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Das Leben des Londoner Anwalts Peter Webster gerät vollkommen aus den Fugen, als er in einen Verkehrsunfall verwickelt wird - mit tragischen Folgen. Als wäre das nicht genug, verwirrt ihn seine Großmutter Mary mit Erzählungen von einem mysteriösen Steinkreis. Dort betrieb sein verstorbener Großvater Forschungen, die Peter wieder aufnehmen soll. Er hat kein großes Interesse daran, doch als Mary Webster eher überraschend stirbt, will Peter zusammen mit seinem Freund George Miller das Rätsel um den Steinkreis lösen. Beide ahnen nicht, in was sie da hinein geraten...
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Seitenzahl: 216
Veröffentlichungsjahr: 2017
4. neu überarbeitet Auflage
Die Völker lebten in Barbarei und Unwissenheit und in ständigen Kriegen gegeneinander.
Doch dann erschien Barangor. Er entstammte einem Geschlecht mächtiger Heerführer und Söldner. Von den Göttern auserwählt, errang er von ihnen, das Schwert der Macht.Mit dieser Waffe einte er die zerstrittenen Völker und wurdeder erste König des Landes Narandor.Zufrieden blickten die Götter nun auf ihre Welt, und so schenkten sie Barangor zwei weitere magische Reliquien:die Krone der Gerechtigkeit, auf dass er gütig regieren mögeund das Buch der Weisheit, um ihm auch das Wissen dafür zu geben.Doch der Friede währte nicht lange, und Barangor starb auf einem seiner Jagdausflüge durch die Hand eines feigen Mörders. Dieser hatte im Auftrag des dunklen und selbstsüchtigen Königs Aldaaron, eines Halbbruders Barangors gehandelt, der die Herrschaft über ganz Alkhana anstrebte, die Reliquien für sich beanspruchte und nun seine finsteren Heerscharengegen die freien Völker führte.Immer mehr Königreiche wurden von den Horden Aldaarons überrannt oder schlossen sich ihm aus Furcht freiwillig an.Als das letzte Aufgebot von Menschen, Zwergen und Elfen unter Aldaarons Ansturm zusammenzubrechen drohte, gelang es dem Waldelfenkönig Gondular, die dunklen Heere in einen Hinterhalt zu locken und in einer Schlacht, die drei Tage und drei Nächte tobte, zu vernichten. Er besiegte auch Aldaaron mit Hilfe des Schwertes der Macht in einem letzten Duell.Doch dann begingen die freien Völker Alkhanas einen verhängnisvollen Fehler. Statt den dunklen Herrscher endgültig zu vernichten, entschlossen sie sich, Aldaaron in die finsteren Länder nach Astergaard zu verbannen. In der Hoffnung, seine düstere Seele würdesich im Laufe der Zeit doch noch zum Guten hin wandeln.Aber dort, in der Abgeschiedenheit des nördlichsten Kontinents, wuchsen seine Macht und sein Hass im Laufe der Jahrhunderte erneut.Er erlernte die schwarz-magischen Künste, baute eine gewaltige Festung, sammelte ein riesiges Heer grauenvoller Kreaturen und nannte sich fortan Erzpriester von Suloss. Dann schwor er Rache.Eines Tages würde er zurückkehren und sich die Herrschaft über ganz Alkhana holen.In der übrigen Welt kehrte nun endlich, nach so vielen Jahren des Krieges, der Frieden ein.Doch das gegenseitige Misstrauen blieb. So entschied man, die heiligen Reliquien an geheimen Orten zu verbergen, so lange, bis die Völker weise genug wären, damit umzugehen.Auf Anordnung der Götter und der Gelehrten eines jeden Volkes sollte nur noch ein wirklich Auserwählter die Reliquien in der Stunde der Gefahr wiederfinden und zum Nutzen aller freien Völker anwenden können.Ein fremder, nicht von Alkhana stammender Mensch sollte es sein.Er wäre dann der''Wahre Träger''und würde diese Welt in eine bessere Zukunft führen.
