Kopf schlägt Kapital - Günter Faltin - E-Book

Kopf schlägt Kapital E-Book

Günter Faltin

4,6

Beschreibung

Viele glauben zu wissen, wie es geht. Wenige tun es wirklich. Noch weniger sind damit erfolgreich. Etwas ist falsch an der Art, wie wir versuchen Unternehmen zu gründen. Dabei geht es auch ganz anders: Ein Ideen-Kunstwerk schaffen und das eigene Unternehmen aus vorhandenen, jedermann zugänglichen Komponenten zusammensetzen. Den Kopf freihalten für die wichtigen Fragen. Den Horizont im Auge behalten, statt in den Alltagsanforderungen unterzugehen.Nur ein schöner Traum? Keineswegs. Wer heute erfolgreich gründen will, muss sogar so vorgehen. Günter Faltin zeigt an vielen Beispielen, wie jeder ganz praktisch an eigenen Ideen arbeiten kann, sie wie ein Puzzle kombiniert und daraus etwas Neues schafft - das eigene Unternehmen. Je unkonventioneller man denkt, um so besser!Buchhaltung und Rechnungswesen? Sollte ein Gründer denen überlassen, die das schnell, zuverlässig und zu niedrigen Preisen erledigen. Versand, Verpackung und Logistik? Auch dafür gibt es Profis. Günter Faltin lehrt seine Methode seit vielen Jahren - und ist damit sehr erfolgreich: Die von ihm gegründete "Teekampagne" funktioniert nach diesem Modell: Sie hat mehr als 180.000 Kunden, ist das größte Teeversandhaus Deutschlands und der größte Importeur von Darjeeling-Tee weltweit. Eine ganze Reihe weiterer Unternehmen, die im Umfeld des Hochschullehrers entstanden, wenden seine Prinzipien erfolgreich an.Dieses Buch ist die Chance für Menschen mit Ideen, die engagiert sind, die etwas verbessern wollen.

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Über das Buch

Viele glauben zu wissen, wie es geht. Wenige tun es wirklich. Noch weniger sind damit erfolgreich. Etwas ist falsch an der Art, wie wir versuchen Unternehmen zu gründen.

Dabei geht es auch ganz anders: Ein Ideen-Kunstwerk schaffen und das eigene Unternehmen aus vorhandenen, jedermann zugänglichen Komponenten zusammensetzen. Den Kopf freihalten für die wichtigen Fragen. Den Horizont im Auge behalten, statt in den Alltagsanforderungen unterzugehen.

Nur ein schöner Traum? Keineswegs. Wer heute erfolgreich gründen will, muss sogar so vorgehen. Günter Faltin zeigt an vielen Beispielen, wie jeder ganz praktisch an eigenen Ideen arbeiten kann, sie wie ein Puzzle kombiniert und daraus etwas Neues schafft – das eigene Unternehmen. Je unkonventioneller man denkt, um so besser!

Buchhaltung und Rechnungswesen? Sollte ein Gründer denen überlassen, die das schnell, zuverlässig und zu niedrigen Preisen erledigen. Versand, Verpackung und Logistik? Auch dafür gibt es Profis.

Günter Faltin lehrt seine Methode seit vielen Jahren – und ist damit sehr erfolgreich: Die von ihm gegründete »Teekampagne« funktioniert nach diesem Modell: Sie hat mehr als 180.000 Kunden, ist das größte Teeversandhaus Deutschlands und der größte Importeur von Darjeeling-Tee weltweit. Eine ganze Reihe weiterer Unternehmen, die im Umfeld des Hochschullehrers entstanden, wenden seine Prinzipien erfolgreich an.

Dieses Buch ist die Chance für Menschen mit Ideen, die engagiert sind, die etwas verbessern wollen.

Günter Faltin

Kopf schlägt Kapital

Die ganz andere Art, ein Unternehmen zu gründen Von der Lust, ein Entrepreneur zu sein

Carl Hanser Verlag

»Wirtschaften ist etwas viel zu Wichtiges, als dass wir es allein den Ökonomen überlassen sollten.«

frei nach Otto v. Bismarck

Inhalt

Vorwort zur Neuausgabe

1 Einleitung

1.1 Eigentlich muss man verrückt sein

1.2 Faszination Ökonomie

2 Fallstudie Teekampagne

2.1 Die Entstehungsgeschichte der Idee

2.2 Der ökonomischen Vernunft folgen?

2.3 »Keine Ahnung von der Praxis«

2.4 Und wie das Ganze finanzieren?

2.5 Ein gutes Konzept eröffnet neue Wege

2.6 Der Hauptaspekt gerät in den Hintergrund

2.7 Nicht bei den konventionellen Formen stehen bleiben

2.8 Und wie funktionierte das Marketing der Teekampagne?

3 Konzept-kreative Gründungen

3.1 Olivenöl

3.2 Das konventionelle Büro neu denken

3.3 RatioDrink

3.4 Direkt zur Kanzlerin

3.5 Die Webcam nutzen

3.6 Wie kommt man auf solche Geschäftsideen?

4 Stiefkind Konzept – Es lohnt, an der Idee zu arbeiten

4.1 Es geht nicht um flüchtige Ideen oder Einfälle

4.2 Ein eigenes Ideenkonzept entwickeln

4.3 Erfindung und Innovation unterscheiden

4.4 Entrepreneurship von Business Administration unterscheiden

4.5 Patente oder neue Technologien sind nur Rohmaterial

4.6 Auf das Entrepreneurial Design kommt es an

4.7 Was ein gutes Entrepreneurial Design leisten muss

4.8 Am Puzzle arbeiten

4.9 Ein Ideenkunstwerk schaffen

4.10 Wer das Prinzip verstanden hat, kann viele Unternehmen gründen

4.11 Erfolgreiche Unternehmen entstehen im Kopf

5 Der Überforderungsfalle entgehen

5.1 Der Unternehmer als Alleskönner – Warum wir diesen Zopf abschneiden müssen

5.2 Wissen um die eigene Unwissenheit oder: Die Kunst des Beurteilens und Kooperierens

5.3 Wo die Gründungsberatung versagt – Das Beispiel der Künstlerin Dorothee

5.4 »Selbständig sein heißt, alles selbst zu machen und das ständig«

5.5 Management-Aufgaben übernehmen?

5.6 Einfachste kaufmännische Prinzipien befolgen

5.7 Declaration of Independence

5.8 Das Abenteuerrestaurant

6 Gründen mit Komponenten

6.1 Gründen live

6.2 Komponenten einsetzen

6.3 Wachstumskrisen den Boden entziehen

6.4 »Embedded Knowledge« (eingebettetes Wissen) nutzen

7 Im Konzert der Großen mitspielen

7.1 Können Sie sich vorstellen, eine Industrieanlage zu bauen?

7.2 Leistungspakete einkaufen

7.3 Komponieren Sie Ihr Unternehmen

7.4 Ein Beispiel: Wie man Zahnbürsten preiswerter macht

7.5 Kapital ist nicht der Engpass

7.6 Persönlichkeit statt Anonymität

7.7 Haben Sie selbst Lust auf eine kleine Unternehmung bekommen?

7.8 Marktführer über Nacht

7.9 Gründen – noch während der Festanstellung

8 Wie Sie Ihr eigenes Ideenkunstwerk schaffen

8.1 Die Idee »öffnen«

8.2 Sieben Techniken zur Arbeit am Entrepreneurial Design

8.3 Über den Sinn und Unsinn von Businessplänen

8.4 Und wie kann ich auf meine Gründung aufmerksam machen?

8.5 Die Flaschenbaustein-Idee

9 Setzen Sie sich für ein Anliegen ein – »Go for a cause«

9.1 Mythos Gewinnmaximierung

9.2 Social Entrepreneurship

9.3 Muss man zum Entrepreneur geboren sein?

9.4 Nicht die Ressource, sondern das Konzept gibt den Ausschlag

9.5 Entrepreneurship als Abenteuerurlaub

9.6 Die Persönlichkeit rückt in den Mittelpunkt

9.7 Grundprinzip menschlichen Gestaltungswillens: Effizienz

9.8 Aktiv am Marktgeschehen teilnehmen

9.9 »Ein leerer Sack kann nicht aufrecht stehen« – Die zweite Stufe der Aufklärung zünden

