Auch Petrus ist mal ausgerastet - Thomas Schwartz - E-Book

Auch Petrus ist mal ausgerastet E-Book

Thomas Schwartz

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Beschreibung

Sturköpfe wie Noah, Spötterinnen wie Sara, Choleriker wie Petrus oder schräge Vögel wie Johannes der Täufer – die Bibel ist voll von fehlbaren Anti-Helden. Auf den ersten Blick scheinen sie genau das Gegenteil dessen zu sein, was Gott gebrauchen kann: Menschen, die ihren Willen durchsetzen und nicht den Willen Gottes. In der Bibel begegnet man nicht nur Menschen, die brav und widerspruchlos Gottes Willen erfüllen. Sie berichtet nicht nur von Männern und Frauen, deren Leben als beispielhaft vorgestellt wird und die damit als Vorbild für ein gutes Leben präsentiert werden. Es finden sich im Buch der Bücher mindestens genauso viele Menschen, die sich ganz anders verhalten, als man es für gewöhnlich von ihnen erwarten würde. Sie schwimmen gegen den Mainstream ihrer Zeit und sind oft sogar richtige Querköpfe. Vielleicht kann man sogar sagen: Querköpfe sind der Normalfall biblischer Gestalten! Originell, unterhaltsam und fundiert erzählt Thomas Schwartz die Geschichte von Eva, Noah, Sara, Josef, Rut, Judit, Johannes der Täufer, Petrus, Maria Magdalena und Judas Iskariot. Die Bibel umfasst das ganze Feld menschlicher Erfahrungen und Lebenslagen und erzählt, welche Rolle Gott im Leben spielen kann. Und auch die biblischen Hauptfiguren sind nicht nur weichgespült und konturlos. Ganz im Gegenteil! Biblische Gestalten hatten Ecken und Kanten.

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Für meine Eltern und meine Schwester: Ich liebe euch Querköpfe!

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Die Bibeltexte sind entnommen aus:

Die Bibel. Die Heilige Schrift

des Alten und Neuen Bundes.

Vollständige deutsche Ausgabe

© Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2005

Umschlaggestaltung: wunderlichundweigand, Stefan Weigand

E-Book-Konvertierung: post scriptum, Vogtsburg-Burkheim

ISBN (E-Book) 978-3-451-81558-4

ISBN (Buch) 978-3-451-38424-0

Inhalt

Einleitung

– 1 –Eva: Die neugierige First Lady

– 2 –Noah: Der allererste Winzer

– 3 –Sara: Die gnadenlose Familienchefin

– 4 –Josef: Der verträumte Lieblingssohn

– 5 –Rut: Eine Powerfrau als Schwiegertochter

– 6 –Judit: Eine Witwe in geheimer Mission

– 7 –Johannes der Täufer: Der sture Wüsterich

– 8 –Petrus: Der aufbrausende Apostel

– 9 –Maria Magdalena: Die furchtlose Gönnerin

– 10 –Judas Iskariot: Der lehrreiche Bösewicht

Der Autor

Einleitung

In der Bibel begegnen uns nicht nur Menschen, die brav und widerspruchlos Gottes Willen erfüllen. Sie berichtet nicht nur von Männern und Frauen, deren Leben als beispielhaft vorgestellt wird und die uns damit als Vorbild für ein gutes Leben präsentiert werden. Es finden sich im Buch der Bücher mindestens genauso viele Menschen, die sich ganz anders verhalten, als man es für gewöhnlich von ihnen erwarten würde. Sie schwimmen gegen den Mainstream ihrer Zeit und sind oft sogar richtige Querköpfe. Vielleicht kann man sogar sagen: Querköpfe sind der Normalfall biblischer Gestalten!

Diese Menschen sollen in diesem Buch im Mittelpunkt stehen. Dabei interessiert mich nicht nur die Geschichte ihrer Beziehung zu Gott. Ich werde vielmehr einen Blick auf das zu werfen versuchen, was sie auch sonst als Menschen kennzeichnet. Ihre Persönlichkeit und ihr Umgang mit ihren Mitmenschen ist das, was mich am meisten interessiert und fasziniert.