Der riesige Thronsaal von Tordor-Castle war kahl und unansehnlich und wurde nur von wenigen Fackeln erleuchtet. Die Wände und Decken, welche einst mit prachtvollen Fresken verziert waren, wirkten jetzt nur noch verrußt und schmutzig. Vier mächtige, in der Mitte des Saales stehende Säulen stützten die ganze Halle.Ein roter Teppich lief vom Eingangstor, vor dem zwei verschlafene Wächter standen, direkt auf den Thron zu. Die Gestalt darauf war in sich zusammengesunken und wirkte müde und kraftlos. Die grauen, wirren Haare und das eingefallene weiße Gesicht warenvon Kummer gezeichnet. König Bergomir von Narandor war einst ein großer Regent und Nachfahre des berühmten ersten Staatsgründers Barangor gewesen, jetzt war er nur noch alt, krank und vergessen. Die Ritterschaft hatte sich von ihm abgewandt.Früher, ja früher einmal war dieses Schloss ein Treffpunkt für Adelige aus allen Teilen des großen Landes gewesen und Narandor eines der mächtigsten Länder Alkhanas.Doch diese Zeit war längst vergangen. Das große Reich zerfiel immer mehr und Bergomir war nicht in der Lage, dies zu verhindern. Nur wenige Adelige waren noch bereit, dem alten König zu gehorchen und ihm zu dienen. Die meisten verfolgten nur noch ihre eigenen Ziele.König Bergomir hatte zwar eine Tochter, die aber nicht bereit war, einen dieser selbstsüchtigen Vasallen zu ehelichen. Ein Nachfolger auf dem Thron war daher nicht in Sicht. So blieben die Reichsgrenzen ungeschützt und die Nomadenstämme der Urgulls konnten ohne großen Widerstand ins Land eindringen. Narandor hatte sich auchniemals so ganz von dem großen Krieg um die Reliquien erholen können.Ein Mann mit langem schlohweißen Bart, in einer hellgrauen Robe, betrat nun den Saal und kam an den Wachen vorbei auf den Thron zu.„Majestät Ihr erlaubt, dass ich das Wort an Euch richte?“Die Gestalt auf dem Thron erhob langsam ihr Haupt und blickte ihn fragend an.„Nur zu Melwin, was habt Ihr mir zu berichten?“„Ich habe, wie Ihr es gewünscht hattet, in den letzten Jahren intensiv die Sterne beobachtet und die Alten Schriften studiert“, er machte eine längere Pause und fuhr dann fort, „es bestehen keine Zweifel mehr: die Zeit des„Wahren Trägers“ist jetzt endlich gekommen.“Bergomir nickte.„Dann ist es also wirklich so weit, dass ich mein Reich an jemand anderen übergeben muss. An jemanden, der die drei heiligen Reliquien, das Buch, das Schwert und die Krone,wiederbeschaffen wird.“„Ja Majestät, in den Sternen las ich ebenfalls, dass, wie es ja schon in den Schriften unserer Ahnen aufgezeichnet ist, nur ein Mensch, der nicht von unserer Welt stammt, der„Wahre Träger“sein wird. Nur dieser kann unsere Welt vor Aldaaron, dem Erzpriester von Suloss, und seinen finsteren Horden bewahren. Er wird der neue Regent von Narandor werden und Euer Erbe antreten.“„Aber in den vielen vergangen Jahrhunderten gelang es doch nur einem einzigen Menschen, von der Erde den Weg zu uns zu finden, und dieser hatte einfach zu große Zweifel an sich selbst und an der Mission“, versuchte der König einzuwenden.„Ich weiß, aber er ist unsere einzige Hoffnung, und vielleicht hat er sich inzwischen zu einer anderen Meinung durchgerungen.“„Gut, dann müssen wir es wagen; sendet ihm eine Nachricht!“Melwin nickte und holte ein kleines, hölzernes Kästchen aus seinem Gewand.Aus ihm entnahm er einen funkelnden Kristallsplitter.„Wird er dieses Zeichen auch richtig zu deuten wissen?“„Ich denke schon, Majestät.“Daraufhin legte Melwin den Splitter vorsichtig auf eine der Stufen, die zum Thron führten.Dann murmelte er einen seltsam klingenden Spruch.Bald darauf wurde der Kristall von einem leuchtend blauen Nebel eingehüllt.Als dieser sich wenige Minuten später wieder aufgelöst hatte, war der Kristall verschwunden.