10 Von Denkgewohnheiten Abschied nehmen

10.1 Was tun, wenn die ökonomische Basis wegbricht? Das Beispiel Manaus, Brasilien

10.2 Wir brauchen innovative Gründungen …

10.3 … aber es muss nicht immer Hightech sein

10.4 Ist der Unternehmensgeist ausgewandert?

10.5 Cultural Entrepreneurship: In neue Ideenräume vorstoßen

11 Aufforderung zum Tanz

Anhang

Jeder kann Entrepreneur werden. Interview mit Professor Muhammad Yunus (Auszug)

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Der Autor

Ausgewählte Veröffentlichungen

Dank

Vorwort zur Neuausgabe

Kopf schlägt Kapital ist seit seinem Erscheinen über 150.000 Mal verkauft worden – ein Zeichen dafür, wie das Thema Entrepreneurship in den vergangenen Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen hat. Medien, Politik und die Wirtschaft entdecken den Charme des Gründens, das innovative Potenzial von Start-ups und die Wirtschaftskraft junger Unternehmen.

Das Thema ist aktueller denn je. Anstoß für mich, das Buch umfassend zu überarbeiten und dabei die aktuellen Entwicklungen und ihre Chancen und Risiken auszuloten.

Kaum eine andere Tätigkeit bietet uns so viele Möglichkeiten, unser Potenzial zu nutzen und unser Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, wie die des Entrepreneurs.

Stoßen wir das Tor weit auf!

Auch Sie haben das Potenzial zum Gründer.

Es stimmt nicht, dass Sie zum Unternehmer geboren sein müssen. Es stimmt nicht, dass Sie zwölf bis 14 Stunden am Tag arbeiten müssen, dass Sie ein Patent und viel Kapital brauchen. Es stimmt nicht, dass Sie das Instrumentarium der Betriebswirtschaftslehre beherrschen müssen, dass Sie detaillierte Kenntnisse der Rechtsfragen, des Marketings oder der Finanzierung benötigen. Es stimmt nicht, dass Sie als kleiner Selbständiger – mit viel Arbeit, aber wenig Einkommen – enden müssen. Ich sage das nicht einfach leichtfertig dahin, sondern mit der Erfahrung und der Überzeugung aus 30 Jahren Beschäftigung mit dem Gründungsthema.

Wir leben im 21. Jahrhundert. Die Institutionen der Gründerberatung stammen aus dem 20. Jahrhundert. Die Vorstellungen, wie man gründet, stammen im Kern aus dem 19. Jahrhundert.

Was Sie wirklich brauchen, ist ein durchdachtes und ausgereiftes Konzept. Einfälle und Ideen gibt es viele, gute Gründungskonzepte dagegen sind ausgesprochen rar. Darin liegt der Engpass – nicht in fehlenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen oder dem Mangel an Kapital.

Ja, mit einem Einfall fängt es an. Aber dann heißt es: recherchieren, an der Idee arbeiten, darüber brüten. Die Idee wächst, gewinnt an Tiefe und an Umfang. Die Konturen eines Konzepts entstehen. Man verwirft, entwirft neu, erlebt Durchbrüche, Rückschläge, vermeintliche und echte Barrieren. Schiebt Teile des Konzepts hin und her, wie in einem Puzzle, bis sie zur Passung gebracht werden.

Um die Energie aufzubringen, die wir brauchen, gute Konzepte zu erarbeiten, müssen wir an unseren Stärken ansetzen, nicht an unseren Schwächen. Daher muss das Konzept zu Ihrer Person passen. Muss mit Ihnen stimmig sein, mit Ihren Fähigkeiten und Werten übereinstimmen. Nur so bringen Sie die Kraft und das Durchhaltevermögen auf, ein tragfähiges Konzept zur Reife zu bringen und auch gegen Widerstände durchzusetzen.

Um erfolgreich gründen zu können, müssen Sie drei Schritte gehen:

Entrepreneurship nicht länger mit Business Administration gleichsetzen. (Das ist der leichteste Schritt.)

Eine Ausgangsidee finden, daran arbeiten, noch mehr daran arbeiten, so lange, bis Sie ein Ideenkonzept haben, das deutlich überzeugender ist als die Konventionen, die Sie vorfinden. (Das ist der schwierigste Schritt.)

Mit bereits vorhandenen Komponenten gründen, statt alles selbst im eigenen Unternehmen aufzubauen. (Das ist der Schritt, der Sie von Kapital fast unabhängig macht.)

Unsere Gesellschaft braucht mehr Menschen, die unternehmerisch denken und handeln, braucht mehr unternehmerische Konzepte, die auf die Probleme unserer Zeit antworten: mit ökonomischer, ökologischer und künstlerischer Fantasie.

Die Zeit ist reif. Wir befinden uns in einer historisch einmaligen Situation. Noch nie waren die Voraussetzungen so günstig und die Mittel für jedermann so zugänglich wie heute. Eigenes unternehmerisches Handeln wird zur Perspektive für eine ganze Generation werden.

Werden Sie Entrepreneur.

Es gibt keine bessere Alternative.

Günter Faltin

1 Einleitung

»Viele Wege führen nach Rom.«

Dieser Satz aus der Antike gilt auch für die Wege, ein Unternehmen zu gründen. Aber nicht alle Wege sind gleich. Manche scheinen eng, geheimnisvoll; andere klar und offen. Beschwerlich, mit harter Arbeit verbunden, seien sie alle – so heißt es.

Auffallend ist, dass Sie unterwegs viele Berater treffen, die vorgeben, den Weg zu kennen, ohne ihn selbst gegangen zu sein. Noch auffallender ist, dass Sie bei näherem Hinsehen den Hauptweg verschlossen finden. Wer von uns Normalmenschen verfügt schon über ein technisches Patent, ein Forschungsergebnis oder viel Kapital?

