.

"Jetzt fang nicht wieder an!", fauchte sie.

"Wir können das nicht tun", sagte er. "Es ist nicht richtig."

"Wenn wir jetzt aufhören, dann war alles umsonst!", rief sie. "Denk nur an die Macht, die wir besitzen werden. Oder die Reichtümer. Keiner wird uns widerstehen können. Keiner!" Ihre Stimme war schrill geworden.

"Aber …", hob der Mann an.

"Es gibt kein Aber! Du hast es selbst gesagt: Wer die Vergessenen Bücher besitzt, wird die Welt beherrschen. Jetzt liegt das Erste dieser Bücher nur noch eine Handbreit von uns entfernt und du willst kneifen? Dann hole ich es mir eben allein!"

Mit diesen Worten legte sie die Hände an die Steinplatte auf dem Altar und begann dagegen zu drücken. Der Mann zögerte einen Moment. Dann packte auch er mit an.

Die Platte war schwer und offenbar seit vielen Jahren nicht mehr bewegt worden, denn sie gab um keinen Zentimeter nach. Einige Minuten war nichts zu hören außer dem angestrengten Ächzen der beiden.

Der Mann wollte schon aufgeben, als sich die Platte mit einem schabenden Geräusch einige Zentimeter bewegte.

"Ha!", rief die Frau triumphierend und drückte mit neuer Kraft dagegen. Auch ihr Begleiter spürte jetzt, wie ihn das Jagdfieber erfasste. Er mobilisierte seine letzten Kräfte, und gemeinsam gelang es ihnen, die Platte so weit zur Seite zu schieben, um mit einem Arm in die Truhe greifen zu können.

Die Frau zog ihm die Taschenlampe aus der Schlaufe und leuchtete in den Hohlraum. Im Lichtschein erkannten sie eine kleine Holzkiste, die mit zahlreichen goldenen Ornamenten verziert war. Sie stand auf einem Sockel in der Mitte der Truhe.

Der Mann steckte seinen Arm in den Altar und betastete den Sockel, auf dem die Kiste stand.

"Leder!", rief er. "Das muss es sein!"

Vorsichtig schob er die Holzkiste beiseite und hob den Sockel, der nur wenige Zentimeter hoch war, an. Er brauchte mehrere Versuche, um den Gegenstand durch die schmale Öffnung herauszuziehen. Schließlich lag das lederumwickelte Paket vor ihnen auf dem Altar.

Mit zitternden Fingern klappte die Frau, die die Taschenlampe an ihren Begleiter weitergereicht hatte, das Tuch auseinander. Darunter kam ein großes, in dickes schwarzes Leder gebundenes Buch zum Vorschein. In den Buchdeckel war eine Reihe merkwürdiger roter Zeichen eingelassen, die keinen bekannten Buchstaben glichen. Am ehesten, so fand der Mann, ähnelten die Zeichen der Keilschrift der Babylonier.

Ehrfurchtsvoll strich die Frau mit der Hand über das Buch. Das Herz des Mannes klopfte bis zum Hals. Über acht Jahre hatten sie gearbeitet, um diesen Moment zu erleben. Und jetzt war es Wirklichkeit geworden! Sie hatten das Buch gefunden, nach dem so viele andere seit Jahrhunderten vergeblich gesucht hatten!

Die Frau kehrte zuerst in die Gegenwart zurück. "Steck es ein und dann nichts wie weg." Sie wickelte das Buch wieder in das Ledertuch, und der Mann verstaute es vorsichtig in seiner Umhängetasche.

Ein Windstoß fuhr durch die Tür der Kapelle. Der Mann zuckte zusammen, denn es war, als streiche ihm eine eiskalte Hand über sein Gesicht. Zugleich ertönte ein gespenstisches Quietschen.

Er richtete den Strahl der Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Es war der Käfig unter der Decke. Der Windstoß musste ihn in Bewegung versetzt haben, denn er schaukelte leicht quietschend hin und her.

Auch der Frau war die Sache nicht ganz geheuer. Der Käfig warf wechselnde Schatten auf die Wände der Kapelle, die sich auf die beiden Eindringlinge zuzubewegen schienen.

Mit großen Schritten liefen die beiden zur Tür. Der Mann erwartete, jeden Augenblick von einem der dunklen Schatten gepackt und zurückgerissen zu werden. Aber er und seine Begleiterin erreichten unbeschadet den Ausgang und eilten den Bergpfad zum Dorf hinab.

Das Wolfsgeheul war verstummt. Merkwürdig gezackte Wolken jagten vor dem blassen Mond her. Mehrfach mussten die beiden anhalten, weil der Weg im flackernden Mondlicht nicht mehr genau zu erkennen war.

Schließlich erreichten sie die Straße, die zurück ins Dorf führte. Der Mond war inzwischen fast völlig von dunklen Wolken verdeckt. Vom Dorfrand her versuchte eine einsame Straßenlaterne vergeblich, die Nacht aufzuhellen.

"Du wartest hier", sagte die Frau. "Ich hole den Wagen. Es wäre zu gefährlich, mit dem Buch durchs Dorf zu gehen." Mit diesen Worten verschwand sie im Dunkel.

Der Mann ließ sich seufzend auf einem Felsen am Straßenrand nieder. Nervös blickte er über die Schulter auf den Bergpfad zurück. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihnen jemand von der Kapelle gefolgt war. Aber er konnte in der Dunkelheit weder etwas sehen noch hören.

Die Begeisterung, die ihn bei der Entdeckung des Buches ergriffen hatte, war völlig verschwunden. Acht lange Jahre der Vorbereitung - und jetzt, da sie ihr Ziel erreicht hatten, verspürte er nur eine tiefe Müdigkeit. In seiner Tasche befand sich ein Buch, dessen Inhalt den Lauf der Weltgeschichte verändern konnte. Doch der Mann sah nur das vor Gier verzerrte Gesicht seiner Begleiterin vor sich. In den letzten Monaten hatte er erfahren müssen, wie skrupellos sie handeln konnte, wenn sich ihr jemand in den Weg stellte. Wie würde das erst sein, wenn sie über die Macht des Buches verfügte?