„Beeile dich Susan und trödle nicht noch so lange herum. Peter möchte gleich fahren.“Deborah Webster warf ihrer sieben Jahre alten Tochter, die gerade mit dem Packen ihres Koffers beschäftigt war, einen tadelnden Blick zu.„Oder soll ich dir helfen?“„Nein Mama, dass schaffe ich schon allein. Warum bleiben wir eigentlich nicht bis morgen früh und fahren erst dann nach Hause?“„Das weißt du doch. Peter hat morgen Mittag schon wieder einen wichtigen Termin.“Deborah blickte sich um: Überall in dem Hotelzimmer lagen Kleidungsstücke herum, die unbedingt noch in den vier Koffern verstaut werden mussten. Die Websters hatten, wie jedes Jahr im Oktober, zwei Wochen Urlaub an der See in Brighton verbracht.Für Susan war es immer ein unvergessliches Erlebnis, am Strand mit den andern Kindern zu spielen. Aber auch Peter und Deborah genossen ihren Urlaub in dem Seebad.Im Laufe der letzten Jahre hatten sie hier neue Bekanntschaften geknüpft, aber auch alte vertieft. Sie brauchten diese Auszeit, weil Peters Tätigkeit als Rechtsanwalt sehr stressig und nervenaufreibend war. Er, war recht erfolgreich und ehrgeizig denn zu seinen Mandanten zählten unter Anderem einige bekannte Geschäftsleute und Leute aus der Show-Branche.Der Dreißigjährige hatte eine ganze Weile als Kompagnon in einer großen Kanzlei gearbeitet und sich schließlich dazu entschlossen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Seinem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg und dem seiner Familie schien also nichts mehr im Wege zu stehen.Ein Auto fuhr unten auf der Straße vor und hupte.Deborah rannte zum Balkon und blickte hinunter.„Das ist Peter, er ist bestimmt schon ungeduldig“, rief sie ihrer Tochter zu.Wenige Minuten später betrat der junge Anwalt, leicht gestresst, das Hotelzimmer.„Ihr seid ja immer noch am Packen, ich dachte schon, wir könnten endlich los.“„Wie wäre es denn, wenn der große „Star-Anwalt“ auch ein wenig mithelfen würde?“, scherzte Deborah.Peter stöhnte leise:„Mir bleibt auch nichts erspart. Also dann lasst uns mal beginnen.“
„Tut mir sehr leid Mr. Webster, aber es sieht nicht gut aus.“ Constable Worrington blickte Peter Webster besorgt an.„Ihre Frau und Ihre Tochter sind vor etwa einer halben Stunde operiert worden, aber ihr Zustand ist leider immer noch besorgniserregend. Doktor Burns meint, man könne jetzt nur abwarten. Es wäre das Beste, wenn Sie nach Hause fahren. Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?“Webster reagierte wie in Trance. Geistesabwesend erhob er sich von der Bank im Vorraum des Polizeireviers in London-Croydon, schüttelte nur mit dem Kopf und bewegte sich Richtung Ausgang.Seine Gedanken kreisten nur noch um den Unfall: Sie waren kurz nach 22:00 Uhr in Brighton aufgebrochen und hatten dann auf der A 23 nach London noch zwei Pausen eingelegt.„Wir werden doch nächstes Jahr wieder nach Brighton fahren, oder?“, hatte Susan gefragt.„Aber ganz bestimmt“, entgegnete Peter.Das waren die letzten Worte gewesen, die er mit ihr gewechselt hatte.Zwischen Slaugham und Handcross war es dann kurz nach 23 Uhr geschehen: Ein grelles Scheinwerferpaar tauchte urplötzlich vor ihnen auf. Webster riss das Lenkrad herum, konnte dem entgegen kommenden Fahrzeug zwar in letzter Minute noch ausweichen,doch durch das ganze Manöver und die hohe Geschwindigkeit verlor er die Kontrolle über seinen Wagen. Der kam von der Fahrbahn ab, wurde durch die Luft geschleudert, überschlug sich einige Male und blieb schließlich auf dem linken Seitenstreifen, mehrere Meter von der Straße entfernt, auf dem Kopf liegen.Für einen kurzen Moment schien Peter wie benommen zu sein, dann befreite sich der Anwalt mühsam aus dem Sicherheitsgurt.Deborah hing reglos im Gurt neben ihm, sie war offensichtlich von irgendeinem umherfliegenden Gegenstand am Kopf sehr schwer getroffen und auch verletzt worden. Der Sicherheitsgurt seiner Tochter hatte sich offenbar gelöst, vielleicht hatte sie ihn während der Fahrt auch heimlich geöffnet ohne das er und seine Frau etwas davon mitbekommen hatten.Der Körper von Susan war nach vorne, in Richtung Windschutzscheibe geschleudert worden. Ihr Kopf schien nur noch eine