Attention, Balance and Coordination - das ABC des Lernerfolgs - Sally Goddard Blythe - E-Book

Attention, Balance and Coordination - das ABC des Lernerfolgs E-Book

Sally Goddard Blythe

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Beschreibung

Auswirkungen neuromotorischer Unreife bei Kindern mit spezifischen Lernschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten Mit diesem Werk liegt nun auch die Übersetzung des maßgeblichen Handbuchs über die physischen Grundlagen des Lernens und Verhaltens für Fachleute vor, die mit Erziehung und kindlicher Entwicklung zu tun haben, geschrieben von der anerkannten Autorin viel beachteter Titel zu diesem Thema. Es beschreibt die Grundlagen der INPP-Methode, die vom INPP (Institut für Neuro-Physiologische Psychologie) im Laufe der letzten 40 Jahre entwickelt wurden und die ein grundlegend neues Verständnis für die Ursachen spezifischer Lern- und Verhaltensauffälligkeiten bereitstellen und liefert einen umfassenden Überblick über die Beziehung zwischen neuromotorischer Reife und körperlicher Entwicklung im Hinblick auf Lernen und Verhalten in der Kindheit und auch im späteren Leben: Warum sind frühe Reflexe wichtig, welche Funktionen haben sie in der frühen Entwicklung, welche Auswirkungen haben sie auf Lernen, Verhalten und andere Aspekte der Entwicklung wie Körperhaltung, Gleichgewicht, und motorische Fähigkeiten, wenn sie nicht erfolgreich integriert wurden. Enthält den aktuellen umfangreichen Forschungstand, der hinter den einzelnen Fragen des INPP Screening-Fragebogens steht, zusammen mit einer Anleitung zu seiner Verwendung und Interpretation. • Mit aktuellen Informationen über die Rolle des vestibulären Systems bei Angst und Agoraphobie, einem separaten Kapitel mit Fallstudien sowie einem Gastbeitrag von Dr. Peter Blythe über die Entwicklung der INPP-Methode und einen Epilog, der die INPP-Methode in einen breiteren wissenschaftlichen Kontext stellt.

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Sally Goddard Blythe

Attention, Balance and Coordination – das ABC des Lernerfolgs

Grundlagen der INPP-Methode

Mit Beiträgen von

Lawrence J. Beuret

Peter Blythe

Valerie Scaramella-Nowinski

Aus dem Englischen von Thake Hansen-Lauff

Attention, Balance and Coordination – das ABC des Lernerfolgs

Sally Goddard Blythe

Programmbereich Medizin

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Hogrefe AG

Lektorat Medizin

z.Hd.: Susanne Ristea

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea, Sibylle Khoumeri

Bearbeitung: Susanne Hahn, Meckenheim

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images/Peter Cade

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel © 2017 „Attention, Balance and Coordination: The A.B.C. of Learning Success“, 2nd edition.

Die Übersetzung aus dem Englischen und Veröffentlichung erfolgte nach Vereinbarung mit John Wiley & Sons Limited.

John Wiley & Sons Limited übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der Übersetzung, diese liegt alleine beim Hogrefe Verlag. Ohne die schriftliche Genehmigung des ursprünglichen Rechteinhabers, John Wiley & Sons Limited, dürfen keinerlei Inhalte des Buches reproduziert werden.

No part of this book may be reproduced in any form without the written permission of the original copyright holder, John Wiley & Sons Limited.

1. Auflage 2021

© 2021 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96093-7)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76093-3)

ISBN 978-3-456-86093-0

https://doi.org/10.1024/86093-000

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Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Fenster ins Gehirn

1.1 Einführung

1.2 Neuromotorische Schulreife

1.3 Was ist neuromotorische Unreife?

1.4 Worin besteht der Zusammenhang zwischen NMU und SpLS?

1.5 Primitive Reflexe und posturale Reaktionen – das medizinische Modell

1.6 Wofür kann die Überprüfung auf primitive Reflexe und posturale Reaktionen genutzt werden?

1.7 Neurologische Dysfunktionen bei SpLS

1.8 Diagnostische Kriterien, Zeichen und Symptome von SpLS

1.9 Legasthenie – Zeichen und Symptome

1.9.1 Legasthenie

1.9.2 Assoziierte Symptome

1.9.3 Neurologische Faktoren bei Legasthenie

1.9.4 Lateralität

1.10 Entwicklungsbezogene Koordinationsstörung (Dyspraxie)

1.10.1 Lernprobleme

1.11 Aufmerksamkeitsdefizitstörung

1.11.1 Symptome von ADHS

1.12 Underachievement (Nichtintelligenzgemäße Leistungen)

1.13 Die senso-motorische Verbindung

1.14 Theorien motorischer Kontrolle

2 Die Bedeutung primitiver Reflexe und posturaler Reaktionen

2.1 Was sind primitive Reflexe und posturale Reaktionen?

2.2 Was sagen uns die primitiven Reflexe und posturalen Reaktionen?

2.3 Das sich entwickelnde Gehirn

2.4 Die Herausbildung der spinalen Reflexe

2.5 Reflexe, die auf der Ebene des Rückenmarks verschaltet werden

2.5.1 Der Flexoren-Rückzugsreflex

2.5.2 Der gekreuzte Streckreflex

2.6 Reflexe, die auf Hirnstammebene verschaltet werden

2.7 Reflexe als Ausdruck hierarchischer Entwicklung

2.7.1 Intrauterine Reflexe

2.7.2 Primitive Reflexe

2.7.3 Posturale Reaktionen

2.8 Hirnareale, die an der Verschaltung primitiver Reflexe und posturaler Reaktionen beteiligt sind

2.8.1 Hirnstamm

2.9 Der multisensorische Reflex – der Moro-Reflex

2.9.1 Der Furcht-Lähmungsreflex

2.10 Merkmale des Furcht-Lähmungreflexes

2.11 Auslöser des Moro-Reflexes

2.12 Funktionen des Moro-Reflexes

2.13 Physiologische Reaktion auf den Moro-Reflex

2.14 Auswirkungen eines persistierenden Moro-Reflexes

2.15 Symptome von SSS

2.16 Allgemeine Symptome, die mit einem persistierenden Moro-Reflex assoziiert werden

2.16.1 Verbindungen zur auditiven Verarbeitung

2.16.2 Auswirkungen auf das Verhalten

2.17 Auswirkungen eines persistierenden Moro-Reflexes auf das Verhalten

2.17.1 Mögliche sekundäre psychologische Auswirkungen

3 Primitive Reflexe der (Kopf-)Position

3.1 Tonischer Labyrinthreflex

3.2 Entwicklung der Kopfkontrolle

3.3 Warum ist eine Kopfkontrolle so wichtig?

3.4 Der TLR und frühes Füttern

3.4.1 Symptome, die auf eine Restaktivität des TLR hinweisen

3.5 ATNR (Fechterhaltung)

3.5.1 Frühes Training der Hand-Auge-Koordination

3.5.2 Funktionen des ATNR (ab der 18. SSW bis zum 4. bis 6. Lebensmonat)

3.6 Der STNR

3.6.1 Funktionen des STNR

3.6.2 Unterstützung des Trainings visueller Fähigkeiten

3.6.3 Funktionen des STNR

3.6.4 Auswirkungen eines persistierenden STNR

3.6.5 Auf folgende Bereiche kann sich ein persistierender STNR auswirken

4 Primitive taktile Reflexe

4.1 Palmarer Greifreflex (Palmarreflex)

4.1.1 Funktionen des palmaren Greifreflexes

4.1.2 Auswirkungen eines persistierenden palmaren Greifreflexes

4.2 Plantarer Greifreflex (Plantarreflex)

4.2.1 Funktionen des Babinski-Reflexes

4.2.2 Auswirkungen eines persistierenden Babinski-Reflexes

4.2.3 Auswirkungen eines persistierenden Babinski-Reflexes

4.2.4 Funktionen des plantaren Greifreflexes

4.2.5 Auswirkungen eines persistierenden plantaren Greifreflexes

4.3 Suchreflex (Rooting-Reflex)

4.3.1 Funktionen des Suchreflexes

4.3.2 Auswirkungen eines persistierenden Suchreflexes

4.4 Saugreflexe

4.4.1 Funktionen des Saugreflexes

4.4.2 Auswirkungen eines persistierenden Saugreflexes

4.5 Spinaler Galant-Reflex

4.5.1 Funktionen des spinalen Galant-Reflexes

4.5.2 Auswirkungen eines persistierenden spinalen Galant-Reflexes

4.5.3 Enuresis nocturna

4.5.4 Auswirkungen eines persistierenden spinalen Galant-Reflexes

5 Posturale Reaktionen

5.1 Kopfstellreaktionen

5.2 Stell-, Placing- und Gleichgewichtsreaktionen

5.2.1 Stellreaktionen

5.2.2 Placing-Reaktionen

5.2.3 Gleichgewichtsreaktionen

5.3 Parachute-Reaktion

6 Der Einsatz des INPP Screening-Fragebogens

6.1 Der INPP Screening-Fragebogen für Kinder

6.2 Hintergrundinformationen zum Fragebogen

7 Postnatale Faktoren im INPP-Fragebogen

7.1 Hintergrundinformationen zu den Fragen

7.2 Schulzeit

7.3 Auswertung des INPP-Fragebogens

7.4 Forschung zur Reliabilität des INPP-Fragebogens

8 Die Entwicklung der vestibulär-zerebellären Theorie

8.1 Ursprünge

8.2 Die Entwicklung des Gleichgewichts

8.3 Kleinhirn und Gleichgewicht

8.4 Die Bedeutung vestibulärer Dysfunktion

8.5 Symptome vestibulärer Probleme [65]

9 Die Auswirkungen von neuromotorischer Unreife (NMU) bei Erwachsenen und Jugendlichen

9.1 Probleme in Ausbildung und Studium

9.1.1 Dyskalkulie

9.2 Vestibuläre Verbindungen zum RAS

9.2.1 Mögliche Symptome vestibulärer Störungen

9.2.1.1 Agoraphobie

9.2.1.2 Angststörungen

9.2.1.3 Warum sollten Restreaktionen eines TLR und unzureichend entwickelte Kopfstellreaktionen an Angstzuständen beteiligt sein?