Wollte er auch so werden? Waren Macht und Reichtum es wert, ihnen das eigene Leben und vielleicht das vieler anderer zu opfern? Natürlich hätte er gerne die Geheimnisse des Buches entschlüsselt. Aber es war Unrecht, es den Dorfbewohnern zu stehlen. Und in den Händen seiner Begleiterin konnte es zu einer furchtbaren Waffe werden.

Mit einem Mal wusste er, was er zu tun hatte.

Wenige Minuten später hörte er das Tuckern des Automotors. Die Frau steuerte den Wagen ohne Licht. Sie hielt den kleinen Citroën genau vor ihm an und stieß die Beifahrertür auf. Der Mann reichte ihr seine Umhängetasche und wollte gerade selbst einsteigen, als sie aufs Gaspedal trat und das Auto mit aufheulendem Motor um die Kurve verschwand.

Der Mann war durch den plötzlichen Start des Autos aus dem Gleichgewicht geraten und auf die Straße gefallen. Er richtete sich auf und klopfte sich den Staub von seiner Hose. Dann seufzte er erneut: Sie hatte also von Anfang an vorgehabt, das Buch für sich allein zu behalten und ihn zurück zu lassen. Wer die Weltherrschaft anstrebte, teilte eben nicht gern mit anderen.

Die Wolken hatten den Mond wieder freigegeben. Der Mann warf noch einen letzten Blick in Richtung des verschwundenen Autos. Dann machte er sich langsam auf den Weg ins Dorf.

Versteckt unter seiner Jacke, spürte er das raue Leder des Buches auf seiner Haut. Die Frau würde sicher bald bemerken, dass sich in der Tasche auf dem Beifahrersitz bloß ein in Stoff gewickeltes Holzstück befand. Er hatte ihr das genommen, was sie mehr als alles in der Welt begehrte.

Und er wusste, dass er von nun an eine Feindin auf Lebenszeit hatte.

Der Bücherwurm

Mein Name ist Arthur.

Und ich bin kein Held.

Auch wenn andere wie Larissa oder der Bücherwurm das Gegenteil behaupten – ich weiß es besser.

Ich bin nur ein vierzehnjähriger Junge, der gerne Bücher liest, ab und an eine Runde am PC oder der Playstation zockt, gern angesagte Musik auf YouTube oder Spotify hört und sich abmüht, in der Schule die Kurve zu kriegen.

Aber ich bin kein Held.

Um das zu verstehen, müsst ihr meine Geschichte kennen. Und die beginnt mit dem Bücherwurm.

Meine früheste Erinnerung an den Bücherwurm reicht zurück bis in jene Zeit, als ich noch den Kindergarten besuchte. Es war ein herrlicher Sommertag. Mein Vater hatte einen Tag frei und ich durfte ihn in die Stadt begleiten. Wir unternahmen all das, was Väter so mit ihren fünfjährigen Söhnen machen: Wir aßen ein Eis, fütterten die Enten auf dem kleinen Teich hinter dem Rathaus und fuhren zehn Mal im Paternoster des Rathauses in der Runde.

Vielleicht sollte ich euch den Paternoster kurz beschreiben, denn heute gibt es nur noch eine Handvoll davon. Ein Paternoster ist ein Aufzug, der nie anhält. Das klingt vielleicht komisch, denn wie soll man da ein- oder aussteigen? Nun, ganz einfach: Ein Paternoster hat keine Türen und fährt ganz langsam. Er besteht im Grunde aus einer Reihe aufeinandergestapelter Holzkästen, die sich langsam den Aufzugschacht empor schieben, im Keller und Dachgeschoss die Richtung wechseln und im benachbarten Schacht wieder nach unten oder oben fahren. In jedem Stockwerk hat man zwei oder drei Sekunden Zeit, um in einen der Kästen ein- oder daraus auszusteigen.

Ich weiß noch, welche Angst ich hatte, als mein Vater mir zum ersten Mal vorschlug, mit dem Paternoster durchs Dachgeschoss auf die andere Seite zu fahren. Ich stellte mir die schlimmsten Dinge vor, die dort oben passieren könnten: Ein großes, eisernes Rad, das mich zerfetzte; dunkle Gestalten, die mich aus dem Kasten herauszerrten und andere schreckliche Sachen. Aber mein Vater versicherte mir, es sei alles ganz harmlos, und so fasste ich seine Hand und drückte die Augen ganz fest zu, als unser Kasten das oberste Stockwerk passiert hatte und weiter hochfuhr.

Das leise Rumpeln, das so typisch ist für den Paternoster, wurde stärker und ich wünschte mir noch eine Extrahand, um mir auch die Ohren zuhalten zu können. Als ich meine Augen wieder öffnete, waren wir bereits auf dem Weg nach unten – und lebten beide noch.

Wir blieben in der Kabine stehen und fuhren weiter bis ganz nach unten ins Kellergeschoss, und dieses Mal ließ ich meine Augen offen. Viel zu sehen gab es nicht. Der Paternoster rumpelte ein Stück weiter nach unten, dann bewegte er sich nach links (vor uns war im Dämmerlicht unserer Kabinenbeleuchtung die ganze Zeit nur eine langweilige Mauer zu sehen), um schließlich wieder hochzufahren. Das war alles.

Seitdem habe ich immer wieder allein im Paternoster meine Runden gedreht, und obwohl ich wusste, dass dort oben oder unten niemand lauerte, beschlich mich doch vor jeder neuen Umrundung immer noch ein komisches Gefühl, denn schließlich könnte ja dieses Mal alles anders sein und tatsächlich ein dunkles Monster auf diejenigen warten, die glaubten, ihr Schicksal herausfordern zu müssen.