blutende Masse zu sein. In wilder Panik versuchte Peter mit seinem Taschentuch die Blutung an ihrem Kopf zu stoppen – sinnlos – es gelang ihm nicht. Dann zerrte er am Sicherheitsgurt seiner Frau, doch der wollte sich einfach nicht öffnen. Er musste unbedingt Hilfe holen. Jede weitere Minute, die jetzt verstrich, konnte über das Leben von Deborah und Susan entscheiden.Zum Glück ließ sich die Fahrertür relativ leicht öffnen. Mühsam kletterte er aus dem auf dem Dach liegenden Auto. Er stand auf und blickte sich um: Anscheinend hatte niemand von dem Unfall Notiz genommen. Immer noch unter Schock, taumelte er zur Straße.Verzweifelt versuchte Webster, eines der ihm entgegen kommenden Fahrzeuge zu stoppen, doch dieses fuhr nur laut hupend an ihm vorbei. Leichte Panik ergriff von ihm Besitz. Er fasste sich an die Brust, als könne er sein wild klopfendes Herz beruhigen. Dabei fühlte er den eckigen Gegenstand in sein Jacke – Peter griff in die Tasche und zog sein Mobiltelefon hervor. Es hatte keinen Schaden genommen. Mit zitternden Händen rief er die Polizei. Nach knapp fünfzehn Minuten kam eine Ambulanz, ihr folgten Polizei und Feuerwehr. Der Unfallort wurde abgesperrt.„Da haben Sie aber Glück gehabt, Mr. Webster, ich kann bei Ihnen keine ernsthaften Verletzungen feststellen“, bemerkte der Notarzt, nachdem er Peter noch an der Unfallstelle untersucht hatte.„Sie sollten sich aber im Krankenhaus noch einmal genauer untersuchen lassen.Aus dem Hospital von London-Croydon konnte Peter relativ schnell wieder entlassen werden. Außer einigen Kratzern und Schürfwunden schien er nichts Ernsthaftes davongetragen zu haben.Deborah und Susan hatten dieses Glück leider nicht. Beide waren aufgrund ihrer schweren Verletzungen in ein Koma gefallen. Nun hieß es warten.Webster suchte, nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, umgehend das zuständige Polizeirevier in London-Croydon auf, um dort seine Angaben zum Unfallhergang noch einmal genau zu Protokoll zu gegeben. Die Recherche nach dem Geisterfahrer blieb bislang aber ergebnislos.Nachdem er die Polizeistation wieder verlassen hatte, folgte er nur noch ziellos dem Verlauf der Straße, die ins Zentrum der englischen Hauptstadt führte. Einen klaren Gedanken konnte er einfach nicht fassen. Immer noch hatte er die Schreie seiner Frau und seines Kindes in den Ohren, den Aufprall und die Geräusche der splitternden Windschutzscheibe.Was sollte jetzt werden?Wenn Deborah und Susan nicht mehr aus dem Koma erwachen würden, was dann? Er wollte gar nicht darüber nachdenken.Gerade seine Tochter hatte sehr schwere Kopfverletzungen davongetragen.Vor ihm, rechts am Gehsteig, tauchte eine Bushaltestelle auf.Dahinter befand sich eine Reihe der für London typischen Black Cabs.Peter warf einen Blick auf seine Armbanduhr: Es war kurz vor Eins. Er beschloss, nun doch ein Taxi zu nehmen, um nach Hause zu fahren.Die Websters bewohnten eine etwas größere Apartment – Wohnung im Herzen der Londoner City, im Stadtteil Chelsea, mit Blick auf die Themse.Während der Fahrt sah Peter aus dem Fenster, ohne wirklich etwas zu sehen. Die Angst um seine Familie ließ sich einfach nicht abstreifen. Als das Cab vor dem Wohnhaus hielt, zahlte Peter geistesabwesend, stieg aus und machte sich auf den Weg in den vierten Stock.Als er die leere Wohnung betrat, fühlte er eine ungeheure Verzweiflung in sich aufsteigen – und auch eine ohnmächtige Wut.Eine ohnmächtige Wut auf den Fahrer des Wagens, der ihnen auf der Autobahn entgegen gekommen und für diesen katastrophalen Unfall verantwortlich war. Zugleich befiel ihn eine ungeheure Enttäuschung über die Arbeit der Polizei, die in den bisherigen Stunden noch nicht in der Lage gewesen war, diesen Fahrer ausfindig zu machen.Peter ließ sich auf die Couch im Wohnzimmer sinken und versuchte sich ein wenig zu beruhigen. Vielleicht würde morgen schon alles anders aussehen.Der Gesundheitszustand von Doborah und Susan würde sich wieder bessern, dessen war er sicher. Er musste einfach nur daran glauben.Peter nahm eine auf der Couch liegende Wolldecke, legte sie sich über den Körper undversank schon kurz darauf in einen unruhigen Schlummer.