9.3 Manifestationen von NDD im Jugend- und Erwachsenenalter – eine klinische BetrachtungsweiseDr. med. Lawrence J. Beuret

10 Die Entwicklung der INPP-Methode – von der Theorie zur TatsachePeter Blythe

10.1 Postskript

11 Weitere an spezifischen Lernschwierigkeiten (SpLS) beteiligte Faktoren

11.1 Die Fäden entwirren

11.1.1 Auditive Verarbeitungsstörungen (AVS)

11.1.2 Eine Checkliste für das Zuhören

11.1.3 Probleme im Zusammenhang mit dem Skelettsystem

11.1.4 Ernährung und Kommunikation im Nervensystem

11.2 Der Einsatz physischer Tests zur Beurteilung der neuromotorischen Reife in (Vor)Schulen

11.3 Anwendungen der INPP-Methode

11.4 Die Neuropädagogik

12 Fehlende und Fehl-Diagnosen

12.1 Fallstudien

12.1.1 Ist ASS das richtige „Etikett“?

12.1.2 Was ist ein EEG?

12.1.3 Anomale Hirnwellenvarianten als Faktor bei Aufmerksamkeitsdefizit und Verhaltensproblemen

12.1.4 Das Verständnis der elektrophysiologischen Gehirnwellen-Dysregulation bei Kindern mit Entwicklungsverzögerungen kann ihnen neue geistige Perspektiven eröffnen und ihre Gesundheit, ihr Lernen und ihr Wohlbefinden fördernVon Valerie Scaramella-Nowinski (12.1.4–12.1.5)

12.1.5 Die multifaktorielle Natur neurologischer Entwicklungsstörungen

12.1.6 Dyspraxie und ASS

12.1.7 Testergebnisse und Empfehlungen

12.2 Zusammenfassung: Aufmerksamkeit, Balance und Coordination

Anhang 1

Anhang 2

Abkürzungsverzeichnis

Glossar

Über die Autoren

Über die Übersetzerin

Literaturverzeichnis

|11|Vorwort

Endlich liegt nun auch in deutscher Übersetzung dieses Grundlagenbuch zur INPP-Methode vor, auf das so viele, die mit der Methode arbeiten, schon gewartet haben. Doch auch für diejenigen Fachleute, die angesichts der starken Zunahme kindlicher Entwicklungsdefizite mit Auswirkungen auch auf das Erwachsenenleben auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen sind, wird dieses Buch eine Bereicherung sein.

Ich freue mich, dass der Verlag mit der Übernahme eines Teils des englischen Titels der Originalausgabe dem englischen Ursprung einer Idee Referenz erwiesen hat, die von dem in England ansässigen Institut für Neuro-Physiologische Psychologie (INPP) vor über 40 Jahren konzipiert wurde und sich seitdem als „Die INPP-Methode“ in vielen Ländern der Welt etablieren konnte. Auch in Deutschland wird sie seit nunmehr 25 Jahren, in Österreich und der Schweiz seit 2006 gelehrt und angewendet.

Da sich die INPP-Methode durch eine Kombination aus Publikationen, Weiterbildungskursen und Mundpropaganda seitdem in vielen Ländern verbreitet hat, überrascht es nicht, dass manche ohne Schulung an der Quelle (am INPP) den Zugang zur Methode „abkürzten“, wodurch grundlegende Charakteristika des Originals verändert wurden.

Andere waren von dem Konzept fasziniert und haben es weiterentwickeln wollen. So entstanden auf der Grundlage der Erkenntnisse des INPP im Laufe der der Zeit immer mehr „neue“ Methoden, die unter anderem Namen eigene Akzente setzen wollen. Dabei wissen die Anwender dieser Methoden, die auf der Theorie und praktischen Anwendung der INPP-Methode basieren, oft nicht, woher die Theorie und die Praktiken stammen, die sie anwenden. Im Wesentlichen versuchen viele dieser „Ableger-Methoden“, mehr Übungen in einem kürzeren Zeitraum einzuführen oder mehrere Interventionen oder verschiedene Interventionsebenen gleichzeitig zu kombinieren.

Anders als manche dieser „Ableger-Methoden“ gibt INPP keine Heilungsversprechen ab und verspricht keine schnellen Erfolge. Nicht oder zu kurz oder nicht korrekt ausgeführte frühe Bewegungsmuster müssen nachgeholt und automatisiert werden. Automatisierung erfolgt nur über viele, viele Wiederholungen – jeden Tag, Woche für Woche … Veränderungen brauchen also Zeit, um nachhaltig zu sein! Gutta cavat lapidem non vi sed saepe cadendo. Nicht wahr, hier spürt man doch schon allein durch das Versmaß den steten Tropfen, der den Stein höhlt – der in unserem Falle durch täglich wiederholte Übungen neue Verbindungen im Gehirn myelinisiert.

Nein, die INPP-Methode ist keine „Reflextherapie“! Ja, frühkindliche Rolle spielen in der INPP-Methode eine zentrale Rolle. Aber wir therapieren keine Reflexe! Reflexe dienen uns als Indikatoren für die Reife des Nervensystems. Sind sie zu einem Zeitpunkt auslösbar, zu dem sie eigentlich sicher gehemmt sein sollten, |12|so sind sie Zeichen neuromotorischer Unreife. Gleiches gilt, wenn sie zu einem Zeitpunkt nicht auslösbar sind, zu dem sie – z. B. während und nach der Geburt – das Überleben eines Babys sichern sollten.

Ziel des INPP-Übungsprogramms ist, durch Ausreifung und anschließende Hemmung von Restreaktionen frühkindlicher Reflexe sowie durch Bahnung reifer posturaler Reaktionen die neuromotorischen Grundlagen für höhere Hirnfunktionen zu stärken. Restaktivität frühkindlicher Reflexe ist nicht die Ursache von Problemen, sondern gibt Hinweise auf neuromotorische Anteile an einer Vielzahl von Problemen, die dann mit einem motorischen Programm behandelbar sind.

Für diejenigen, die mit der INPP- Methode arbeiten: Freuen Sie sich auf die Vertiefung und Abrundung Ihrer bisherigen Auseinandersetzung mit dem theoretischen Hintergrund der Methode und die Bereicherung Ihrer Praxis durch die vielen praxisrelevanten Hinweise Sally Goddard Blythes.

Für diejenigen, die die Methode in diesem Buch kennenlernen: Lassen Sie sich überzeugen von der Sorgfalt der Vorgehensweise, den gut erforschten Grundlagen, der Einbettung in den historischen Kontext und in die Nachbardisziplinen.

Thake Hansen-Lauff

August 2021, Laboe

|13|1  Fenster ins Gehirn

1.1  Einführung

Obwohl alles Lernen letztlich im Gehirn stattfindet, wird oft übersehen, dass das Gehirn über den Körper sensorische Informationen aus der Umwelt erhält und über ihn seine Erfahrungen mit der Umwelt ausdrückt. Die posturale Kontrolle spiegelt die Integration der Funktionen innerhalb des Zentralnervensystems (ZNS) wider und unterstützt die Funktionsfähigkeit der Verbindung zwischen Gehirn und Körper. Unreife oder Konflikte in den Gehirn-Körper-Funktionen beeinträchtigen die Fähigkeit des Gehirns, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und sich in organisierter Weise auszudrücken.

Eine Methode zur Beurteilung von Reife und Integrität der Funktionstüchtigkeit des ZNS ist die Überprüfung auf primitive Reflexe und posturale Reaktionen. Das Vorhandensein oder Fehlen von primitiven und posturalen Reflexen in wichtigen Phasen der Entwicklung bietet „Fenster“ in die Funktionsweise des ZNS, die es der qualifizierten Fachkraft ermöglichen, Anzeichen neurologischer Funktionsstörungen oder Unreife zu erkennen.

Ich hoffe, dass dieses Buch ein Verständnis dafür vermittelt, warum die frühkindlichen Reflexe wichtig sind und welche Funktionen sie in der frühen Entwicklung haben, aber auch, in welcher Weise sie sich auf Lernen und Verhalten sowie auf andere Aspekte der Entwicklung wie Körperhaltung, Gleichgewicht und motorische Fähigkeiten auswirken, wenn sie nicht zum richtigen Zeitpunkt in der Entwicklung integriert werden.

Die Reflexe und Reaktionen werden in den folgenden Kapiteln ausführlich beschrieben.

Es liegen immer mehr wissenschaftliche Beweise vor für die Theorie, dass körperliche Fähigkeiten das schulische Lernen unterstützen und auch an der emotionalen Regulierung und dem Verhalten beteiligt sind. Seit seiner Gründung im Jahr 1975 ist das Institut für Neuro-Physiologische Psychologie (INPP) in Chester Pionier in der Erforschung der Auswirkungen unreifer primitiver und posturaler Reflexe/Reaktionen auf Lernen und Verhalten, in der Entwicklung von Testverfahren zur Überprüfung aberranter Reflexe und verwandter Funktionen und in der Entwicklung einer spezifischen Methode zur wirksamen Intervention, der INPP-Methode.

Die in den letzten 30 Jahren sowohl unabhängig als auch vom Institut selber durchgeführte Forschung hat gezeigt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen unreifen frühkindlichen Reflexen, schulischem Underachievement und erhöhter Angst im Erwachsenenleben gibt und dass ein Interventionsprogramm, das direkt auf die Ausreifung und Integration primitiver und posturaler Reflexe/Reaktionen abzielt, positive Veränderungen in diesen Bereichen bewirken kann. Dieses Buch wird die zugrundeliegende Theorie, die Mecha|14|nismen, die Entwicklungsmarker und die Auswirkungen unreifer Reflexe bei älteren Kindern skizzieren, um Fachleuten, die im Bereich der Pädagogik und des Kindeswohls tätig sind, zu helfen, die Anzeichen neurologischer Funktionsstörungen und deren Auswirkungen zu erkennen. Das Buch wird auch interdisziplinäre Defizite untersuchen, die im derzeitigen System zur Identifizierung, Bewertung und Bereitstellung wirksamer Abhilfemaßnahmen bei Lern- und Verhaltensproblemen häufig vorkommen. In diesem Zusammenhang will das Buch eine Lanze brechen für einen neuen Beruf, der die gegenwärtigen Lücken schließen könnte: den Neuropädagogen/die Neuropädagogin. In Neuropädagogik Ausgebildete wären in der Lage, die neuromotorische Schulreife von Kindern zu überprüfen.

1.2  Neuromotorische Schulreife

Chronologisches Alter und Intelligenz sind nicht die einzigen Kriterien für den Lernerfolg. Ebenso wichtig für formale Bildung ist die neuromotorische Reife. Eine Überprüfung der motorischen Fähigkeiten eines Kindes wird regelmäßig im ersten Lebensjahr durchgeführt, aber wenn die Verantwortung für das Kind zum Zeitpunkt des Schuleintritts vom Bereich der Medizin (Hebamme, Kinderarzt und Mütterberatung) in die Pädagogik wechselt, wird sein Entwicklungsstand im Hinblick auf seine körperliche Entwicklung nicht routinemäßig beurteilt. Sobald ein Kind im Vereinigten Königreich mit dem Erreichen des 5. Lebensjahres in die Schule kommt, wird die körperliche Entwicklung nur dann überprüft, wenn medizinische Probleme auftreten. Überprüfungen innerhalb des Schulsystems konzentrieren sich eher auf Erziehungsprobleme oder sichtbare Symptome als auf die Untersuchung der zugrundeliegenden Ursachen.