Nach der Paternosterfahrt spazierten wir durch die Stadt, bis wir einen kleinen Buchladen erreichten, der in einer Seitenstraße versteckt war. Ich kann mich noch genau daran erinnern, denn es war das erste Mal, dass ich den Laden des Bücherwurms betrat. Der Raum war, wie gesagt, nicht groß, aber voll. Jeder noch so kleine Fleck war mit Tischen oder Regalen zugestellt, und selbst in den wenigen Zwischenräumen lagen noch Stapel von Büchern auf dem Boden. Nur direkt am Schaufenster gab es eine größere Lücke; hier waren die Kinderbücher eingeordnet, mit einem kleinen Stuhl davor, auf dem die jungen Leser in Ruhe schmökern konnten.

Am Ende des Raums saß ein Mann hinter einer Theke, die ebenfalls mit Büchern bedeckt war. Er blickte auf, als die Türklingel unseren Besuch ankündigte.

Das war der Bücherwurm.

Der Bücherwurm war bereits ein alter Mann, als ich ihn das erste Mal traf. Zumindest lebt er so in meiner Erinnerung, denn heute weiß ich natürlich, dass einem Fünfjährigen jeder Mann, der die Vierzig überschritten hat, alt vorkommt. Vielleicht war er damals also erst 50 oder 55 Jahre alt, auf jeden Fall war er älter als mein Vater. Er hatte buschiges weißes Haar, das rechts und links von seinem Kopf abstand, und trug eine dicke Brille auf der Nase, hinter der zwei kluge blaue Augen blitzten. Seine braune Cordjacke war an den Ellbogen mit Lederflicken verstärkt und hatte ihr Verfallsdatum schon lange überschritten. Das galt auch für sein ehemals vielleicht weißes Hemd, dessen Kragen deutliche Spuren von Zersetzung aufwies.

Der Bücherwurm und mein Vater kannten sich offenbar, denn sie begrüßten sich freundlich. Mein Vater stellte mich vor, und der Alte kam hinter seiner Theke hervor und schüttelte mir die Hand. Das brachte ihm gleich eine Handvoll Pluspunkte bei mir ein, denn die meisten Erwachsenen nahmen mich entweder gar nicht zur Kenntnis oder bedachten mich nur mit einem Kopfnicken.

Von jenem Zeitpunkt an besuchte ich den Laden des Bücherwurms mehrmals in der Woche. Ab und an kaufte ich mir von meinem Taschengeld ein Buch, aber meistens saß ich nur in der Leseecke und schmökerte. Von den Bilderbüchern arbeitete ich mich im Laufe der Jahre zu den Romanen hoch, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Die Bilderbücher standen in den untersten Reihen und die Romane und Sachbücher darüber. Je mehr ich wuchs, umso höher ins Regal konnte ich greifen. Wenn andere Kinder ihr Wachstum anhand von Strichen an der Wand oder am Türrahmen verfolgten, maß ich meine Entwicklung an den Reihen des Bücherregals.

Oft war außer mir und dem Bücherwurm niemand im Laden. Dann kam er zu mir herüber oder rief mich zu sich und führte mich nach und nach in die Geheimnisse seiner Bücher ein.

Neben den Neuerscheinungen, die er vorne im Laden verkaufte, gab es noch ein Hinterzimmer, das ich erst nach zwei Jahren unserer Bekanntschaft erstmals betreten durfte. Es war ein fensterloser Raum, dessen Wände komplett von Bücherregalen bedeckt waren. Im Gegensatz zu vorne waren sie allerdings nicht mit neuen, sondern mit alten Büchern gefüllt. Das konnte man schon beim Eintreten am Geruch erkennen, einer Mischung aus Staub, Säure und Muff, der mich mit steter Regelmäßigkeit zum Niesen brachte.

In diesem Raum zeigte sich die eigentliche Leidenschaft des Bücherwurms: die Jagd nach alten Büchern, die nicht mehr verlegt wurden und von denen es oft nur noch wenige Exemplare auf der Welt gab.

"Bücher hatten früher eine ganz andere Bedeutung als heute", erklärte er mir einmal. "Vor der Erfindung der Buchdruckkunst wurden sie von Hand abgeschrieben, und oft gab es nur zwei oder drei Exemplare eines Buches. Weil das so viel Arbeit machte, kannst du dir vorstellen, dass nur wirklich wichtige Dinge niedergeschrieben wurden. Auch nach der Einführung der Druckerpresse waren Bücher ein seltenes und teures Gut. Meistens wurden nicht Tausende von Exemplaren gedruckt, sondern nur ein paar Dutzend."

Bei diesen Worten nahm er einen Karton aus einem der Regale, öffnete den Deckel und hob vorsichtig ein in Plastikfolie eingeschlagenes Buch heraus. Es war in rotes Leder gebunden und mit Goldverzierungen versehen.

"Dieses Buch ist über dreihundert Jahre alt", sagte er, während er es behutsam aus seiner Hülle hervorzog. Er winkte mir. "Komm her."

Ich stellte mich neben ihn und sah ihm dabei zu, wie er das Buch mit spitzen Fingern aufschlug. Die Seiten waren mit einer Schrift bedeckt, die ich nicht entziffern konnte. Ab und an unterbrachen Zeichnungen von Tieren oder Pflanzen den klein gedruckten Text.

"In diesem Buch steht alles, was man zum Zeitpunkt seines Erscheinens über Biologie wusste", erklärte der Bücherwurm. "Es ist in altem Französisch verfasst, deshalb wirst du es kaum lesen können. Es wurde in einer Auflage von einhundert Exemplaren gedruckt und kostete damals so viel wie heute ein gut ausgestattetes Auto. Jetzt ist es ein kleines Vermögen wert"

Vorsichtig streckte ich meine Hand aus und ließ meine Finger über das Papier gleiten. Es fühlte sich rau und brüchig an, so als könne es jeden Augenblick auseinanderfallen. Schnell zog ich meine Hand zurück.