Ziel ist keine »Ehrenrettung« dieser Menschen. Das haben sie gar nicht nötig. Stattdessen möchte ich einen anderen Blick auf die Botschaft der Bibel ermöglichen. Einen Blick, der mit einem verschmitzten Augenzwinkern zeigt, dass uns die Menschen in den biblischen Erzählungen näher stehen, als uns das vielleicht sogar lieb ist. Die kommenden Seiten enthalten wie schon in meinem Buch »Auch Jesus hatte schlechte Laune« so manche Überraschung. Denn die Bibel ist eben nicht nur ein Buch mit frommen Heiligengeschichten und Stories voller Liebe und Güte. Sie umfasst das ganze Feld menschlicher Erfahrungen und Lebenslagen und erzählt, welche Rolle Gott im Leben spielen kann. Und auch die biblischen Hauptfiguren sind nicht nur weichgespült und konturlos. Ganz im Gegenteil! Biblische Gestalten hatten Ecken und Kanten. Sie waren eigentlich so wie wir. Und Gott kann sie gut gebrauchen – uns übrigens auch!

– 1 –Eva: Die neugierige First Lady

Keine biblische Frauengestalt ist bekannter. Und keine ist berüchtigter: Eva. Um es vorweg zu sagen: Das hat sie nicht verdient! Und zwar deshalb, weil von den negativen Eigenschaften, die ihr zugeschrieben werden, in der Schöpfungsgeschichte gar nichts vorkommt. Sie sind später entstanden, im Spätjudentum, wurden dann von Paulus weitergespannt und sind von den frühchristlichen Kirchenvätern, die alle irgendetwas gegen Frauen gehabt haben müssen, ausgeschmückt und theologisch untermauert worden.

Zahllose Künstler haben ebenfalls einen ordentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die Figur der ersten Frau der Menschheitsgeschichte zumindest »unglücklich« gezeichnet wurde. Das hatte Auswirkungen auf das Frauenbild insgesamt, an dem sich unzählige Generationen von Männern versündigt und seit knapp 100 Jahren etliche Feministinnen mehr oder weniger erfolgreich abgearbeitet haben.

Hier soll nun zwar keine »Ehrenrettung« der »Menschheits-Mutti« geleistet werden. Dazu haben viele Bibelwissenschaftlerinnen schon Etliches beigetragen. Aber ein genauerer Blick auf unser aller »Première Dame« hilft, ihr mit allem gehörigen Respekt und aller gebührenden Anerkennung zu begegnen. Das hat sie allemal verdient!

Zunächst: Ihre »Herkunft« ist umstritten, denn im Buch Genesis finden sich zwei unterschiedliche Schöpfungsberichte. Im ersten (Gen 1,26 ff) wird davon gesprochen, dass Gott den Menschen nach seinem Abbild geschaffen hat – und zwar männlich und weiblich! Eva verdankt also ihre Existenz diesem Abschnitt nach dem machtvollen und fruchtbaren Wort Gottes. Denn was Gott sagt, das entsteht auch.

Im zweiten Schöpfungsbericht (Gen 2,18 f) wird sie aus der Seite Adams geformt. Seite, nicht Rippe! Denn der hier im Hebräischen benutzte Begriff wird im Alten Testament fast immer mit »Seite«, jedoch sonst niemals mit »Rippe«, gleichgesetzt. Warum sollte das hier also anders sein? Eva wird Adam im wahrsten Sinn des Wortes zur Seite gestellt. Vorher scheint der Gute übrigens sexuell noch ziemlich desinteressiert gewesen zu sein. Was will man auch von jemandem erwarten, der gerade aus dem Ackerboden geformt worden war. Wenn also Eva aus der Seite Adams geformt wird, können wir vielleicht an den Schöpfungsmythos denken, den uns der griechische Philosoph Platon überliefert hat.

Platon zufolge gab es ursprünglich nur ein einziges Menschenwesen: mit einem Körper, einem Hals, zwei Gesichtern, vier Armen und vier Beinen. Zeus habe im Auftrag der anderen Götter aus Angst oder Eifersucht diesen »Kugelmenschen« mit einem Blitz in zwei Teile gespalten und so Mann und Frau geschaffen. Von nun an suchten sie nach ihrer verlorenen Hälfte und wollten in der Umarmung wieder eins werden. Eine schöne Beschreibung für die Erotik zwischen Mann und Frau!

Aber wieder zurück zu Eva. Ob sie also vom Herrn selber oder aus der Seite ihres nachmaligen Gatten Adam geformt bzw. geschaffen wurde, hängt von der Lesart ab.