Das INPP in Chester wurde 1975 von dem Psychologen Peter Blythe, PhD, mit dem Ziel gegründet zu untersuchen, ob physische Faktoren bei spezifischen Lernschwierigkeiten (SpLS) und bei einigen Angststörungen eine Rolle spielen könnten. In den 1970er Jahren entwickelten Peter Blythe und David McGlown zunächst Testverfahren, um Bereiche mit Funktionsstörungen zu identifizieren, und anschließend physische Interventionsprogramme, um die Funktionsstörungen zu korrigieren. Diese Vorgehensweise, nämlich die Untersuchung des neurologischen Entwicklungsstandes des Kindes und das anschließende körperlichen Interventionsprogramm, ist heute als die INPP-Methode der Entwicklungsförderung bekannt.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Symptome von SpLS die Tendenz haben, diagnostische Grenzen zu überschreiten, wobei verschiedene Kategorien eine Reihe von Symptomen gemeinsam haben (Komorbidität). Dies gilt insbesondere für viele der Symptome von Legasthenie, entwicklungsbezogener Koordinationsstörung, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) und einigen Aspekten von Autismus-Spektrum-Störungen (ASS). Eine Reihe von gemeinsamen Symptomen resultieren aus einer ZNS-Unreife und werden manchmal als neurologische Dysfunktion oder neurologische Entwicklungsverzögerung bezeichnet.

1.3  Was ist neuromotorische Unreife?

Die neuromotorische Funktionsfähigkeit liefert einen Hinweis auf die Reife der ZNS-Funktionen. Sie steht auch in Verbindung mit der Funktionsfähigkeit der vestibulären, propriozeptiven und posturalen Systeme, die zusammen eine stabile Grundlage für Zentren bieten, die an der Okulomotorik und im Weiteren an der visuellen Wahrnehmung beteiligt sind. Personen mit neuromotorischer Unreife (NMU) haben häufig Schwierigkeiten mit damit verbundenen Fähigkeiten wie Gleichgewicht, Koordination und visuelle Wahrnehmung, was sich auf das Verhal|15|ten und die schulische Leistung von Kindern auswirken und sich bei Erwachsenen als chronische Angst und emotionale Sensibilität manifestieren kann.

Eine Methode zur Identifizierung von Anzeichen einer NMU ist die Verwendung von Standardtests zur Beurteilung der Persistenz primitiver Reflexe, der Entwicklung posturaler Reaktionen und weiterer Tests auf Soft Signs neurologischer Funktionsstörungen. Soft Signs, die früher als zu pauschal verworfen wurden, um für diagnostische Zwecke nützlich zu sein, sind diskrete neurologische Anzeichen, die auf eine unspezifische zerebrale Dysfunktion hindeuten.

Das Vorhandensein oder Fehlen primitiver Reflexe in Schlüsselstadien der Entwicklung sind anerkannte Anzeichen für ein reifes ZNS. Primitive Reflexe entwickeln sich intrauterin, sind beim voll ausgetragenen Neugeborenen präsent und werden in den ersten 6 Monaten des postnatalen Lebens gehemmt, wenn sich Verbindungen zu höheren kortikalen Zentren und Frontalbereichen des Gehirns entwickeln. Primitive Reflexe werden überlagert und im Laufe der normalen Entwicklung in reifere Verhaltensmuster integriert, wenn sich posturale Reaktionen und Muskeltonus entwickeln. Die Ausreifung der posturalen Reaktionen kann bis zu dreieinhalb Jahre dauern.

Primitive Reflexe bleiben bei bestimmten pathologischen Zuständen erhalten, z. B. bei einer Zerebralparese. Bei einer Zerebralparese persistieren die Reflexe infolge einer Hirnschädigung oder einer anomalen Entwicklung, die pränatal, im Verlauf der Geburt oder postnatal aufgetreten sein kann [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7]. Eine Schädigung des unreifen Gehirns stört den normalen Reifungsprozess und damit einen vorhersehbaren, geordneten Entwicklungsablauf. Das wiederum führt zu mangelnder Hemmung der primitiven Reflexe. Die Folgen: Ein verlängertes Beibehalten der primitiven, undifferenzierten Bewegungsmuster, die für das Kleinkindalter charakteristisch sind, eine anomale Muskeltonus mit Auswirkungen auf die Entwicklung der posturalen Kontrolle und auffällige Bewegungsmuster sowie insgesamt eine verzögerte motorische Entwicklung. Primitive Reflexe treten auch bei degenerativen Erkrankungen wie bei Multipler Sklerose und Alzheimer erneut auf, wenn die Demyelinisierung zu einer Verschlechterung der posturalen Reaktionen führt und die primitiven Reflexe reaktiviert werden. Viele Jahre lang ging man davon aus, dass – wenn keine pathologischen Zustände vorliegen – eine Persistenz primitiver Reflexe in schwächerer Ausprägung nicht möglich ist. Daher wurden primitive Reflexe bei Kindern mit weniger schweren motorischen Entwicklungsverzögerungen oder bei Kindern, die einfach nur Anzeichen einer SpLS aufweisen, im Allgemeinen nicht überprüft.

Demyelinisierung – degenerative Zerstörung des Nervensystems, bei der Nervenzellen ihre Myelinhüllen verlieren, wodurch sie in der Regel unfähig werden, ihre normale Funktion auszuüben.

Der vom INPP verwendete Begriff Neuromotorische Unreife (NMU) beschreibt die fortwährende Präsenz eines Clusters primitiver Reflexe nach dem 6. Lebensmonat zusammen mit fehlenden oder unterentwickelten posturalen Reaktionen über das Alter von dreieinhalb Jahren hinaus. NMU beeinflusst und spiegelt zugleich die Entwicklung und Kontrolle von Körperhaltung, Gleichgewicht und motorischen Fähigkeiten.

Neuromotorische Unreife (ehemals neurologische Entwicklungsverzögerung), manchmal auch als neurologische Dysfunktion bezeichnet, wird vom INPP definiert als (1) die fortgesetzte Präsenz eines Clusters aberranter primitiver Reflexe über den 6. Lebensmonat hinaus zusammen mit (2) fehlenden oder unterentwickelten posturalen Reaktionen über das Alter von dreieinhalb Jahren hinaus.

|16|1.4  Worin besteht der Zusammenhang zwischen NMU und SpLS?

Erfolgreiches schulisches Lernen hängt von einer guten Beherrschung motorischer Fähigkeiten ab: Lesen z. B. setzt die Entwicklung und Steuerung müheloser Augenbewegungen voraus, um sequenzielle Informationen in richtiger Reihenfolge an das Gehirn zu senden. Neben Augenbewegungen ist auch die Hand-Auge-Koordination eine motorische Fähigkeit, die für das Schreiben gut entwickelt sein muss. Still zu sitzen und Aufmerksamkeit setzen posturale Kontrolle, Gleichgewicht und Orientierung voraus sowie die Einbeziehung kortikaler Zentren, die an der Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit beteiligt sind. Elemente der Mathematik erfordern räumliche Fähigkeiten und die Kommunikation zwischen den beiden Seiten der Großhirnrinde. Denn nur bei einer Zusammenarbeit der linken und der rechten Hemisphäre können Probleme auf sequenzielle Weise gelöst werden. Viele dieser „höheren“ kognitiven Prozesse sind neurophysiologisch in Systemen verankert, die an der posturalen Kontrolle beteiligt sind, und es sind die Reflexe, die hier eine zentrale Rolle bei der Unterstützung und Ermöglichung der Stabilität und Flexibilität der posturalen Kontrolle spielen.

Das vestibuläre System ist ein System, das für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts, der Körperhaltung und der Orientierung des Körpers im Raum verantwortlich ist. Dieses System reguliert auch die Fortbewegung und andere Bewegungen und hält Objekte bei der Bewegung des Körpers im visuellen Fokus. Das Kleinhirn ist das Kontrollzentrum für Gleichgewicht und Bewegungskoordination. Als Teil des Nervensystems empfängt es zwei Arten von Informationen: Die eine lokalisiert die Position des Körpers im Raum und die andere zeigt an, ob der Muskel kontrahiert oder entspannt ist. Auf der Grundlage dieser Informationen und je nach gewünschter Aktion (Vorwärtsbewegung, Greifen usw.) löst das Kleinhirn eine Bewegung aus, passt sie an oder stoppt sie.

Räumliche Fähigkeiten entwickeln sich aus dem physischen Bewusstsein der Körperposition im Raum. Ein sicheres Gleichgewicht ist für die Navigation im Raum von grundlegender Bedeutung. Denn es bildet die physische Grundlage für einen sicheren internen Referenzpunkt, von dem aus die äußere Umgebung räumlich beurteilt wird. Dr. Harold Levinson beschrieb das vestibulär-zerebelläre System als „ein Kompass-System. In reflexiver Weise teilt es uns räumliche Beziehungen wie rechts und links, oben und unten, vorne und hinten, Osten und Westen, Norden und Süden mit [8]“. Studien haben gezeigt, dass die Wahrnehmung und Differenzierung von Sequenzen beweglicher Stimuli, die bekanntermaßen vestibulär und zerebellär vermittelt werden und mit posturaler Stabilität zusammenhängen, bei Kindern mit Leseschwierigkeiten fehlerhaft sind. [9]. Die Aufgabe des Kleinhirns ist es, nicht nur motorische Aufgaben, sondern auch die damit verbundenen kognitiven Prozesse in eine Abfolge zu bringen [10].

Eine für die Problemlösung unerlässliche interhemisphärische Funktionstüchtigkeit spiegelt sich in der Fähigkeit eines Kindes wider, beide Körperhälften auf unterschiedliche Weise zu nutzen. Zusätzlich zu den spezifischen Hirnzentren, die an der Vermittlung und Kontrolle des Gleichgewichts beteiligt sind, spiegelt die Einbeziehung beider Körperhälften die Nutzung des Gleichgewichts, die bilaterale Integration, wider und unterstützt sie zugleich. Während viele Bereiche des Gehirns an verschiedenen Arten des Lernens beteiligt sind, sind die höheren kognitiven Funktionen auf die integrierte Funktionsfähigkeit der unteren Zentren angewiesen, um den Kortex zu unterstützen und mit Informationen zu versorgen.

|17|Bilaterale Integration ist die Fähigkeit, Bewegungen auf einer Seite des Körpers unabhängig von der anderen Seite auszuführen und beide Seiten des Körpers in vielen verschiedenen Kombinationen zu koordinieren.