Der Bücherwurm lachte. „Keine Angst. So empfindlich ist das alte Schätzchen nicht. Es ist immer gut behütet worden, deshalb ist es auch so gut erhalten.“

Vorsichtig klappte er das Buch zu und schob es wieder in die Plastikhülle.

"Was machen Sie mit diesen alten Büchern?", fragte ich.

Er stellte den Karton mit dem Biologiebuch zurück ins Regal. "Ich verkaufe sie an denjenigen, der bereit ist, dafür den richtigen Preis zu bezahlen", erklärte er. "Und von dem ich das Gefühl habe, er weiß zu würdigen, was ich ihm anbiete."

Ich blickte ihn fragend an. Er zupfte seine verbeulte dunkelgrüne Cordhose zurecht, als ob sie das wieder in Form bringen könnte.

"Alte Bücher sind keine Ware wie jede andere. Sie sind Zeugen ihrer Zeit. Durch sie hören wir die Stimmen unserer Vorfahren, lernen ihre Gedanken kennen und nehmen an ihrem Leben teil. Deshalb muss man ihnen mit viel Respekt gegenübertreten. Wer zwar Geld hat, aber keinen Respekt, der ist in meinen Augen nicht würdig, sie zu besitzen."

Ich verstand nicht wirklich, was er damit meinte. Schließlich war ich damals auch erst sieben Jahre alt. Es sollte noch einige Zeit vergehen, bis ich den Sinn seiner Worte begriff.

Als ich zwölf Jahre alt war, lud der Bücherwurm mich zum ersten Mal ein, ihn in seinem Haus zu besuchen. Er wohnte in einer großen alten Villa, nicht weit von seiner Buchhandlung entfernt.

Wir hatten uns an einem Mittwochnachmittag verabredet, weil die Buchhandlung dann immer geschlossen war. Ich ging durch einen verwilderten Vorgarten, stieg drei bröckelnde Stufen zur Tür empor und drückte auf die einzige Klingel, die es gab. Wenige Sekunden später öffnete sich die riesige Holztür, und vor mir stand ein Junge, der vielleicht so alt sein mochte wie ich. Auf jeden Fall war er mindestens einen Kopf größer. Er hatte strubbelige schwarze Haare und trug einen verwaschenen Pullover, löchrige Jeans und ein Paar Turnschuhe, die schon bessere Zeiten gesehen hatten. Um seine Schultern lag eine ziemlich gefährlich aussehende dünne Schlange, die mir träge ihren Kopf entgegenstreckte. Er starrte mich an, ohne ein Wort zu sagen.

"Ähm, bin ich hier richtig bei Lackmann?", druckste ich herum und spürte, wie ich rot anlief, denn gerade war mir der Gedanke gekommen, dass ich mich vielleicht in der Hausnummer geirrt haben könnte. Außerdem traute ich der Schlange nicht. Sie sah so aus, als könnte sie jede Sekunde nach vorn schießen und ihre Fangzähne in meinen Hals bohren.

Der Junge legte den Kopf schief und sagte: "Du bist Arthur." Seine Stimme klang merkwürdig hoch. Er machte eine Handbewegung in Richtung der Schlange. "Das hier ist Misia. Sie tut dir nichts. Außerdem ist sie ungiftig. Komm rein!"

Ich zögerte. Da hörte ich die Stimme des Bücherwurms aus dem Inneren des Hauses: "Wer ist das, Larissa? Ist das Arthur? Bring ihn rein!"

Larissa? Das war doch kein Jungenname! Ich sah mein Gegenüber scharf an. Jetzt fiel mir auf, dass die Gesichtszüge etwas Mädchenhaftes hatten. Und dann die Stimme – ganz klar! Das war ein Mädchen! Wie konnte ich nur geglaubt haben, einen Jungen vor mir zu haben? Das Rot in meinem Gesicht bekam einen frischen Anstrich.

Larissa hatte sich umgedreht und war im Flur hinter der Haustür verschwunden. Ich beeilte mich, ihr zu folgen, allerdings in sicherem Abstand zu der Schlange. Sie führte mich in einen großen Raum, der nur aus Büchern zu bestehen schien. An den Wänden zogen sich bis zur Decke Bücherregale hoch, und jeder freie Zentimeter auf dem Boden oder den Möbeln war mit hohen Bücherstapeln bedeckt.

Der Bücherwurm hockte zwischen zwei Büchertürmen und sah kurz auf, als er uns eintreten hörte. "Ah, Arthur, schön, dass du da bist. Larissa hast du ja bereits getroffen. Sie kann dir das Haus zeigen. Ich muss noch ein paar Dinge erledigen." Mit diesen Worten tauchte er wieder zwischen den Büchern ab.

Ich stand etwas verloren da, denn ich hatte etwas anderes erwartet, als von einem Mädchen mit einer Schlange um den Hals herumgeführt zu werden. Aber ich konnte ja schlecht wieder gehen. "Klar", sagte ich und: "Lassen Sie sich nicht stören". Dabei hätte ich mich am liebsten zu ihm zwischen die Bücher gesetzt.

Stattdessen ließ ich mich von Larissa durchs Haus führen. Bis auf die große Wohnküche, das Bad und das Schlafzimmer des Bücherwurms waren alle Räume im Erdgeschoss vollgestopft mit Büchern.

Auch im ersten Stock sah es nicht anders aus. Hier befand sich auch Larissas Zimmer.