Das Telefon auf seinem Schreibtisch, im Arbeitszimmer, klingelte offensichtlich schon eine ganze Weile.Immer noch müde und verschlafen erhob sich Peter.Er torkelte in sein Büro und nahm den Hörer ab.„Ja, Webster hier.“„Mr. Webster, hier ist das Krankenhaus in Croydon. Könnten Sie bitte sofort zu uns kommen? Es geht um Ihre Frau und Ihre Tochter.“„Was ist mit ihnen? Hat sich ihr Zustand inzwischen stabilisiert?“„Das kann ich Ihnen am Telefon nicht sagen. Kommen Sie am Besten umgehend her.“„Gut, ich bin schon unterwegs“Mit einem unguten Gefühl legte er den Hörer auf.Irgendetwas war geschehen. Das spürte Peter.Ohne Zeit für eine Dusche und Rasur zu verschwenden, bestellte er ein Taxi, zog sich rasch um und verließ die Wohnung.Krankenhaus Croyden, 9:30 Uhr„Haben Sie bitte noch einen Augenblick Geduld, Mr. Webster. Ich werde Dr. Burns Bescheid sagen, dass Sie gekommen sind.Nehmen Sie doch inzwischen Platz.“ Die Dame an der Anmeldung im Flur des Krankenhauses deutete dabei auf einen in der Nähe befindlichen Stuhl und griff zum Telefon.Peter setzte sich.„Ja, Mr. Webster ist jetzt hier,“ sagte sie in den Hörer, dann an Peter gewandt: „der Doktor kommt sofort.“Quälende Minuten vergingen.Ein Mann um die sechzig mit kurzen, schon ergrauten Haaren und einer Halbglatze kam schließlich aus einem der seitlich gelegenen Behandlungsräume auf Peter zu.„Mr. Webster?“Peter nickte und erhob sich.„Frank Burns. Es geht um Ihre Frau und Ihre Tochter, nicht wahr? Am Besten wir gehen in mein Büro.“„Was ist mit ihnen?“Der Doktor antwortete nicht.Im Büro schloss er die Tür und wies auf einen großen, bequemen Ledersessel.„Bitte Sir, nehmen Sie Platz.“Nachdem Peter sich gesetzt hatte, holte Burns tief Luft, dann fuhr er fort. „Mr. Webster, Sie müssen jetzt sehr stark sein, denn ich muss Ihnen leider eine traurige Mitteilung machen: Ihre Tochter ist heute in den frühen Morgenstunden ihren schweren Kopfverletzungen erlegen. Wir haben alles Menschenmögliche für sie getan, aber es warleider vergebens. Es tut uns sehr leid.“Peter spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen entzogen wurde.Er glaubte, in ein unendliches Nichts abzugleiten. Sein Blick ging ins Leere.„Sind Sie in Ordnung, Mr. Webster? Geht es Ihnen gut? Wollen Sie ein Beruhigungsmittel?“Peter schüttelte nur fassungslos den Kopf.„ – Nein, es geht schon. Ich hatte nicht gedacht, dass ihre Verletzungen so gravierend sind.“„Ja, das haben wir zunächst auch nicht angenommen, aber ihr Zustand hat sich, im Laufe der Stunden nach der Einlieferung, rapide verschlechtert.“„Ja, ich verstehe.“ Peter nickte nur mit dem Kopf – kaum in der Lage die schrecklich Wahrheit wirklich zu verstehen.„Es wird wahrscheinlich noch zu einer Obduktion durch die Polizei kommen, da Ihre Tochter nicht angeschnallt war, Sir. Das lässt sich leider in diesem Fall nicht verhindern.“„Das ist mir schon klar. Wie geht es meiner Frau zurzeit?“„Sie wurde aufgrund ihrer schweren Hirnverletzung in ein künstliches Koma versetzt. Es wäre nicht gut für den Heilungsprozess, wenn sie zu früh erwacht. Daher haben wir das Risiko nicht eingehen wollen, sie in dem natürlichen komatösen Zustand zu lassen. Wir müssen abwarten und hoffen, dass sie sich erholt.“Der Doktor erhob sich: „Wenn Sie möchten, kann ich Sie jetzt zur Intensivstation begleiten.“Peter nickte und folgte dem Arzt.Die regelmäßigen Geräusche des Beatmungsgerätes und die der übrigen Apparaturen war das Einzige, dass Peter hier wahrnahm. Die Intensivstation wirkte auf ihn wie eine eigenständige Welt. Webster fühlte sich hilflos. Er war es gewohnt, die Dinge unter Kontrolle zu haben, aber hier war alles anders. Deborah lag im Bett und war an Gerätschaften angeschlossen, die sie im Augenblick irgendwie am Leben erhielten und er konnte nur zusehen und hoffen, dass sich ihr Zustand irgendwann bessern würde.„Ich weiß, wie schwer das jetzt alles für Sie ist, Sir," bemerkte Doktor Burns, „aber ich muss leider wieder an die Arbeit. Falls Sie möchten, können Sie sich an der Anmeldung noch die Adresse von einem guten Psychotherapeuten geben lassen."„Ich denke, das wird nicht notwendig sein."„Ganz wie Sie meinen, Sir."
