Auf kleinen, dicken Pfoten - Ulli Reichmann - E-Book

Auf kleinen, dicken Pfoten E-Book

Ulli Reichmann

0,0

Beschreibung

"Auf kleinen dicken Pfoten" wackelt es daher, gefüllt mit Welpenliebreiz und Hundewissen sowie dem Ziel, seine Leserinnen und Leser von Anfang an auf die Wege zur Freundschaft zu führen. Als dritter Band einer Reihe erschienen, ist es eigentlich der Beginn dieser Reise und begleitet Welpen und ihre Menschen auf bekannt lockere und ein wenig rebellische Art zu gegenseitigem Verständnis und Wohlgefühl. "Der Hund MUSS" werden Sie in diesem Buch nicht finden, dafür aber Erklärungen für sein Verhalten und wie Sie auf höchst angenehme Weise damit umgehen können. Empfohlen für alle, die Lust auf pelzige Freundschaft haben oder diese bereits besitzen. Obwohl für Welpen geschrieben, ist dieses Buch auch bestens dafür geeignet, einem erwachsenen Hund aus dem Tierschutz den Einstieg in die Menschenwelt zu erleichtern.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 175

Veröffentlichungsjahr: 2019

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Lou

- den edelsten aller edlen Ritter

Just Breathe

Yes, I understand that every life must

end, uh-huh

As we sit alone, I know someday we

must go, uh-huh

Oh I‘m a lucky man, to count on both

hands the ones I love

Some folks just have one, yeah, others,

they‘ve got none

Stay with me …

Let‘s just breathe …

Practiced are my sins, never gonna let

me win, uh-huh

Under everything, just another human

being, uh-huh

I don‘t wanna hurt, there‘s so much in

this world to make me bleed

Stay with me

You‘re all I see …

Did I say that I need you?

Did I say that I want you?

Oh, if I didn‘t I‘m a fool you see

No one knows this more than me

As I come clean …

I wonder everyday, as I look upon your

face, uh-huh

Everything you gave

And nothing you would take, oh no

Nothing you would take

Everything you gave …

Did I say that I need you?

Oh, did I say that I want you?

Oh, if I didn‘t I‘m a fool you see

No one knows this more than me

As I come clean, ah …

Nothing you would take

Everything you gave

Hold me ‘till I die

Meet you on the other side …

-Pearl Jam-

Vorwort

Ein Buch über Welpen zu schreiben ist eine knifflige Angelegenheit. Es darf nicht zu dick sein, denn niemand, der einen Welpen daheim hat, hat Zeit und Muße, einen dicken Schmöker durchzuarbeiten und niemand, der sich auf seinen Welpen freut, hat die Geduld dafür. Andererseits müssen aber alle Informationen rein, die für Welpen und ihre Menschen wichtig sind. Am besten noch mit Lösungsvorschlägen, wenn der im Buch geratene Weg nicht funktionieren sollte. Trotzdem wage ich es, denn ich weiß genau, wie ratlos und überfordert man sich angesichts der Bedürfnisse eines vollkommen abhängigen, kleinen Wesens fühlen kann.

Dieses Buch ist der dritte Band einer Reihe, die Ihnen die Wege zur Freundschaft mit Ihrem Hund aufzeigen soll – und wo könnte so ein Weg schöner und einfacher beginnen als am Anfang des Lebens eines Hundes?

Wundern Sie sich also bitte nicht, wenn hier manches so ganz anders empfohlen wird als Sie es vielleicht bisher gehört haben. Wahre Freundschaft entsteht oft fernab von ausgetretenen Pfaden.

Inhalt

Für Lou

Einleitung

Gehirnvernebelung

Bevor der Welpe einzieht

Bestimmter Rassewunsch?

Kein bestimmter Rassewunsch

Sie haben bereits einen oder mehrere Hunde?

