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In seinem Roman ›Das Buch Mara‹ schuf Ernst Halter präzise Bilder und eine mögliche Sprache der Liebe. Zeitlich früher (1982–1985), doch auf demselben Weg entstanden die Gedichte, die in dem Band ›Aschermittwoch‹ gesammelt sind: Gedichte der Erwartung und Erfüllung, Gedichte aus der Zeit des Wartens und der Suche nach den Paßworten, die mit einem Mal der Verschwindenden und Ungreifbaren eine sprachliche Dauer geben, die ein Erkennen ermöglicht, ein Du. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)
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Seitenzahl: 25
Ernst Halter
Aschermittwoch
Gedichte
FISCHER Digital
Pues la rosa sexual
al entreabrirse
conmueve todo lo que existe
con su efluvio carnal
y con su enigma espiritual.
Denn kaum öffnet sich
die Rose des Geschlechts,
erschüttert sie alles, was ist,
mit ihrem sinnlichen Duft
und ihrem geistigen Rätsel.
Rubén Darío, Cantos de vida y esperanza
Zeugnis geben
von brechenden Brücken,
klaffenden Türen,
Wänden, verwirbelt im Raum,
von Tagnacht und grellen Schrecksekunden
beim Durchgang des Fremden
und vom Zerspringen des Ich
mit einem Schrei.
Unter gekreuzten Klingen
trieb hier ein Glück vorbei.
Zeugnis geben
von Schizophrenie und Stoff,
der sich täglich
an einer Flugspur zerbricht:
Wir sind ihr verfallen, wir
Macher von zwei mal zwei –
plötzlich scheucht uns die Fünf
aus unsrem Schlaf von Blei.
Der Asphalt spiegelt
deine weiße Gestalt,
die schwarzen Bäume
sind krank nach dir.
Wer bist du denn,
zu trommeln auf meiner Haut?
Ich bitte die eiserne Zeit,
daß sie den Tod zwischen uns
aufschiebt.
Im Grab geschlafen,
auf Erden erwacht,
Stimmen füllen den Raum,
wir hören,
vom herzzerreißenden Glück
fertiggemacht
und zur Welt gebracht.
Ich lebe ohne Erlaubnis,
die Zeit ist ein Knoten
aus Wut und Geschwindigkeit.
Ein Riß zur Linken.
Ich horche ins Dunkel hinab
auf das blinde Steigen der Flut.
Das Licht macht Kopfweh,
der Boden schwankt;
sagt einer ein Wort für dich und mich
in der dicht bevölkerten Leere,
bluten Zärtlichkeiten
nach innen.
Zwischen Abend und Morgen
fahr ich durchs finstere Land,
mißachte Vortritt und Rotlicht,
schneide Kurven,
rede laut mit dem weißen Wild und der Nacht,
die aus den Wäldern ins Tal steigt,