Auf der Suche nach dem Buch der Weisheit - Achim Köppen - E-Book

Auf der Suche nach dem Buch der Weisheit E-Book

Achim Köppen

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Beschreibung

Zweiter Roman aus dem Zyklus: die Erben des Lichts. Der bekannte Londoner Rechtsanwalt, Peter Webster wurde auf die mystische Parallelwelt "Alkhana" verschlagen. Er soll dort als "Wahrer Träger" drei magische Reliquien ausfindig machen. Begleitet wird er zunächst von Thurgon dem Halbelfen und Wolthar dem Nordkrieger. Noch andere Abenteurer schließen sich dieser wagemutigen Truppe an. Aber auch Parteien mit weniger ehrbaren Zielen, wie der finstere Graf Baldur und der unheimliche Erzpriester von Suloss sind auf der Suche nach den Reliquien, um sie für ihre dunklen Ziele zu missbrauchen. So geraten Peter Webster und seine Freunde von einer Gefahr in die nächste.

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Seitenzahl: 230

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Auf der Suche nach dem Buch der Weisheit

TitelseitePrologAuf der NelissFlucht in die SümpfeSarongaardWillkommen in SarakonGefangenJidahZu neuen UfernMeldorienHinab in die FinsternisZurückEpilogImpressum

Die Erben des Lichts 2

Auf der Suche nach dem Buch der Weisheit

Prolog

Graf Baldur

Die riesigen inneren Hoftore der Festung Suloss öffneten sich knarrend.

»Ihr könnt jetzt hereinkommen. Er will Euch sehen.«

Die dürre, hagere Gestalt nickte und setzte sich in Bewegung. Graf Baldur fror erbärmlich, obwohl er sich in warme Bärenfelle gehüllt hatte. Es herrschte eine geradezu mörderische Kälte hier in Astergaard. Eine Kälte, die jedwedes Leben erfrieren ließ. Zumindest solches, welches Aldaaron, der Erzpriester von Suloss, nicht duldete.

Schon die Hinreise nach Astergaard war ein einziges Fiasko gewesen. Meterhohe Wellen hatten dem Schiff des Grafen übel mitgespielt.Ein großer Teil der Besatzung war über Bord gespült worden,

nur fünfzehn Mann überlebten schließlich. Die raue nördliche See hatte ihre Opfer gefordert.

Nachdem sein Plan, König Bergomir von Narandor zu entmachten, gescheitert war, hoffte Baldur jetzt auf die Hilfe Aldaarons. Der Erzpriester war mächtig, das wusste er. Vielleicht würde er ihm helfen, in Narandor an die Macht zu kommen. Einem treuen Verbündeten

gegenüber würde sich Aldaaron sicherlich dankbar erweisen.

Baldur hatte, so glaubte er, genug Informationen, die für den Erzpriester von Nutzen waren.

Ihn fröstelte erneut. Aber diesmal nicht vor Kälte, sondern vor dem Schwarzen Dämon, der ihn hereingelassen hatte. Diese Kreatur war ihm unheimlich.

Nur ein stechendes Augenpaar war unter einer dunklen Kapuze zu erkennen. Der Erzpriester selbst hatte diese Wesen beschworen, und sie dienten ihm.

Genau wie die Schwarz-Urgulls, die ihn zur Festung gebracht hatten. Fast drei Wochen waren sie in der endlosen Eiswüste Astergaards mit einem Schlittengespann unterwegs gewesen.

Nun befand sich der Graf endlich am Ziel seiner Reise.

Hier im Innenhof der Festung war es genauso kalt wie draußen vor den Mauern.

Ein eisiger Wind fegte durch den Hof und blies ihm Tausende von Schneeflocken entgegen. Einige Schwarz-Urgulls, die dicht gedrängt um ein Lagerfeuer standen, rieben sich fröstelnd ihre groben Hände.

Als Baldur an ihnen vorbeiging, grinsten sie sich hämisch an.

Der Schwarze Dämon deutete jetzt auf ein großes, zweiflügeliges Tor, das am Ende des Hofes lag und noch weiter ins Innere der Festung führte.

»Dort hindurch, Exzellenz, der Erzpriester erwartet Euch schon.«

Baldur fuhr sich durch sein langes, pechschwarzes Haar nickte stumm und ging auf das Tor zu. Er durchquerte einen langgezogenen, tunnelförmigen Gang, der nur spärlich von einigen Fackeln erleuchtet wurde. Der Gang endete schließlich ebenfalls wieder vor einem zweiflügeligen Tor, das sich fast lautlos vor ihm öffnete.

Nun betrat er eine Halle, die fast im Dunkeln zu liegen schien, deren Ausmaße man gerade noch erahnen konnte und die man von der Größe her vielleicht mit dem Innenraum einer Kathedrale vergleichen könnte.

Seine Aufmerksamkeit fiel auf zwei gewaltige Säulenpaare in der Mitte des Raums, die scheinbar ganz aus Eis bestanden und die riesige Halle abstützten. Ebenfalls in der Mitte des Saals, in einem wuchtigen Gestell, etwa vier Meter von den Säulen entfernt, befand sich ein riesiger Spiegel.