Zwei Bitten

Das ersehnte Welpen-Date und der erste gemeinsame Tag

Die erste gemeinsame Nacht

Welpen und Katzen

Welpen und Kinder

Säuglinge

Krabbelkinder

Kleinkinder

Schulkinder

Jugendliche

Welpen und Essen

Welpen und das Lernen

Welpen und Ruhephasen

Häufig gestellte Fragen zu diesem Thema

Welpen und ihre Sprache

Konversationshilfe für die erste Zeit:

Welpen und fremde Menschen

Welpen und fremde Hunde

Möglichst viel Hundekontakt?

Gibt es Welpenschutz?

Mein Welpe will zu allen anderen Hunden?

Was bedeutet es, wenn ein Hund eine gelbe Schleife trägt?

Mein Welpe möchte nicht mit jedem anderen Welpen spielen?

Darf man Welpen hochheben?

Warum heißt es immer „Kein Kontakt an der Leine“?

Soll ich mit meinem Welpen in eine Hundezone gehen?

Stubenreinheit

Häufig gestellte Fragen zu diesem Thema

Welpen und das Alleinbleiben

Einzelwelpen

Welpen im Mehrhundehaushalt

Hundeschule ja oder nein?

Fragen zur Entscheidungsfindung

Worauf würde ich bei der Auswahl achten?

Spazierengehen

Ein richtiger Spaziergang ist so viel mehr …“

Kurzversion für Eilige

Kurzversion zum „Immer wieder Lesen“:

Zum Abschluss

Epilog

Danke

Weitere Bücher der Autorin

Bildnachweis

Einleitung

Welpen sind süß. Welpen sind wohlriechend. Welpen sind weich. Welpen sind unwiderstehlich. Und Welpen sind ANSTRENGEND.

Es ist wohl so wie man es auch über Geburten sagt: Wenn man nicht unmittelbar danach vergessen würde, wie es war, ein Kind zu bekommen, würde wohl kaum jemand je ein zweites kriegen. Trotzdem ist man dann sehr froh, dass man sie hat – immer und in jeder Situation wäre gelogen – aber grundsätzlich ist die Anwesenheit kleiner hilfloser Babys ein ziemlicher Genuss.

Was immer gern verschwiegen wird: Auch die glücklichste Mutter und der glücklichste Welpenziehvater sind manchmal überfordert und hadern mit der Entscheidung, sich die Verantwortung für ein hilfloses Wesen aufgeladen zu haben. Das ist völlig normal und eigentlich sogar gut, denn für unfehlbar halten sich nur Menschen, die nicht über andere Lebewesen nachdenken.

Zweifellos fühlen Sie sich in diesen Momenten der Schwäche nicht gut, aber die Natur hat wie immer bestens dafür gesorgt, dass diese Momente auch schnell wieder vergehen. Nicht ohne Grund sind Welpen und kleine Kinder allerliebst anzusehen und sofern ihre Gesichter nicht gerade durch infernalisches Gebrüll verzerrt sind, nehmen wir das auch so wahr.

Ich habe (nicht nur einmal) in Zeiten heilloser Überforderung angesichts zwar artgerechter, aber dennoch schwer zu ertragender Verhaltensweisen meiner Söhne zu ihnen gesagt (oder geheult): „Gottseidank schaut Ihr wenigstens so lieb aus, weil wenn Ihr schiarch (hochdeutsch: hässlich) auch noch wärt, müsste ich Euch umtauschen!“

Und genauso verhält es sich bei Welpen. Die MÜSSEN so aussehen, wie sie es eben tun, damit niemand, der sich auch nur halbwegs in psychischem Gleichgewicht befindet, ihnen auch bei schwerem Gezerre an seinen Nerven etwas antun kann. Alles an diesen kleinen Wesen ruft: „Kümmere Dich um mich, hab mich lieb, benimm Dich wie ein Idiot wenn Du mich siehst, schwöre unaufgefordert alle Eide, mich zu beschützen, Dein letztes Geld für Hundefutter auszugeben, nur um mich essen zu sehen und krieg augenblicklich das Gefühl, ohne mich nie wieder glücklich zu werden!“

Das hat die Natur wirklich schlau eingefädelt, denn (zumindest bei mir) funktioniert es perfekt.