Primitive Reflexe und posturale Reaktionen in Schlüsselphasen der Entwicklung bieten ein „Fenster“ in die strukturelle und funktionelle Integrität der Hirnhierarchie. Anomale primitive und posturale Reflexe liefern diagnostische Hinweise auf eine Unreife in der Funktionstüchtigkeit des ZNS, die als Barrieren für optimale kortikale Funktionfähigkeiten wirken können. „Das Zentrale Nervensystem fungiert als Koordinationsorgan für die Vielzahl eingehender Sinnesreize und erzeugt integrierte, den Anforderungen der Umwelt adäquate motorische Reaktionen [11]“. Wenn das ZNS gut funktioniert, ist der Kortex frei, sich auf „höhere“ Funktionen zu konzentrieren, da er an der Intention und der motorischen Planung beteiligt ist, nicht aber an der detaillierten Mechanik der Bewegung. „Der Kortex weiß nichts über Muskeln, er kennt nur Bewegung. [12]“. Das liegt daran, dass willkürliche Bewegungen, insbesondere solche, die mit der Haltungsanpassung verbunden sind, weitgehend automatisch und außerhalb des Bewusstseins ablaufen. Für Haltung und Gleichgewicht ist das ZNS verantwortlich, das die unteren Zentren im Hirnstamm, im Mittelhirn, im Kleinhirn und in den Basalganglien im Dienste des Kortex rekrutiert.

1.5  Primitive Reflexe und posturale Reaktionen – das medizinische Modell

Es ist eine medizinisch anerkannte Tatsache, dass anomale Reflexe als direkte Folge einer Pathologie persistieren können, wie z. B. bei der bereits erwähnten Zerebralparese, wenn eine Schädigung höherer Hirnzentren den Kortex daran hindert, die primitiven Reflexe im ersten Lebensjahr vollständig zu hemmen oder die posturalen Reaktionen auszulösen. Primitive Reflexe können auch als Folge einer fortschreitenden Pathologie wieder auftreten, wie z. B. bei Multipler Sklerose, bei der die schützende Myelinhülle um die Nervenzellfortsätze streckenweise zerstört wird, so dass die Nervenfasern frei liegen. Dies hat dann Auswirkungen auf die posturalen Reaktionen und auf die primitiven Reflexe, die wieder auftreten als direkte Folge des Integrationsverlusts innerhalb der Funktionsbereiche des Nervensystems und des Steuerungsverlusts höherer Zentren. Eine ähnliche Regression der Reflexintegration ist bei der Alzheimer-Krankheit zu beobachten, wenn die Degeneration innerhalb der Großhirnrinde zu einem allmählichen Verlust höherer kortikaler Funktionen und zur Freisetzung primitiver Reflexe in Form von primitiven, schützenden Überlebensmechanismen führt.

Der Übergang vom primitiven Reflex zur posturalen Reaktion im ersten Lebensjahr bzw. in den ersten Lebensjahren vollzieht sich allmählich. Er erfolgt nicht nur als Ergebnis von Reifung innerhalb des ZNS, sondern ist auch teilweise von der Umwelt abhängig. Während die Reflexe bei der Geburt fest mit dem System verdrahtet sind, ist die körperliche Interaktion mit der Umwelt wie eine Software, durch die das Potenzial des Nervensystems einbezogen wird. In den ersten Lebensmonaten stellen primitive Reflexhandlungen rein durch Bewegung ein rudimentäres körperliches Training dar. Erst wenn der Kortex und die Verbindungen zum Kortex ausreichend ausgereift sind, kann durch Orchestrierung eine kontrollierte Reaktion entstehen. Durch das Feedback oder die Bewegungserfahrung früher Reflexaktionen werden neurologische Bahnen entwickelt und gestärkt. Neuronen, die wiederholt zusammenfeuern, verdrahten sich gemeinsam. Durch die Herstellung von Verbindungen zwischen höheren und niedrigeren Zentren werden primitive Reflexe gehemmt und integriert, um Platz für weiter fortgeschrittene Systeme der Willkürmotorik und Haltungskontrolle zu schaffen.

|18|Die strukturelle Entwicklung des Nervensystems erfolgt durch Reifung und Interaktion mit der Umwelt. Jede Spezies beginnt ihr Leben mit einem gemeinsamen Werkzeugsatz von Genen, die am Aufbau des Körpers beteiligt sind; die Entwicklung des Nervensystems ist jedoch bei jedem Individuum das Produkt der Verwendung derselben Gene – aber auf unterschiedliche Weise.

In diesem Entwicklungsstadium bilden die posturalen Reaktionen die Grundlagen für automatische Reaktionen, die für die Aufrechterhaltung von Körperhaltung und Gleichgewicht in einer auf der Schwerkraft basierenden Umgebung (vorbewusst) erforderlich sind, und unterstützen so die Steuerung der Willkürmotorik. Die Bedeutung der posturalen Reaktionen für die Unterstützung automatischer Reaktionen und für die Verringerung der Arbeitsbelastung des Kortex wurde bereits 1898 von Reuben Halleck in einem Buch über die Erziehung des Nervensystems beschrieben, als er erklärte, dass „die Reflexhandlung der Stellvertreter des Gehirns ist und unzählige Bewegungen steuert, so dass die höheren Mächte frei sind, sich um wichtigere Dinge zu kümmern. [13]“

Es muss betont werden, dass die primitiven Reflexe uns nie ganz verlassen. Durch den Prozess der Hemmung werden sie im Hirnstamm in Schlaf versetzt, um erst wieder erweckt zu werden, wenn durch Krankheit, Unfall oder Verletzung höhere Hirnzentren geschädigt werden. Auf diese Weise bleiben die primitiven Reflexe weiterhin verfügbar, um bei Bedarf eine Schutzfunktion zu erfüllen. Das Konzept, dass aberrante primitive Reflexe und posturale Reaktionen in der Allgemeinbevölkerung fortbestehen können, ist jedoch nach wie vor umstritten, obwohl es immer mehr Belege für die Theorie gibt, dass sie in Abwesenheit einer identifizierten Pathologie existieren können und dies auch tun [14], [15], [16], [17], [18], [19], [20], [21], [22].

Die Auswirkungen persistierender primitiver Reflexe und unterentwickelter posturaler Reaktionen bei älteren Kindern sind gut dokumentiert [23], [24], [25], [26]. Es ist auch anerkannt, dass aberrante Reflexe höhere kortikale Funktionen insbesondere im Bereich der Schulbildung beeinträchtigen können [24],[27], [28], aber selbst nach 30 Jahren intensiver und veröffentlichter Forschung zu diesem Thema bleibt das Konzept, dass der Reflexstatus die kognitive Leistung beeinträchtigen kann, immer noch umstritten. Die Rolle anomaler Reflexe bei Legasthenie als eigenständige Entität ist nie abschließend nachgewiesen worden, obwohl Legasthenie durchaus auch als eine Entwicklungs- und neurologische Störung kategorisiert wird [29].

1.6  Wofür kann die Überprüfung auf primitive Reflexe und posturale Reaktionen genutzt werden?

Primitive Reflexe und posturale Reaktionen können als klinische Werkzeuge verwendet werden, um

Anzeichen von Unreife im ZNS zu erkennen (Diagnose),

Hinweise auf die Art und Entwicklungsebene der Intervention zu liefern (geeignete Behandlung) und

Veränderungen zu messen (klinische Evaluation).

1.7  Neurologische Dysfunktionen bei SpLS

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Symptome von SpLS dazu neigen, diagnostische Grenzen zu überschreiten, wobei verschiedene Kategorien eine Reihe von Symptomen gemeinsam haben. Das ist darin begründet, dass „gemeinsame neurophysiologische Funktionen, die die Haltungsmechanismen stützen und kontrollieren, für höhere kognitive Prozesse grundlegend sind [30]“. Sie betreffen Ent|19|wicklungsaspekte motorischer, vestibulärer und posturaler Funktionen wie

die Verarbeitung visueller und akustischer Abfolgen,

die Wahrnehmung,

die grafische Darstellung geometrischer Formen,

die räumliche Organisation,

das Kurzzeitgedächtnis,

Geschicklichkeit,

das Erfassen der Oberflächen- und Tiefenstruktur von Sprache.

Während die einzelnen Merkmale jeder Kategorie für die Problematik einzigartig sind, gibt es oft eine Überschneidung vieler vorhandener Symptome (Komorbidität). Wenn gemeinsame Bereiche der Dysfunktion vorhanden sind, weisen sie auf eine Unreife in der Funktionstüchtigkeit des ZNS hin.

Noch vor einigen Jahren wäre ein Cluster einiger dieser Anzeichen und Symptome unter dem allgemeineren und inzwischen redundanten Begriff der minimalen zerebralen Dysfunktion (MCD) zusammengefasst worden. Dieser Begriff wurde in den 1960er und frühen 1970er Jahren verworfen, u. a., weil unter MCD über 99 Symptome mit mindestens 10 Hauptsymptomen aufgelistet waren, was eine viel zu weit gefasste Definition für die Wahl einer wirksamen klinischen Intervention darstellte. Dennoch war MCD ein Versuch, eine „Grauzone“ zu beschreiben, die zwischen den Disziplinen Medizin, Psychologie und Pädagogik bestand, indem eine Gruppe von Symptomen aufgelistet wurde, für die es keine klare Pathologie gab.

In vielen Fällen, in denen eine Komorbidität vorliegt, zeigen weiterführende Untersuchungen tatsächlich eine allgemeine Unreife in der Funktionstüchtigkeit des ZNS, die durch ein Cluster aberranter Reflexe beim älteren Kind bestätigt werden kann. Die Gründe für eine unreife Reflexentwicklung im ersten Lebensjahr oder in den ersten Lebensjahren sind in der Regel multifaktoriell. Dennoch lassen sich mögliche frühe Anzeichen für eine Verzögerung der Reflexintegration im Entwicklungsprofil eines Kindes ausmachen. Einige dieser Entwicklungsmarker werden in Kap. 6 und Kap. 7 weitergehend untersucht. In gleicher Weise variieren die Auswirkungen aberranter Reflexe individuell je nach Alter und Reflexprofil eines Kindes. Einzelne Reflexe, ihre Funktionen und Auswirkungen werden in Kap. 2, Kap. 3, Kap. 4 und Kap. 5 behandelt, in denen die Rolle der Reflexe in der frühen Entwicklung und ihre Auswirkungen auf das Lernen untersucht werden. Unreife in der Körperkontrolle kann sich auf verschiedene Weise auf die schulische Leistungsfähigkeit und das Verhalten auswirken. Aufmerksamkeit, Balance und Koordination (englisch Coordination) sind das erste ABC, das Fundament für Schulreife.

Das erste ABC, das ein Kind lernt, ist das ABC des Körpers – die Grundlage, auf der kognitives Lernen aufbaut, und die Art und Weise, in der Lernen zum Ausdruck kommt:

A = Aufmerksamkeit

B = Balance

C = Coordination1

1.8  Diagnostische Kriterien, Zeichen und Symptome von SpLS

Wenn Eltern zum ersten Mal deutlich wird, dass ihr Kind Schwierigkeiten hat, sind sie in der Regel bestrebt, einen Grund und/oder einen Begriff zu finden, der das Problem ihres Kindes beschreibt. Das Kind wird dann vielleicht einem Arzt vorgestellt und wenn die Problemkombination in eine anerkannte Kategorie passt, wird eine Diagnose gestellt oder ein Etikett verliehen. Die Diagnose liefert eine Beschreibung einer spezifischen Gruppe von Symptomen und gibt an, welche Arten von Interventionen wahrscheinlich hilfreich sind. Eine Diagnose im Be|20|reich von SpLS erklärt jedoch nicht immer, warum sich das Problem entwickelt hat, und identifiziert auch nicht dafür verantwortliche spezifische Mechanismen. Mit anderen Worten: Eine Diagnose im Bereich von Lernschwierigkeiten sagt uns häufig, was falsch ist, aber selten warum.