Es war mindestens dreimal so groß wie mein eigenes und mindestens zehnmal so unaufgeräumt. In einer Ecke des Raums waren mehrere Terrarien übereinandergestapelt, in denen sich diverse Schlangen und Echsen tummelten. Eine weitere Ecke wurde von einer großen Staffelei mit einer halb bemalten Leinwand beherrscht. An der Wand dahinter lehnten Dutzende von Gemälden, eines wilder als das andere.

Auf einem großen Holztisch stapelten sich Kabel und alle möglichen elektronische Bauteile: große und kleine Platinen, Transistoren, zwei auseinandergenommene Computer, ausgeschlachtete Handys und Tablets und vieles mehr. Unter dem Fenster befand sich ein Bett voller Stofftiere, auf beiden Seiten flankiert von einem Digitalpiano und einer elektrischen Gitarre. Der Rest des Raums war vollgestellt mit diversen Geräten, darunter ein riesiges Teleskop, ein Heimtrainer und ein Mikrofon auf einem Ständer, an dem ein Gürtel mit sechs verschiedenen Mundharmonikas hing.

Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst sehen sollte. "Warum bist du eigentlich nie im Buchladen?", fragte ich sie, mehr aus Verlegenheit als aus wirklicher Neugier.

"Ooch, ich bin nicht so scharf aufs Lesen", erwiderte sie, während sie die Schlange von ihrer Schulter hob und sie ins Terrarium gleiten ließ. "Außerdem habe ich hier im Haus alles an Büchern, was ich brauche – wie du unschwer erkennen kannst." Ihre Stimme schien mir einen bitteren Unterton zu haben.

"Aber was machst du dann so, wenn du keine Schule hast?" Ich konnte damals noch nicht verstehen, warum jemand, der in einem Haus voller Bücher aufwächst, mit Büchern nichts anfangen kann.

Sie lachte. "So eine Frage kann auch nur ein Bücherwurm wie du stellen. Bücher sind nicht der einzige Weg, etwas über die Welt zu erfahren. Nimm zum Beispiel Misia." Sie deutete auf die Schlange, die sich mittlerweile in ihrem Terrarium zusammengerollt hatte. "Indem ich sie beobachte, lerne ich mehr über das Verhalten von Schlangen als du aus all deinen Büchern."

"Das ist nicht wahr!", protestierte ich. "Du siehst vielleicht, wie deine Schlange sich verhält, weißt aber nicht, warum sie bestimmte Dinge tut. Dazu brauchst du Bücher."

Larissa zuckte mit den Schultern. "Bisher bin ich ganz gut ohne ausgekommen." Sie fasste mich am Arm und zog mich zu dem Tisch mit dem Elektronikkram.

"Sieh mal her! Ich konstruiere gerade einen SETI-Modulator."

"Aha." Ich nickte verständnislos.

"Du kennst doch SETI? Die Suche nach außerirdischen Lebewesen? Mit meinem Modulator kann ich Radiosignale, die aus dem Weltraum auf der Erde eintreffen, filtern und feststellen, ob sich darunter Botschaften an uns verbergen. Komm her, ich zeig’s dir."

Was folgte, war ein zweistündiger Vortrag über Radiofrequenzen, schwingende Harmonien (dazu benutzte sie die Gitarre), nonverbale Verständigung von Reptilien untereinander sowie die Anwendung dieses Prinzips auf die Filterung von Radiosignalen und was weiß ich noch. Außerdem erfuhr ich nebenbei noch, dass

- sie die Enkelin des Bücherwurms war

- ihre Eltern vor acht Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen waren und sie seitdem bei ihrem Großvater lebte

- sie nur unregelmäßig zur Schule ging und

- zwölf Jahre alt war.

Als wir danach in der Wohnküche beim Abendbrot saßen, schwirrte mir der Kopf wie selten zuvor. Wie konnte jemand nur so viel reden? Selbst beim Essen stand ihr Mund nicht still. Sie quetschte mich aus, fragte nach meiner Familie, meinen Lehrern in der Schule, meinen Hobbys und tausend anderen Sachen. Ich war froh, als der Bücherwurm mich nach dem Essen zu sich in sein Arbeitszimmer winkte.

Er dirigierte mich zu einem alten, abgewetzten Ledersessel und bedeutete mir, Platz zu nehmen.

"Hättest du nicht Lust, mir in den Sommerferien zwei oder drei Wochen im Buchladen zu helfen und dir ein wenig Taschengeld zu verdienen?"

Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was er mir da vorschlug. Ihm zu helfen und dafür noch Geld zu bekommen, klang mehr als verlockend, da ich sowieso einen Großteil meiner Freizeit in seinem Laden verbrachte. Außerdem fühlte ich mich geehrt, ein solches Angebot von ihm zu bekommen.

"Ja klar … gerne … darüber freue ich mich …", stammelte ich.

"Es ist allerdings eine Bedingung daran geknüpft", fuhr er fort. "Ich möchte, dass du während dieser Zeit hier bei mir wohnst. Du bekommst natürlich dein eigenes Zimmer; wie du gesehen hast, haben wir hier genug Platz. Und nach der Arbeit könntest du ja vielleicht etwas mit Larissa unternehmen. Sie hat keine Freunde und da wäre es ganz gut, wenn sie mal ein wenig Gesellschaft bekommt."

Was sollte ich darauf antworten? Natürlich wollte ich gern beim Bücherwurm arbeiten. Andererseits war ich mir nicht so sicher, ob ich Larissa wirklich mochte. Sie war so anders als ich. Die Vorstellung, drei Wochen lang die Abende mit ihr verbringen zu müssen, war nicht besonders einladend.

Der Bücherwurm bemerkte mein Zögern. Er seufzte. "Ich weiß, Larissa ist nicht ganz einfach. Ein Großvater ist kein Ersatz für die Eltern, und ich fürchte, ich habe ihr nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie benötigt hat. Aber im Grunde ihres Herzens ist sie ein liebes Mädchen. Sie ist nur ein wenig einsam."