Ich verfalle angesichts kleiner dicker Pfoten, weicher, rosafarbener Bäuche, abstehender Härchen, tapsiger Bewegungen, neugierig argloser Blicke und besonders der Geräusche, wenn ich mir Welpenschnauzen ans Ohr halte, in eine Art Trancezustand, aus dem ich nur wieder erwachen kann, wenn das begehrte Geschöpf umgehend bei mir einzieht. Natürlich bin ich soweit mit Vernunft ausgestattet, um zu verstehen, dass ich nicht alle haben kann. Aber es ist schwer …

Welpen sind in zweierlei Hinsicht bemerkenswerte Geschöpfe. Einerseits ist ihr Ist-Zustand so bezaubernd, dass man hofft, er möge nie vergehen und andererseits birgt jeder Welpe das Versprechen in sich, ein weiterer großartiger Hund zu werden, der einem Menschen sein Herz rauben und auf ewig als Seelenhund mit ihm verbunden sein wird.

Wie könnte man solchen Wesen widerstehen?

Gehirnvernebelung

Wenn einem die Lust auf ein Hundekind so richtig das Gehirn vernebelt, kann man so einiges falsch machen und sich nicht das Geringste dabei denken.

Meinen ersten eigenen Welpen habe ich genau auf die Art bekommen, die ich mittlerweile aufs Schärfste verurteile. Ehrlich gesagt auch meinen zweiten und dritten – und den vierten auch …

Ich war zwanzig Jahre alt und Mutter eines einjährigen Sohnes, dessen Vater uns kurz zuvor mit den Worten „Ich bin für all das viel zu jung“ verlassen hatte. Seinen Fernseher hat er auch gleich mitgenommen. Wir haben damals im Erdgeschoss gewohnt und ich habe immer noch das Bild vor Augen, wie er mit dem TV-Gerät in seinen Armen an unserem Fenster vorbeimarschiert in eine neue Freiheit.

Als ich meinen Schock überwunden hatte, wuchs die Sehnsucht nach heiler Familienidylle – und mit ihr der Wunsch nach einem Hund.

Ich suchte wie eine Besessene, fragte alle möglichen Leute nach Welpen und wurde schließlich in einer Zeitungsannonce fündig.

„Schäfer-, Collie- und Bernhardinerwelpen. Günstig! Hauszustellung“, war da zu lesen.

„Perfekt!“, dachte ich und orderte umgehend einen Colliewelpen …

Zwei Tage später hielt ich meinen ersten eigenen Hund in den Armen. Lisa sah entzückend aus, aber sie war krank. Sehr krank! Würmer, Durchfall in wässrigster, übelriechendster Form, Appetitlosigkeit, Fieber – lauter Dinge also, die einem so kleinen Körper schnell das Leben rauben können.

Ich erspare Ihnen an dieser Stelle die Einzelheiten.

Lisa hat überlebt, aber sie musste einen hohen Preis für meinen unüberlegten Hundewunsch zahlen.

Ein Jahr später, kurz vor Weihnachten, besuchte ich eine Tierhandlung, um Hundebücher zu kaufen. Mein Vater hatte mir sein obligatorisches Weihnachtsgeschenk in Form eines Tausend-Schilling-Scheines geschickt und ich wollte schon immer die neue Tierhandlung in der nächsten Stadt sehen. Tierhandlungen waren damals völlig neu für mich. Vor dreißig Jahren gab es so etwas auf dem Land einfach nicht und ich hatte schon viel von diesem Wunderladen gehört.

Ich betrat mit meinem neuen Freund das Geschäft, entdeckte das Regal mit den Hundebüchern und wollte schon zielstrebig darauf zusteuern, als ich von einer Bewegung am Boden abgelenkt wurde. Drei Pekinesenwelpen wackelten neugierig und unerschrocken auf uns zu.