Was machen nun die zwei ersten Exemplare unserer Spezies nach dem Bericht der Bibel? Sie gehen spazieren. Ob Hand in Hand (frisch verliebt waren sie ja zweifelsohne!) oder getrennt, wird nicht weiter ausgeführt. Außerdem essen und trinken sie. Übrigens vegetarisch. Gejagt oder geschlachtet wurde im Paradies nicht, man lebte mit allen anderen Geschöpfen in einer friedvollen Ordnung (diese heißt im Hebräischen »Schalom«), ohne Gewalt und ohne Angst. Überhaupt lebte man ganz nach den Anordnungen des Schöpfers, und der hatte völlige Freiheit garantiert. Mit einer Einschränkung. Alles durfte man tun, alles durfte man essen. Nur eine Diätvorschrift hatte er den Menschen auf ihrem Weg durchs Paradies mitgegeben: Von der Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse durften sie unter keinen Umständen essen.

Daran scheinen sich Adam und Eva auch zunächst gehalten zu haben. Aber dann begegnen die beiden der Schlange (Und auch hier ist die deutsche Sprache frauenfeindlich. Denn das Tier wird sowohl im Hebräischen als auch in den meisten anderen Sprachen männlich bezeichnet!). Im Gespräch mit »dem Schlang« wird Eva plötzlich klar, was sie mit ihrem Leben machen will. Sie will klug und verständig werden!

Eva sucht nach Erkenntnis. Und das ist eine mächtige Motivation. Die Suche nach Erkenntnis hat seit Eva die Menschen aller Zeiten dazu geführt, Grenzen zu überschreiten, gegen Gesetze und Anordnungen der Autorität zu verstoßen und nach Wahrheit zu streben. Eva bringt also mit der Übertretung des Gebotes die Klugheit in die Welt. Aber eben auch den Tod bzw. die Sterblichkeit.

Abgesehen von den Folgen der Übertretung des göttlichen Gebotes für uns Menschen könnte man aber zunächst auch fragen, warum Gott diese Speise überhaupt verboten hatte. Könnte man. Aber im Prinzip ist die Frage sinnlos. Wir können sie nicht beantworten. Wer kennt schon Gottes Pläne und Gedanken? Außerdem führt eine solche Frage an der eigentlichen Bedeutung dieser Schriftstelle vorbei!

Theologen, die sich mit der Schöpfungsgeschichte beschäftigen, sprechen von Ätiologien. Ätiologien oder Ursprungssagen sind Geschichte vom Anfang der Zeiten, die versuchen, die Zustände und Gegebenheiten der Gegenwart erklären. Also: Warum sind wir Menschen sterblich? Weil die Ureltern von diesem Baum stibitzt hatten. Oder: Warum macht die Arbeit auf dem Acker so viel Mühe? Tja, weil das eine der Folgen der Vertreibung aus dem Paradies ist. – Wie es ein bekannter Forscher einmal ausdrückte: Allmaliges wird durch etwas Erstmaliges erklärt. Was für alle gilt, braucht einen Grund. Der wird durch einen Mythos bzw. durch eine Anfangsgeschichte geliefert.

Nun aber zurück zu Eva, der wir das alles nach dem Bericht der Bibel verdanken. Seit sie von der Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen hat, können wir Gut und Böse unterscheiden. Eigentlich nicht das Schlechteste, sagen doch viele heutige Philosophen, dass gerade diese Unterscheidungsfähigkeit uns Menschen in besonderer Weise auszeichnet. Indem sich Eva und mit ihr Adam so aus der Hand Gottes heraus bewegt haben, ihm ungehorsam werden, emanzipieren sie sich und werden zu Menschen, wie wir sie heute kennen: schuldfähig, aber auch fähig zur Übernahme von Verantwortung. Dort, wo der Mensch gut und böse erkennen kann, ist er auch dazu gezwungen, danach zu fragen, was gut und böse und was richtig und falsch ist. Das ist die Moral von der Geschichte: die Geschichte von der Moral.

Und noch etwas passiert, als Eva und Adam die »Augen aufgehen«: Sie erkennen, dass sie nackt sind. Die Folge ist: Sie bekleiden sich – zunächst mit Feigenblättern, später mit Fellen. Dass Menschen sich bekleiden, ist bis heute so geblieben. Nacktheit wird bis heute mit dem Paradies verbunden, Kleidung eher mit Karl Lagerfeld.

Schließlich ist ein drittes Moment mit der Erkenntnis verbunden, die uns dank Evas beherzten Bisses in den Apfel geschenkt wurde: die Freude am Sex.