25. Oktober 2006, 10:30 Uhr, die Wohnung der Websters in London – Chelsea
Webster lag im Halbschlaf auf dem Bett und schob sich das Kopfkissen über die Ohren, aber das Geräusch nahm einfach kein Ende. Es war wie ein gewaltiger Gong, der immer und immer wieder aufs Neue angeschlagen wurde. Zunächst, gefangen zwischen Traum und Wirklichkeit, war ihm nicht bewusst, von woher dieser Lärm kam doch dann dämmerte es ihm. Es war jemand an der Tür.Doch er hatte nicht die geringste Lust zu öffnen.Die letzten sechs Tage waren die schlimmsten in seinem Leben gewesen.Er hatte seine Tochter beerdigen müssen.Nachdem die Polizei ihre sterblichen Überreste obduziert hatte, war ihre Leiche freigegeben worden.Nur wenige Tage später fand dann eine schlichte Beisetzung statt, zu der nur einige wenige Bekannte und gute Freunde eingeladen waren. Die Websters hatten zu den meisten ihrer Verwandten auch gar keinen Kontakt mehr. Die nächste Angehörige Peters war dessen Großmutter Mary Webster, die in Süd-Wales lebte und die aufgrund ihres hohen Alters und ihres Gesundheitszustands nicht gekommen war. Sie hatte ihm nur eine Beileidskarte geschickt.Schon wieder wurde geläutet.Wer konnte das sein?Er hatte extra darum gebeten, ihn in den Tagen nach der Beerdigung in Ruhe zu lassen. Auch seine Kanzlei war geschlossen. Da sein unwillkommener Besuch aber nicht aufgab, zog er sich schließlich seinen Morgenmantel über, verließ das Schlafzimmer, ging zur Wohnungstür und betätigte die Sprechanlage.„Wer ist dort?“„Scotland-Yard, Mr. Webster. Würden Sie bitte öffnen. Wir haben da einige Fragen, bezüglich Ihres Unfalls.“„Wieso? Was hat denn Scotland-Yard damit zu tun?“„Das möchten wir lieber mit Ihnen persönlich besprechen.“„Also gut, meinetwegen“, brummte Peter, immer noch ein wenig verschlafen. „Kommen sie hoch.“Er betätigte missmutig den elektrischen Türöffner.Eigentlich wollte er niemanden sehen, aber in diesem Fall blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Leise vor sich hin fluchend stelle er noch rasch eine fast leere Whisky-Flasche zurück in die Bar, im Wohnzimmerschrank. Dann öffnete er die Wohnungstür und sah, wie wenige Minuten später zwei Personen aus der geöffneten Tür des Fahrstuhls schritten und auf ihn zukamen. Es waren zwei Polizeibeamte in Zivil.Der eine war ein ziemlich großer, hochgewachsener Kerl um die fünfzig mit dunkelblonden, kurz geschorenen Haaren.Er hatte ein grobschlächtiges, vernarbtes Gesicht und hellblaue Augen, die Peter kühl musterten. Seine Nase glich der eines Boxers und wirkte schon ziemlich ramponiert. Der stark – süßliche Duft eines billigen Aftershaves ging von ihm aus. Er trug einen hellgrauen Anzug. Ein hellblaues Oberhemd und eine eher lässig gebundene helle Krawatte bildeten den Abschluss.Der andere, wesentlich jünger, wirkte eher unscheinbar wie eine „graue Maus“. Eine typische Beamtenseele mit kurzen, hellblonden Haaren, die künstlich mit ein wenig Gel in Form gehalten wurden. Er hatte ein breites, ja fast rundes Gesicht mit einem äußerst schmalen Mund und grün-grauen Augen. Er trug eine dunkelgraue Hose, ein schwarzes Jackett, ein weißes Oberhemd und eine sehr sorgfältig gebundene hellgraue Krawatte.Der ältere zückte seinen Ausweis:„Guten Tag, Mr. Webster. Ich bin Police Chief Inspector Barrows, und das ist mein Kollege Police Sergeant Thornton.“Peter bat die Herren hinein und führte sie ins Wohnzimmer. Dort deutete er auf zwei große Sessel. Die Beamten nahmen Platz, und er setzte sich ihnen gegenüber auf die Couch.„Um was geht es nun genau, meine Herren?“, fragte Peter.„Also, wie schon gesagt“, fuhr jetzt Barrows fort, „es geht um Ihren Unfall, Mr. Webster. Die Kollegen aus Croydon haben ihren Bericht an uns weitergegeben, da sie offensichtlich mit den Ermittlungen in diesem Fall nicht so recht vorankommen. Sie hatten zu Protokoll gegeben, dass Ihnen auf der A23 ein fremdes Fahrzeug, also dieser Geisterfahrer entgegen gekommen sei, der dann letztendlich für Ihren Unfall verantwortlich wäre. Entspricht das den Tatsachen?