Was sollte ich tun? Konnte ich sein Angebot, das doch zugleich eine Bitte um Hilfe war, ausschlagen? Natürlich nicht.

Der Alte streckte mir seine Hand entgegen, und ich schlug ein.

So wurde ich zum Mitarbeiter (und zeitweiligen Mitbewohner) des Bücherwurms. Er redete mit meinen Eltern, und die hatten nichts dagegen einzuwenden. Zunächst waren es nur drei Wochen in den Sommerferien, die ich bei ihm wohnte und arbeitete, doch schon im zweiten Jahr kamen die Osterferien dazu und danach die Herbstferien.

Auch wenn ich Larissa meistens aus dem Weg ging, so konnte ich doch nicht vermeiden, ihr dann und wann über den Weg zu laufen. Sie nutzte diese Gelegenheiten, um mich in ihr Zimmer zu zerren und mir ihre neuesten Erkenntnisse mitzuteilen.

Deshalb begann ich mir immer neue Geschichten auszudenken, warum ich ihr gerade jetzt nicht folgen konnte. Zu Anfang täuschte ich kleinere Wehwehchen vor, unter denen ich litt und die dringend der Behandlung/Pflege/Ruhe bedurften. Dann ergänzte ich die Palette um wichtige Dinge, die ich erledigen musste, zum Beispiel Anrufe tätigen, E-Mails beantworten oder an einem Kurzgeschichtenwettbewerb teilnehmen und rundete mein Repertoire schließlich ab mit Stimmungstiefs wegen schwer erkrankter Tanten oder Omas.

Eine Zeit lang funktionierte das ganz gut, aber irgendwann kam Larissa mir doch auf die Schliche.

"Du würdest einen wirklich guten Autoverkäufer abgeben", sagte sie eines Tages, als wir gemeinsam beim Abendessen um den Tisch saßen.

Ich blickte von meinem Brot auf, das ich gerade mehrlagig mit Wurst und Käse bestückt hatte.

"Wieso das denn?" fragte ich unschuldig.

"Weil du den Leuten alles verkaufen kannst. Ich bin ja auch ziemlich lange drauf reingefallen."

Der Bücherwurm sah mich fragend an. Ich konzentrierte mich auf mein Brot. "Ich weiß gar nicht, wovon du redest."

"Na komm schon, ich bin dir ja nicht böse deshalb. Das sollte eigentlich ein Lob sein."

Vorsichtig hob ich meinen Kopf. Larissa grinste mich an. "Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Man soll eben niemanden unterschätzen."

Das klang nicht wirklich wie ein Lob, aber ich ließ es dabei bewenden. Der Bücherwurm lächelte: "Arthur hat ein Talent, über das alle großen Betrüger und Schriftsteller verfügen. Er kann Geschichten erzählen. Und wenn man es näher betrachtet, dann sind doch alle Schriftsteller Schwindler, findet ihr nicht auch?"

Nach diesem Vorfall blieb ich möglichst lange im Buchladen; entsprechend weniger Zeit musste ich mit Larissa verbringen. Manchmal konnte ich ihren wissenschaftlichen Vorträgen zwar nicht aus dem Weg gehen, aber im großen Ganzen war es eigentlich erträglich. Auf diese Weise verlief mein Leben in ruhigen und geordneten Bahnen.

Bis zu jenem Tag, an dem ein merkwürdiger Besucher alles durcheinanderbrachte.

Der Überfall

Es waren wieder Sommerferien, und wie schon in den beiden Jahren zuvor arbeitete ich als Gehilfe im Laden des Bücherwurms. Arbeit war eigentlich das falsche Wort; ich half ihm beim Auspacken und Einordnen von Büchern, und ab und zu brachte ich ein Buch, das jemand bestellt hatte, dem Käufer nach Hause. Die meiste Zeit des Tages schmökerte ich herum oder lauschte dem Bücherwurm, der mir seine Lieblingsbücher vorstellte. Ich war damals vierzehn Jahre alt.

Eines Tages, es war schon spät am Nachmittag, kam ein merkwürdiger Mann in den Laden. Ich saß auf meinem Stuhl in der Ecke mit den Jugendbüchern und war in eine Abenteuergeschichte aus Afrika vertieft.

Der Neuankömmling war ein hochgewachsener, hagerer Mensch in einem eng geschnittenen schwarzen Mantel. Sein kleiner Kopf pendelte auf einem langen, dünnen Hals hin und her. Er erinnerte mich an einen Vogel, auch durch seine gekrümmte Haltung und die wie Krallen nach innen gebogenen Finger mit ihren langen Nägeln.

Der Mann streifte mich mit einem Blick, der so kalt war, dass ich am liebsten in der afrikanischen Wüste verschwunden wäre, von der ich gerade las. Dann schritt er zielstrebig auf die Theke zu, hinter der der Bücherwurm gerade neue Bücher auspackte, die heute angeliefert worden waren.

"Johann", schnarrte der Hagere, als er die Theke erreicht hatte. Der Bücherwurm blickte auf, und es kam mir so vor, als führe ihm der gleiche Schrecken durch die Glieder wie mir. Er fing sich aber sofort wieder und winkte dem Besucher, ihm in das Hinterzimmer zu folgen. Dabei warf er mir einen schnellen Blick zu als wolle er überprüfen, ob alles in Ordnung sei.

Merkwürdige Besucher war ich, seit ich beim Bücherwurm arbeitete, gewohnt. Immer wieder einmal kamen geduckte Gestalten in den Laden, meistens gegen Abend, mit einer abgewetzten Ledertasche oder einem in Stoff eingewickelten Paket, das sie gegen die Brust drückten. Stets verschwand der Bücherwurm mit ihnen im Hinterzimmer, und fast immer verließen sie den Raum mit einer deutlich leichteren Tasche und ohne ihre Mitbringsel.

