Auf weißen Wüsten - Helmut Krausser - E-Book

Auf weißen Wüsten E-Book

Helmut Krausser

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Beschreibung

Die besten Gedichte – ausgewählt von Helmut Krausser selbst

Witzig bis barsch, beiläufig bis launisch: Helmut Krausser beherrscht sämtliche Tonlagen – das gilt nicht nur für den Romancier, sondern vor allem für den Lyriker. Veraltet geglaubte Metren wie den Alexandriner belebt er neu, dichtet formstrenge Sonette ebenso wie fast alberne, an Robert Gernhart und H.C. Artmann erinnernde Reime – und schafft so auf wunderbare Weise den Spagat zwischen Tradition und Moderne.

Sattle deinen Nacken, Tod,

der Garten ist gemäht.

Zieh den Anker aus der Zeit.

Fliegen wir, wie abendrot

Ein Rabenflügelschlag verschwindet,

im Horizont, der Raben frisst.

Fliegen wir! Es wurde spät.

Hinaus in die Vergangenheit,

wo eins zu allem findet,

und alles mehr wird, als es ist.

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Seitenzahl: 42

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Inhaltsverzeichnis

AUS: GEDICHTE ’79–’99
Reigen aus unreinen ReimenWiedergutmachungDie Greisin vom LuxembourgInterview
Copyright

AUS: GEDICHTE ’79–’99

Ich bin ein ersoffener venezianischer Karnevalist. Es schneit, und ich treibe in einem der vielen Kanäle, vorbei an schwarzen Palästen, an Mauern und Supermärkten vorbei. Nicht eine Fackelzunge wärmt das Wasser. Ich seh die zerfressenen Pfähle der Stadt. Verspätete Masken huschen durchs Frühgrau, hektisch noch auf der Suche, nach übriggebliebener, umherliegender Liebe. Ich bin ein ersoffener venezianischer Karnevalist.

Reigen aus unreinen Reimen

Poem, verfaßt im Dorngeäst, ein Muschelrest vom Meer, das töst. Gedankenfloß –bin ich’s, bist du’s? Uns unbewußt treibt, mondgeküßt, was war, ins Ist.

Spürst du denn nicht, wie mein Herz auf dich einschlägt? Sangen in deinem Garten heute nicht Amseln, die du nie zuvor gesehn hast? Ich sandte sie dir, mitsamt einer Botschaft – bist du denn taub? Hast du die graue Wolke nicht bemerkt? Sie schwebte über deinem Haus als Zeichen, die ganze Nacht hab ich dafür geraucht. Wie? Was? Du liest keine Wolken? Liebst keine Schläge? Keine Amseln, willst ein Gedicht?

Ich hab an dich gedacht heut nacht. Hab Stunden damit rumgebracht, still an dich heut nacht zu denken. Nicht was du denkst, nein, ganz brav –Wie feine Herren Kognak schwenken,

so rollte ich dich hin und her, so wiegte ich dich sanft in Schlaf, so trug ich dich heut nacht zu Grab in meinem Kopf. Und trank ihn leer. Du liefst mir kalt den Hals hinab.

Wie oft ich meine Schädeldecke warm um dich gewickelt hab, zart, damit ich dich nicht wecke, wenn du zwischen meinen Ohren lagst, verkrümmt und halb erfroren.

Unsre Namen tilgt der Schnee. Jetzt friere ich und steh im Wind, hab jede Spur von dir verloren. Geh einsam durch die Nacht und seh mir Sterne an … Die näher sind.

Wiedergutmachung

Grabräuber gaben zu Protokoll, sie hätten die Pharaonengrüfte geplündert in einer einzigen Nacht, Edelsteine aus den Geschmeiden mit Messern gestemmt, das Gold im Uferfeuer geschmolzen, hölzerne Sarkophage in Brand gesteckt und brennend den Nil nordwärts treiben lassen. Sei sehr schön gewesen, das.

Die Greisin vom Luxembourg

Sie schreitet wie ein ferner Vorfahr, der in ihr spukt und schauen will, durch Gärten, weil sich dort nichts ändert.

Was ist, nimmt sie als Schatten wahr, was war, als Glanz, und lächelt still, berührt arkane Türen, schlendert

mädchenhaft von hier nach dort, tänzelt, dreht sich, immerfort, bevor sie fällt. Und liegen bleibt. In sich gekrümmt wie nie geboren.

Ihr Blick jedoch fliegt auf

zu jeder Wolke, die vorübertreibt, und zieht etwas herab, das weder vorhanden ist, noch ganz verloren.

Vom Winde berauscht sind Bäume und Röcke und fordern mit Hochdruck darunter zu ruhn.

Wenn wer uns belauscht, sind’s neidblasse Böcke, solln still und geduckt das Ihrige tun.

Interview

Muß nüchtern sein und wär so gern dicht wie ein Neutronenstern.

Ein Wort, das Überschrift sein könnte für mein Werk? Nur eins? Bin ich ein Zwerg? Durst. Na gut, das trifft.

Ein Wort, das sich so ganz und gar mit meinem Wesen nicht verträgt? Ich habe lange überlegt –fand keines außer: Minibar.

Ein Wort für alles, was ich noch erreichen möchte? Trunkenheit – wie sie mal war, Makroskop. Magie, die unertrinkbar übers Wasser ging und über Leichen.

Die Leute haben ihre Häute wie Zelte aufgespannt am Strand, und die Frauen werden braun, wie angefressne Äpfel braun.

In seinem kleinen Zimmer steht der Killer, es wird dunkel, er denkt über sein Leben nach. Aufs Waschbecken gestützt, zieht er sich die Socken aus.

Drüber fliegt das geflügelte Herz.

karg. was bleibt. ohne alles ein fluß. man kann darin einen taucher vermuten. kann. muß nicht.

1. Auflage Originalausgabe

Copyright © 2009 by Luchterhand Literaturverlag,

München, ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH Satz: Greiner & Reichel, Köln

eISBN 978-3-641-03356-9

www.luchterhand-literaturverlag.de

www.randomhouse.de

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