Durch zwei mannshohe ovale Fenster auf der gegenüberliegenden Seite drang schwaches Tageslicht herein. Auch fiel dem Grafen auf, dass kaum Sitzgelegenheiten vorhanden waren. Es sei denn, man wollte die wenigen großen Eisblöcke als solche bezeichnen. Die ganze Halle wirkte unbewohnt, kalt und abweisend. Baldur durchquerte die gigantische Wohnstätte und blickte sich nach allen Seiten um.

Niemand außer ihm schien sich hier aufzuhalten. Er schritt auf den Spiegel zu. Dieser mochte fast drei Meter hoch sein. Der Rahmen war, wie er jetzt erkennen konnte, mit Fratzen von Dämonen verziert.

Fasziniert und ohne es selbst zu wollen, berührte der Graf die glatte Spiegeloberfläche. Plötzlich begann sie sich zu verändern. Ein wirres Spiel von Farben und seltsamen Mustern erschien.Dann urplötzlich Finsternis!

Wie aus dem Nichts schälten sich die Umrisse einer grauenhaften Kreatur hervor, die rasend schnell auf ihn zuschoss. Entsetzt wich er zurück, stolperte, fiel der Länge nach hin und blieb für einen kurzen Augenblick wie benommen liegen. Langsam und vor Angst bebend richtete er sich wieder auf und blickte vorsichtig in Richtung Spiegel.

Doch es war alles wieder wie zuvor; das Geschöpf, das er im Spiegel wahrgenommen hatte, war verschwunden. Nur die makellose Oberfläche glänzte schwach im jetzt einfallenden Sonnenlicht.

Mit zitternden Händen holte er ein kleines seidenes Taschentuch hervor und tupfte sich den kalten Schweiß von der Stirn.

»Dieser Spiegel zeigt Euch Eure wahre Natur und Geschehnisse aus der Zukunft. Aber auch Dinge, von denen Ihr nicht einmal zu träumen wagt!«Baldur fuhr herum und griff nach seinem Degen.

Vor ihm stand eine Gestalt in einer schwarzen Robe. Selbst das Gesicht war durch eine Kapuze verhüllt.»Seid kein Narr, ich könnte Euch jederzeit töten!«

‚Aldaaron‘, der Erzpriester von Suloss, durchfuhr es den Grafen.

»Ihr habt Recht, ich bin Aldaaron, und Ihr seid Graf Baldur, der Berater König Bergomirs von Narandor. Oder sollte ich lieber sagen, der ehemalige Berater? Was wollt Ihr hier auf Suloss? Warum stört Ihr mich?«

»Ich bin gekommen, um Euch zu warnen, und ich möchte mich mit Euch verbünden.«

»Mich zu warnen?«Die Stimme Aldaarons wurde schneidend.»Äh, ich meine, Euch zu unterrichten.«»Worüber wollt Ihr mich unterrichten?«

Der Graf zitterte am ganzen Körper. »Ich wollte Euch unterrichten, dass ein Fremder auf Alkhana weilt. Er ist durch dasTor der Weltengekommen. Der König hält ihn für den Auserwählten. Derjenige, welcher der Legende nach die drei heiligen Reliquien wiederfinden soll.«

»Deswegen stört Ihr mich also? Ich weiß schon sehr lange, dass sich dieser Peter Webster auf unserer Welt befindet. Ich weiß ebenfalls, dass man Euch wegen Eurer Intrigen mit Schimpf und Schande aus Tordor-Castle vertrieben hat. Was auf Alkhana geschieht, bleibt mir nicht sehr lange verborgen. Wenn Ihr mir nicht mehr bieten könnt als diese Information, sollte ich Euch lieber den Wölfen dort draußen in der Tundra zum Fraß vorwerfen. Im Übrigen kann ich auf einen solchen Verbündeten wie Euch gerne verzichten.«

»Peter Webster und diesem senilen Melwin habe ich das zu verdanken, sonst wäre ich doch schon längst König von Narandor und die Tochter König Bergomirs würde mir gehören. Wenn dieser Webster nicht gekommen wäre, hätte ich den alten Trottel von König längst abgesetzt«, grummelte Baldur voller Zorn.

Für einen kurzen Augenblick schien es, als würde der Erzpriester seiner Laune nachgeben, den Grafen zu töten, doch dann besann er sich eines Besseren.

»Wenn Ihr den König so hasst, könntet Ihr mir dienen.«

Der Graf überlegte einen Augenblick.Ja, warum eigentlich nicht?

Aldaaron war sehr mächtig. Diese Gelegenheit bot sich ihm sicherlich nur einmal. Wenn er schon nicht sein Verbündeter sein konnte, dann vielleicht sein Untergebener.»Wie kann ich Euch helfen?«

»Was wisst Ihr genau über die drei magischen Reliquien, Buch, Schwert und Krone?«

»Nun ja, nur das, was die meisten Menschen darüber wissen; dass es sich um eine Legende handeln muss. Nur der alte Narr von Bergomir glaubt, dass sie wirklich existieren und meint, dieser Webster könnte sie ihm beschaffen. Ich persönlich glaube nicht an dieses Märchen.«

»Nein, Ihr seid der Narr, Baldur, diese Gegenstände gibt es. Ich habe sie damals vor dem großen Krieg mit eigenen Augen gesehen.