Mir war klar, dass es sich bei diesen Gegenständen um Bücher handeln musste. Inzwischen wusste ich auch, wie wertvoll alte Bücher sein konnten. Doch die Haltung und Ausstrahlung vieler dieser Besucher machte mich stutzig, und ich stellte mir immer häufiger die Frage, ob hier alles mit rechten Dingen zuging. Und dieser spezielle Kunde war so gar nicht nach meinem Geschmack.

Mit seinem Verhalten nährte der Bücherwurm meinen Verdacht, dass in seinem Hinterzimmer merkwürdige Geschäfte abgewickelt wurden. Natürlich konnte ich mich jetzt nicht mehr auf meine Lektüre konzentrieren. Ich legte das Buch beiseite und schlich vorsichtig zur Theke. Der Bücherwurm hatte die Tür zum Hinterzimmer geschlossen, aber ich konnte trotzdem die laute, schnarrende Stimme des Fremden hören. Sie wurde immer erregter, und ich begann mir schon Sorgen um den Bücherwurm zu machen, als die Tür des Hinterzimmers plötzlich aufgerissen wurde. Ich duckte mich schnell weg, konnte aber noch das wutverzerrte Gesicht des Hageren erkennen, als er aus dem Zimmer stürzte. Ohne anzuhalten, durchquerte er den Laden und verschwand aus der Tür.

Vorsichtig richtete ich mich wieder auf. Inzwischen war auch der Bücherwurm herausgekommen. Er war blass und sah mitgenommen aus. Als er mich bemerkte, warf er mir einen scharfen Blick zu und schüttelte wortlos den Kopf. Dann öffnete er eine Schublade in der Theke, nahm einen Stapel Blätter heraus und verschwand wieder im Hinterzimmer.

So hatte ich ihn in all den Jahren unserer Bekanntschaft nie erlebt. Langsam ging ich zurück zu meiner Ecke. Tausend Gedanken schossen gleichzeitig durch meinen Kopf: Was war das für ein Besucher? Welche Geschäfte machte der Bücherwurm in seinem Hinterzimmer? Und welche Geheimnisse verbarg er vor mir?

Es war kurz vor Feierabend, und da der Bücherwurm keinerlei Anstalten machte, aus seinem Zimmer hervorzukommen, schloss ich die Ladentür von außen ab (als Zeichen seines Vertrauens hatte mir der Bücherwurm einen Schlüssel gegeben, den ich wie meinen Augapfel hütete) und ging zu seinem Haus zurück.

Larissa hatte sich in ihrem Zimmer verbunkert. Auf dem Herd stand ein Topf mit Gemüsesuppe, den die Haushälterin mitgebracht hatte, die jeden Tag vorbeikam, um zumindest eine Ahnung von Ordnung in den Haushalt zu bringen. Ich wärmte mir einen Teller auf und löffelte ihn in Ruhe. Dann zog ich mich in mein Zimmer zurück und warf den Computer an. Ich hatte zwar schon einige Male nach dem Bücherwurm gegoogelt, aber diesmal wollte ich es genau wissen.

Zunächst versuchte ich es mit seinem Namen. Die ersten zehn Ergebnisseiten lieferten mir jede Menge Informationen über den Tierarzt Johann Lackmann in Bayern, den Fahrradhandel Johann Lackmann in Hamburg und die Hobbys des Gymnasiasten Johann Lackmann in Frankfurt. Nur über den Buchhändler und Antiquar Johann Lackmann gab es keinerlei Informationen.

Einer Eingebung folgend tippte ich seinen Namen und das Wort books ins Eingabefeld. Das brachte über 3000 Ergebnisse in englischer Sprache. Dadurch ermutigt, engte ich meine Suche noch weiter ein und zwar auf seinen Namen und die Worte stolen books. Das Resultat bestand aus 13 Fundstellen. Nahezu alle bezogen sich auf zwei Fachaufsätze, die der Bücherwurm vor vielen Jahren verfasst hatte und die sich mit dem Handel gestohlener antiquarischer Bücher befassten. Mit seinen Aufsätzen "beweist der Verfasser eine tief greifende Kenntnis dieses leider blühenden Marktes" - so drückte es einer der Rezensenten aus.

Mehr konnte ich nicht finden. Es gab also keine offensichtliche direkte Verbindung des Bücherwurms zu irgendwelchen illegalen Handlungen. Allerdings schien er sich auf diesem Gebiet bestens auszukennen, und das gab mir zu denken. Mit einem Mal schämte ich mich für meine Nachforschungen. Der Bücherwurm war immer freundlich und hilfsbereit mir gegenüber gewesen. Und als Dank dafür hielt ich ihn für einen Verbrecher? Aber der Zweifel, der sich in meinem Kopf festgesetzt hatte, war nicht mehr so einfach zu vertreiben.

Ich schaltete den Rechner aus und ging zu Bett, wo ich bald in einen unruhigen Schlaf fiel.

Am nächsten Tag schlief ich bis neun Uhr, frühstückte leise zwei Joghurts, um Larissa nicht zu wecken (sie hatte die unangenehme Eigenschaft, direkt nach dem Aufstehen schon hellwach zu sein und zu reden wie ein Wasserfall, was ich als eingeschworener Morgenmuffel nur schwer ertragen konnte) und machte mich auf den Weg zur Buchhandlung. Der Bücherwurm war wohl, wie immer, früh aus dem Haus gegangen. Meistens saß er morgens um sieben schon in seinem Laden und sortierte neu angekommene Bücher.

Das Geschäft war noch leer. Morgens war fast nie etwas los im Laden, und nachmittags war es auch nicht viel besser. Ich fragte mich zum wiederholten Mal, wovon der Bücherwurm wohl leben mochte. Von den Einnahmen aus dem Bücherverkauf sicherlich nicht.