Was soll ich sagen? Bei Welpen setzt ohnehin mein Verstand aus und diese drei waren unfassbar! Wollig, wuselig, weich, winzig und erst die Ringelschwänze! Und ich hatte Geld mit!

Ich vergaß in Sekundenbruchteilen, warum ich eigentlich hier war und setzte mich auf den Boden, um mich beklettern, benagen und bewedeln zu lassen. Drei rotbraune Unwiderstehlichkeiten und ich war verloren! Nie im Leben hätte ich das Geschäft verlassen können, ohne einen der drei mitzunehmen.

Meinem zukünftigen Mann ging es ähnlich, denn wir entschieden uns binnen fünf Minuten für den größten, wildesten und selbstbewusstesten der drei. Weitere fünf Minuten später hieß er Jimmy und fuhr mit uns nach Hause.

So sehr ich heute aus gutem Grund gegen Käufe in Tierhandlungen wettere, hatte ich bei Jimmy mehr Glück als Verstand. Er war zeitlebens ein Traum von Hund, stark, gesund, extrem klug, unabhängig, unerschrocken, mit prächtigem Fell und kräftiger, längerer Schnauze ausgestattet.

Jimmy, Lisa und mein Sohn harmonierten perfekt.

Wohl zu perfekt, denn ein Jahr später entdeckte ich eine Zeitungsannonce, in der jemand Pekinesenwelpen zum Verkauf anbot.

Wir fuhren hin, um „nur zu schauen“, und abermals forderte ich mein Schicksal heraus, denn diesmal zog Penelope bei uns ein. Aber ich hatte wieder Glück, denn auch sie entwickelte sich von einem anbetungswürdigen Flauschball zu einer höchst respektablen Persönlichkeit.

Aller „guten“ Dinge sind bei mir aber nicht drei sondern vier, denn um den Unfug an unüberlegten Hundezugängen komplett zu machen, bekam ich von Freunden einige Jahre später einen Hund als Überraschungsgeschenk zum Geburtstag: Eine Staffordshire Bullterrier Hündin! Ich taufte sie „Vicky“.

Man könnte jetzt meinen, dass so viel Dummheit endlich nach Strafe verlangt hätte, aber nein, auch diesmal ist alles gut gegangen. Mein Vickerl war ihr gesamtes, immerhin dreizehn Jahre dauerndes Leben eine Seele von Hund, hat sich mit jedem Lebewesen vertragen und beim Spazierengehen hauptsächlich Interesse an Blumen gezeigt. Allen unwürdigen Rasselisten und -gesetzen zum Trotz war sie bis heute der friedliebendste all meiner Hunde.

Nachdem meine Lisa gestorben war, Jimmy, Penny und Vicky in höchstem Maße erwachsen, problemlos, lieb und konfliktfrei mit uns zusammenlebten und ich eigentlich sehr gerne wieder einen großen Hund gehabt hätte, keimte in mir abermals die Idee, meine Familie um einen Welpen zu erweitern.

Ich machte mich also wieder einmal auf den Weg, Hundebücher zu erwerben. Zu diesem Zweck besuchte ich eine große Hundemesse. Ich kaufte: Ein Buch über Rottweiler, eines über weiße Schäferhunde, über Weimaraner, Rhodesian Ridgebacks, Bullmastiffs und Labrador Retriever.

Wieder zu Hause angekommen, wollte ich nach der Geschenkeverteilung an meine daheim gebliebenen Hunde sofort die erworbenen Schätze sichten.

Zu meiner großen Verwunderung hielt ich plötzlich ein Buch über Border Terrier in meinen Händen. Anscheinend hatte mir die Verkäuferin irrtümlich ein weiteres Buch, das ich gar nicht gekauft hatte, eingepackt.