Aber sie sind danach von den Altvorderen versteckt worden. Von den selbigen, die mich an diesen trostlosen Ort verbannt haben. Nur ein Fremder soll die Reliquien eines Tages wiederfinden können.«

Er machte eine längere Pause, dann fuhr er leise fort: »Ich spüre, die Zeit dafür ist jetzt gekommen.«»Und Ihr denkt, Webster ist dieser Auserwählte?«»Da bin ich mir sicher.«»Was genau kann ich für Euch tun?«

»Verschafft mir die Reliquien, und ich werde Euch dafür reich belohnen. Mir ist es, trotz meiner Macht, bisher versagt geblieben, Astergaard zu verlassen. Aber mit Hilfe der Reliquien wird mir nicht nur das möglich sein, sondern ich werde mir auch alles Übrige holen, was mir zusteht. Alkhana wird vor mir erzittern. Webster ist auf dem Weg nach Sarakovia, um dasBuch der Weisheitzu suchen.Der Dschuhd von Sarakon ist ein treuer Verbündeter von mir. Reist dorthin und bleibt Webster auf der Spur. Er wird Euch zumBuchführen, dessen bin ich mir sicher. Stellt es geschickt an und nehmt es ihm ab, aber tötet ihn nicht. Wir brauchen ihn noch, denn nur er kann die Reliquien finden. Noch besser wäre es natürlich, wenn wir ihn für uns gewinnen könnten.«»Darauf wird er sich nie einlassen.«»Warten wir es ab.«

Aldaaron klatschte kurz in die Hände. Ein Schwarz-Urgull in einer goldenen Rüstung erschien und verneigte sich vor ihm.

»Die Besatzung Eures Schiffes ist in einer sehr schlechten Verfassung, mein lieber Baldur. Wir sollten sie für die Reise nach Sarakovia auswechseln«, dann zu dem Schwarz-Urgull gewandt: »General Gor, dies ist Graf Baldur. Ihr gebt ihm fünfzig Eurer besten Krieger und Seeleute.«»Sehr wohl, Eminenz.«

»Eure schwächlichen Männer werden wir töten und über Bord werfen. Meine Urgulls sind besser für ein solches Unternehmen geeignet. Außerdem werdet Ihr keine Zeit mehr vergeuden und noch heute abreisen. Webster hat schon einen großen Vorsprung.«

Baldur nickte nur noch. Jetzt wusste er, dass es kein Zurück mehr für ihn gab. Er hatte sich Aldaaron für alle Zeiten ausgeliefert.

Auf der Neliss

Kapitel 1

Peter Webster stand an der Backbordseite der‚Flusskönigin‘und blickte nachdenklich in die lehmig-braunen Fluten der Neliss. Der Wind fuhr ihm durch sein schwarzes, schon leicht ergrautes Haar. Es war jetzt knapp vier Monate her, als er das erste Mal den Boden Alkhanas betreten hatte. Es kam ihm schon fast wie eine Ewigkeit vor.

Damals wurde er durch eine Fügung des Schicksals auf die Parallelwelt Alkhana verschlagen. Durch Aufzeichnungen seines Großvaters war er auf den Steinkreis seiner Heimatgemeinde, Herrington, in Südwales aufmerksam geworden. Der ansonsten eher

logisch und rational denkende junge Rechtsanwalt hatte sich erst auf Drängen seiner Großmutter mit den Tagebüchern seines Großvaters beschäftigt.

So bekam Webster schließlich heraus, dass die Mythen über den Steinkreis auf Wahrheit beruhten. Ein Dimensionstor führte von dort auf die mystische, mittelalterliche Welt Alkhana.

Nach einer langen Irrfahrt, auf der sein Freund George Miller von einem Ungetüm getötet worden war, gelang es Peter mit Hilfe von Thurgon dem Halbelfen und Wolthar dem Nordkrieger sich nach Tordor-Castle, dem Schloss König Bergomirs von Narandor, durchzuschlagen.

Diese ganzen Ereignisse und zuvor auch der Tod seiner Familie, hatten tiefe Spuren bei Peter hinterlassen. Auch den Tod von George, hatte der Dreißigjährige noch immer nicht überwunden.

Aber er hatte hier auf Alkhana auch neue Freunde gefunden. Da waren zunächst Thurgon der Halbelf und Wolthar, der stolze Nordkrieger mit seinen feuerroten, zu Zöpfen geflochtenen Haaren und dem ebensolchen Vollbart. Aber auch König Bergomir von Narandor, der auf die Hilfe Websters hoffte. Von ihm erfuhr Peter, dass die Welt Alkhana in großer Gefahr schwebte und nur er in der Lage sei, diese abzuwenden. Nur er könne die drei heiligen Reliquien der Regentschaft wiederfinden, die den Völkern Alkhanas einst von den Göttern geschenkt worden waren, die sie aber durch einen sinnlosen Krieg gegeneinander verloren hatten. Diese drei Reliquien konnten zum Wohle, aber auch zum endgültigen Untergang des Guten in dieser Welt führen. Deshalb suchte auch Aldaaron, der Erzpriester von Suloss, diese magischen Gegenstände, um sie für seine finsteren Ziele zu missbrauchen.

