Atlan 724: Roboterschicksal - Falk-Ingo Klee - E-Book

Atlan 724: Roboterschicksal E-Book

Falk-Ingo Klee

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Beschreibung

Auf Terra schreibt man die Jahreswende 3818/19, als der Arkonide erneut eine plötzliche Ortsversetzung erlebt. Atlans neue Umgebung, das ist die Galaxis Manam-Turu. Und das Fahrzeug, das dem Arkoniden die Möglichkeit bietet, die Spur des Erleuchteten, seines alten Gegners, wieder aufzunehmen, ist die STERNSCHNUPPE. Das Schiff sorgt für manche Überraschung - ebenso wie Chipol, der junge Daila, der zum treuen Gefährten des Arkoniden wird. In den rund sieben Monaten, die inzwischen verstrichen sind, haben die beiden schon manche Gefahr bestanden - immer auf der Spur jener Kräfte, die schon an anderen Orten des Universums für Leid und Unfrieden verantwortlich waren. Während dieser Zeit hat Atlan schmerzliche Niederlagen hinnehmen müssen, aber er hat auch einige Erfolge für sich verbuchen können. So sind zum Beispiel die Weichen für eine Zusammenarbeit der verbannten Daila mit den Bewohnern ihrer Ursprungswelt gestellt worden - was sich positiv auf den Freiheitskampf der Daila gegen die Mächte des Neuen Konzils auswirken dürfte. Auf dem Heimatplaneten der Daila wird auch ein Roboter aktiv, der es sich in den Kopf, beziehungsweise die Positronik gesetzt hat, den längst verschwundenen Arkoniden wieder aufzuspüren. Was dem Sucher dabei widerfährt, ist ein ungewöhnliches ROBOTERSCHICKSAL ...

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Nr. 724

Roboterschicksal

Maschinen auf der Spur des Arkoniden

von Falk-Ingo Klee

Auf Terra schreibt man die Jahreswende 3818/19, als der Arkonide erneut eine plötzliche Ortsversetzung erlebt. Atlans neue Umgebung, das ist die Galaxis Manam-Turu. Und das Fahrzeug, das dem Arkoniden die Möglichkeit bietet, die Spur des Erleuchteten, seines alten Gegners, wieder aufzunehmen, ist die STERNSCHNUPPE. Das Schiff sorgt für manche Überraschung – ebenso wie Chipol, der junge Daila, der zum treuen Gefährten des Arkoniden wird.

In den rund sieben Monaten, die inzwischen verstrichen sind, haben die beiden schon manche Gefahr bestanden – immer auf der Spur jener Kräfte, die schon an anderen Orten des Universums für Leid und Unfrieden verantwortlich waren.

Während dieser Zeit hat Atlan schmerzliche Niederlagen hinnehmen müssen, aber er hat auch einige Erfolge für sich verbuchen können. So sind zum Beispiel die Weichen für eine Zusammenarbeit der verbannten Daila mit den Bewohnern ihrer Ursprungswelt gestellt worden – was sich positiv auf den Freiheitskampf der Daila gegen die Mächte des Neuen Konzils auswirken dürfte.

Die Hauptpersonen des Romans

Schwiegermutter – Ein Roboter macht sich selbständig.

Schirtuboh – Ein Käsehändler.

Noetor – Eigner der BAMPERLETSCH.

Traykon-1 – Chef eines robotischen Jagdkommandos.

Pluhgort

1.

Den aklardischen Karten nach gehörte Sambantytas zu Ghyltirainen und war ein Vorort, der von der wachsenden Stadt schon vor Jahrzehnten vereinnahmt worden war, dennoch war die Struktur bäuerlich geblieben. Wie vor Generationen lebte die Bevölkerung überwiegend von der Landwirtschaft, und das Zusammenleben der hier wohnhaften Daila wurde von Regeln und Abläufen bestimmt, die dörflichen Charakter hatten. Natürlich hatten die Errungenschaften der modernen Technik Einzug gehalten, doch die Sambantytasianer hatten sich eine gewisse Eigenständigkeit und Urtümlichkeit bewahrt. Der Versuch, die Siedlung zu einer Trabantenstadt zu machen, war misslungen. Wie ein Mahnmal der Pionierzivilisation stand das hässliche Gerippe eines unvollendeten Wohnklotzes da, das Katen und Häuser turmhoch überragte. Gleich nach der Eingemeindung hatten Spekulanten das Hochhaus auf der grünen Wiese errichtet, doch dann war ihnen das Geld ausgegangen. Neuere Bauauflagen verboten die Fertigstellung, aber für den Abbruch fühlte sich niemand zuständig. Mit ihrem tristen Grau verschandelte die Ruine die idyllische Landschaft.