Ich blätterte es durch und begann zu lesen. Meine Verblüffung wuchs mit jeder Seite. Alles, was dort geschrieben war, gefiel mir. Außerordentlich gut sogar. An einen Border Terrier hatte ich gar nicht gedacht und doch schien jede Zeile zu beweisen, dass das wohl genau die richtigen Hunde für mich wären.

Die anderen Bücher wanderten ungelesen ins Regal und ich rief sofort am nächsten Tag beim Terrierzuchtverband an, um herauszufinden, ob es irgendwo in Österreich Border Terrier Züchter gibt. Es gab welche und einer davon hatte zufällig gerade Welpen …

Die Züchterin wollte meine gesamte Familie samt Hunden sehen und so reisten wir ein paar Tage später zur gegenseitigen Besichtigung nach Oberösterreich.

Die Züchterin führte uns in den Welpenbereich und ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber jedenfalls nicht das, was dann passierte. Die Mutter der Welpen, Eysha, saß auf einem Sessel, um ein wenig Ruhe außerhalb der Reichweite ihres sehr agilen Nachwuchses zu genießen. Sie schaute uns freundlich neugierig an – mir schossen Tränen in die Augen und eine Klammer schloss sich um mein Herz. Ich stammelte mit erstickender Stimme irgendwas wie: „Die, die, die ist ja bezaubernd …!“ und wäre die Mutter das „Angebot“ gewesen, ich hätte sie geschnappt und wäre zum Auto gelaufen. Ihr Blick hat mich einfach mitten ins Herz getroffen und bis heute haben Border Terrier diese Wirkung auf mich. Sie bringen mich zum Weinen und zum Stammeln.

An diesem Tag hatte ich aber die Aufgabe, mir aus einem Gewusel von vier Hündinnen und einem Rüden meinen zukünftigen Hund auszusuchen. Meine Wahl war nach zehn Sekunden abgeschlossen, aber auch meine Söhne hatten ein Mitspracherecht. Als wir uns verabschiedeten und ich einen letzten Blick auf die Welpen warf, hatten sich bereits alle in die Kuschelhöhle zurückgezogen, um unseren Besuch schlafend zu verarbeiten – nur ein Welpe blieb draußen, stellte sich am Gitter des Auslaufs auf und sah mir in die Augen. Wir hatten anscheinend dieselbe Wahl getroffen, meine künftige Seelenschwester und ich.

Zwei lange Wochen später zog „Quendy von der Villa Silva Mark“ bei uns ein.

Jahre später, nach dem Tod meiner beiden unvergesslichen Pekinesen, erfuhr ich von einer Border Terrier Züchterin, dass in einem Wurf Border Terrier in Tschechien wohl einer dabei wäre, der nicht dem Standard entspräche. Die Hündin wäre weder für die Jagd noch für Ausstellungen (und damit auch nicht für die Zucht) geeignet und der Züchter (ein Jäger) würde sie sehr gern loswerden.

Kurze Zeit später schloss ich ein kleines, dickes Hummelchen in meine Arme und versprach ihr, dass sich nie wieder jemand ungestraft über ihr Aussehen lustig machen würde. Ich taufte sie dem Züchter zum Trotz „Shanta“ (das Lakota-Wort für „Jagd“) und nahm sie mit nach Hause.

Schon in der ersten Nacht wurde klar, dass sie zwar durch ihre angeborene Hormonstörung körperlich gehandicapt war, aber ihr Wille, wie so oft bei beeinträchtigten Personen, zeigte keinerlei Gebrechen. Sie suchte sich ihren Menschen (meinen Sohn Franco) selbst aus und erklomm unter Schwierigkeiten sein Bett, um fortan stets dort zu nächtigen. Zeitlebens ist er ihr Lieblingsmensch geblieben.

Die Züchterin, die mir damals von Shanta erzählt hatte, hatte selbst eine von Shantas gesunden Schwestern bei sich aufgenommen und einige Jahre später wurde diese Mutter.