Zum Glück war es so eingerichtet worden, dass nur ein von den Göttern auserwählter, nicht von Alkhana stammender Mensch, nämlich Peter, diese drei Gegenstände wiederfinden sollte.

Nun war er vor einigen Wochen aufgebrochen, um die erste Reliquie, nämlich das‚Buch der Weisheit‘zu suchen. Einer der wenigen Hinweise besagte, dass es nach dem großen Krieg einem Magier anvertraut worden war, der es an einem sicheren Ort verbergen sollte.

Die Spur führte in das orientalische Land Sarakovia, dass von einem despotischen Herrscher, dem Dschuhd, regiert wurde. Doch bis dorthin war es noch weit. Sein erstes Ziel war zunächst das kleine Fürstentum Sarongaard. Nur von dort aus konnte er mit einem hochseetüchtigen Schiff weiterreisen.

»Na, so nachdenklich, mein Freund?«

Peter drehte sich herum und bemerkte Thurgon, den Halbelfen, der plötzlich vor ihm stand. Thurgon war von eher schlanker Gestalt, hatte einen dunklen Vollbart und wie auch alle übrigen Elfen, zwei spitze Ohren. Als Kleidung trug er eine grüne Tunika, lange Hosen sowie ein paar schwere, Stiefel aus dunkelbraunem Leder. Er war ein eher ruhiger und beherrschter Typ.

»Ja, ich musste nur noch einmal über die Ereignisse der letzten Wochen und Monate nachdenken«, entgegnete Peter, »es gab da viele Veränderungen in meinem Leben. Es ist aber gut, dass sich die Dinge so entwickelt haben.«

»Dann ist ja alles in Ordnung«, erwiderte der Halbelf mit einem zuversichtlichen Lächeln.

Er und Wolthar der bisweilen leicht aufbrausende der Nordkrieger, hatten beschlossen, Peter bei der Suche nach den Reliquien zu begleiten. So hatten sie in Jarrunda auf der ‚Flusskönigin‘eine Passage bis in den Lakhana-See nach Saronport gebucht. Von dort aus wollten sie dann zu Pferde weiter in die Hauptstadt Sarongaards, nach Galdon, reisen.

Das Flussschiff war natürlich alles andere als eine komfortable Reisemöglichkeit.

Es war nicht mehr als ein großer Lastkahn. Die Besatzung schlief zumeist unter Deck zwischen oder oft sogar auf den Gütern. Jetzt aber war das etwa fünfzehn Meter lange Schiff so gut wie leer. Kapitän Brigg Loh hatte die meisten seiner Waren in Jarrunda

gewinnbringend verkauft. Waren, die zum Teil verbotener oder auch dubioser Herkunft waren, wie zum Beispiel das Rauschmittel‚Traumkraut‘aus den Regenwäldern von Suhr. Dies störte aber einen Kapitän wie Brigg Loh nicht weiter. Wichtig für ihn war nur,

dass der Profit stimmte.Die Besatzung war ohnehin ein wild zusammengewürfelter Haufen Krimineller und Abenteurer. Kaum einer von ihnen, der nicht schon irgendwann einmal Probleme mit dem Gesetz hatte und der für Geld sogar seine eigene Mutter verkaufen würde. Das aber war genau die Truppe, die Brigg Loh für diese Art Geschäfte und für den Schmuggel brauchte. Da die meisten Hochseeschiffe, die von Jarrunda oder Galdon aus in See stießen, von Piraten aufgebracht wurden, deren Unterschlupf die Syrakonischen Inseln waren, hatte die Flussschifffahrt in den letzten Jahren wieder an Bedeutung

gewonnen.

Für Peter, Thurgon und Wolthar war es aber trotz alledem eine gute Chance, möglichst unauffällig zu reisen. Auf solch einem Schiff würde man wohl kaum den‚wahren Träger‘und die Sucher der heiligen Reliquien vermuten.

Webster blickte nach Nordwesten. Die Sonne schob sich in goldfarbenem Licht über die jetzt im Nebel liegende Fluss- und Auenlandschaft der Neliss dem Horizont entgegen. Der Wind, von Nordost kommend, blähte die Segel leicht auf. An Deck befanden sich, außer ihnen, nur noch der Steuermann und zwei Matrosen, die mit der Takelage beschäftigt waren.

Langsam zog die Dämmerung herauf, und der Nebelschleier wurde dichter. Wahrscheinlich ankerten sie bald irgendwo in der Nähe des Ufers, denn in der Dunkelheit den Fluss noch weiter hinaufzufahren war wegen der vielen Untiefen und Sandbänke ziemlich gefährlich.

»Komm, lass uns unter Deck gehen«, schlug Thurgon vor.

Peter nickte und folgte dem Halbelfen eine schmale Treppe hinunter, die in einen der Laderäume führte.

Bald hörten sie ein lautes Stimmengewirr.