Wenn auch mittelalterliche Theologen wie Thomas von Aquin behaupteten, die Sexualität des Menschen sei bereits im Paradies gegeben gewesen (und habe dort noch wesentlich mehr Spaß bereitet als nach dem Sündenfall), so bleibt doch festzuhalten: Richtig spannend wurde es erst nach der Vertreibung aus dem Garten Eden! Denn erst danach ist mit dem Umstand, dass ein Mann eine Frau »erkennt« und umgekehrt, die Chance (oder das Risiko) verbunden, dass daraus neues Leben entsteht. Kain und Abel jedenfalls wurden erst nach dem Auszug aus dem Paradies gezeugt.

Wir sehen: Eva hat uns ein reiches Erbe hinterlassen. Wir sollten es dankbar annehmen und sie nicht für ihre Entscheidung verurteilen. Also: Danke, Eva!

– 2 –Noah: Der allererste Winzer

Er ist eine der berühmtesten Persönlichkeiten der Heiligen Schrift. Fragt man Menschen, wer Noah (oder auch Noach) sei, erhält man fast immer die gleiche Antwort: Das ist doch der Typ mit der Arche. Und in der Tat: Noah ist wirklich ein »Arche-Typ«. Dabei sind nicht viele Worte von ihm überliefert. Mehr noch: In einem Parlament würde man Noah vielleicht als einen Hinterbänkler bezeichnen. Einen, der nicht das große Wort in den Medien führt, der sich nicht in Talkshows und bei großen Medien-Events herumtreibt, sondern den stillen, aber fleißigen Parteigenossen verkörpert, der ganz und gar für seine Gruppierung und in absoluter Loyalität zur Führung seine Arbeit verrichtet und seine Aufgaben erfüllt.

Noah ein Hinterbänkler? Ist das nicht ein wenig zu viel des politischen Vergleichs? Hinkt da nicht Einiges? Was in jedem Fall stimmt, ist, dass Noah heute fast jedem von uns bekannt ist. Aber von ihm selber gibt es keine Worte, keine Botschaften, keine Aussagen und keine Interviews! Nichts. Nada. Niente – bis auf eine kleine Ausnahme ist er der beredte Schweiger der Bibel. Weder redet er, noch wird über ihn viel geredet.

Übrigens: Auch über die ersten paar hundert Jahre seines Lebens wird im Buch Genesis wenig berichtet. Sein Vater hieß Lamech, sein Großvater Methusalem. Der Familie war gemeinsam, dass sie ziemlich langlebig war. So soll beispielsweise Methusalem 969 Jahre alt geworden sein und sein Vater Lamech immerhin noch 777 Jahre. Noah selbst wird eine Lebensspanne von 950 Jahren zugeschrieben. Das ist ziemlich lange. Ob die Bibel Jahre oder Monate meint, wenn sie von Noah und seinen Vorvätern (von Frauen ist natürlich wieder nicht die Rede!) berichtet, geht am eigentlichen Kern der biblischen Aussagen vorbei. Denn selbst wenn man statt von Jahren von Monaten ausgehen würde, wäre der biologische Wahrheitsgehalt dieser vorsintflutlichen Langlebigkeit nicht wirklich verständlicher. Im Gegenteil: Dann hätte nämlich Henoch, der Urgroßvater Noahs, seinen Sohn Methusalem im zarten Alter von knapp fünfeinhalb Jahren gezeugt. Warum werden dann aber in der Zeit vor der großen Flut die Altersangaben so freizügig in die Länge gezogen? Die Bibelwissenschaften geben dafür eine Reihe von Gründen an. Zunächst weisen sie darauf hin, dass kein Mensch, der diese biblischen Erzählungen zur Zeit ihrer Entstehung hörte, glaubte, dass diese Jahreszahlen real gewesen wären. Man dachte damals eben noch nicht biologistisch, das heißt anders als für uns heute waren Zeitangaben nicht unbedingt mathematisch korrekte Angaben, sondern sollten etwas ganz anderes ausdrücken. So sind Wissenschaftler zum einen der Meinung, dass die Verfasser dieser biblischen Texte einen deutlichen Unterschied der Zeit vor und nach der Flut darstellen wollten. Warum? Nun, wie wir aus eigener Erfahrung beim Älterwerden wissen: Früher war alles besser! Im Winter gab es mehr Schnee, im Sommer gab es mehr Sonne, das Essen war besser, usw. – Also sind die Menschen früher natürlich auch älter geworden – und zwar nicht nur ein bisschen, sondern viel älter!