Das vorliegende Buch beschreibt einen bislang wenig erkannten Weg – einen Weg, der mit Ideen und ihrer Entwicklung zu tun hat und sich nicht vorrangig mit kaufmännischen Techniken und Kapitalsuche beschäftigt. Einen zeitgemäßeren Weg, so könnte man sagen, der moderne, jedermann zugängliche wirtschaftliche Instrumente als Komponenten einsetzt und damit den Bereich des Unternehmerischen viel mehr Menschen zugänglich macht, als es heute der Fall ist. Einen Weg, der die Gründerfigur dem Künstler und Komponisten ähnlicher werden lässt als dem klassischen Unternehmer und Manager. Es ist ein Weg, den der Verfasser selbst gegangen ist und aus eigener Erfahrung beschreibt.

Auch nach Rom kann man heutzutage unbeschwerlicher und preiswerter gelangen als je zuvor.

1.1 Eigentlich muss man verrückt sein

Eigentlich muss man verrückt sein, wenn man Unternehmer werden will: Zwölf bis 14 Stunden pro Tag müsse man arbeiten, kein Urlaub in den nächsten Jahren, wenig oder kein Privatleben mehr. Man riskiert, Freunde oder Partner an weniger gestresste Menschen zu verlieren. Morgens im Büro der Erste und abends der Letzte. Von Buchhaltung sollen Sie was verstehen und von Bilanz. Vom Steuerrecht müssen Sie Ahnung haben, vom Unternehmensrecht, vom Arbeitsrecht, aber auch vom Vertragsrecht. Personal sollen Sie führen können. Und auch mit den Finanzinstitutionen sprechen und geschickt verhandeln. Natürlich müssen Sie gutes Marketing betreiben, Ihren Laden instand halten und scharf kalkulieren. Risiken kommen auf Sie zu, und zwar zuhauf. Überhaupt: Ihre Überlebenswahrscheinlichkeit im Markt liegt bei weniger als 50 Prozent. Manche Studien sagen, dass sogar 80 Prozent der Gründer spätestens nach fünf Jahren gescheitert sind. In Aussicht steht also ein Bankrott – jedenfalls statistisch – für all die wahnsinnigen Mühen, die eben aufgezählt wurden. Um es im Klartext zu sagen: In unserer Gesellschaft und bei dem hohen Niveau von sozialstaatlicher Fürsorge, das wir erreicht haben, muss jemand eigentlich verrückt sein, wenn er ein eigenes Unternehmen gründet.

Nun gibt es in einer Gesellschaft immer auch Menschen, die nicht nur aus dem Mainstream ausscheren, sondern eine Extremkategorie bilden: alpine Bergsteiger, die enorme Risiken auf sich nehmen; Rennfahrer, Stuntmen, Ballonfahrer à la Virgin-Gründer Richard Branson, Bungee-Jumper, Trapezkünstler. Um in diesem Bild zu bleiben: Unternehmensgründer fallen in unserer Gesellschaft offensichtlich in die Kategorie solcher Sonderexistenzen. Der Gründer als Typ »Extremsportler mit masochistischem Einschlag«? Das kann es doch nicht sein.

Doch unsere Gesellschaft braucht Gründer. Und nicht nur einige wenige, sondern möglichst viele. Müssen wir dann das Gründen nicht ganz anders angehen, als dies bisher der Fall ist? Die folgenden Kapitel dieses Buches schildern Wege, aus der Malaise herauszukommen. Viele Vorstellungen, die heute noch das Gros der Gründerberatung ausmachen, kann man einfach abschneiden wie einen alten Zopf. Wir brauchen eine radikale Umorientierung. Zum Glück kommen viele Entwicklungen der modernen Wirtschaft unserem Bestreben entgegen.

1.2 Faszination Ökonomie

Schon auf der Schule las ich gern von Henry Ford, Andrew Carnegie oder Joseph Schumpeter. Nicht als Unterrichtsstoff, sondern unter der Bank. Die Beschäftigung mit Ökonomie galt zu meiner Zeit als etwas Anrüchiges, ja Unanständiges. Dabei konnte ich mir kaum etwas Spannenderes und Lehrreicheres vorstellen. Ich wurde zum Sparen erzogen. Mein erstes selbst verdientes Geld gab ich nicht aus, sondern legte es in Aktien an. Meine Eltern waren entsetzt, ebenso meine Lehrer.

Klar, dass ich Ökonomie studierte. Zu meiner Überraschung erwies sich das Gebiet, das mir als so interessant und spannend erschien, an der Universität als trocken und langweilig. Was ich als höchst lebendig erfahren hatte, war in der wissenschaftlichen Darstellung nur mehr ein Leichnam, der seziert wurde. Nun fängt man ja auch im Medizinstudium im Anatomiesaal an, kommt dann aber irgendwann zum lebendigen Menschen. Darauf wartete ich im Ökonomiestudium vergeblich. Die faszinierende Figur des Unternehmers, wie ich sie bei Schumpeter kennengelernt hatte, war durch das Postulat der Gewinnmaximierung ersetzt worden. Als Student der Ökonomie beschäftigt man sich daher hauptsächlich mit Mathematik und abstrakten Modellen. Ich brachte diese Art von Wissenschaft schnell hinter mich. Ohne Examensdruck beschäftigte ich mich fortan aber umso intensiver damit, ob es denn sein muss, dass ein so faszinierendes Feld wie Ökonomie durch diese Form von Verwissenschaftlichung zum leblosen Objekt wird.

Würde es jemandem einfallen, etwa Sport so zu lehren, dass nur noch das Interesse der Beteiligten zu gewinnen analysiert wird? Und dies mit mathematischen Formeln? So, dass im Sportunterricht nicht mehr Wettkampf stattfindet, etwa Handball gespielt wird, sondern nur noch Mathematik? Sie lachen? Was über den Wettkampf der Unternehmen gelehrt wird, ist genau dies: Ausgehend von der Gewinnmaximierungsannahme rückt das Formelhafte, rücken mathematische Modelle in den Vordergrund. Die Begegnung mit dem lebendigen Gegenstand in der Realität findet kaum mehr statt. Ökonomie wird zu Buchhaltung und Rechnungswesen, Organisation, Finanzierung, Marketing. Der Körper wird seziert. Auch andersartige Motive oder die Eigenschaften der beteiligten Personen kommen nicht mehr vor.

Die ausschließliche Betrachtung der Ökonomie unter einem einzigen Gesichtspunkt verkürzt den Gegenstand. Es geht hier nicht darum, ob das Gewinnmaximierungspostulat oder mathematische Formulierungen gut oder schlecht sind. Hier interessiert nur das (ungewollte) Ergebnis, dass die Faszination für das gesellschaftlich so wichtige Gebiet der Ökonomie nicht nur den meisten Studenten abhandenkommt, sondern auch vielen Menschen, die sich in ihm betätigen möchten.

Nun kommt es ja im Leben nicht selten vor, dass jemand gerade in den Bereich berufen wird, den er vorher scharf kritisiert hat. Als ich wenige Jahre später einen Ruf als Hochschullehrer erhielt, schwor ich mir, Ökonomie anders zu lehren. Wie besser könnte man dies tun als am Beispiel einer Unternehmensgründung?

Ich, Unternehmer werden? Der Satz ging mir damals nur schwer über die Lippen. Wie soll das bitte gehen? Ist hierzu nicht ein Patent als Ausgangsbasis, viel Kapital, vor allem aber solides betriebswirtschaftliches Handwerkszeug notwendig?