Um zu verstehen, wie und warum posturale Probleme signifikante Ursachen für viele SpLS sein können, ist es notwendig, einzelne Merkmale von SpLS und einige der möglichen zugrundeliegenden Faktoren auf körperlicher Ebene zu untersuchen, die bei den vorliegenden Symptomen eine Rolle spielen können (Abbildung 1-1 und Abbildung 1-2).

Abbildung 1-1:  Komorbidität von Symptomen bei spezifischen Lernschwierigkeiten: Legasthenie.

Abbildung 1-2:  Komorbidität bei zugrundeliegenden Problemen bei Legasthenie, Dyspraxie, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) und bei einigen Aspekten der Autismus-Spektrum-Störung (ASS).

Jede der zuvor erwähnten SpLS involviert eine Beeinträchtigung der Wahrnehmung, Organisation oder Ausführung kontrollierter Bewegungen. Das Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsyndrom (ADHS) beispielsweise ist gekennzeichnet durch eine unzureichende Hemmung sowohl von Bewegungen als auch auch von Erregung durch konkurrierende Sinnesreize. Ein wichtiges Merkmal der Dyspraxie oder entwicklungsbezogenen Koordinationsstörung ist die Unfähigkeit, sensomotorische Erfahrungen zu integrieren und die motorischen Leistungen zu organisieren. Kinder mit Legasthenie, die visuelle Verarbeitungs- und motorisch-perzeptive Probleme haben, zeigen Schwierigkeiten mit dem Verständnis von Richtung, Abfolgen und Steuerung der Augenbewegungen. Darüber hinaus hat ein großer Prozentsatz der Kinder mit Legasthenie auch phonologische Verarbeitungsprobleme. Phonologische und visuelle Verarbeitungsprobleme werden oft als diskrete Entitäten behandelt, obwohl Hören und Zuhören auch die Wahrnehmung von Bewegung innerhalb eines bestimmten Frequenzbereichs umfasst. Kinder mit einer ASS leiden unter einer desintegrierten oder fragmentierten Sinneswahrnehmung.

1.9  Legasthenie – Zeichen und Symptome

1.9.1  Legasthenie

Legasthenie wurde 1968 vom Weltverband der Neurologie definiert als „eine Störung bei Kindern, die trotz herkömmlicher Unterrichtserfahrung nicht die sprachlichen Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und in der Rechtschreibung im Verhältnis zu ihren intellektuellen Fähigkeiten erreichen [31]“. Im Jahr 2009 wurde diese Definition erweitert und von Rose in einem Bericht |21|einer Expertengruppe für den britischen Minister für Kinder und Familien [32] als „eine Lernschwierigkeit, die in erster Linie die Fähigkeiten zum genauen und flüssigen Lesen und Rechtschreiben von Wörtern betrifft“ beschrieben.

Charakteristische Merkmale der Legasthenie sind Schwierigkeiten bei der phonologischen Wahrnehmung, dem verbalen Gedächtnis und der verbalen Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Legasthenie tritt im gesamten Spektrum der intellektuellen Fähigkeiten auf.

Legasthenie ist am besten als ein Kontinuum zu betrachten, nicht als eine bestimmte Kategorie, und es gibt keine klaren Trennlinien.

Mehrere Schwierigkeiten zugleich können in Aspekten der Sprache, der motorischen Koordination, beim Kopfrechnen, der Konzentration und der Selbst-Organisation beobachtet werden, aber sie sind für sich allein keine hinreichenden Marker für Legasthenie.

Ein guter Hinweis auf die Schwere und das Fortbestehen legasthenischer Probleme kann gewonnen werden, wenn man untersucht, wie die Betroffenen auf eine fundierte Intervention ansprechen oder angesprochen haben.

1.9.2  Assoziierte Symptome

Zusätzlich zu Problemen beim Lesen, Rechtschreiben und dem schriftlichen Sprachausdruck zeigen Kinder mit Legasthenie häufig Probleme bei motorischen Fähigkeiten wie Hopserlauf und Seilspringen, Fangen und Werfen eines Balls, Fahrradfahren, Koordination im Sportunterricht und manchmal auch beim Schwimmen. Darüber hinaus sind Probleme bei der Richtungserkennung häufig, wie z. B. die Unterscheidung von links und rechts, das korrekte Decken eines Tisches und das Ablesen der Uhrzeit von einer analogen Uhr.

Zu den feinmotorischen Problemen können Schwierigkeiten beim Binden der Schnürsenkel, beim Knöpfen und bei der Handhabung eines Schreibgeräts gehören. Auch das Umsetzen von Abfolgen, das visuelle Gedächtnis und die auditive Wahrnehmung können beeinträchtigt sein. Häufig liegt zudem eine unklare Lateralität vor [33]. Alle Leistungen in diesen Bereichen hängen von der Reife des Reflexsystems ab, das dem motorischen Lernen, der vestibulären Funktionstüchtigkeit und der kinästhetischen Integration zugrunde liegt.

1.9.3  Neurologische Faktoren bei Legasthenie

Seitdem Legasthenie erstmals festgestellt wurde, wird die Hypothese aufgestellt, dass strukturelle Anomalien im Gehirn der Störung zugrunde liegen könnten.

Postmortale Untersuchungen der Gehirne von fünf Männern und drei Frauen, die an Legasthenie litten, ergaben zwei übereinstimmende Befunde in dieser Gruppe: Entwicklung einer entwicklungsbezogenen Neuropathologie und Symmetrie der Sprachregionen des Gehirns [34], [35], [36].

In den letzten 40 Jahren hat sich die Forschung zum Thema Legasthenie auf vier Hauptproblembereiche konzentriert:

Schwierigkeiten mit dem automatischen Gleichgewicht infolge einer Dysfunktion im vestibulär-zerebellären Schaltkreis [37], [38], [39], [40]

Unreife motorische Fähigkeiten [41], [42], [43], [44], [45]

Auditive Verarbeitungsprobleme [46], [47] und die phonologische Defizitheorie [48], [49], [50], [51], [52], [53]

Fehlerhafte Verarbeitung visueller Informationen [53], [54], [55]

1996 kamen Fawcett und Nicolson [39] zu dem Schluss, dass „Kinder mit Legasthenie Defizite bei den phonologischen Fähigkeiten, der Verarbeitungsgeschwindigkeit und bei motorischen Fähigkeiten haben. Diese Defizite werden zutreffend als Probleme bei der Automatisierung von Fähigkeiten beschrieben, die |22|normalerweise durch bewusste Kompensationsleistungen überdeckt werden.“ Auch viele andere kausale und mitwirkende Faktoren wurden angeführt, darunter Unterschiede in der Funktion der linken Hemisphäre, der Struktur des Thalamus [56] – ein Bereich des Gehirns, der an der Verarbeitung und Filterung sensorischer Informationen beteiligt ist – und die genetische Anfälligkeit für entwicklungsbedingte Legasthenie [57].

Die vererbbare Tendenz durch die männliche Linie wurde mit phonologischen Verarbeitungsproblemen in Verbindung gebracht. Dies mag daran liegen, dass Männer für die phonologische Verarbeitung nur ein Gen haben, während bei Frauen zwei vorliegen. Ist bei Männern das Gen betroffen, das für die phonologische Wahrnehmung, den schnellen Wortabruf und das verbale Kurzzeitgedächtnis verantwortlich ist, können sie in geringerem Maße das Problem kompensieren. Frauen neigen dazu, die in beiden Gehirnhälften befindlichen Sprachzentren flexibler zu nutzen als Männer. Dies könnte zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass das Corpus callosum bei ihnen im Verhältnis zum Hirngewicht größer und ausgeweiteter ist als bei Männern, was vermutlich eine verstärkte interhemisphärische Kommunikation erleichtert.

Corpus callosum – das Bündel von Nervenfasern, die den Informationsaustausch zwischen den beiden Hirnhälften ermöglichen.

Die Automatisierung von Fähigkeiten hängt von der Reife der subkortikalen Unterstützungssysteme im Gehirn ab, von denen das primitive und posturale Reflexsystem (vermittelt auf der Ebene des Hirnstamms und des Mittelhirns) eines der zugrundeliegenden Systeme ist. Posturale Reaktionen sind wichtig für die Aufrechterhaltung der Körperhaltung und die Ausführung gesteuerter Bewegungen in Zusammenarbeit mit anderen Zentren wie dem Kleinhirn, den Basalganglien und dem motorischen Kortex.

Merkmale von Legasthenie:

häufiger bei Männern vorkommend

familiäre Disposition

Vorgeschichte von Ungeschicklichkeit und leichten sprachlichen Beeinträchtigungen beim Auswendiglernen (von Abfolgen) wie z. B. beim Erlernen des Alphabets, der Wochentage, der Monate des Jahres und des Einmaleins

etwas verspätetes Erreichen der Meilensteine der Entwicklung wie z. B. des Krabbelns (mögliches Auslassen des Krabbelstadiums), Gehens, Sprechens- und Lesenlernens

Kinder mit Legasthenie haben Schwierigkeiten in folgenden Bereichen:

unsichere-oder gekreuzte Lateralität

Rechts-/Links-Unterscheidungsprobleme

Buchstaben- und Zahlendreher beim Lesen und Schreiben über das 8. Lebensjahr hinaus

räumliche Umkehrungen, Spiegelschrift und falsch angeordnete Buchstaben

beim Lesen ein Sich-Verirren im Text

Befolgen von Anweisungen (s. Tabelle 1-1, Tabelle 1-2, Tabelle 1-3, Tabelle 1-4, Tabelle 1-5, Tabelle 1-6)

|23|Tabelle 1-1:  Physische Symptome bei Legasthenie

Motorische Fähigkeiten

Schwierigkeiten bei

Subkortikale Mechanismen/involvierte Systeme

Grobmotorische Fähigkeiten

Hüpfen, Seil springen, Rolle vorwärts

Fangen, Werfen und einen Ball schießen

Treppensteigen

Erreichen der Meilensteine wie z. B. des Krabbelns, Laufens, Sprechens und Lesens

Fahrradfahren lernen

Schwimmen lernen

Koordination beim Turnunterricht, Seilklettern, Geräteturnen

Gleichgewicht, Bewegungsabfolgen (Kleinhirn); Integration von Ober- und Unterkörper

Hand-/Auge- und Hand-/Fuß-Koordination

Rechts-/Links- und Ober-/Unterkörper-Koordination

Gleichgewicht, Haltung, bilaterale Integration

Vestibulär, postural, bilaterale Integration

Ober-/Unterkörper- und Rechts-/Links-Koordination

Vestibulär, postural, Tonusregulation, Integration von Ober- und Unterkörper

Feinmotorische Fähigkeiten

Benutzung von Gerätschaften wie Schere und Besteck

Stifthaltung

Schuhe binden, knöpfen etc.