Ich habe zu dieser Zeit in einer Hundeschule gearbeitet und die Züchterin besuchte uns dort mit ihren neun Wochen alten Welpen. An diesem Tag hatte ich meinen Sohn Nicki mit in die Hundeschule genommen und wir kugelten verzückt mit den Welpen im Gras herum. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf und ich sprach den Satz aus, den ich als Kind für mein Leben gern einmal gehört hätte: „Willst du dir einen aussuchen?“

Nicki schaute verblüfft und sagte: „Ja?!?“

An diesem Abend fuhren wir dann mit vier Hunden nach Hause und „Gangster of Magic Melody“ zog bei uns ein. Wir tauften ihn „Lou“ – und obwohl so spontan getroffen, war das eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Lou entwickelte sich von einem bezaubernden Welpen zu einem untadeligen Gentleman und auch bei genauestem Nachdenken fällt mir nichts ein, was er jemals nicht gut gemacht hätte.

Ein Jahr nachdem meine liebe Vicky gestorben war, nahm meine Freundin Sibylle eine offensichtlich ausgesetzte Hündin samt ihren fünf zwei Tage alten Welpen bei sich auf. Sibylle nahm ihre Aufgabe als Pflegemama sehr ernst und gewöhnte die Welpen unter anderem auch ans Autofahren. Bei einem dieser Ausflüge hatte ich die Gelegenheit, die fünf Brüder samt ihrer Mutter kennenzulernen. Diesmal dauerte meine Welpenauswahl genau zwei Sekunden. Ich fischte einen der dickeren Brocken aus dem Gewusel, sagte: „Du heißt Bertie“ und stellte ihn meinen anderen Hunden vor. Keine Einwände – und Bertie kam mit uns nach Hause.

Berties Mutter war weiß mit braunen und grauen Abzeichen, hatte große Stehohren und sah aus wie eine Mischung zwischen Jack Russell Terrier und Corgi, die Welpen waren hingegen gleichmäßig braun, hatten Hängeohren und auch beim besten Willen konnte ich keine Prognose für das künftige Aussehen meines kleinen Bertie treffen. Im Lauf der Zeit wurde dann klar, dass sein Vater wohl ein rotbrauner Dackel gewesen sein musste – und so begann meine Dackelliebe.

Als meine Seelenschwester Quendy in die ewigen Jagdgründe gezogen und ich untröstlich war, ereilte mich ein Notruf aus einem örtlichen Tierheim. Eine schwer verletzte Dackelhündin war dort abgegeben worden und kämpfte in einer Tierklinik ums Überleben.

Nachdem sie halbwegs genesen war, fuhr ich sie besuchen und wie nicht anders zu erwarten, zog sie daraufhin bei uns ein. Ich taufte sie „Vivi“.

Ein Jahr nachdem uns auch mein kleines Hummelchen Shanta verlassen hatte, machte meine liebe Trainerkollegin Moni Urlaub auf einem Bio-Bauernhof. Wir trafen uns zu einem Spaziergang und sie erzählte mir von einem wohl besonders gelungenen Wurf Dackel, der auf diesem Bauernhof lebte. Leider zeigte sie mir auch Fotos …

Eine Woche später fuhr ich mit meiner kleinen Glanzraupe Eddie nach Hause.

Wie Sie sehen können, habe ich ziemlich alles an Möglichkeiten, einen Hund zu erwerben, durch. Allerdings hatte ich bei der Hundeauswahl wirklich mehr Glück als Verstand und ich würde so manches absolut nicht zur Nachahmung empfehlen. Warum, erkläre ich im nächsten Kapitel.

Bevor der Welpe einzieht – Welpenplanung

Wenn Sie unbändige Lust auf ein Hundekind verspüren, gibt es so einiges, was Sie im Vorfeld beachten sollten. Ein ganzes Leben planen kann man ohnehin nicht, aber man kann es sich (und natürlich dem Hund) sehr viel einfacher machen, wenn man, bevor man den Welpen gesehen hat (denn dann setzt der Verstand aus), einige Dinge mit sich selbst klärt und sich dann auch daran hält. Emotional können Sie werden, sobald Sie Ihr Hundekind in den Armen halten. Zuvor sollte die Vernunft regieren.