So jedenfalls die herrschende Lehre …

2 Fallstudie Teekampagne

Ein brauchbares unternehmerisches Konzept lässt sich nicht über Nacht entwickeln. Bei der Teekampagne dauerte es Jahre. Zu Beginn meiner Überlegungen stand keineswegs fest, dass es um Tee gehen würde oder um Handel. Ich hatte keine festgefügten Vorstellungen, wie »mein« Unternehmen aussehen würde. Am Anfang stand nur der Wunsch, universitäre Lehre und unternehmerische Praxis zu verbinden.1

Es war, als ob man ein Puzzle zusammensetzt – aber eines, dessen Ergebnis zu Beginn noch keiner kennt und dessen Einzelstücke erst noch ausgedacht werden müssen.

2.1 Die Entstehungsgeschichte der Idee

Auf Reisen in Entwicklungsländer war mir aufgefallen, dass Produkte wie Kaffee, Bananen, Zucker, Tee bei uns ungefähr zehnmal mehr kosten als dort. Was macht die Produkte bei uns derart teuer? Und warum war gerade Tee in Deutschland exorbitant teuer, selbst im Vergleich zu anderen europäischen Ländern? Lag es an den Frachtkosten, der Versicherung oder etwa den hohen Gewinnspannen der Kaufleute?

Nach eingehender Recherche stellte sich heraus: Teuer machen den Tee nicht etwa diese Kosten, sondern die zahlreichen Stufen des Zwischenhandels und die handelsüblichen Kleinpackungen. Also den Zwischenhandel umgehen und kostengünstigere größere Packungen anbieten? Das schien mir sinnvoll. Aber warum tat das niemand?

Sehen wir uns an, wie Tee bei uns üblicherweise gehandelt wird: Was macht ein gutes Teegeschäft aus? Es hat eine gute Lage, sachkundiges und freundliches Verkaufspersonal, angenehmes Ambiente, vor allem aber ein breites Sortiment an Teesorten. Ein guter Teeladen führt etwa 150 Sorten allein an Schwarztee, dazu kommen noch Grüntees und sehr viele aromatisierte Tees, wie Kirsch- oder Maracujatee.

So kommt der Einzelhändler rasch auf mehrere Hundert Teesorten. Wenn eine davon ausverkauft ist, wird er den Großhändler anrufen und nachbestellen. Bei einer Bestellung von drei bis fünf Kilo, wie der Einzelhändler sie normalerweise vornimmt, kommt er am Großhändler nicht vorbei, dazu ist die Bestellung zu klein. Der wiederum kauft beim Importeur, und dieser vom Exporteur. Auf der Importeurs- und Exporteursstufe geht es um viel größere Mengen, um Paletten bzw. ganze Container-Ladungen.

Es ist also leicht dahingesagt, man solle den Zwischenhandel umgehen. Denn ein herkömmliches Geschäft kann noch nicht einmal die Großhandelsstufe umgehen. Es macht ökonomisch keinen Sinn. Wer viele Sorten anbieten will, muss für jede Sorte Lager halten. Wenn ein Händler direkt im Erzeugerland einkaufen will, muss er mindestens zwei Tonnen – das ergaben meine Recherchen – pro Sorte einkaufen, damit die Transportkosten und der bürokratische Aufwand sich rechnen. Damit bekäme der Händler selbst bei nur 100 Sorten ein Problem: Sein kleiner Laden müsste riesige Lager betreiben und sie auch finanzieren.

Teehandel

(konventionelle Variante)

✓ Teegeschäft, gute Lage

✓ große Sortimentsbreite (oft mehrere Hundert Sorten Tee)

✓ Kleinpackungen

✓ mehrere Zwischenhandelsstufen notwendig (Einzelhandel, Großhandel, Importeur, Exporteur)

Resultat:

✓ große Auswahl

✓ hohe fixe und variable Kosten

✓ daher notwendigerweise hohe Preise

2.2 Der ökonomischen Vernunft folgen?

Trotzdem: Die Idee bleibt verlockend. Könnte man den Zwischenhandel ausschalten, würde dies die Einkaufskosten drastisch senken. Doch daraus folgt: Die Menge der Teesorten muss, wenn man ökonomisch vernünftig handeln will, eingeschränkt werden – und zwar deutlich.

Also die Sortimentsbreite einschränken? Machen da die Teekäufer mit? Die Kunden wollen schließlich nicht immer den gleichen Tee trinken. Kann die Auswahl wirklich beschränkt werden? Ein breites Sortiment ist doch etwas Positives. Die Innovation im Teehandel bestand ja lange darin, sich immer neue, aromatisierte Teesorten auszudenken und auf den Markt zu bringen. Wer also bei der hergebrachten Weise bleiben will, Tee zu handeln, kommt hier nicht weiter.

Dennoch: Mich ließ der Gedanke, dass man Tee wesentlich preiswerter anbieten könnte, wenn man sich auf wenige Sorten beschränkte, nicht mehr los. Ja, so sagt einem der schlichte Menschenverstand, am wirtschaftlichsten wäre es sogar, sich radikal auf nur eine einzige Teesorte zu beschränken. Dann wäre die Einkaufsmenge groß genug, man könnte direkt im Herkunftsland einkaufen, und die Größe des Lagers hielte sich gerade noch in Grenzen.

Sind Verbraucher dazu zu bewegen, auf die vielen Sorten Tee zu verzichten und nur eine einzige zu wählen und sie ein Jahr lang zu trinken? Sicher nicht. »So etwas kann sich nur ein Professor ausdenken«, hörte ich oft. Für einen Moment sah es so aus, als würde die Idee daran scheitern. Wenn die Kunden gewohnt sind, aus vielen Sorten auswählen zu können, warum sollten sie sich dann radikal einschränken? Eine längere Denkpause entstand.

Aber eines ließ mir keine Ruhe: Tee könnte wirklich sehr viel preiswerter werden. Außerdem: Wenn der Einkaufspreis des Tees – da im Vergleich zu allen anderen Kosten niedrig – nur eine untergeordnete Rolle spielt, dann brauche ich am Preis des Tees nicht zu sparen. Dann kann ich einen teuren, sogar einen sehr teuren Tee einkaufen. Ja – warum eigentlich nicht den besten Tee der Welt kaufen?

Es gibt so einen Tee – da sind sich die Experten einig –, er wächst an den Südhängen des Himalaja und trägt den Namen des Distrikts: Darjeeling. Dies erfuhr ich in der Bibliothek der Freien Universität; denn ich war selbst keineswegs Teekenner, nicht einmal Teetrinker. Wenn man also so einen hervorragenden Tee haben kann, und das besonders preiswert, vielleicht lässt dies die Kunden auf die Auswahl verzichten? Als Weintrinker legte ich mir den Gedanken so zurecht: Wenn ich einen Rothschild Lafite zum Preis von einfachem Landwein kaufen kann, trinke ich doch nur noch den Rothschild.

Die Beschränkung auf Darjeeling hat noch einen anderen Vorteil. Woran soll ein Kunde denn erkennen, dass mein Tee wirklich viel preiswerter ist? Schließlich behauptet jeder Händler, dass seine Ware beste Qualität und preisgünstig sei. Der Vergleich muss möglich sein, und der Maßstab, an dem gemessen wird, bekannt. Darjeeling aber ist eine bekannte Teesorte und im Handel sehr teuer. Damit konnte die Qualitätsstufe verdeutlicht und der Preisvergleich hergestellt werden.