Gelegentlich war die schmucke Siedlung das Ausflugsziel der eigentlichen Städter, einmal im Monat fielen sie jedoch wie ein Heuschreckenschwarm in den verschlafenen Vorort ein – am Markttag. Dann waren sie sogar gern gesehen als Käufer der landwirtschaftlichen Produkte, die von den Bauern feilgeboten wurden. Und anders als sonst erlebte man die knorrigen, spröden Sambantytasianer hinter ihren Verkaufstischen als freundliche, aufgeschlossene Männer und Frauen, bis der Beschließer in seiner traditionellen Tracht bei Anbruch der Dämmerung das Ende des Marktes verkündete.

Auch Schirtuboh war jedes Mal mit einem Stand vertreten. Der Daila betrieb einen Käsehandel und lebte davon, von Markt zu Markt zu ziehen und seine Ware an den Mann zu bringen, besonders eine recht anrüchige Spezialität namens Merlitong. Sein Gehilfe war ein Roboter, den der Händler »Schwiegermutter« getauft hatte. Einst so etwas wie ein hochherrschaftlicher Diener, trauerte der Automat besseren Zeiten nach und haderte mit seinem Schicksal, nun in der Provinz niedere Arbeiten verrichten zu müssen. Zeternd und keifend war er stets um das letzte Wort bemüht, feilschte mit seinem Eigentümer fast pausenlos um einen besseren Status und wusste alles besser. Kurz, er benahm sich so, als wäre er eine Dame der besseren Gesellschaft, deren Tochter einen Primitivling zum Mann genommen hatte, dem Anstand und Manieren fehlten. So taufte der erboste Schirtuboh den ewigen Mäkler »Johann« kurzerhand in »Schwiegermutter« um.

Der Automat war die reinste Karikatur eines Roboters. Er glich völlig einem Daila, hatte sogar die schräggestellten Augen, dennoch war er sofort als Synthogeschöpf zu erkennen. Die künstliche braune Haut und auch die Kopfverkleidung bestand aus einer Gummifolie, die sogar eine Mimik ermöglichte, dennoch wirkte das Antlitz verknautscht, weil die Gesichtssensoren nicht mehr optimal funktionierten.

Die Maschine trug eine dunkelblaue Livree, die allerdings schon bessere Zeiten erlebt hatte. Die Handschuhe ließen das ursprüngliche Weiß nur noch erahnen, Hose, Weste und das weiße Hemd waren speckig und fleckig, schmuddelig auch die rote Fliege und die weißen Gamaschen, matt und stumpf waren die schwarzen Schuhe.

Des Herumziehens in der Provinz überdrüssig, war Schwiegermutter seinem Herrn entwischt, um Atlan seine Dienste anzubieten. Zusammen mit dem Arkoniden und Chipol wollte er mit der GHYLTIROON Aklard verlassen, aber Schirtuboh war seinem Gehilfen auf die Schliche gekommen und hatte ihn zurückgeholt. So stand der Roboter wieder tagein, tagaus hinter dem Stand, pries Käse an, stapelte Kisten oder belud den altersschwachen Lastwagen des Händlers, dennoch hatte sich etwas geändert, genauer gesagt, an seiner Programmierung.

Der Roboter stellte fest, dass nach und nach neue Programmteile in ihm aktiv wurden, ein Vorgang, den er selbst nicht beeinflussen konnte. Er wurde verselbständigt, mehr und mehr setzte sich in seiner Positronik die Order durch, Atlan zu folgen. Irgendwann, so folgerte Schwiegermutter, hatte ihn jemand zusätzlich programmiert, und diese bisher brachliegenden Speicher wurden nun durch eine Zeitschaltung aktiviert, ohne dass es den geringsten Hinweis auf den Unbekannten gab.

Die Erweiterung der Datenkapazität kollidierte primär nicht mit seinem Grundprogramm, wohl aber gab es zwischen dem, was er tat und was er tun musste, einen deutlichen Widerspruch. Schwiegermutter befand sich sozusagen in einem inneren Konflikt. Die Kunstintelligenz drohte, schizoid zu werden.

*

Noch immer herrschte reges Treiben zwischen den Buden und Ständen, aber der morgendliche Ansturm war vorüber. Am Nachmittag, kurz vor Marktende, schwoll die Käuferschar erfahrungsgemäß noch einmal an, jetzt, zur Mittagszeit, wurde der Geschäftsverlauf ruhiger. Die Bauern und Händler zeigten durchwegs zufriedene Gesichter, und auch Schirtuboh hatte keinen Grund zur Klage. Er nahm die Einnahmen aus der Kasse und erhob sich von der Käsekiste, die ihm als Sitz diente.