Ich erkenne es meist am verschwörerischen Lächeln. So wie manche Leute behaupten, zweifelsfrei sagen zu können ob jemand schwanger ist, noch bevor man es sehen kann, weiß ich meistens schon, wenn die Leute mich ansteuern, was als nächstes kommen wird:

„Wir nehmen uns einen Hund … “

„Aah, wie schön! Welcher wird’s denn werden?“

„Ein Welpe!“

„Und welche Rasse?“

Das ist meistens der Moment, wo ich zwischen Hoffen und Bangen schwanke.

Es ist nämlich wirklich erstaunlich, wie zielsicher viele Menschen sich selbstgemachte Probleme ins Haus holen. Nicht weil die Hunde an sich problematisch wären, sondern weil die in sie gesetzten Erwartungen oft völlig daran vorbeigehen, was ein Hund problemlos bewältigen könnte.

Ein Chihuahua zu ganz kleinen Kindern ist meistens Wahnsinn – für den Hund. Ein Australian Shepherd, der schon vor seiner Geburt zu zwanzig verschiedenen Sportarten angemeldet ist. Ein Rottweiler für eine Neunzehnjährige, weil Rottis „halt cool“ sind, eine französische Bulldogge für eine Frau, die „die Atemgeräusche so entzückend findet“, ein Welpe aus einem Animal-Hoarding-Fall für eine Familie mit drei kleinen Kindern. Ein Akita, weil die „so schön sind“.

Ebenso schön wie ein Weimaraner, Cane Corso, Malamute, Kangal …

Gut gefallen mir auch immer die, die einen Shiba wollen, weil der angeblich nicht bellt. Ein Golden Retriever, weil das ja die geborenen Familienhunde sind oder „sich alles gefallen lassen“. Ein Dackel, weil er „klein“ ist, ein Designerdog, weil er nicht haart.

Keiner dieser Hunde ist von sich aus nicht zu empfehlen, mich empören nur die Auswahlkriterien ihrer Interessenten. Ich meine „er bellt nicht“? Oder „er haart nicht“? Oder „er lässt sich alles gefallen“? Oder „er ist schön“? Oder „cool“? Oder „klein“? Oder „arm“? Als wäre alles andere Nebensache.

Ihr Shiba jodelt, singt, heult und kreischt, aber ja, er bellt nicht. Das kann man den Nachbarn dann ja erklären.

Ihr Kangal fühlt sich in Ihrer Hochhauswohnung zum Kotzen, aber dafür ist er wenigstens schön. Das sieht er sicher genauso.

Ihr Designerdog hat Jagdhunde als Ausgangsrassen, das heißt, er wird sich entweder zum Stöberhund oder Apportierer oder auch zum Wasserhund entwickeln. Dafür haart er aber nicht. Immerhin!

„Arm sein“ finde ich auch toll. Leute, die das explizit betonen, erwarten meist ewige Dankbarkeit von ihrem ehemals armen Hund und sind bitter enttäuscht, wenn er Verhaltensweisen entwickelt, die nicht recht zur demütigen Dankbarkeit passen wollen.

Auch der Anspruch an einen Hund, „sich alles gefallen zu lassen“, spricht Bände. Jemand, der das erwartet, wäre für mich ohnehin von der Hundehaltung ausgeschlossen.

Denken Sie, ich übertreibe? Weit gefehlt – was ich hier aufzähle, sind Normalfälle. Der ganz normale Wahnsinn, mit dem Hundetrainer täglich konfrontiert sind.

Im Grunde wünsche ich mir einen Einführungskurs, bevor man sich überhaupt einen Hund nehmen darf. Das wäre fairer, als manche Hunde willkürlich auf eine Liste zu setzen und ihnen das Leben schwer zu machen, weil sie die falschen Menschen angezogen haben.