“„Richtig“, erwiderte Peter.„Gut, das ist jetzt Ihre Aussage Sir, aber bisher konnte dieses fremde Fahrzeug nicht ermittelt werden. Es wurde auch von niemand anderem, außerIhnen, gesehen. Unsere Kollegen haben mehrere Autofahrer befragt, die zum gleichen Zeitpunkt wie Sie auf deA23 in gleicher Fahrtrichtung unterwegs waren, aber niemand von ihnen konnte Ihre Angaben bestätigen, Mr. Webster.“„Ja gut, aber möglicherweise wird dieser Fremde die Autobahn an der nächsten Abfahrt verlassen haben. Das ist doch unter diesen Umständen auch sehr wahrscheinlich.“„Aber das wäre doch bemerkt worden, Sir. Wenn ein Fahrzeug, entgegen der normalen Fahrtrichtung die Autobahn hätte verlassen wollen, wäre es doch ganz unweigerlich an der nächsten Ausfahrt zu einem Unfall gekommen. Wir haben aber in Bezug daraufnicht die geringsten Hinweise, nicht einmal von irgendeinem Zwischenfall.“„Was wollen Sie eigentlich von mir, Chief Inspector?“„Nun, eines ist doch irgendwie merkwürdig, Mr. Webster. Korrigieren Sie mich, falls irgendetwas an meinen Ausführungen nicht stimmen sollte: Ihre Tochter kommt bei diesem Unfall ums Leben,Ihre Frau wird aufgrund der schweren Verletzungen intensivmedizinisch betreut. Nur Sie sind, bis auf ein paar Kratzer, unverletzt geblieben.“„Sie hatten doch sicherlich gemeinsam eine Lebensversicherung abgeschlossen“, meldete sich jetzt der Sergeant zu Wort. „Falls einer von Ihnen stirbt, bekommt der andere die Versicherung ausgezahlt, oder?“„Jetzt reicht es aber! Wollen Sie mir unterstellen, ich hätte den Unfall absichtlich herbeigeführt? Was sollen diese Anschuldigungen?“„Aber im Augenblick beschuldigen wir Sie doch gar nicht, Mr. Webster“, fuhr der Sergeant mit gespielter Höflichkeit fort, „wir versuchen uns nur ein Bild von Ihnen zu machen.“„Würden Sie bitte meine Wohnung umgehend verlassen! Falls Sie ernsthafte Beweise gegen mich in der Hand haben, können Sie sich gerne wieder bei mir melden.“Der Chief Inspector erhob sich und bewegte sich in Richtung Tür, sein Sergeant folgte ihm.„Gut, wie Sie wollen Sir. Wir sehen uns wieder Mr. Webster, ganz bestimmt sogar.“
26. Oktober, 8:30 Uhr, die Wohnung der Websters in London-Chelsea Es klingelte an der Wohnungstür.Peter öffnetseinem diesmal erwarteten Gast.„Gut, dass du so schnell kommen konntest, George“, begrüßte er den Ankömmling und führte ihn ins Wohnzimmer.Beide nahmen auf der Couch Platz.George Miller war einer der wenigen Freunde, die Peter zur Beerdigung von Susan eingeladen hatte.George war wie Peter Anwalt. Sie hatten sich während ihres Studiums in Oxford kennengelernt.Miller warein etwas eigenartiger Mensch, dem der gesellschaftliche Aufstieg nicht so viel bedeutete wie Webster. Er führte nur eine kleine bescheidene Kanzlei außerhalb Londons. George, der ein alter Junggeselle war, wirkte auf Webster eher eigenbrötlerisch. Eines seiner wenigen Hobbys war das Angeln. Trotzdem kamen die beiden so unterschiedlichen Menschen zumindest in ihrer Freizeit recht gut miteinander aus.George war ein großer fast hagerer Mann, etwas älter als Peter, mit dunkelblondem Haar und blaugrauen Augen. Er trug ein altes kariertes Jackett und fast verschlissene hellblaue Jeans. Also auch äußerlich ein etwas eigentümlicher Typ, der gar nicht so recht zu dem ansonsteneher modebewussten und vitalen Webster passen wollte.„Du siehst schlecht aus, Peter. Du solltest dich wieder in deine Arbeit stürzen, auch wenn es dir zurzeit schwerfällt. Ich kann gut verstehen, wie sehr du immer noch leidest, aber das Leben geht weiter. Im Übrigen halte ich es auch nicht für gut, wenn deine Kanzlei so lange geschlossen bleibt.“ George warf einen besorgten Blick auf eine halbvolle Whisky-Flasche vor ihm auf dem Wohnzimmertisch. „Und mit deiner Trinkerei wirst du deine Probleme auch nicht in den Griff bekommen.