2.3 »Keine Ahnung von der Praxis«

Der zweite große Kostenfaktor liegt in den Kleinpackungen. Der Verbraucher will natürlich frische Ware, also scheinen Kleinpackungen ein Muss. Oder doch nicht? Wie steht es um die Haltbarkeit des Tees? Sie ist wichtig, wenn Verbraucher auf Kleinpackungen verzichten sollen. Behielte Tee sein Aroma auch nur ein einziges Jahr, würde es reichen, wenn die Kunden einen Jahresvorrat einkauften. Dann könnte man Großpackungen anbieten und erheblich an Verpackungsmaterial und -aufwand sparen.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen hat Tee eine Haltbarkeit von drei Jahren. Warum wird Tee also nicht längst in Großpackungen angeboten? Marketingexperten erklärten mir, ich verstünde eben nichts von der Praxis: Die durchschnittliche Haushaltsgröße hätte abgenommen, der Kunde sei kleine Abpackungen gewohnt und wünsche 100 Gramm als Standard. Es gäbe sogar Tendenzen, dass die 50-Gramm-Packungen, ja sogar 25-Gramm-Teedöschen immer häufiger erfolgreich angeboten würden.

Ich war immer Kaffeetrinker gewesen und mag selbst heute noch nicht auf meinen Morgenkaffee verzichten. Irgendwann fiel mir auf, dass ich eine Kaffeetüte von 500 Gramm in der Hand hielt. Wie das? Wieso wird gemahlener Kaffee, der weit schneller sein Aroma verliert als Tee, als Standard in 500-Gramm-Packungen angeboten, während Tee in 100-Gramm-Packungen verkauft wird? Das ergibt doch keinen Sinn. Der Standard der 100-Gramm-Packungen entpuppt sich bei näherem Hinsehen als bloße Konvention. Wenn man gemahlenen Kaffee 500-Grammweise verkauft, dann kann Tee doch mindestens auch in solcher Verpackungsgröße angeboten werden.

Das unternehmerische Risiko der Teekampagne lag anfangs vor allem in der Frage: Sind die Käufer davon zu überzeugen, nur eine einzige Sorte Tee und die nur in Großpackungen zu kaufen, wenn dies mit einem erheblichen Preisvorteil belohnt wird? Ich war mir sicher, dass es gelingen würde, die Kunden von einer Ökonomie der Einfachheit und Vernunft zu überzeugen. Damit stand ich am Anfang aber völlig allein.

Meine Studenten zweifelten, als ich das Konzept zum ersten Mal vortrug. »Gibt es dafür auch einen Schein?«, war der erste Kommentar. (Erst der praktische Erfolg überzeugte sie.) Es war auch schwierig, jemanden zu finden, der mir überhaupt Tee liefern wollte. Die meisten der von mir angeschriebenen Exporteure antworteten gar nicht; die wenigen, die reagierten, schrieben etwa so: »Großartig, dass Sie als Professor die Praxis kennenlernen wollen. Aber wir empfehlen Ihnen dringend, doch in ein Teegeschäft zu gehen und zu sehen, wie Tee gehandelt wird.«

Teehandel

(unkonventionelle Variante)

✓ Beschränkung auf nur eine einzige Teesorte

✓ kein Zwischenhandel

✓ Einsparung von Verpackungsmaterial und Lagerkosten

✓ Verkauf per Versand

Resultat:

✓ viel geringere Kosten

✓ dadurch Preis- und Qualitätsführerschaft möglich

✓ Raum für verantwortungsvolleren Handel

2.4 Und wie das Ganze finanzieren?

Noch eine andere Frage blieb: Wie soll man das Ganze finanzieren? Immerhin steht ja ein Großeinkauf am Beginn. Im internationalen Handel wird ein Zahlungsziel von 60 Tagen eingeräumt. Es bleiben also zwei Monate Zeit, bis die große Rechnung fällig wird. Das Schiff von Kalkutta nach Hamburg braucht etwa vier Wochen. In zwei bis drei Tagen ist der Tee im Hamburger Hafen abgepackt. Bleibt noch ein ganzer Monat, um möglichst viel Tee zu verkaufen. Daher der Gedanke »Kampagne«. Man muss schnell verkaufen, um die große Rechnung bezahlen zu können. Kampagne heißt so viel wie: »Kunden, kauft euren Jahresvorrat jetzt, wo die Ernte eingetroffen ist!« Wer Tee per Versand bestellen wollte, musste einen Vorausscheck beilegen. Natürlich kann man nur mit einem außergewöhnlich günstigen Angebot Kunden dazu veranlassen, nicht nur eine große Menge zu kaufen, sondern sogar einen Scheck im Voraus zu schicken.

Diese Schecks waren ein entscheidender Punkt der Finanzierung während der Anfangszeit. Wir hatten so viel Liquidität, dass wir eine Bank hätten gründen können. Als Jahre später die Schecks als Zahlungsmittel verschwanden, hatten wir ausreichend Rücklagen geschaffen, um auf die Vorauszahlungen nicht mehr angewiesen zu sein.

2.5 Ein gutes Konzept eröffnet neue Wege

Die Teekampagne hatte von Anfang an noch zwei andere Aspekte im Blick: Chemierückstände in Lebensmitteln werden Mitte der 80er-Jahre erstmals zum Thema einer breiteren Öffentlichkeit; auch der Umgang der reichen Industrieländer mit den Erzeugern in der Dritten Welt. Tut ein Unternehmen nicht gut daran, die Probleme, die die Menschen und damit auch die eigenen potenziellen Kunden bewegen, aufzugreifen und daran zu arbeiten? Also in diesem konkreten Fall systematisch alle Einkäufe, und zwar jede einzelne Charge, auf Chemierückstände hin zu untersuchen und nur solchen Tee einzukaufen, der geringstmögliche Belastungen hat? Solche Rückstandsanalysen sind teuer. Ein konventioneller Teehändler würde seine Kosten damit beträchtlich erhöhen. Bei der Teekampagne fallen die Kosten nicht so stark ins Gewicht, weil nur eine einzige Teesorte in großen Mengen eingekauft wird. Damit sind die Chargen nicht klein, die Kosten verteilen sich auf eine große Menge.

Wenn man den eigenen ökonomischen Spielraum aus den Einsparungen an Material, Verpackungsaufwand, Transportwegen, vor allem aber der Ausschaltung des Zwischenhandels erzielt, braucht man am Einkaufspreis für die Ware selbst nicht zu sparen. Wir müssen also nicht, wie andere Händler, die nicht über solche Kostenvorteile verfügen, Druck auf die Einkaufspreise im Erzeugerland ausüben. Denn diese Preise sind ohnehin niedrig; die Erzeuger bekommen nur wenig von den hohen Preisen, die von den Verbrauchern hier im Westen für Tee bezahlt werden.