»Ich gehe in die ›Marktschänke‹, um etwas zu essen. Du, Schwiegermutter, vertrittst mich. Und dass du mir die Ware lautstark anpreist, verstanden?«

»Ich neige nicht dazu, schlecht zu hören, Meister Schirtuboh«, gab der Roboter würdevoll zurück.

»Schreien musst du, Schwiegermutter, schreien wie der Kerl nebenan, damit die Käufer aufmerksam werden. Dein vornehmes ›Wünschen die Herrschaften etwas köstlichen Merlitong zu erstehen?‹ geht sonst völlig unter. Laut gebrüllt ist halb verkauft, merk dir das.« Der Daila wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um. »Meine Ware ist erstklassig, es wird also weder etwas verschenkt noch mit Nachlass abgegeben, klar?«

»Mit Verlaub gefragt – gilt das auch für die überreifen Laibe, die du in Chinchidurry nicht losschlagen konntest, Meister Schirtuboh?«

»Ja, du Narr. Siehst du nicht, dass ich den alten Käse als Sonderangebot ausgezeichnet habe? Bewaa ist das, die neue Hartkäsedelikatesse aus den Bergen zum sensationellen Einführungspreis. Na?«

»Aber diese Sorte gibt es doch überhaupt nicht.«

»Natürlich nicht, Schwiegermutter. Ich habe den Namen erfunden, damit ich die trockenen Laibe nicht wegwerfen muss, kapiert?«

»Wie belieben, doch ich neige dazu, darin eine Täuschung der Verbraucher zu erblicken, die nicht rechtens ist, zumal auch keine Preisreduzierung erfolgt ist.«

»Halt den Mund, du Einfaltspinsel«, fauchte der Daila mit einem schnellen Blick nach links und rechts. »Mit deinem Gerede bringst du mich noch um Kopf und Kragen.«

»Sollte dir dieses widerfahren, Meister Schirtuboh, so liegt der Grund dafür nicht an meinen Äußerungen, sondern an deinem nicht legalen Tun«, sagte der Roboter steif.

»Unsinn!«, keifte der Händler. »Ich handle nicht gesetzwidrig, sondern orientiere mich nur an der Konkurrenz. Sieh dir die Bauern an, diese Gauner. Die halbfaulen Früchte, die niemand mehr kauft, werden von ihnen kurzerhand als Kelterobst angeboten. Ist das etwa reell?«

»Dafür ist diese Ware wohlfeil, du dagegen kannst Verdruss bekommen, weil du Produkte zum Verzehr anbietest, die kaum noch genießbar sind, ohne dass sie mit einem Abschlag zu erstehen sind, wie ihn jeder ordentliche Kaufmann in geziemendem Maß einräumen würde.«

»Es ziemt sich auch nicht für einen ordentlichen Gehilfen, sich in die geschäftlichen Angelegenheiten seines Chefs einzumischen«, grollte Schirtuboh. »Ich gehe jetzt essen, bevor mir deine geschraubten Satzschachteleien endgültig den Appetit verderben. Und wehe dir, wenn du nicht tust, was ich dir aufgetragen habe.«

Schirtuboh hob drohend die geballte Faust, drehte sich auf dem Absatz herum und verschwand mit schnellen Schritten in der bunten Schar der Marktbesucher. Schwiegermutter blickte ihm nach, bis er nicht mehr auszumachen war, dann besah er sich Bewaa, die angeblich neue Hartkäsedelikatesse. Sein Gesicht sollte Unmut ausdrücken, doch die Gesichtssensoren machten daraus ein schiefes Grinsen. Umständlich rückte der Roboter die großen runden Laibe ein wenig zurecht.

Mitten in der Bewegung verharrte er plötzlich. Da war er wieder dieser Impuls, Atlan folgen zu müssen, doch da war auch der Befehl, Käse anzupreisen. Selbständig sollte er agieren unter Berücksichtigung der Realität. Die Steuerung, Schwiegermutters synthetisches Ich, löste den Konflikt fast salomonisch, aber eben mit der Verrücktheit einer Positronik, die mangels Alpha-Order mehrere Anordnungen in einen kausalen Zusammenhang bringen musste. Der Automat marschierte also los, um den Arkoniden auf dem Markt zu suchen, gleichzeitig beobachtete er aufmerksam die anderen Stände und warb lautstark für den stinkenden Merlitong und andere Käsesorten.