Ein Haufen wilder Kerle hatte sich in der Mitte des Laderaumes um Wolthar herum versammelt. Der Nordkrieger hockte mit noch zwei weiteren Seeleuten um eine große Kiste herum, die als Tisch diente, und spielte Karten.

»Jetzt reicht es mir, ich gebe auf! Habe genug Geld an den Nordmann verloren!« Mit diesen Worten stand der eine Seemann auf, schmiss seine Karten missmutig auf den Boden und verließ grummelnd den Laderaum.

Der andere, ein unheimlicher Bursche mit sonnengegerbter Haut, pechschwarzen langen Haaren und stechenden Augen, blickte Wolthar auffordernd an:

»Jetzt sind nur noch wir beide übrig, Nordmann. Ich glaube, das stichst du nicht.« Er legte seine Karten auf. »Eine Dame und ein Ass!«

Dann wollte er den in der Mitte liegenden Haufen mit Goldmünzen ergreifen.

»Ich denke, ich habe die besseren Karten«, erwiderte Wolthar ruhig.

Dann deckte er auf. »Zwei Asse und ein König.«

Mit einem Ruck stand der Seemann auf und stieß die Kiste um. Das Geld und die Karten fielen zu Boden.

»Das ist Betrug. Du miese Ratte spielst falsch!«

»Ich kann nichts dafür, wenn du so ein schlechter Verlierer bist.«

Der Nordkrieger bückte sich und griff nach den Münzen.

»Liegen lassen!«, zischte der Seemann.

»Ich habe das Gold ehrlich gewonnen.« Wolthar nahm es, steckte es in seinen Beutel und wollte gehen.

»Du bist so gut wie tot.«

Blitzschnell riss der Matrose ein Wurfmesser aus seinem rechten Stiefel und wollte es auf den Nordmann schleudern.

»Das reicht, Bronn. Ich habe es nicht gerne, wenn mein Bootsmann zahlende Passagiere tötet.«

Der Angesprochene fuhr herum.

Eine andere Gestalt kam jetzt aus dem Dunkel des Laderaums. Sie trug ein farbenprächtiges Gewand: bunte Pluderhosen, eine goldverzierte rote Weste und einen blauen Turban. Die teure Kleidung stand aber im krassen Gegensatz zum übrigen Aussehen, denn der Mann wirkte eher klein, schmutzig und ständig schwitzend. Eine Mischung

aus Schweiß und anderen üblen Gerüchen schien von ihm auszugehen. Ein schwarzer gezwirbelter Schnurrbart zog sich über das ganze Gesicht. Strähnige schwarze Haare lugten unter dem Turban hervor.

Die etwas dunklere Hautfarbe und auch die Kleidung verrieten seine Herkunft: Seine Heimat musste sich wohl in Sarakovia befinden.

»Aber Kapitän, dieser Mistkerl hat uns betrogen!«

»Ich habe alles genau beobachtet. Der Nordmann hat fair gespielt. Los, ihr geht jetzt alle wieder an eure Arbeit, du auch, Bronn. Wir werden gleich ankern.«

Der Bootsmann blickte den Kapitän feindselig an.

»Leg dich lieber nicht mit mir an. Du würdest den Kürzeren ziehen, Bronn. Los, an die Arbeit!«

Murrend verließen die Männer den Raum.

»Und ihr geht am besten auch wieder in eure Kajüte. Es gefällt mir überhaupt nicht, wenn es unter meinen Leuten zu Unstimmigkeiten kommt. Das stört nur den Frieden an Bord. Haben wir uns verstanden?«

Thurgon nickte.

»Vollkommen, Kapitän.«

Er gab Peter und Wolthar ein Zeichen, ihm zu folgen.Sie konnten gerade noch sehen, wie ein anderer Mann, der Schiffskoch, herankam und sich an Brigg Loh wandte.

Ihre Kajüte befand sich im Heck des Kahns und war ursprünglich die des Kapitäns gewesen. Sie war ziemlich klein, nur knapp zweimal drei Meter groß. In der Mitte befanden sich ein Tisch, der schon fast den ganzen Platz einnahm, und zwei wackelige Stühle. Auf der rechten Seite stand ein schmales Bett, welches sich Thurgon und Peter teilten. Der Nordkrieger schlief auf dem Boden. Neben zwei schmalen Fensterlöchern befand sich noch eine mächtige Truhe in der Kajüte, in der sie ihre restliche Kleidung und Ausrüstung verstaut hatten.

Die drei hatten den Raum für diese Reise gemietet, damit sie unter sich waren. Brigg Loh ließ sich diese Gunst allerdings auch gut bezahlen. Sie schlossen die Tür hinter sich und schoben den Riegel vor.

»Das mit dem Kartenspiel war keine gute Idee«, wandte sich Peter an Wolthar.

Der Halbelf nickte.

»Du hast Recht. Wir sollten hier möglichst wenig Aufsehen erregen, und die Sache von vorhin gereicht uns nicht gerade zum Vorteil.«

»Ja, ich weiß«, erwiderte der Nordkrieger geknickt. »Ich bin wieder einmal meiner alten Spielleidenschaft erlegen, habe aber auch nicht gemerkt, dass dieser Kerl total verrückt ist.«

»Ist ja schon gut«, erwiderte Thurgon, »aber sei das nächste Mal vorsichtiger.«

Auf einmal war ein platschendes Geräusch zu hören, und ein Ruck ging durch das Schiff.