Die Preise sind auch deshalb schlecht, weil nicht alles, was sich Darjeeling-Tee nennt, auch wirklich Darjeeling ist. Rund 10.000 Tonnen Tee werden in Darjeeling jährlich geerntet, aber 40.000 Tonnen, so schätzt der Tea Board of India, werden weltweit als Darjeeling verkauft. Das drückt die Preise der Erzeuger und es ist unfair, weil die Höhenlage und die steilen Hänge Darjeelings nur vergleichsweise niedrige Ernteerträge ermöglichen. Mit dem Konzept der Teekampagne kann man den Erzeugern gute Preise für Darjeeling-Tee bezahlen. Wir können es uns sogar leisten, Mittel für Projekte zur Verfügung zu stellen, die heute mit dem Begriff Nachhaltigkeit umschrieben werden. Wir tun dies vor allem durch Wiederaufforstung in Darjeeling, und zwar in nicht unerheblichem Maße.

Das Konzept der Teekampagne bringt also das Kunststück fertig, alles auf einmal zu leisten: hohe Qualität, niedrigere Preise als der etablierte Handel, systematische und aufwendige Rückstandskontrollen, zusätzliche Mittel für das Erzeugerland, und trotzdem Überschüsse zu erzielen, die im Unternehmen bleiben und einen Großteil der Finanzierung des Wachstums des Unternehmens darstellen.

Heute hat die Teekampagne über 200.000 Kunden, verkauft pro Jahr mehr als 400 Tonnen Darjeeling-Tee, und dies zu 90 Prozent in Großpackungen von einem Kilo.

Seit 1996 ist sie das größte Teeversandhaus in der Bundesrepublik, obwohl wir mit nur einer einzigen Sorte Tee handeln. Nach Angaben des Tea Board of India sind wir seit 1998 der weltgrößte Importeur von Darjeeling-Blatt-Tee, noch vor den international bekannten Firmen wie Lipton, Twinings oder Unilever.

Wie konnte es sein, dass ein zwar konsequent durchdachtes, aber im Ergebnis doch lächerlich einfaches Konzept das Unternehmen zum Marktführer machte? Die Erfolgsgeschichte der Firma ist mit herrschender Lehre nicht zu erklären.

Wo war der große Bedarf an Kapital, der angeblich bei der Unternehmensgründung entsteht? Liegt der Teekampagne eine Erfindung, ein Patent oder eine geniale Idee zugrunde? Sicher nicht. Sich auf eine einzige Sorte Tee zu konzentrieren ist ungewöhnlich, aber keine Erfindung. Auch das Prinzip Großpackung hat nichts Besonderes an sich.

Waren meine Mitarbeiter und ich gute Manager und Betriebswirtschaftler? Wir waren es nicht. In den Anfangsjahren nach 1985 lag die Qualität unserer Organisation immer ein Jahr hinter der, die wir angesichts der vielen Aufträge hätten haben müssen. Ich erinnere mich, dass eine Studentin eines Tages ganz oben auf dem Aktenregal einen Karton fand, in dem sich nicht eingelöste Schecks im Wert von 10.000 Mark befanden. Sie waren einfach vergessen worden. Schlimmer noch: Es war niemandem aufgefallen, dass sie fehlten.

Entscheidend war, dass die Grundidee, das oben beschriebene Puzzle, das lange und sorgfältig durchdachte unorthodoxe Konzept, so gut war, dass es solche mittleren Katastrophen ausgehalten hat.

2.6 Der Hauptaspekt gerät in den Hintergrund

Ist die Teekampagne nur aus der spezifischen Situation heraus zu erklären? Ausgerechnet ein Hochschullehrer, wo doch sonst Professoren besonders praxisfern sind? War das Umweltbewusstsein entscheidend, das gerade in diesen Jahren gewachsen ist? Oder spielt der Aspekt der Hilfe für die Dritte Welt eine zentrale Rolle?

Ich glaube nicht. Diese Aspekte haben uns am Anfang durchaus Aufmerksamkeit eingebracht. Aber Aufmerksamkeit ist heute allzu flüchtig. Sogenanntem modernem Marketing mit seinen oft brillanten Bildern und seinem faszinierenden Flair konnten und wollten wir nichts entgegensetzen. Der Hilfsaspekt für die Dritte Welt brachte uns sicher Sympathie. Aber auch den Nachteil, dass der entscheidende Aspekt der Teekampagne in den Hintergrund geriet: dass wir hochwertigen Tee viel preiswerter anbieten können als der deutsche Teehandel. Denn Hilfsprojekte zeichnen sich ja gerade nicht durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aus. Man kauft dort in dem Bewusstsein, etwas Gutes zu tun und gerade damit auf ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis zu verzichten.

Dass die Teekampagne das scheinbar Unmögliche fertigbringt, deutlich günstigere Preise als der normale Handel zu bieten, trotz Fair Trade und Bioqualität, und darüber hinaus auch Mittel für ein umfangreiches Wiederaufforstungsprojekt erwirtschaftet, wurde erst allmählich wahrgenommen. Es war, als beleuchteten die Scheinwerfer im Theater eine Nebenfigur, während der Hauptdarsteller im Schatten bleibt.

Kunden der Teekampagne, die, weil sie zu wenig Tee bestellt hatten, ihren Darjeeling im Teeladen oder Supermarkt nachkaufen mussten, waren dann höchst erstaunt darüber, wie viel Geld sie auf den Ladentisch legen mussten. Der nachhaltige Erfolg der Teekampagne resultiert aus dem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis; das haben die Rückmeldungen der Kunden, aber auch unsere eigenen Kundenbefragungen bestätigt. So positiv der Hilfsaspekt ist und so sehr er einen wesentlichen Teil der Identität der Teekampagne darstellt – nicht er war es, der zum Durchbruch und Erfolg am Markt geführt hat.2

2.7 Nicht bei den konventionellen Formen stehen bleiben

Wenn man Kunden gewonnen hat, denen Fair Trade und biologischer Anbau wichtig sind, muss man nicht bei den konventionellen Formen des Handels stehen bleiben. Man kann das Bewusstsein dieser Kunden aufgreifen und ein unübliches, aber vernünftiges Angebot formulieren, kann die Bequemlichkeit der Kleinpackung verlassen, den Verzicht auf konventionelle Werbeformen nicht als Mangel sehen, sondern ihn honorieren, einen Jahresvorrat kaufen, statt die Lagerhaltung des Händlers teuer zu bezahlen, Sammelbestellungen organisieren, statt einzeln zu bestellen.

Die Aufgeschlossenheit der Kunden nutzen. Die Vernunft »begehbar« machen. Sich Handelsformen ausdenken, die fair und nachhaltig sind, aber so viel unnötige Kosten einsparen, dass man den konventionellen Formen Paroli bieten kann.

Es ist die Qualität der Idee, die den Ausschlag gibt. Eine Idee, die den meisten am Anfang verrückt vorkommt – nur eine einzige Sorte Tee, nur Großpackungen. Es ist aber kein Einfall oder eine flüchtige Idee, sondern ein äußerst sorgfältig durchdachtes Konzept. Das Prinzip heißt: Von den Funktionen her denken, statt sich von den Konventionen beeindrucken zu lassen. Sucht man systematisch nach den Faktoren, die ein Produkt wie Tee bei uns so teuer machen, stößt man fast zwangsläufig auf diese Lösung. Sie sieht schräg aus, ergibt aber Sinn, weil sie radikal Kosten spart. Der etablierte Handel mit Tee erscheint nur deshalb normal, weil man sich daran gewöhnt hat.