Ich stieß die Tür auf und trat ein. Der Bücherwurm war nirgendwo zu sehen. Vielleicht war er im Hinterzimmer bei seinen alten Folianten. Dann würde er sicher gleich auftauchen, denn das Bimmeln der Türklingel konnte man auch dort hören.

Ich ging zum Büchertisch in der Mitte des Raums und blätterte in einem Bildband über die Antarktis, während ich auf sein Erscheinen wartete. Sonst kam er beim Geräusch der Türglocke stets innerhalb von wenigen Sekunden aus seinem Zimmer hervor, aber diesmal brauchte er ungewöhnlich lange. Als er auch nach fünf Minuten noch nicht aufgetaucht war, wurde ich unruhig. Ich musste an den seltsamen Besucher gestern denken, und ein ungutes Gefühl beschlich mich. Es war das Paternoster-Gefühl: Du weißt, es gibt keine Monster, die dich aus dem Fahrstuhl reißen, aber tief in deinem Inneren bleibt immer ein Rest von Zweifel.

Ich legte das Buch weg und ging langsam zur Theke. Wahrscheinlich ist er nur eingeschlafen, versuchte ich mich zu beruhigen. Er ist ein alter Mann, und da kann man schon einmal wegnicken. Dumm nur, dass ich den Bücherwurm noch nie ein Nickerchen hatte machen sehen. Aber irgendwann ist ja immer das erste Mal, redete ich mir ein, während ich vorsichtig um die Theke herumging.

Alles sah so aus wie immer. Auf dem Boden stand ein halb geleerter Karton Bücher; der dazugehörige Lieferschein lag auf der Theke. Hinter die Titel, die bereits ausgepackt waren, hatte der Bücherwurm ein kleines Häkchen gemalt. Warum hatte er diese Arbeit unterbrochen? Ob er vielleicht auf der Toilette war? Das musste es sein! Das erklärte auch, warum er nicht sofort herauskam. Menschen in seinem Alter hatten ja oft Probleme mit der Verdauung, da konnte das schon mal ein bisschen länger dauern.

Aber so sehr ich auch versuchte, mich von der Harmlosigkeit der Situation zu überzeugen, es gelang mir nicht. Auf Zehenspitzen näherte ich mich dem Hinterzimmer. Vorsichtig beugte ich mich vor und legte das Ohr an die Tür. Nichts. Oder – war da nicht was? Ein leises Geräusch, so wie ein Rascheln? Was sollte ich tun?

Ich fasste mir ein Herz und klopfte an die Tür. Dann trat ich schnell einen Schritt zurück.

Nichts passierte. Etwas mutiger geworden, klopfte ich ein zweites Mal. Dabei rief ich leise: "Herr Lackmann?"

Diesmal war ich mir sicher, dass es hinter der Tür raschelte. Mit ausgestreckter Hand berührte ich die Türklinke und drückte sie vorsichtig nach unten. Die Tür schwang mit einem leisen Quietschen auf und - gab den Blick frei auf den Bücherwurm, der auf dem Boden lag, die Hände und Füße gefesselt und um den Mund ein Tuch gebunden. Er starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an und wackelte mit dem Kopf. Schnell trat ich zu ihm, bückte mich und befreite ihn von dem Knebel. Kaum war das Tuch ab, da spuckte er hustend ein Stoffknäuel aus, das in seinem Mund gesteckt hatte.

"Endlich", keuchte er. "Ich dachte schon, ich muss hier drin verrecken." Er dreht sich mühsam auf den Bauch. "Bind mir die Hände los, Junge!"

Der Knoten um seine Handgelenke war nicht so einfach zu lösen wie der seines Knebels. Ich mühte mich eine Weile vergeblich ab. "Nimm die Schere aus der Schublade", wies der Bücherwurm mich an. Die Schere war groß, und ich hatte Angst, ihn zu verletzen. Deshalb dauerte es noch eine geraume Weile, bis der Knoten endlich geöffnet war. Ächzend wälzte der Bücherwurm sich wieder auf den Rücken und setzte sich auf. Er rieb seine Hände aneinander. Dann nahm er mir die Schere aus der Hand und machte sich an seinen Fußfesseln zu schaffen.

Nachdem auch das letzte Stück Seil gefallen war, beugte er sich vor und massierte seine Knöchel.

"Eine ganze Nacht in diesem Zustand zuzubringen, ist nichts mehr für jemandem in meinem Alter", stöhnte er.

"Sie haben die ganze Nacht hier gelegen?", staunte ich mit aufgerissenem Mund. "Aber dann waren Sie ja gar nicht …"

"Ganz richtig, ich war überhaupt nicht zu Hause. Was von euch natürlich keiner gemerkt hat."

"Ich bin früh ins Bett gegangen", entschuldigte ich mich. "Und außerdem …"

"Du musst dich nicht entschuldigen", beschwichtigte er mich. "Wir sind alle drei Einzelgänger. Da kann so etwas schon mal passieren."

Langsam zog er sich mit einem Arm an der Schreibtischkante hoch und ließ sich mit einem Ächzen in seinen Drehstuhl fallen.

"Was ist denn überhaupt passiert?", wollte ich wissen.

"Unangenehmer Besuch", murmelte er und tastete nach einem halb gefüllten Wasserglas, das gefährlich wackelig auf einem Bücherstapel balancierte. Er trank es in einem Zug aus.

"Besuch?", fragte ich. "Und warum hat man Sie gefesselt und geknebelt? War das ein Raubüberfall?"

"Nicht so viele Fragen auf einmal", wehrte der Bücherwurm ab. Er streckte mir das leere Glas hin. "Bist du so nett?"

Ich füllte es mit Mineralwasser aus dem kleinen Kühlschrank in der Ecke auf. Gierig leerte er es erneut. Während ich ein zweites Mal nachschenkte, wühlte er in den Papieren auf seinem Schreibtisch herum.

Ich konnte meine Neugier nicht verbergen. "Warum hat man Sie denn überfallen?"