Feinmotorische Fähigkeiten, Diadochokinese (Kleinhirn und motorischer Kortex)

Beibehaltene Reflexe, die die manuelle Geschicklichkeit beeinträchtigen

Feinmotorische Fähigkeiten, Richtungsdenken (vestibulär), Rechts-/Links-Integration

Tabelle 1-2:  Richtungsprobleme bei Legasthenie

Symptom

Zugrundeliegende Mechanismen/involvierte Systeme

Unterscheidung von links/rechts, oben/unten, vorher/nachher

Räumlich (vestibulär)

Orientierung

Vestibulär

Korrektes Decken des Tisches

Räumlich (vestibulär)

Kleidung richtig herum anziehen

Räumlich (vestibulär)

Anweisungen befolgen oder geben

Auditive Verarbeitung; sequenzielle Verabeitung (Kleinhirn); direktional (vestibulär)

Puzzles und Labyrinthe

Räumlich (vestibulär)

Ablesen lernen der analogen Uhr

Räumlich (vestibulär)

Vorgeschichte von Reiseübelkeit über die Pubertät hinaus

Vestibulär-visuell-propriozeptive Inkongruenzen

|24|Tabelle 1-3:  Sprech- und Sprachsymptome bei Legasthenie

Symptom

Zugrundeliegende Mechanismen/involvierte Systeme

Buchstaben-, Zahlen- und Wortdreher

Direktionalität (vestibulär), auditive Diskriminierung und/oder Sequenzierung (phonologisch/Kleinhirn), laterale Organisation

Wortfindungsprobleme

Visuelle und/oder auditive Erkennung und Wiedererkennung; interhemisphärische Kommunikation

Fehlerhafte Aussprache

Auditive und mundmotorische Diskriminierung

Verwechslung und Einsetzen falscher Wörter

Auditive und visuelle Diskriminierung (beim Lesen)

Schwierigkeiten mit Reimen und Alliterationen

Sequenzierung, auditive Diskriminierung, interhemispärische Kommunikation

Zögerliche Sprache

Schlechtes Gedächtnis für neue Wörter und Worterinnerung

Schlechtes Gedächtnis für neue Wörter und Worterinnerung

Kodierung und Abruf

Tabelle 1-4:  Sequenzierungsprobleme bei Legasthenie

Symptom

Zugrundeliegende Mechanismen/involvierte Systeme

Auswendiglernen

Kleinhirn, interhemisphärische Kommunikation

Brettspiele, bei denen eine Reihe von Zügen geplant werden muss

Räumlich (vestibulär), prozedural (Kleinhirn); Vorausplanung (Frontallappen), prozedurales Gedächtnis

Tabelle 1-5:  Visuelle Symptome bei Legasthenie

Symptom

Zugrundeliegende Mechanismen/Systeme

Buchstaben-, Wort- und Zahlendreher

Direktional (vestibulär), visuell (instabile unterstützende posturale Mechanismen), Lateralität, auditve Verzögerung

Spiegelschrift

Direktional (vestibulär)

Schlechtes Gedächtnis für Wortformen und Muster

Visuelle Verarbeitung (rechte Hemisphäre)

Schlechtes Gedächtnis für detaillierte Merkmale von Wörtern

Phonologische Verarbeitung (linke Hemisphäre)

Skotopisches Sensitivitätssyndrom (SSS)

(Irlen Syndrom)

Unreife in der Reaktion des visuellen Systems auf Licht

Schwierigkeiten bei der visuellen Verfolgung

Unterentwickelte posturale Mechanismen, die die Okulomotorik unterstützen

Buchstaben/Wörter verschwimmen, bewegen sich, werden ausgelassen

Schlechte Nah-Punkt-Konvergenz

|25|Tabelle 1-6:  Auditive Symptome bei Legasthenie

Symptom

Zugrundeliegende Mechanismen/Systeme

Konfusion oder Unfähigkeit, den Unterschied zwischen verschiedenen Lauten zu hören

Auditive Diskriminierung – kann mit einer Vorgeschichte häufiger Hals-Nasen-Ohren-Infektionen in den ersten 3 bis 5 Lebensjahren verbunden sein

Schwierigkeiten bei der Verarbeitung auditiver Informationen

Lateraliät der auditiven Verarbeitung

Schwierigkeit, Reime zu wiederholen

Sequenzierung (Kleinhirn), die „Musik“ der Sprache (rechte Hemisphäre)

Schwierigkeiten beim Befolgen aufeinanderfolgender Anweisungen

Auditive Verzögerung (Lateraliät der auditiven Verarbeitung), Kleinhirn, Kurzzeitgedächtnis

Schwierigkeiten beim Klatschen oder Klopfen von Rhythmen

Vestibulär

1.9.4  Lateralität

Es besteht eine unklare oder eine gekreuzte Lateralität. Ein Mangel an eindeutiger lateraler Präferenz kann aus vielen Gründen auftreten. Einige davon (s. Tabelle 1-7 und Tabelle 1-8) werden in den folgenden Kapiteln behandelt.

Tabelle 1-7:  Angststörungen bei Legasthenie

Symptom

Zugrundeliegende Mechanismen/Systeme

Angst vor Dunkelheit, Höhen, neuen Orten

Schlechte Orientierung bei fehlenden visuellen Bezugspunkten (vestibulär/propriozeptiv)

Angst/Vermeidung motorischer Aktivitäten

Unreife Koordination und posturale Kontrolle

Stimmungsschwankungen

Leistungsangst, Frustration, Orientierungsprobleme, biochemisch, hormonell

Obsessiv-zwanghafte Tendenzen

Erhöhte Stoffwechselaktivität im linken Orbitalgyrus [59], Mangel an der Verfügbarkeit des Neurotransmitters Serotonin [60], erhöhter Glukosestoffwechsel in den Frontallappen

Tabelle 1-8:  Psychosomatische Symptome bei Legasthenie

Symptom

Zugrundeliegende Mechanismen/Systeme

Kopfschmerzen

Visueller Stress, strukturelle Fehlausrichtung (Skelett)

Schwindelgefühle

Vestibulär, visuell, niedriger Blutdruck

Reiseübelkeit

Vestibulär-visuell-propriozeptive Inkongruenzen

Bettnässen

Neurologische Unreife, ständige HNO-Infekte mit Nasenverstopfungen als Folge, persistierender spinaler Galantreflex

Generalisierte Angststörung

Vestibuläre und posturale Dysfunktionen, die zur Schwerkraftverunsicherung, schlechter räumlicher Wahrnehmung, Wahrnehmungsproblemen und Schwierigkeiten bei der Entschlüsselung von Umweltreizen führen

1.10  Entwicklungsbezogene Koordinationsstörung (Dyspraxie)

Dyspraxie beschreibt Schwierigkeiten mit der Praxis, wobei Praxis eine Ableitung des griechischen Wortes für ‚Aktion‘ ist. Früher als Tollpatschsyndrom bezeichnet, wurde der Begriff Dyspraxie durch den englischen Begriff developmental coordination disorder (DCD) ersetzt.

|26|Die Nervenenden an der Rückseite der Netzhaut des Auges werden von zwei spezialisierten Typen an den Thalamus weitergeleitet, einen Bereich des Gehirns, der an der Filterung von Sinnesinformationen beteiligt ist, bevor diese den Kortex erreichen:

1) kleine Zellkörper, die sich hauptsächlich mit Farbtönen und Kontrasten beschäftigen (parvo-zelluläre Bahnen);

2) große Zellkörper, die hauptsächlich mit der Bewegungserkennung befasst sind (magno-zelluläre Bahnen).

Aus der Forschung geht hervor, dass diese Zellkörper bei Legasthenie ihre Funktionen nicht ausreichend differenzieren, was zu visuellen Funktionsstörungen und Funktionsüberschneidungen zwischen den beiden Bahnen führt.

Es gibt Hinweise darauf, dass Fehlfunktionen in den magno-zellulären Bahnen für die Schwierigkeiten bei der visuellen Bewegungserkennung bei Legasthenie verantwortlich sind.

Funktionsstörungen in der Beziehung zwischen den beiden Bahnen wirken sich auf die Formwahrnehmung aus, wenn ein hoher Kontrast zwischen dunkler Schrift auf hellem Hintergrund besteht.

DCD wird im Diagnostic Statistical Manual of Mental Disorders 5 (DSM-5) als ein Zustand definiert, bei dem

A) der Erwerb und die Ausführung koordinierter motorischer Fähigkeiten wesentlich unter dem liegen, was angesichts des chronologischen Alters des Individuums und der Gelegenheit des Erlernens und der Ausübung von Fähigkeiten zu erwarten ist. Die Schwierigkeiten äußern sich in Ungeschicklichkeit (z. B. Fallenlassen von oder Anstoßen an Gegenstände) sowie in Langsamkeit und Ungenauigkeit der Ausführung der motorischen Fähigkeiten (z. B. Auffangen eines Gegenstandes, Gebrauch von Schere oder Besteck, Handschrift, Fahrradfahren oder Teilnahme an Sportarten).

B) die motorischen Fähigkeiten in Kriterium A signifikant und anhaltend diejenigen Aktivitäten des täglichen Lebens stören, die dem chronologischen Alter angemessen sind (z. B. Körperpflege und Selbstversorgung), mit Auswirkung auf die akademische/schulische Leistungsfähigkeit, die vorberuflichen und beruflichen Aktivitäten, die Freizeit und das Spiel.

C) die Symptome in der frühen Entwicklungsphase auftreten.

D) die motorischen Defizite sich nicht durch eine geistige Behinderung (geistige Entwicklungsstörung) oder Sehbehinderung erklären lassen und auch nicht auf eine neurologische Erkrankung zurückzuführen sind, die die Bewegung beeinträchtigt (z. B. Zerebralparese, Muskeldystrophie, degenerative Störung) [58].