An einer mit besonders auffälligen Planen geschützten Bude blieb der Roboter stehen und wandte sich an den Daila, der dort verkaufte.

»Kennst du einen Fremden mit Namen Atlan? Hast du von ihm gehört oder ihn gesehen?«

Der Bauer, der gerade für einen Kunden Feldfrüchte abwog, ließ sich in seiner Tätigkeit nicht stören.

»He, Meister, ich habe dich etwas gefragt!«

»Verschwinde, Schwiegermutter, bevor du Ärger mit deinem Herrn bekommst«, brummte der Landwirt und reichte dem Käufer die pralle Tüte.

»Das ist nicht zu befürchten. Würdest du mich nun deine Antwort wissen lassen?«

»Ich kenne keinen Atlan. Wer soll das sein?«

»Ein Mann mit Würde, der Kultur und Niveau hat – im Gegensatz zu euch Provinzlern.«

Der Mann war so perplex, dass er kein Wort hervorbrachte und den Automaten anstarrte wie einen Geist. Schwiegermutter wartete nicht, bis sein Gegenüber die Sprache wiedergefunden hatte, sondern drängte sich rücksichtslos durch die Kauflustigen. Unbeeindruckt von den Protesten derer, die er anrempelte oder einfach zur Seite schob, setzte er seinen Weg fort. Schimpfworte wurden ihm nachgerufen.

Ein poppig aufgemachter Stand, wenige Schritte entfernt, erweckte seine Aufmerksamkeit. »Alles aus biologischem Anbau« verhieß ein Schild. Interessiert trat Schwiegermutter näher und musterte die Ware.

»Gesund bleiben und alt werden mit alternativer Kost!«, propagierte eine schmächtige Frau hinter dem Verkaufstisch mit vom Schreien heiserer Stimme. »Na, Schwiegermutter, verlangt es Schirtuboh nach einem Jungbrunnen?«

»Nein, ich muss gestehen, dass ich aus eigenem Antrieb hier bin. Mit deiner gütigen Erlaubnis möchte ich dir eine Frage stellen.«

»Da aus dir nie ein Vegetarier werden kann und aus deinem Besitzer wohl auch nicht, sehe ich keinen Anlass dazu. Mach Platz für meine Kunden.« Sie wandte sich an eine Artgenossin. »Wie immer?«

»Das Gemüse hier ist viel zu teuer«, tönte der Automat. »An anderen Ständen kostet es wesentlich weniger. Wie willst du einen Preisaufschlag von dreißig Prozent erklären?«

»Mit der natürlichen Anbaumethode, mit rückstandsarmen Erzeugnissen, mit Verzicht auf Chemie und mit Qualität«, zischte die Bäuerin. »Was geht dich das überhaupt an, Roboter? Hau ab, bevor ich dir Beine mache!«

»Pack«, murmelte der Automat und hielt nach einem geeigneteren Gesprächspartner Ausschau, ohne sich um die empörten Frauen zu kümmern.

Schräg gegenüber befand sich das Zelt eines Kurzwarenhändlers, der wie Schirtuboh auch in Chinchidurry auf dem Jahrmarkt gewesen war. Käse anpreisend, steuerte er auf den Daila zu, der vergeblich Käufer anzulocken versuchte.

»Sagt dir der Name ›Atlan‹ etwas, Meister Bruarth?«

»Und ob!«, zeterte der Daila los. »Das ist doch der Kerl, der von den Ligriden gesucht wurde. Dass ich in Chinchidurry nicht auf meine Kosten gekommen bin, ist einzig und allein seine Schuld. Er ...«

Bevor der Händler wusste, wie ihm geschah, versetzte ihm Schwiegermutter eine schallende Ohrfeige und zertrat seine Auslage.

»Bist du übergeschnappt?« Fassungslos betrachtete Bruarth das Chaos um sich herum. »Das wirst du mir ersetzen – du und Schirtuboh.«

»Nichts bekommst du, Schacherer. Wer Meister Atlan beleidigt, bekommt es mit mir zu tun, merke dir das.«

»Du bist ja verrückt«, keuchte der Händler und wich ängstlich zurück. »Eine Macke hattest du ja schon immer, aber jetzt drehst du völlig durch. Deine Grundprogrammierung stimmt nicht mehr.« Der füllige Mann ertastete das Zelt hinter sich und fühlte sich etwas sicherer. »Du darfst mir nichts tun, Schwiegermutter, du bist ein Dienstroboter. Hörst du? Du bist ein Dienstroboter!«

Lautes Geschrei war zu hören, Drohungen und ausfällige Bemerkungen, die Schwiegermutter galten. Ein Pulk von Leuten hatte sich zusammengerottet, angeführt von mehreren Sicherheitsleuten. Als Bruarth die Uniformierten kommen sah, wurde er mutig.