“Peter wusste, dass ihn die Geschehnisse stark mitgenommen hatten und er um Jahre gealtert war.Die fast pechschwarzen, kurz geschnittenen Haare hatten zum Teil schon ein leichtes Grau angenommen. Seine Gesichtsfarbe war blass und seine ansonsten kräftigen blauen Augen nur noch müde und kraftlos. Er war auch eigentlich nicht der Typ, der bei Konflikten sofort zum Alkohol griff. Nur der Kummer der letzten Wochen hatte ihn so weit getrieben.“„Ja ich weiß“, erwiderte Peter. „Du hast ja recht. Konntest du schon etwas in Erfahrung bringen?“Peter hatte George Miller vom gestrigen Besuch der beiden Polizeibeamten berichtet und ihn um Hilfe gebeten. Zwar hätte er auch selber Erkundigungen einholen können. Doch es schien ihn in diesem Fall sicherer, eine dritte Person damit zu beauftragen.„Ja, habe ich. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei ermitteln offensichtlich gegen dich.“„Aber das ist doch Wahnsinn! Ich soll also diesen Unfall absichtlich herbeigeführt haben? Die sind ja verrückt.“„Peter, du bist doch Anwalt und weißt, wie die Polizei arbeitet. Die können den wahren Täter, also den Geisterfahrer, nicht ausfindig machen. Und jetzt ermitteln sie gegen die Person, die möglicherweise ein Motiv für ein Verbrechen haben könnte, nämlich dich. Mir brauchst du nicht zu erzählen, dass das alles Irrsinn ist.“„Gut, dann ist es wohl das Beste, wenn ich mich zunächst ruhig verhalte.“„Das wollte ich dir auch gerade vorschlagen. Es ist schlimm, dass sie ausgerechnet gegen dich ermitteln, wo du schon so viel durchgemacht hast. Aber viel tun können wir im Augenblick ohnehin nicht. Die Polizei soll erst einmal Beweise gegen dich erbringen. Aber damit dürfte sie sich ziemlich schwertun.“Miller stand auf und reichte Peter zum Abschied die Hand: „Ich muss jetzt leider wieder an die Arbeit, aber ich melde mich, falls es etwas Wichtiges geben sollte.“ Er klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Gib jetzt nicht auf, Peter, und höre vor allen Dingen mit dem Trinken auf. Es werden ganz bestimmt auch wieder bessere Zeiten kommen.“
Gleichzeitig, in einem älteren Bürogebäude in der Londoner Innenstadt
„Das ist ja eine geradezu verteufelte Situation, Bishop“, entfuhr es dem grauhaarigen Mann in dem altmodischen Anzug. Er erhob sich hinter seinem wuchtigen und schweren Schreibtisch, trat an den Kamin und warf nachdenklich ein Holzscheit in das prasselnde Feuer.„Wirklich verteufelt. Was können wir dagegen tun?“„Bis jetzt ermittelt die Polizei offensichtlich noch gegen diesen Peter Webster, Sir. Sie denken, er hätte den Unfall absichtlich herbeigeführt, um seine Versicherung zu betrügen. Aber es besteht kein Zweifel, wer die wirkliche Schuld daran trägt“, erwiderte der Angesprochene, ein fülliger Typ mit Halbglatze, dessen Kopf nur noch mit einem dünnen, schwarzen Haarkranz bedeckt war.„Das ist ja entsetzlich. Wenn die Wahrheit herauskommt, die Medien und die Öffentlichkeit davon erfahren, dass ein führendes Mitglied unserer Partei für diesen Unfall verantwortlich war, können wir unsere Pläne für die nächsten Jahre auf Eis legen. DiesenSkandal überleben wir nicht. Warum musste dieser Trottel betrunken auf die Autobahn und das auch noch entgegen der Fahrtrichtung?“„Ja, aber es muss ihm danach irgendwie gelungen sein die Autobahn an einer Baustelle, nicht weit entfernt vom Unfallort, wieder zu verlassen. Zum Glück hat dort um diese Tageszeit niemand mehr gearbeitet. So gibt es, zumindest im Augenblick, auch keine Zeugen für diesen Vorfall. Und wie gesagt, Sir, bis jetzt ermittelt die Polizei ja noch gegen diesen Rechtsanwalt und...“„Und es wäre gut, wenn es auch so bleiben würde. Zumindest so lange, bis Gras über die ganze Sache gewachsen ist. Ich hoffe, Sie verstehen was ich damit sagen will, Bishop.“„Vollkommen Sir, ich werde mich um alles Notwendige kümmern. Es kann allerdings noch einige Zeit dauern. Sie können aber sicher sein, dass unser Parteimitglied nicht in Verdacht geraten wird.“
Herrington, 27. Oktober, 0:30 Uhr
Mary Webster erhob sich im Bett und atmete schwer. Das Herz bereitete ihr schon seit längerer Zeit Probleme, aber daran lag es dieses Mal nicht.–