Auch Gottlieb Duttweiler, dem Gründer der Schweizer Migros, muss es so ergangen sein. Er staunte darüber, wie teuer die Zürcher Einzelhändler ihre Waren verkauften. Duttweiler beschrieb 1925, dass die Hausfrauen in Zürich dreimal so viel auf den Ladentisch legen mussten, als dafür im Erzeugerland bezahlt wurde.3 Dies gilt heute in noch weit größerem Ausmaß. Gegenwärtig liegt das Verhältnis bei eins zu zehn. Neun Zehntel betragen die Handelskosten. Trotz aller Rationalisierungen haben sich also, entgegen landläufiger Auffassung, die Kosten die der Handel verursacht, wesentlich erhöht, und das vor allem durch immer höhere Aufwendungen für Verkaufsflächen und Werbemaßnahmen.

Einen ersten Hinweis darauf, dass bei einer Unternehmensgründung der Idee und ihrer Ausarbeitung viel mehr Bedeutung zukommt als bisher angenommen, finden wir bei dem Psychologen Peter Goebel. In seiner Studie Erfolgreiche Jungunternehmer analysierte er 50 Unternehmensgründer, die von völlig unterschiedlichen Bedingungen ausgingen. Seine ausführlichen Befragungen, auch des Umfelds der Gründer, zeigten, dass ihnen überraschenderweise nur eines gemeinsam ist: Sie brachten eine Idee zum Reifen, indem sie beharrlich immer wieder um das gleiche Problem kreisten, und dies in einer Art und mit einer Beharrlichkeit, die »normalen« Menschen schon fast als absonderlich erscheint.4

Wenn Sie sich die einzelnen Gedankenschritte, die zur Teekampagne geführt haben, anschauen: Gibt es da auch nur einen einzigen Schritt, den Sie nicht auch hätten gehen können? Ich sehe keinen.

Die Teekampagne war natürlich als Modell für Unternehmensgründungen gedacht. Denn wenn ich als Hochschullehrer allein mit Argumenten auftreten würde – es würde niemanden überzeugen. Zu ungewöhnlich ist die These, dass eigentlich jeder ein erfolgreiches Unternehmen gründen kann.

Aristoteles sagt: »Jeder ist Philosoph.« Joseph Beuys sagt: »Jeder ist Künstler.« Wenn Beuys eine Befähigung zu künstlerischem Handeln in jedem Menschen sieht, warum sollte dies nicht umso mehr für unternehmerisches Handeln gelten, wo ja der Anreiz, eine ökonomische Lebensperspektive zu schaffen, noch zusätzlich motivierend wirkt? In einer Art erweitertem Unternehmerbegriff könnte man sagen: »Jeder ist Unternehmer.« Wir müssen allerdings von überholten Vorstellungen Abschied nehmen und die grundlegend neuen Bedingungen für Entrepreneurship wahrnehmen und aufgreifen. Aber dazu später mehr.

2.8 Und wie funktionierte das Marketing der Teekampagne?

Eine Frage wird mir oft gestellt: Welche Öffentlichkeitsarbeit wurde betrieben? Wie sah die Werbung aus? Wie hoch waren die Kosten? Die Antwort: Es gab kein Marketing. Weil wir keines brauchten. Das Konzept war so überzeugend, dass es für sich selbst warb. Und das ist der entscheidende Punkt, warum es so wichtig ist, ein wirklich gutes Konzept auszuarbeiten. Das Konzept wirbt. Das Marketing ist im Konzept enthalten, muss bei der Konzept-Entwicklung mitgedacht werden. Wenn Sie mühsam und mit viel Geld auf sich aufmerksam machen müssen, fehlt in Sachen Konzept ein wichtiges, wahrscheinlich sogar entscheidendes Teilstück. Meine Vermutung: Sie haben nicht lange genug an Ihrem Konzept getüftelt, Ihr Konzept hat nicht ausreichend Potenzial, am Markt Aufsehen zu erregen. Die Frage, warum Kunden zu Ihnen finden sollen und womit Sie sie begeistern, ist ein zentraler Bestandteil Ihrer Konzeptarbeit. Ein gutes Konzept wirbt für sich selbst.

Guy Kawasaki, ein erfahrener Gründer und Berater, der in der Aufbauphase von Apple eine wichtige Rolle spielte, wurde einmal gefragt, wie viele Kunden man braucht, um ein Unternehmen erfolgreich zu gründen. Seine Antwort: einen Kunden. Sie haben richtig gelesen. Einen Kunden. Einen einzigen. Wie das? Wenn das Konzept hervorragend ist, wird der eine Kunde seine Freunde und Bekannten darauf hinweisen. Er wird für Sie werben. Und zwar mit Begeisterung. Kawasaki formuliert es so: Ihr Konzept muss Evangelisten hervorrufen. Menschen, die mit innerer Begeisterung von Ihrem Konzept schwärmen. So kann Marketing aussehen. So muss es sogar aussehen. Sonst gehen Sie das Risiko ein, nicht genügend Kunden zu finden. Oder eine herkömmliche Materialschlacht um Kundenaufmerksamkeit führen zu müssen, bei der Sie großen Wettbewerbern am Markt von vornherein unterlegen sind.

Ist es ein Einwand zu sagen: »Ich kann es mir nicht leisten, mehrere Tonnen von einem Produkt einzukaufen mit der Gefahr, am Ende darauf sitzen zu bleiben.« Großeinkauf allein ist schließlich noch kein überzeugendes Konzept. Noch lange nicht. Aber unseren Tee konnten wir sage und schreibe für nur ein Drittel des Preises des Marktführers anbieten. Der Tee wurde uns buchstäblich aus den Händen gerissen. Bedingung ist eben, dass Sie Ihr Vorhaben so lange durchdenken, bis Sie ein Konzept haben, mit dem sich Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung wie von selbst verkauft. Das ist der entscheidende Punkt: Sie müssen so lange an Ihrem Konzept arbeiten, bis Sie auf eine deutlich bessere Lösung stoßen als die am Markt bereits vorhandene.

Das war auch mein eigener Ausgangspunkt gewesen: Als Hochschullehrer, so mein Verständnis von Universität, muss ich doch die bessere, die intelligentere Ökonomie entwerfen helfen und nicht nur abbilden, was wir an Ökonomie im Alltag vorfinden.

Natürlich hat sich das Konzept der Teekampagne im Laufe der Zeit weiter vertieft, präzisiert, hat an Kultur gewonnen – wie immer man es nennen will. Heute können wir jede Kiste Tee zurückverfolgen bis zum Ursprung, haben als erste deutsche Firma einen Lizenzvertrag mit dem Tea Board of India für garantiert 100 Prozent reinen Darjeeling geschlossen, haben uns einen Namen gemacht in Sachen Rückstandskontrollen. Solche Punkte machen es den Imitatoren der Teekampagne heute schwerer als früher. Im Laufe der Jahre ist zudem ein überzeugter Kundenstamm entstanden.

Sie denken jetzt vielleicht: Ja, bei so einem simplen Produkt wie Tee funktioniert das alles. Das der Teekampagne inhärente Prinzip »Funktion statt Konvention« ist jedoch sehr brauchbar, wenn es um die Entwicklung neuer Ideenkonzepte geht, weil es radikal und respektlos in der Sache Konventionen infrage stellt. Mir ging es nie um Tee. Ich will zeigen, dass fast jeder Mensch in der Lage ist, von seinem Alltagswissen ausgehend ein unternehmerisches Konzept zu entwickeln.