»Hilfe, der Roboter hat mich geschlagen und meine Ware demoliert! Setzt ihn fest, bevor er weiteres Unheil anrichtet!« Der Mann gestikulierte heftig mit den Händen. »Ergreift ihn – er funktioniert nicht mehr richtig!«

Die grimmigen Gesichter der Polizisten verhießen nichts Gutes. Offensichtlich waren sie von den Leuten alarmiert worden, die Schwiegermutter beleidigt und angepöbelt hatte. Eine solche Entgleisung ließ nur einen Schluss zu: Der Roboter hatte einen Defekt und musste schleunigst aus dem Verkehr gezogen werden, bevor er wirkliches Unheil anrichtete. Dass eine gravierende Programmstörung vorlag, bewies jedem Beobachter die Handgreiflichkeit gegenüber dem Händler.

Schwiegermutter wusste, dass er mit seinem Tun gegen die ehernen Grundregeln kybernetischer Systeme verstoßen hatte, dass er – was eigentlich nicht möglich war – aus sich selbst heraus der Urprogrammierung zuwider gehandelt hatte. Der Drang, Atlan zu folgen und ihn zu finden, war so stark, dass selbst die absolute Sperre der Robotgesetze durchbrochen wurde, ohne dass es zur Zwangsabschaltung kam. Die Positronik machte regelrechte mathematische Klimmzüge, um den Widerspruch logisch zu erfassen, aber das gelang ihr nicht. Regungslos stand der Automat da, weil kein Steuerbefehl seine Handlungssensoren erreichte.

»Wünschen die Herrschaften etwas köstlichen Merlitong zu erstehen?«, rief Schwiegermutter. »Wer kennt einen Fremden namens Atlan? Delikater Bewaa jetzt im Sonderangebot!«

»Er ist total verrückt!«, japste der rundliche Kurzwarenhändler und hüpfte dabei wie ein tanzender Derwisch um den Roboter herum. »Seht euch den Schaden an, den er angerichtet hat.« Anklagend deutete er auf das Chaos zu seinen Füßen. »Die kostbaren Schnallen, die herrlichen Spitzen, Litzen, Bänder und Knöpfe – zertreten und verdreckt.«

»Hör auf zu jammern, sein Besitzer muss dir den Schaden ersetzen«, raunzte einer der Uniformierten. Er musterte Schwiegermutter misstrauisch, der immer noch Käse anpries und nach dem Arkoniden fragte. »Das scheint ein schwieriger Fall zu sein.«

»Das kann man wohl sagen«, schnappte Bruarth. »Er hat mich geohrfeigt. Die Wange schmerzt immer noch.«

»Du kannst es später zu Protokoll geben.« Der Polizist wandte sich an seine Begleiter. »Ich denke, es ist besser, wenn wir ihn abtransportieren. Monval, rufe über Funk einen Wagen herbei, du, Fasonh, informierst Schirtuboh über den Vorfall – die üblichen Auflagen. Instandsetzungspauschale, Herausgabekaution, Funktionsnachweis eines kybernetischen Sachverständigen und was der Dinge mehr sind.«

Während Fasonh loszog, um den Käsehändler von dem Zwischenfall zu unterrichten, kümmerte sich Monval um das Fahrzeug und nahm die Namen und Anschriften der Zeugen auf. Auf den Gesichtern einiger Daila zeigte sich Schadenfreude darüber, dass der geschäftstüchtige Schirtuboh nun selbst einmal ordentlich zur Ader gelassen wurde, denn eine entsprechende Versicherung, die für den Schaden aufkam, hatte der knauserige Käsehändler bestimmt nicht abgeschlossen.

»Das wird ein teurer Spaß für den alten Geizhals«, kicherte Bruarth und rieb sich vergnügt die Hände. »Ich werde gleich einmal Inventur machen, um meine Forderung präsentieren zu können.«

»Tu das«, brummte der Uniformierte, dem der füllige Mann allmählich auf die Nerven fiel. »Aber nimm nicht auch deinen Ramsch auf. Wir prüfen das nach.«

»Was soll das?«, empörte sich der Kurzwarenhändler. »Ich bin ein ehrlicher Kaufmann.«

»Das habe ich auch nicht in Abrede gestellt«, sagte der Polizist, doch er dachte genau das Gegenteil.