DCD ist durch eine Beeinträchtigung oder Unreife in der Bewegungsorganisation gekennzeichnet. Damit verbunden sind Probleme mit der Koordination der sensomotorischen Funktionen. Jean Ayres, eine amerikanische Ergotherapeutin, die eine Methode des sensomotorischen Trainings entwickelte, das als sensorische Integration bekannt ist, erklärte die Probleme des tollpatschigen Kindes aus seinen Schwierigkeiten bei der Visualisierung, der Ideation (Bewegungsplanung) und der Ausführung der Willkürmotorik. Zusätzlich zu den motorischen Problemen kann das Kind mit DCD auch Probleme mit der Wahrnehmung, der Sprache, dem Denken und dem Verhalten haben. Diese sind in der Regel eine sekundäre Folge des primären sensomotorischen Koordinationsproblems. Die Symptome von DCD lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen: motorische Koordination, Wahrnehmungsleistungen und Lernfähigkeiten (Tabelle 1-9 und Tabelle 1-10).

|27|Tabelle 1-9:  Motorische Koordinationssymptome bei DCD

Symptom

Zugrundeliegende Mechanismen/Systeme

Hypotonie (niedrige Muskelspannung), die sich in schlechter Körperhaltung und Müdigkeit äußern kann

Vestibulär/postural, häufig verbunden mit Restreaktionen eines symmetrisch tonischen Nackenreflexes

Mangelnde Koordination bei der Benutzung der beiden Körperseiten

Bilaterale Koordination, gelegentlich verbunden mit Restreaktionen eines asymmetrisch tonischen Nackenreflexes

Vertikale Mittellinienprobleme

Beibehaltener asymmetrisch tonischer Nackenreflex

Schlechtes Gleichgewicht

Vestibulär, postural, unreife Kopfstell- und Gleichgewichtsreaktionen

Mangelnde Rumpfdifferenzierung

Ober- und Unterkörper-Integration (symmetrisch tonischer Nackenreflex)

Motorische Aufgaben werden mühselig gelernt und müssen lange geübt werden; Erfolg ist aber nicht von Dauer

Kortikale Kompensation unreifer posturaler Kontrolle, schlechte bilaterale Integration

Richtungsprobleme, z. B. oben/unten, rechts/links, vorne/hinten, vorher/nachher

Räumlich (vestibulär)

Grob- und feinmotorische Koordinationsprobleme, z. B. Fahrradfahren lernen, knöpfen, Schnürsenkel binden usw.

Vestibuläre, propriozeptive, visuelle und visuomotorische Integration

Schwierigkeiten bei der Hand-Auge-Koordination, z. B. beim Werfen oder Fangen eines Balls, beim Einfädeln einer Nadel, beim Abschreiben und Malen

Primäre oder sekundäre visuelle Probleme: Primäre Probleme, die aus dem Sehvermögen resultieren; sekundäre Probleme, die aus okulomotorischen Problemen resultieren, die eine Folge einer Unreife des ZNS und eines Clusters unreifer primitiver und posturaler Reflexe sind.

Schlechte manuelle Geschicklichkeit mit Dysdiadochokinese

Schlechte feinmotorische Kontrolle – als mögliche Folge oraler Reflexe oder des palmaren Greifreflexes

Mangelnde Schnelligkeit und Klarheit der Sprache

Kann von vielen Arealen im Gehirn ausgehen; motorische Aspekte der Sprache können durch Restreaktionen oraler Reflexe beeinträchtigt werden

Dysdiadochokinese – Schwierigkeit mit der Ausführung schnell aufeinander folgender antagonistischer Bewegungen; kann die Finger, Hände, Füße und den Sprachapparat beeinträchtigen.

Diese Kombination motorischer und sensorischer Probleme kann dann auf vielfältige Weise die Lernfähigkeit beeinträchtigen.

|28|Tabelle 1-10:  Sensorische Verarbeitungsprobleme bei DCD

Symptome

Zugrundeliegende Mechanismen/Systeme

Über- oder unterempfindlich in einer oder mehreren Sinnesmodalitäten

Schlechte Integration zwischen den sensorischen Systemen – dafür kann es eine Reihe von Ursachen geben; die Entwicklungsgeschichte ist wichtig, um spezifische zugrundeliegende Faktoren zu identifizieren

Taktile Überempfindlichkeit mit der Tendenz, sich aus Kontakten zurückzuziehen; Hyposensibilität, die zu einem schlecht entwickelten Körperbild und zu Schwierigkeiten beim Erkennen von Formen und Texturen führen kann

Kann durch Persistenz von Moro-Reflex oder frühkindlichen taktilen Reflexen bedingt sein

Vestibuläre Probleme, die zu einem schlechten Gleichgewicht führen; schlechte Raumwahrnehmung; eingeschränkte Fähigkeit, genaue räumliche Beurteilungen zu treffen in Bezug auf Richtung, Geschwindigkeit und Taktung

Hyper- oder hypovestibulär; kann eine primäre oder sekundäre Dysfunktion als Folge nicht gehemmter vestibulärer Reflexe und unterentwickelter Stell- und Gleichgewichtsreaktionen beim älteren Kind sein, was zu einer Fehlanpassung der Rückkopplungsschleife vom propriozeptiven System zum vestibulären System führt

Auditive Verarbeitungsprobleme: Lautdiskriminierung, Orientierung, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Wegfiltern von Hintergrundgeräuschen

Vorgeschichte von Hörbeeinträchtigungen; einseitige Hörminderung, schwach entwickelte auditive Lateralität, Persistierender Moro-Reflex

Visuell: Steuerung der Augenbewegungen, visuelle Unterscheidung, räumliche Organisation, Formkonstanz, Figur-Grund-Effekt, Stimulusgebundenheit

Primäre Refraktionsstörungen (Sehkraft); bei nicht vorliegendenen Refraktionsstörungen sind okulomotorische Probleme, die zu visuellen Wahrnehmungsstörungen führen, wahrscheinlich auf zugrundeliegende posturale Dysfunktionen zurückzuführen; spezifische visuelle Wahrnehmungsstörungen können aus einer Schädigung des rechten Stirnlappens resultieren

1.10.1  Lernprobleme

Probleme bestehen in folgenden Bereichen bzw. Tätigkeiten:

Aufmerksamkeit und Konzentration

Organisation

visuelles und auditives Dekodieren und Behalten

Schreiben

Abschreiben

Lesen

Präsentation der Arbeit

Einige Anzeichen und Symptome sind für sich spezifisch für eine bestimmte diagnostische Kategorie, während andere von allen geteilt werden.

1.11  Aufmerksamkeitsdefizitstörung

Das wesentliche Merkmal von ADS ist ein anhaltendes Muster der Unaufmerksamkeit, das häufiger und ausgeprägter ist, als es typischerweise bei Individuen mit vergleichbarem Entwicklungsstand zu beobachten ist. Unaufmerksamkeit manifestiert sich als Ablenkbarkeit, mangelnde Ausdauer, Schwierigkeit, den Fokus aufrechtzuerhalten, und als Desorganisation. Diese Symptome sind nicht auf Trotz oder mangelndes Verständnis zurückzuführen [58].

ADHS wird heute als eine von ADS getrennte Kategorie klassifiziert. Zusätzliche Kriterien sind beständige Unaufmerksamkeit, |29|verbunden mit übermäßiger, nicht angemessener motorischer Aktivität, übermäßiges Herumzappeln, Erzeugen von Geräuschen oder Redseligkeit und Impulsivität – Verhaltensmuster, die häufiger und ausgeprägter sind als bei Individuen eines vergleichbaren Entwicklungsstadiums. Impulsivität bezieht sich auf voreilige Handlungen, die ohne Vorbedacht unvermittelt schlagartig stattfinden und ein hohes Verletzungspotenzial für die Person haben. Die Symptome von ADHS treten vor dem 12. Lebensjahr auf und müssen an mindestens zwei Orten (z. B. zu Hause und in der Schule) vorkommen. Es müssen eindeutige Hinweise auf eine Beeinträchtigung der weiteren entwicklungsgemäßen sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsfähigkeit vorliegen.

ADS und ADHS scheinen viele Ebenen innerhalb der Hierarchie des Gehirns zu umfassen: von der Unfähigkeit des Kortex, sich auf Aufgaben zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit beizubehalten und zu lenken, bis hin zu unterstützenden Systemen, die an der räumlichen Organisation, der sensorischen Integration und der auditiven Verarbeitung beteiligt sind und die die höheren kognitiven Funktionen unterstützen sollten.

Als klinische Kriterien für ADS wurde das Vorhandensein von sechs oder mehr der folgenden Anzeichen festgelegt, die seit mindestens 6 Monaten andauern und dies in einem Ausmaß, das fehlangepasst ist und nicht mit dem Entwicklungsstand übereinstimmt:

häufiges Übergehen von Details oder nachlässige Fehler bei Schulaufgaben, bei der Arbeit oder anderen Aktivitäten;

häufig Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit für Aufgaben oder Spielaktivitäten aufrechtzuerhalten;

häufig scheinbares Nicht-Zuhören bei direkter Ansprache;

häufig ein Nicht-Befolgen von Anweisungen, Hausaufgaben, häusliche Pflichten und Aufgaben am Arbeitsplatz werden nicht zum Abschluss gebracht;

häufig Schwierigkeiten bei der Organisation von Aufgaben und Aktivitäten;

häufige Vermeidung von Aufgaben, die eine anhaltende geistige Anstrengung erfordern, Ablehnen oder Zögern, sich darauf einzulassen;

häufiges Verlieren von Dingen, die für Aufgaben oder Aktivitäten notwendig sind;

häufig schnelle Ablenkung durch äußere Reize;

häufige Vergesslichkeit bei den täglichen Aktivitäten;

übermäßiges Tagträumen;

Häufiges Ins-Leere-Starren;

Lethargie;

Verwirrtheit;

Gedächtnisprobleme.

Man geht derzeit davon aus, dass ADS das Ergebnis eines Problems im Verarbeitungssystem des Gehirns ist, während ADHS mit dem auf das Verhalten bezogene motorischen System verbunden ist [61].

1.11.1  Symptome von ADHS

Sechs oder mehr der folgenden Anzeichen müssen seit mindestens 6 Monaten andauern und dies in einem Ausmaß, das fehlangepasst ist und nicht mit dem Entwicklungsstand übereinstimmt (Tabelle 1-11):

1.12  Underachievement (Nichtintelligenzgemäße Leistungen)

Es gibt auch eine Gruppe von Kindern, die weder für eine formale Untersuchung in Frage kommen noch in eine bestimmte diagnostische Kategorie passen. Dabei handelt es sich in der Regel um Kinder mit überdurchschnittlicher Intelligenz, die in der Lage sind, ihre motorischen und posturalen Defizite soweit zu kompensieren, dass sie schulische Leistungen erbringen, die ihrem chronologischen Alter |30|entsprechen oder gerade „gut genug“ sind, um die Mindestanforderungen der gängigen schulischen Leistungstests zu erfüllen. Diese aufgeweckten Kinder werden durch ihre unerkannten motorischen und posturalen Probleme gebremst und neigen dazu, „im System verloren zu gehen“, weil man davon ausgeht, dass sie ja einigermaßen akzeptable Ergebnisse erzielen. Eine Überprüfung dieser Gruppe auf neurologische Funktionsstörungen zeigt häufig ein Profil neurologischer Unreife, welches durch die von ihnen eingesetzten Kompensationsleistungen überdeckt wird. Wenn die zugrundeliegenden Probleme identifiziert und behoben werden, übersteigt die dann mögliche kognitive Leistungsfähigkeit in der Regel die vorherigen Erwartungen.