»Ich glaube, wir haben gerade geankert. Ich werde mal nach dem Abendessen sehen. Nach dem, was vorhin geschehen ist, sollten wir lieber hier essen.«

Der Halbelf verließ die Kajüte und schritt einen schmalen Gang hinunter, der in einen großen Lagerraum führte. Dieser war jetzt, wo fast alle Güter verkauft waren, als Messe hergerichtet worden. In der Mitte befand sich ein langer Tisch, an dem schon einige Matrosen Platz genommen hatten, die restlichen standen in einer langen Reihe vor dem Koch, der mit einer Kelle aus einem großen Kessel das Abendessen ausgab.Thurgon nahm sich drei Teller und Löffel und stellte sich an.

Jetzt erschien der Kapitän und gab dem Schiffskoch ein Zeichen. Dieser nickte bestätigend und legte die Kelle beiseite.

»Alle mal herhören, der Smut hat euch etwas zu sagen!«

Der Koch baute sich locker vor der Mannschaft auf und verschränkte dabei die Arme vor der Brust.

»Also Leute, hört gut zu. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr euch ab und an etwas Obst aus der Kombüse holt, aber seitdem wir Jarrunda verlassen haben, sind größere Mengen Vorräte verschwunden.«

»Na, dann frag doch mal diese drei Fremden«, rief einer der Seeleute und warf dabei einen verächtlichen Blick auf den Halbelfen.

»Genau«, kam es aus einer anderen Ecke, »wir haben nichts damit zu tun.«

»Ruhig, lasst uns ausreden«, schrie jetzt der Kapitän, »niemand verdächtigt euch. Ganz im Gegenteil, ich habe eher das Gefühl, dass wir einen blinden Passagier an Bord haben. Ihr sollt nur die Augen offen halten. Wir werden jetzt Wachen aufstellen, die Kombüse nachts verschließen und das Schiff in den nächsten Tagen einmal gründlich auf den Kopf stellen. Nur dass ihr Bescheid wisst.«

»Dann ist ja alles in Ordnung. Wozu dann die ganze Aufregung? Wir werden den Kerl schon fassen.«

»Ein blinder Passagier?«

Webster blickte Thurgon fragend an, als er wieder zurückgekehrt war.

»Möglicherweise ein Spion, den Aldaaron auf uns angesetzt hat«, überlegte Wolthar.

»Das glaube ich nicht«, erwiderte der Halbelf. »Aldaaron würde sicherlich viel geschickter vorgehen. Ich könnte mir da schon eher einen Helfershelfer von Graf Baldur vorstellen.«

»Na ja, vielleicht hat das Ganze aber auch mit uns überhaupt gar nichts zu tun und es ist nur irgendein armer Schlucker aus Jarrunda, der sich im Süden ein besseres Leben erhofft, aber kein Geld für die Überfahrt hat«, warf Peter ein. »Wir haben unsere Abreise aus Tordor-Castle doch ziemlich geheim gehalten. Ich glaube nicht, dass Aldaaron oder Baldur wissen, dass wir uns überhaupt an Bord dieses Schiffes befinden.«

»Baldur ist so ziemlich alles zuzutrauen, und die Macht des Erzpriesters reicht weit über Astergaard hinaus. Wir sollten lieber kein unnötiges Risiko eingehen. Falls es doch ein Spion ist, wäre es besser ihn außer Gefecht zu setzen, bevor ihn die Besatzung zu fassen

bekommt. Sonst ist unsere ganze Mission gefährdet«, erwiderte der Nordkrieger.

»Da hast du natürlich auch Recht«, entgegnete Peter, »dieser Mörderhaufen hier an Bord darf nichts davon erfahren. Denen ist alles zuzutrauen. Die würden uns für ein paar Goldstücke verkaufen.«

»Gut, dann werde ich mich heute Nacht ein wenig auf dem Schiff umsehen. Ihr bleibt am besten hier in der Kajüte. Ich kann mich im Dunkeln unauffälliger bewegen«, entschied der Halbelf.

Die beiden anderen stimmten ihm zu: »In Ordnung.«

Kurz vor Mitternacht verließ Thurgon fast lautlos die Kajüte. Webster und der Nordkrieger schliefen schon. Er besaß, wie auch alle übrigen Elfen, die Fähigkeit, sich im Dunkeln besser orientieren und verbergen zu können als die Menschen und die anderen Rassen

auf Alkhana. Seine Bewegungen hatten viel mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze gemein, obwohl seine Fähigkeiten bei weitem nicht an die der Waldelfen in Meldorien heranreichten.

Schon sehr bald nahm er Schnarchgeräusche wahr. Er näherte sich dem Hauptladeraum. Die Seeleute hatten, jetzt wo die Ladung verkauft war, hier überall ihre Hängematten aufgespannt. Er schlich zur Treppe, die an Deck führte, und schwang sich empor. Oben angekommen warf er, bevor er die Luke verließ, einen Blick nach allen Seiten. Auch hier war alles ruhig.