3 Konzept-kreative Gründungen

In meinem Umfeld sind inzwischen eine ganze Reihe neuer Unternehmen entstanden. Es sind Start-ups, die versuchen, auf ein Ideenkonzept zu bauen, statt der herrschenden Lehre zu folgen.5 Sie starten mit einfachen, aber durchdachten, ausgearbeiteten Ideen, die nur relativ geringe finanzielle Mittel erfordern. Sie gehen arbeitsteilig vor, setzen das unternehmerische Konzept möglichst aus bereits vorhandenen Komponenten zusammen – Prinzipien, die ich in den folgenden Kapiteln näher erläutern werde. Diese neuen Unternehmen kann man als eine Art »experimentelles Entrepreneurship« ansehen, das dem vorherrschenden Verständnis von Gründung praktische Alternativen gegenüberstellt.

3.1 Olivenöl

Das Unternehmen Artefakt, von Conrad Bölicke gegründet, übertrug die Prinzipien der Teekampagne auf Olivenöl. Eine Olivenölkampagne also (www.artefakt.eu). Nur mit einer kompromisslosen Qualität und Individualität von Produkt und Produzent habe der Wettbewerb gegen profillose, aber billige Massenproduzenten eine Chance. Mit dem Konzept der Großpackungen direkt an Endverbraucher, gepaart mit Transparenz bei Preis, Anbau und Verarbeitungsprozess konnte Artefakt schnell und erfolgreich Alternativen im Markt aufzeigen.

Thomas Fuhlrott, wie Bölicke ebenfalls ehemaliger Mitarbeiter der Teekampagne, rief die Zait GmbH ins Leben und handelt mit Produkten rund ums Olivenöl (www.zait.de). Beide Unternehmen beziehen ihr Olivenöl direkt beim Hersteller.

3.2 Das konventionelle Büro neu denken

Holger Johnson hat sich das klassische Büro vorgenommen und gründlich durchdacht. Wo entstehen die eigentlichen Kosten? Was ist wichtig und unverzichtbar, auf was könnte man vielleicht verzichten?

Ein Großteil der Kosten entsteht durch die Sekretärin. Eine genauere Betrachtung ergibt: Ein großer Teil der Tätigkeit des Sekretariats sind Anrufe, die entgegengenommen werden. In den meisten Unternehmen ist die Sekretärin deshalb von früh bis spät anwesend. Denn Anrufe ins Leere oder auf einen Anrufbeantworter laufen zu lassen, kann sich kein Unternehmen leisten, nicht nur aus Imagegründen, sondern weil es viele Aufträge kostet. Auch in Zeiten von E-Mail und sozialen Medien weisen Studien darauf hin, dass das Telefon für Kunden der wichtigste Kontaktweg zu Unternehmen ist. Und Holger hatte recherchiert, dass bei Unternehmen 63 Prozent aller Anrufer keine Nachricht auf einem Anrufbeantworter hinterlassen.

Manche der Anrufer-Wünsche kann die Sekretärin selbst erfüllen, etwa Termine vereinbaren. Auch manche Fragen wird sie beantworten können, weil sie über die wichtigsten Belange des Unternehmens Bescheid weiß. Andere Anrufe wird sie weiterleiten, um Rückruf bitten oder sonst wie die Kontaktaufnahme organisieren. Dabei stieß Holger auf ein Dilemma.

Entweder ist die Sekretärin ganztags angestellt, da schließlich jemand das Telefon beantworten muss, damit aber eigentlich nicht ausgelastet. Oder die Sekretärin ist eine gut qualifizierte Assistentin und übernimmt im Unternehmen viele andere wichtige Aufgaben wie Korrespondenz, Vorbereitung von Präsentationen oder die Betreuung der Poststelle, wird aber von den Anrufen immer wieder bei diesen wichtigen Dingen unterbrochen. In beiden Fällen wird die wertvolle Arbeitskraft der Sekretärin nicht vernünftig genutzt.

Holgers Lösung des Problems war eine Software, die Angaben zu den am häufigsten gestellten Fragen und die Namen der VIP-Kunden der Firma speichert. Außerdem kann die Software an den anrufenden Telefonnummern sofort erkennen, um welche Firma es sich handelt, und alle für diesen Geschäftspartner relevanten Daten blitzschnell auf dem Computer-Bildschirm anzeigen. Auf diese Weise kann eine Person mehrere Büros bedienen. Denn die Kerndienstleistungen werden jeweils von der Software erbracht – nur die Blumen vertrocknen dabei, und Kaffee kocht auch niemand. Bei dieser Problemlösung dachte Holger von den Funktionen her, statt den Konventionen zu folgen – um am Ende diese Kernfunktionen mit nur rund zehn Prozent der üblichen Kosten zu erfüllen.

Wer ein Büro braucht, muss nun keine Räume mehr suchen, sie auch nicht ausstatten, keine eigene Sekretärin finden und einstellen, hat nichts mehr zu tun mit Miet- und Arbeitsverträgen, Kranken- oder Urlaubsvertretung. Die Entlastung ist erheblich. Viele Fehler, die Anfängern unterlaufen, werden vermieden: beim Abschluss eines Gewerbemietvertrags, bei der Auswahl des Personals oder beim Einkauf der Büroeinrichtung. Zur finanziellen Einsparung kommt also noch die Entlastung von vielen Details hinzu, deren Bewältigung Sachkenntnis und Nerven beanspruchen würde. Der Kopf bleibt dafür frei, sich auf wichtigere Dinge zu konzentrieren.

Musste Holger die Software selbst entwickeln? Natürlich nicht; aber er musste präzise darlegen können, was sie leisten muss. Er verkauft keine Software, sondern ihre Anwendung. Die Kunden müssen sich also um Anpassung, Wartung oder Weiterentwicklung der Software nicht kümmern.

Zusätzlicher Vorteil: Die Anrufannahme bei Ebuero geschieht professioneller, als es in den meisten Unternehmen der Fall ist, weil seine Telefonisten besonders geschult worden sind und sich voll und ganz auf ihre Aufgabe konzentrieren können.

Findet man leicht Geldgeber für ein solches Konzept? Man sollte denken: Ja. Aber die Wirklichkeit ist anders. Eine unkonventionelle Idee, unerprobt – wer wollte solch ein Risiko wagen? Marktführer bei Bürodienstleistungen ist ein Riese: die Deutsche Telekom, Holger dagegen ein 22-jähriger unbekannter Student. Er brauchte lange, bis er einen Finanzier und Business Angel fand. Ich war der Einzige, der sich auf das Abenteuer einließ – im Sommer 2000, mitten im Absturz der Nasdaq und der New Economy. Was mich letztlich überzeugte, war die Beharrlichkeit und Ausdauer, mit der Holger an seinem Konzept arbeitete.

Zwei Jahre später, im Dezember 2002, stellte die Deutsche Telekom, groß, aber teuer, ihr Angebot in Deutschland ein. Damit war Holgers Ebuero die Nummer Eins im Lande.