Tabelle 1-11:  Kriterien für ADHS

Symptome

Physische Mechanismen/involvierte Systeme

Zappelt oft mit Händen oder Füßen oder windet sich im Sitz

Unreife posturale Kontrolle, Unfähigkeit überflüssige Bewegungen im Ruhezustand zu hemmen, kann mit einer schlechten Regulierung des Neurotransmitters Dopamin einhergehen

Verlässt oft seinen Sitzplatz in der Klasse oder in anderen Situationen, in denen es unangebracht ist

Retikuläres Aktivierungssystem (RAS), das an Erregung und Aufmerksamkeit beteiligt ist, Frontallappen (willkürliche Kontrolle der Aufmerksamkeit), temporal-parietale Regionen (unwillkürliche Aufmerksamkeit [62])

Läuft oft herum, klettert auf Tisch und Stühle in Situationen, in denen es unangebracht ist

Schlechte Bewegungshemmung oder mangelnde Fähigkeit, die „Sitzruhe“ aufrechtzuerhalten, unreife Körperhaltung und motorische Fähigkeiten, ständiges Bedürfnis, das vestibuläre System zu stimulieren (hypoaktives Vestibularsystem)

Hat oft Schwierigkeiten, beim Spielen oder bei Freizeitaktivitäten ruhig zu sein

Braucht kontinuierliches sensorisches (auditives und verbales) Feedback, scheint unfähig zu sein, Gedanken zu „verinnerlichen“

Ist oft „auf dem Sprung“ oder verhält sich wie „von einem Motor angetrieben“

Unfähig, übermäßige Bewegung zu hemmen; benötigt ständiges motorisches und sensorisches Feedback; muss einen Gang herunterschalten (die Drehzahl erhöhen), um weitermachen zu können; hängt vermutlich mit der langsameren Feuerungsrate in den Beta-Hirnwellen zusammen; wahrscheinlich auf eine Kombination aus hypovestibulärer Funktion, unreifer Motorik und Übererregbarkeit (RAS) zurückzuführen; Unterschiede in der Verfügbarkeit von Neurotransmittern und abnormale Hirnwellenvariationen

1.13  Die senso-motorische Verbindung

Allen Lebensformen gemeinsam ist das Merkmal der Bewegung. Bewegung ist der zentrale Bestandteil aller Formen der sensorischen Wahrnehmung und des motorischen Outputs. So besteht z. B. das vestibuläre System (Gleichgewichtsmechanismus) aus spezialisierten Rezeptoren, die auf langsame Bewegungen des Kopfes reagieren. Der Tastsinn entsteht durch die Wahrnehmung von Bewegung über feine, in die Dermis der Haut eingebettete Haare oder durch auf die Haut ausgeübten Druck. Der Gehörsinn nimmt Vibrationen wahr, die sich kurz nach der Geburt mit Geschwindigkeiten von 20 bis 20 000 Hz bewegen und sich in den ersten 3 bis 6 Lebensjahren auf einen kleineren Frequenzbereich verengen. Was wir als Schall wahrnehmen, ist die Fähigkeit der Schallrezeptoren, einen bestimmten Bereich von Bewegungsfrequenzen zu |31|erkennen. In ähnlicher Weise ist das Sehvermögen – vereinfacht ausgedrückt – die Reaktion spezialisierter Rezeptoren im Auge, die Photonen und Lichtwellen erkennen, die sich mit noch schnelleren Frequenzen bewegen. Während die Sinne, die jeweils auf eine andere Art von Bewegung spezialisiert sind, das Gehirn über momentane Veränderungen in der inneren und äußeren Umwelt informieren, ist es die Aufgabe des ZNS, diese Impulse weiter zu leiten und in sinnvolle Empfindungen umzuwandeln. Sensorische Erfahrung und Erregung sind nur die ersten Phasen der Wahrnehmung.

Während die sensorischen Systeme Informationen über die Umwelt liefern (fühlen), erfolgt die Integration sensorischer Erfahrungen als Resultat einer Aktivität oder einer motorischen Leistung als Reaktion auf sensorische Signale (machen). Die Steuerung motorischer Fähigkeiten wird durch die Körperhaltung unterstützt, und eine gute Haltungskontrolle ist das Produkt eines integrierten Reflexsystems. Auf diese Weise fungiert das Reflexsystem als Grundlage, auf der höhere posturale und von Bewegung abhängige Fähigkeiten aufgebaut werden. Der Sehsinn ist ein Beispiel dafür, wie eng sensorische und motorische Funktionen miteinander verflochten sind.

„Nichts, was man sieht, wird allein durch den Sehsinn verstanden“ [63]. Mit anderen Worten: Was wir als Erwachsene durch das Sehen erleben, ist eigentlich das Produkt jahrelanger multisensorischer Erfahrungen. Der Sehsinn ist ein hochgradig komplexer Sinn, der sich als Folge des Sehens in Verbindung mit Bewegungen, Berührungen und propriozeptiven Rückmeldungen der Muskeln, Sehnen und Gelenke des Körpers als Reaktion auf die Bewegung des Körpers durch den Raum entwickelt hat. Ein Neugeborenes weiß nichts über Entfernung, Geschwindigkeit oder Tiefe. Seine visuelle Wahrnehmung ist auf eine Entfernung von etwa 17 cm vom Gesicht aus begrenzt und die weiteren Eigenschaften von Gegenständen haben wenig Bedeutung, solange sie nicht auch mit den anderen Sinnen erlebt wurden. Die Stimme der Mutter und der Geschmack ihrer Milch sind einem Neugeborenen in den ersten Lebenstagen vertrauter als ihr Aussehen, aber die Geruchs-, Schall- und Tastsinne helfen dem Baby, sie innerhalb weniger Tage visuell zu erkennen.

Der Suchreflex wurde bereits als ein allseits bekanntes Beispiel für einen primitiven Reflex beim Neugeborenen erwähnt. Er dient auch als Beispiel dafür, wie ein Sinnessystem in Kombination mit Bewegungserfahrung hilft, einen anderen Sinn zu trainieren. Der Suchreflex sorgt dafür, dass sich der Mund des Neugeborenen nach seitlicher Berührung öffnet, der Kopf sich dreht und das Baby auf der Suche nach der Brust sich an ein Objekt zu schmiegen versucht. (Katzen tun etwas Ähnliches, wenn sie hungrig sind.) Wenn das Baby Befriedigung für seine Suchanstrengungen findet, wird innerhalb weniger Wochen der Anblick der Brust oder des Fläschchens allein ausreichen, um Saugbewegungen auszulösen.

Auch interessant ist, dass die Fokussierungsdistanz eines Babys bei der Geburt ungefähr gleich dem Abstand zwischen der Brust und dem Gesicht der Mutter ist. Wenn ein Baby saugt, tendieren seine Augen dazu, in der Nahdistanz zu konvergieren, was dazu beiträgt, die Augenmuskeln zu trainieren, damit sie sich darauf ausrichten, das Objekt in der Nahdistanz zu fokussieren und die beiden getrennten Objekte, die jedes Auge sieht, zu einem klaren Bild anstelle von zweien zu „fusionieren“. Das Saugen unterstützt daher einen okulomotorischen Trainingsprozess, der in der Folge die komplexeren visuellen Wahrnehmungsfähigkeiten unterstützen wird, die später für das Lesen, Schreiben und die Einschätzung der Geschwindigkeit sich bewegender Objekte in anspruchsvollerer Weise erforderlich sind. Die Augen sind lediglich ein Fenster für das Gehirn. Um das Gesehene „sinnvoll“ zu erfassen, muss das Gehirn zusätzliche Informationen von anderen Sinnen in Kombination mit motorischer Erfahrung erhalten. Das Reflexprofil eines Kindes kann zusätzliche Informationen über die motorische Kompetenz bezüglich des chronologischen Alters liefern und helfen zu erklären, wa|32|rum beispielsweise die okulomotorischen Fähigkeiten eines Kindes unreif sind.

1.14  Theorien motorischer Kontrolle

Das Gehirn besteht aus vielen separaten Entitäten, die alle miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Zum Zeitpunkt der Geburt sind die Verbindungen zur obersten Schicht der Hirnrinde nur schwach ausgebildet; doch in den ersten Lebensmonaten und -jahren bildet das sich entwickelnde Nervensystem Millionen neuer Verbindungen zwischen den Nervenzellen, die ein Kommunikationsnetz oder neuronale Schaltkreise von fast unvorstellbarer Komplexität darstellen. Auf diesen neuronalen Schaltkreisen – Schaltkreise, die sich während des ganzen Lebens anpassen und verändern werden – basieren Verhalten und Lernen. Die Anordnung der Verbindungen zwischen den motorischen Bereichen wird manchmal als eine Hierarchie von Systemen angesehen. Diese umfasst mehrere Ebenen der Kontrolle und ist offen für Veränderungen, die durch viele Einflüsse – entwicklungsbedingt, biochemisch und umweltbedingt – hervorgerufen werden. Eine Methode, um die Reife dieser hierarchisch aufgebauten Funktionsweise zu beurteilen, ist die Überprüfung der Reflexe.

Während des normalen Entwicklungsprozesses verläuft die funktionelle Steuerung und organisierte Kontrolle der Bewegung von den untersten Regionen des Gehirns (dem Hirnstamm) bis zur höchsten Ebene des ZNS, dem Kortex. Dieser Prozess der Kortikalisierung ist gekennzeichnet durch die Entstehung von Verhaltensweisen, die auf sequenziell höheren Ebenen im ZNS organisiert sind, wobei niedrigere Ebenen im Laufe der Reifung in den Dienst höherer Funktionen gestellt werden. Jede Ebene des Nervensystems kann auf andere Ebenen wirken, höhere und niedrigere, in beide Richtungen, je nach Aufgabe. Der Reflexstatus kann daher Hinweise geben, wie es um eine Integration bezüglich der Funktionstüchtigkeit des Gehirns bestellt ist, und auf spezifische Rezeptoren hinweisen, die an einer bestehenden Problematik beteiligt sein können. Um zu verstehen, was uns primitive Reflexe und posturale Reaktionen sagen können, ist es notwendig zu wissen, was sie sowohl einzeln als auch gemeinsam in der frühen Entwicklung bewirken, wann sie gehemmt werden, welche Wechselbeziehung zwischen der Hemmung und der Entwicklung neuer Fähigkeiten besteht, und welche Auswirkungen es haben kann, wenn primitive Reflexe nicht gehemmt werden oder wenn sich die posturalen Reaktionen nicht vollständig entwickeln. In Kap. 2 bis Kap. 5 werden wir die Reflexe nach ihren wichtigsten Sinnesrezeptoren untersuchen: den Moro-Reflex, einen multisensorischen Reflex, Reflexe der Kopfposition, taktile Reflexe und posturale Reaktionen.

1

Um im englischen Sprachbild zu bleiben, wird an manchen Stellen die englische Schreibweise von Koordination beibehalten. (Anm. d. Übers.)

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