Die beiden Monde von Alkhana, Loki und Hel, waren als schwach strahlende Sicheln im Südosten zwischen einigen leuchtend roten Wolken aufgegangen.

Es hatte sich wieder ein wenig erwärmt, denn ein lauer, ja fast frühlingshafter Lufthauch wehte jetzt aus westlicher Richtung. Je weiter sie in den letzten Wochen nach Süden gereist waren, umso milder war es geworden, während in Narandor schon der Herbst Einzug hielt.

Er schaute nach achtern. Dort lagen zwei Seeleute nahe der Ruderpinne.

Beide hatten sich wohl eine große Flasche ‚Jarrgar‘ einverleibt, einen billigen Fusel, der in Jarrunda gebrannt wurde und wie er inzwischen von Peter erfahren hatte, dem irdischen Rum ziemlich ähnlich war. Von den beiden hatte er kaum etwas zu befürchten, denn sie lallten nur noch unverständlich vor sich hin.

Thurgon blickte nun nach vorn, Richtung Kombüsen-Eingang.

Dort konnte er in einigem Abstand eine Gestalt wahrnehmen. Er schlich näher heran und erkannte, dass es sich um einen Matrosen handelte, den man wohl zur Wache eingeteilt hatte. Er war mit einem langen Entermesser bewaffnet. Einen zweiten konnte er weiter

entfernt, nahe dem Bug ausmachen.

Der erste blickte sich ziemlich gelangweilt nach allen Seiten um und gähnte laut. Er schien nicht allzu viel Sinn darin zu sehen, hier vor der Kombüse Wache zu halten.

Vorsichtig schlich der Halbelf zur mittleren Deckluke. In der Nähe standen einige große Fässer, hinter denen er sich schließlich verbarg.

Nun blieb ihm nichts weiter übrig als zu warten. Er gähnte leise, kämpfte gegen die beginnende Müdigkeit an, behielt aber alle Bewegungen an Deck weiterhin im Auge.

So mochte er fast eine Stunde reglos dagesessen haben. Die beiden Monde waren inzwischen über dem Himmel weiter in Richtung Süden gewandert und hingen jetzt knapp über dem Horizont. Alles schien ruhig zu sein, bis er aus den Augenwinkeln plötzlich eine

Bewegung von hinten, aus Richtung Heck, wahrnahm. Er sah sich sorgfältig um und bemerkte irgendjemanden oder irgendetwas, das sich langsam aus der Luke des hinteren Laderaums schob. Die Gestalt war ziemlich schlank und wirkte fast zerbrechlich.

Thurgon erkannte schon an der Aura, dass es sich um keinen der Matrosen handeln konnte. Nein, hier hatte er den blinden Passagier vor sich, dessen war er sicher. Der Halbelf richtete sich auf und verließ sein Versteck.

Mit ein paar Sprüngen war er bei dem Unbekannten und riss ihn zu Boden. Dies geschah so leise, dass keiner der beiden Wachposten etwas davon bemerkte. Der Fremde war von dieser Attacke offensichtlich so überrascht worden, dass er gar nicht in der Lage gewesen

war, sich zu wehren. Diese Schrecksekunde hatte Thurgon ausgenutzt.

Mit eisernem Griff hielt er ihn jetzt umklammert. Dann merkte er erstaunt, dass es sich bei dem blinden Passagier offensichtlich um eine Frau handelte.

Er hielt ihr den Mund zu, um sie am Schreien zu hindern.

»Bleibt ruhig, ich glaube kaum, dass es in Eurem Interesse ist, wenn die Besatzung etwas davon mitbekommt«, flüsterte er leise.

»Außerdem denke ich, seid Ihr uns eine Erklärung schuldig. Wir sollten aber alles Weitere bei uns in der Kajüte besprechen. Einverstanden?«

Die Frau nickte.

Sie folgte dem Halbelfen zurück in den Laderaum, den Gang entlang, in Richtung Kapitänskajüte.

Nachdem Thurgon die Tür hinter ihnen verschlossen und den Riegel vorgeschoben hatte, weckte er Peter und Wolthar.

»Ich habe unseren blinden Passagier.«

Die beiden anderen richteten sich verdutzt und noch immer ein wenig verschlafen auf.

»Wartet, ich mache Licht.«

Mit diesen Worten entzündete der Halbelf eine auf dem Tisch stehende Kerze.

Jetzt konnte man die Frau besser erkennen. Sie trug einen dunklen Umhang und schwarze Hosen, die in ebensolchen Lederstiefeln verschwanden.

Über einem braunen Lederwams schimmerte ein silbernes Kettenhemd. An ihrer linken Seite hing außerdem noch ein Kurzschwert. Die Kapuze des Umhangs war tief in ihr Gesicht gezogen.

Unter dieser Kapuze konnte man aber ganz schwach einige blonde Locken erkennen.Dann nahm die Gestalt die Kapuze ab.

»Hoheit, Ihr!«, entfuhr es Peter, als er die Person erkannte.

Der Nordkrieger stand mit offenem Mund da.

»Prinzessin Selenicke, seid Ihr von allen Göttern verlassen? Was habt Ihr an Bord dieses Schiffes verloren? – Und weiß Euer Vater überhaupt, dass Ihr hier seid?«

»Mein Vater, der König. Nein, er weiß nichts davon. Es war ganz allein mein Entschluss, Euch zu folgen«, erwiderte die Prinzessin trotzig. »Ich bin ein erwachsener Mensch und kann meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich hatte Euch damals vor Eurer Abreise gesagt, dass Ihr meine Hilfe als Heilerin noch gebrauchen könntet und ich finde, da liege ich gar nicht so falsch, besonders wenn ich an Eure Auseinandersetzung mit diesem Kerl von heute Abend denke, Wolthar. Das hätte auch schlimmer für Euch ausgehen können.«

»Ihr wisst davon?«

Sie nickte.

»Außerdem würde ich Peter niemals allein lassen.«

»Ahnt Ihr überhaupt, was für ein Schiff und was für eine Besatzung das ist? Ihr seid hier in größter Gefahr. Diese Bande wird Euch im nächsten Hafen als Sklavin verkaufen. Das heißt, nachdem sie mit Euch fertig ist. Wenn Ihr versteht, was ich meine«, brummte Wolthar verärgert.

»Haltet Ihr mich für so realitätsfremd?«

»Gut, jetzt ist sie nun einmal an Bord. Wir können sie schlecht wieder zurück nach Narandor bringen«, versuchte Thurgon den Streit zu schlichten.

»Ich würde mich auch von niemandem zurückbringen lassen!«

Für eine ganze Weile schwiegen alle nachdenklich.

»Wir müssen dieses Schiff sofort verlassen!«, kam es dann kurz entschlossen von Peter.

»Ja, du hast Recht, wir müssen schnellstens verschwinden«, erwiderte auch der Halbelf nach einem kurzen Zögern. »Wir sind hier jetzt nicht mehr sicher. Bis wir in Saronport sind, dauert es noch anderthalb oder zwei Tage. Außerdem will Brigg Loh das Schiff durchsuchen lassen. Sie kann sich also auch nicht die ganze Zeit bei uns in der Kajüte verstecken. Die Besatzung würde früher oder später etwas davon bemerken und Verdacht schöpfen. Denen sind wir ohnehin im Wege, und die würden auch kurzen Prozess mit uns

machen, wenn wir sie ihnen nicht ausliefern.«

»Wenn wir verschwinden wollen, sollten wir uns aber beeilen. Die Sonne geht bald auf«, bemerkte Wolthar, nachdem er einen kurzen Blick aus den Fensterluken getan hatte.

»Also los, kommt schon. Worauf warten wir noch?«, flüsterte Peter.

Sie warfen sich noch rasch einen bestätigenden Blick zu, öffneten die große Truhe und rafften dann eilig ihre Ausrüstung zusammen.

»Es ist noch dunkel. Ich gehe voraus. Ihr bleibt am besten dicht hinter mir«, entschied Thurgon, als er die Kerze löschte.

Dann schob er den Riegel beiseite, öffnete leise die Tür und schritt voran. Die anderen folgten ihm in kurzem Abstand.

Bald erreichten sie den Hauptladeraum. Hier war alles ruhig. Die Besatzung schlief noch fest. Leise kletterten sie die schmale Treppe empor und blickten sich oben vorsichtig nach allen Seiten um.

Noch war es dunkel, doch der Tag war nicht mehr fern. Das schwache Zirpen einiger Vögel in Ufernähe war schon zu hören. Das Land von hier aus direkt zu erreichen, war aber durch das Dickicht der Uferpflanzen nicht möglich.

»Wir müssen das Beiboot nehmen und weiter stromaufwärts rudern, bis wir eine Stelle finden, wo wir an Land gehen können«, flüsterte Thurgon den anderen zu.

Dann gab er Wolthar ein Zeichen.

»Die beiden Wachen.«

Der Nordkrieger nickte bestätigend. Während sich Thurgon von hinten an den Wächter heranschlich, der vor der Kombüse Wache hielt, erledigte Wolthar die zweite Wache. Nach einem kurzen Faustschlag sackte der Matrose in sich zusammen.

Peter und Selenicke kümmerten sich inzwischen um das Beiboot, welches die‚Flusskönigin‘hinter sich her schleppte. Es war ein mittelgroßes Ruderboot und diente der Besatzung hauptsächlich für kurze Ausflüge an Land und für die Jagd auf Enten, Gänse oder andere Wassertiere.

Webster hangelte sich vorsichtig am Heck hinunter, glitt dann ins Wasser, schwamm zum Boot und kletterte hinein. Die Prinzessin löste die Vertäuung und Peter ruderte das Boot lautlos auf die Steuerbordseite des Lastkahns. Dann kletterten die anderen drei dazu.

Der Halbelf stieß das Boot ab. Webster und der Nordkrieger legten sich in die Riemen. Fast lautlos glitt das Gefährt flussaufwärts.

Bald wurde es von dem aufkommenden Frühnebel eingehüllt und war kurz darauf nicht mehr zu sehen.

***

»Wie lange sind sie schon fort?«